Chirurgie


Aderlasslanzette (4)

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Der bis ins frühe 20. Jh. durchgeführte Aderlaß fußte noch ganz auf der antiken Vorstellung von 4 Säften, deren Gleichgewicht wieder herzustellen zu den wichtigsten Aufgaben des Arztes zählte. Besser gesagt: die Ärzte "ließen" das Gleichgewicht wieder herstellen. Denn sie gaben nur den Rat, ihn umsetzen "durften" die örtlichen Bader. Da sich die Bader in Seuchenzeiten allzuleicht an den Kranken und ihrem Blut infizierten, stellten die Städte im 16. Jh. - für teures Geld - für die Zeit der Pest einen sog. "Totenlässl" ein, der die (Tod-)Kranken behandeln und zur Ader lassen sollte.

 

Exponat

Lanzette mit Schildpatt-Heft (Fassung / Schale; frz. châsse) aus dem Hause CHARRIÈRE, welches den europäischen Markt von 1822 bis 1866 belieferte. (Verein Deutscher Ärzte, Universal-Lexicon der practischen Medicin und Chirurgie, Leipzig 1840 S.353). 

 

Seit dem Washingtoner Artenschutz-übereinkommen von 1973 ist der Handel mit Schildpatt (frz. écaille de tortue) verboten.

 

Primär waren diese Lanzetten zum Aderlass gedacht. Als JENNER die Impfung mit Kuhpockenlymphe 1796 einführte, wurde aus diesen Lanzetten auch Impflanzetten. Ob als Aderlassmesser oder als Impfmesser benutzt, wir wissen es nicht.

 

Ein emblematisches Objekt

Die Lanzette wurde zum emblematischen Instrument für den Berufsstand der Chirurgen. So wurde nach ihr zwei große medizinische Zeitschriften benannt:

- am 5. Oktober 1823 erschien die erste Nummer der noch heute topaktuellen englischen Zeitschrift "The Lancet".

- in Paris erschien ab 1828 die "La lancette française, gazette des hôpitaux civils et militaires", die bis 1915 unter dieser Bezeichnung erschien und sich von der Zeit an "Gazette des Hôpitaux" nannte (1972 eingestellt).