Diverses


Spucknapf (08)

 

Wohl am weitesten verbreitet war der «Blaue Heinrich» (es gab ihn in blau, grün, braun und weiss), in unseren Gegenden kurz «Heiri» genannt, ein sterilisierbares Fläschchen aus blauem Glas im Taschenformat. Höhe 10.5 cm. Es wurde 1889 von Dr. Peter DETTWEILER entworfen und auf dem 8. Kongreß für Innere Medizin in Wiesbaden vorgestellt.

Der Armeearzt Peter DETTWEILER (1837-1904) gilt als der Begründer der Ruhe- und Liegekuren bei Tuberkulose. Er war einst Patient bei Dr. Hermann BREHMER gewesen, einem Lungenspezialisten, der ab 1859 eine Heilstätte in Gobersdorf in Schlesien betrieb, und auf den Nutzen von Liegekuren hinwies. DETTWEILER übernahm diese Idee und gründete 1876 das erste Lungensanatorium Deutschlands, die Heilanstalt in Falkenstein am Taunus, deren erster Direktor er wurde (heute Hotel Kempinski, Debusweg)
Dieser DETTWEILER war im Übrigen im April 1896 in Kronberg Mitbegründer einer Volksbibliothek. Die Kaiserin Friedrich stiftete dazu aus ihren eigenen Beständen 100 Bücher als erste Grundlage. Im Laufe der Jahre hat sie immer wieder durch Spenden dafür gesorgt, dass auch neue Bücher gekauft werden konnten.
Fabrikant des "Blauen Heinrich" war die Firma Noelle & Co. in Lüdenscheid, die ihn zum Preis von 1 Mark und 50Pfennig in den Handel brachte. Der Spucknapf wurde in grossen Stückzahlen hergestellt, sodass man heutzutage erstaunt sein muss, in den Medizinhistorischen Museen nur noch einzelne Exemplare als Rarissima vorzufinden. Wahrscheinlich hat man sie nicht geliebt, sie nicht einmal als Andenken aufbewahrt - und schliesslich ist Glas zerbrechlich.

 

Gut erkennt man auf dem Bild den Trichter, der bis zur Mitte des Glases hinabreicht und verhindern sollte, dass Sputum wieder aus dem Fläschchen herausliefe, wenn sich der Verschluss einmal versehentlich in der Hosentasche öffnen sollte.

 

Auch in franzôsischen Sanatorien wurde dieser "Heinrich" benutzt "crachoir de poche en usage dans les sanatoria populaires. Chaque malade reçoit un crachoir de poche dont il est tenu de faire usage, sous peine de se voir rimmédiatement renvoyé" (zit. Illustrierte Geschichte der Medizin, Andreas Verlag 1992 s. 2750);

 

Die kleinen Fläschchen waren ein durchaus gebräuchlicher Anblick in den Straßen oder auf Bahnfahrten ...

 

Das hier vorgestellte Modell (ohne die "klassische" Aufschrift Dr. Dettweiler) wurde aus Südfrankreich (Cabasse) reimportiert. Ein amüsantes Detail: das Wort Kobalt stammt aus dem Mittelalter, als man an Kobolde in den Bergwerken glaubte, an kleine Bösewichte. Aus dem bösen Kobold wurde Kobalt, das giftige Mineral. Im Falle des Spuckglases wurden die Bösen Geister im Glase eingesperrt…

 

Kobalt ist für die menschliche Ernährung ein essentielles Spurenelement als Bestandteil von Vitamin B12 (Cobalamin), welches beim gesunden Menschen von den Darmbakterien direkt aus Kobalt-Ionen gebildet werden kann. Während kleine Überdosen von Co-Verbindungen für den Menschen nur wenig giftig sind, führen größere Überdosen (ab etwa 25-30 Milligramm pro Tag) zu Haut-, Lungen-, Magenerkrankungen, Leber-, Herz-, Nierenschäden und Krebsgeschwüren. Als man in Kanada noch Biere zur Schaumstabilisierung mit Kobalt anreicherte, stieg die Mortalitätsrate bei starken Biertrinkern auf annähernd 50 % an - bedingt durch Herzmuskelschwäche ("kanadisches Biertrinkerherz").

 

Ein Wort zum Namen

Man ist sich insgesamt uneinig über die Entstehung des Namens. Laut "Wörterbuch der deutschen Umgangssprache" stammt der Begriff "Blauer Heinrich" ursprünglich aus der Zeit von König Friedrich Wilhelm I. von Preußen, dessen Armendirektor Heinrich hiess. Während dessen Amtszeit wurden an die Armen sehr dünne Suppen verteilt, die den Namen "Blauer Heinrich" erhielt - blau wie die Farbe des Himmels resp. der blaue Dunst des Tabaks, Heinrich wie der Direktor. Möglicherweise ist der Spucknapf eine Anspielung an diese Blechschüssel und die darin enthaltene (ekelhafte) Suppe, die zum Spucken anregte.