Naturmedizin


Zigeunerkräuter

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Als Beitrag zur Ausstellung "Achtung, Zigeuner! Geschichte eines Missverständnisses» im Museum der Stadt Luxemburg (24. März bis 21. Oktober 2007) wollen wir hier kurz einige Aspekte der Heilkunde angehen, die von den Sinti und Roma praktiziert wird.

Sinti und Roma sind zwei nicht sesshafte Volksstämme, die um 900 n.Chr. den nordindischen resp. pakistanischen Raum (Punjab) verlassen haben und nach Persien auswanderten. Die Gründe für den Exodus liegen im Dunkel - vielfach dürften sie als Sklaven exportiert worden sein.
Auch in Persien hielt es sie nicht allzu lange. Sie wanderten (wurden exportiert?) nach Norden ab, überquerten den Balkan und erreichten Deutschland im 15. Jahrhundert. Sie schlugen sich schlecht und recht durch, die Männer als Musiker, Pferdehändler und Kesselschmiede, die Frauen als Tänzerinnen, Wahrsagerinnen und Heilkundige.
In Europa stiessen sie auf Skepsis und Widerstand. Vom böhmischen König Sigismund erhielten sie 1423 einen Freibrief, der ihnen den freien Verkehr in den Ländern der böhmischen Krone gestattete: 1420 tauchen sie in Belgien, 1430 in der Nachbarstadt Metz auf. Das christliche Abendland ging schon bald auf Abstand – liessen sich die "braunen Gesellen" doch weder taufen noch trauen! Man untersagte ihnen ab 1450 das freie Umherstreifen, und versuchte sie – ohne viel Erfolg, in feste Strukturen zu zwängen: die Männer sollten sich in den Armeen der Zeit verdingen, die Frauen einem geregelten Frauenberuf nachgehen. Ein Beleg für den schlechten Ruf der "Zigeuner" ist der Brauch in der westpreußischen Kaschubei, an Johanni Ahornzweige an die Türen und Fenster zu stecken "gegen Hexen und Zigeuner".

Die meisten Länder versuchen, bis heute, die Sinti und Roma einer geregelten Beschäftigung zuzuführen – ein schwieriges Unterfangen. Wenn die Sozialisierung misslingt, stellen sich viele Staaten auf stur und schieben die „Völker der Strasse“ über die Grenzen ab - so Luxemburg. In Österreich wurden die Roma am 16. Dezember 1993 als „Volksgruppe“ anerkannt.

Zur Heilkunde
Zu den medizinischen Spezialitäten der Sinti und Roma – der Begriff des Zigeuners wird von diesen Leuten abgelehnt, wir wollen ihn daher nicht benutzen – zu ihren Spezialitäten gehört das Deuten des Schicksales an Hand der Handlinien.

Hier ein luxemburger Zeitungsbericht von 1908, aus dem die typische (?) Aktivität der Zigeuner erhellt:
"Schwindelmanöver. Über einen Betrugsversuch "fin de siècle" wird aus Pfaffenthal gemeldet, dass eine 40jähr., sich ohne bestimmten Wohnsitz befindliche deutschredende Zigeunerin allda eine kranke Person gesundbeten wollte dadurch, dass sie ihr riet, einen Zeigefinger mit soviel Geld zu umbinden als möglich. Dieses Geld solle die kranke Person ihr alsdann geben, und dann werde sie (die Gesundbeterin) dieses Geld in der Kathedrale opfern. Die Stadtpolizei kam dem plumpen Schwindel auf die Spur und machte dem Weibsbilde einen dicken Strich durch ihre Andacht" (Ardenner Bauer vom 20.5.1908).

Die Heilkunde ist durchdrungen von Magie - Igel sind "rein" [sie wurden, in Lehm eingehüllt, zwischen heißen Steinen gebacken], Hasen dagegen galten als "unrein". Auf Internet wird ein magisches Verfahren gegen Warzen propagiert, das ich mit Vorbehalt hier wiedergebe:
„Bei Vollmond, um Mitternacht, mit frischem gepresstem Saft von Bärlauch (Zigeunerkraut) betupfen. Falls kein frisches Zigeunerkraut zur Hand, den Saft von gepressten Knoblauchzehen verwenden. Die mehrfach benetzten Warzen 3 Minuten lang dem direkten Mondlicht im Freien aussetzen. Während dieser Zeit sich stark darauf konzentrieren, dass die Warze keine Nahrung mehr im Körper findet und absterben muss. Dabei hilft auch der Zauberspruch, den man Kindern vorsagen und sie nachsprechen lassen kann:
Garstige Warze,
verharze!
Troll von mir fort
zu anderm Ort ...
Garstige Warze,
verharze!"

(zit. www.beepworld.de/members54/xxjonnyxx/zigeuner.htm) [aus: Wanja von Hausen, Die geheimen Rezepte der Zigeunermedizin, Verlag Orac, Wien 1987, 191 S in 8°]. Andere Pflanzenrezepte scheinen empirisch, rationell: rumänische Zigeuner verwenden Brennesseltee gegen niedrigen Blutdruck.

Sie werden mit einer Reihe Kräuter in Verbindung gebracht - zumeist hochtoxischen Pflanzen. Ob zu Recht, kann ich nicht entscheiden.
- vor Holundersträuchern ziehen sie traditionnel den Hut und meinen "fälle nie einen Holunderbaum, unter der Wurzel sitzt ein böser Geist, der befreit wird, wenn der Baum geschlagen wird".
- der Beifuss war unerlässlich für ein magieliebendes Volk: die Pflanze schützt Mensch und Vieh gegen Zaubereien aller Art und wird (gegen der wohlriechenden etherischen Öle?) für Liebeszauber verwendet.
- den Zigeuner wurde nachgesagt, beim Diebstahl im Hühnerstall leichtes Spiel gehabt zu haben, weil sie mit dem Rauch von angezündetem Bilsenkraut die Hühner betäubten, so dass sie von der Stange fielen.
- man sagt, daß der Weisse Stechapfel durch die Zigeuner verbreitet worden sei - in Luxemburg heisst die Pflanze "Zigeinerkräut". Sie verwendeten ihn als Zauber- und Orakelkraut, aber auch als Arznei. Die Zauberfrauen der Zigeuner schreiben den Stechapfelsamen heilende Wirkung zu und reiben damit den Körper von Kranken ein. Die Blätter werden als Heilmittel gegen Asthma geraucht…
- auch die Judenkirsche, wurde vermutlich durch Zigeuner oder Juden aus Asien nach Europa eingeschleppt, beides hochgiftige Pflanzen…
- Zigeunerlauch – die wilde Form des Lauches, der Bärlauch – ein Küchengewürz!

Vorgestellt wird eine einheimische Ansichtskarte aus dem Sommer 1901, auf der man eine Gruppe "Bohémiens" sieht, die von luxemburgischen (Links im Bild) und belgischen Grenzwächtern (Mitte des Bildes) unter die Lupe genommen werden [Foto mit mehreren Kollagen: der rechte luxemburgischer Grenzwächter, der grosse Zigeuner, die beiden kleinen Zigeuner rechts vorne im Bild]. Da sie versucht hatten, aus Belgien nach Luxemburg einzuwandern, wurden sie vermutlich nach Belgien abgeschoben....

Lit.:
romani.uni-graz.at/rombase/cgi-bin/art.cgi?src=data/ hist/origin/arrival.de.xml
www.zigeuner.de/sinti_und_roma_seit_600_jahren.htm