Antike Medizin


Silphium, griechisch-römisches Kontrazeptivum

Münze Kyrenaika 200-100 v.Chr. 

Im Altertum war die Kyrenaika von Berberstämmen, den Libyern, besiedelt, die mehrmals Ägypten angriffen und im 10. Jahrhundert v. Chr. sogar die Herrschaft über Ägypten errangen. Odyssos soll hier mit seinen Kumpanen gestrandet sein. Der berühmte Geschichtsschreiber Herodot (ca. 480-420 v. Chr.) berichtet, wie sich die Bürger von Thera daran erinnern, was die Gründung ihrer Kolonie Kyrene in Libyen veranlasste. Aus diesen Griechenkolonien entwickelten sich bedeutende Städte: Kyrene wurde als griechische Kolonie von Alt-Thera auf der Kykladeninsel Santorin gegründet, und wie überliefert, um 630 v. Chr. von Aristoteles von Thera regiert. Bald legten die griechischen Kyrener Sekundärniederlassungen in Barke, Euhesperides und Taucheira an und prägten mit ihrer griechischen Kultur fast 1200 Jahre lang das Erscheinungsbild dieser Gegend. Nachdem sich Kyrene unter den Battiaden erfolgreich gegen die persischen Achämeniden behauptet hatte, wurde die Monarchie 440 v. Chr. gestürzt. Mit den libyschen Bewohnern der Gegend vereinigte sich Kyrene zu einem Staatenbund, an dessen Spitze ein König (Battos) stand.
Die Kyrenaika wurde im 4. Jahrhundert v. Chr. Teil des Ptolemäerreiches. Nach dem Sturz des Perserreichs wieder unabhängig, gründeten die Kyrenäer unter dem Schutz der ägyptischen Ptolemäer 321 einen Bund von fünf Staaten. 117 ward Kyrenaika zu einem Königreich unter einem jüngern Zweige der Ptolemäischen Königsfamilie umgewandelt. 96 v. Chr. als Cyrenaica unter die Herrschaft Roms und durde 74 v. Chr. römische Provinz.

Das Land war ungemein fruchtbar u. brachte Öl, Feigen, Datteln, Mandeln, Wein, Gurken, Trüffeln, Weizen, wohlriechende Blumen; ferner Vieh, bes. Pferde, Strauße, Bienen, aber auch verheerende Heuschrecken im Überfluß hervor. Zu den klassischen Exportartikeln aber gehörte seit dem 6. Jahrhundert v.Chr. die Gewürz- und Heilpflanze Silphium.

 

SILPHIUM

Silphium (ital. silfio) wuchs einzig in der Kyrenaika, in einem Landgürtel, der 30 Meilen vom Meer entfernt begann, 30 Meilen ins Land hineinreichte und 250 Meilen lang war. Silphium wuchs ausschließlich auf diesem Gürtel, seit, gemäß griechischen Schriftstellern, im Jahre 617 v.Chr. der Boden in der Gegend der Gärten der Hesperiden und der Grossen Syrte plötzlich von einem pechschwarzen Regen durchnässt wurde. Die Wirkung dieses Regens soll sich über 4000 Stadien erstreckt haben. Das Silphium ließ sich trotz mehrerer Versuche andernorts nicht kultivieren, es blieb endemisch in Kyrenaika.
Die Wurzel sei mehr als ellenlang gewesen, und knapp über der Erde habe sich eine Knolle befunden. Diese Knolle soll, wenn man sie anschnitt, einen milchigen Saft abgesondert haben, der sich leicht in Speichel löste. Der Stengel, der darüber wuchs, wurde "magydaris" genannt. Die Blätter des Silphium, die gleichzeitig auch seine Samen waren (?), fielen jeweils beim Frühaufgang des Hundssterns - Mitte bis Ende Sommer - ab. Das Blattwerk galt in der römischen Küche als Gewürz. Innerhalb eines Jahres sei die Pflanze ausgewachsen gewesen. Herzförmige Frucht "phyllon".

Aus den gelben Blütenblättern wurde Parfum hergestellt, die Blätter dienten als Küchengewürz. Wie die Blätter der Pflanze schmeckten, können wir leider nicht sagen; nach ihrem Aussterben wurde Silphion durch den persischen Asant oder Stinkasant ersetzt, der heute als Charaktergewürz Indiens gilt und ein lauchartiges, in hoher Dosis leicht penetrantes Aroma aufweist. In der modernen Wiedergabe antiker Rezepte wird Silphion meist kommentarlos mit dem Stinkasant gleichgesetzt.

 

Mediziner aber schätzten das Harz, das man durch Anritzen aus der Wurzel oder dem Stengel gewann, das "opos". Im Altgriechischen bezeichnete das Wort "opos" jeglichen Pflanzensaft - und findet sich übrigens im Wort "Opium" wieder. Dieser aus den Wurzeln gewonnene "opos" war das besondere Heilmittel. Die Gewinnung des "opos" erfolgte ähnlich wie heute noch bei Asa foetida, indem die kräftige Wurzel in Scheiben geschnitten wurde und der austretende gummiharzhaltige Milchsaft nach dem Trocknen abgeschabt, gesammelt, geknetet und für den Export verpackt wurde.

"En médecine, ses usages étaient multiples. Il pouvait détruire les cors, laver les plaies, les piqûres de scorpion, les morsures de chien, il soignait les ulcères, il détruisait les poisons, traitait les hémorroïdes. En usage interne, il était antispasmodique, traitait la goutte, la jaunisse, la toux, les angines, les migraines, ... Il était aussi utilisé comme moyen de contraception".


Silphium-Saft wurde in unterschiedlichen Zusammensetzungen und Zubereitungen verwendet, unter anderem als Haarwuchsmittel, Lepramittel, bei Husten, Sodbrennen, Fieber, Verdauungsstörungen, Vergifungen, Epilepsie und Schmerzen. Lokal wurde er auf Hühneraugen und andere Verwachsungen appliziert und brannte sie weg (cf. "Wolfsmilch" Euphorbium). Bei Frauen brachte er die Menstruation in Gang und half, die Nachgeburt auszustossen. Silphium-Saft galt als ein natürliches Verhütungsmittel, vermutlich wegen eines östrogenähnlichen pflanzlichen Wirkstoffes, einem Phytooestrogen. Zu diesem Zweck benutzte man ein Getränk aus den Blättern der Pflanze, in Wein aufgelöstes "opos" oder mit Saft getränkte Scheidenzäpfchen ...

 

SORANUS von Ephesus, der unter den Kaisern Trajan (98 - 117) und Hadrian (117 - 138) in Rom praktizierte, empfahl den Frauen wecks Schwangerschaftsverhütung jeden Monat den aus einem erbsgrossen "Opos"-kügelchen zubereiteten Saft zu trinken: woher er das "Opos" bezog ist schleierhaft, galt die Pflanze zu diesem Zeitpunkt doch schon als ausgestorben ... Offensichtlich arbeitete er mit einem "Ersatz", der aus Stinkasant hergestellt und aus Persien und Armenien nach Rom importiert wurde. Neuzeitliche Untersuchunegn haben gezeigt, dass Pflanzen der gleichen Familie (asa foetida) als zuverlässige Nidationshemmer sprich als "Pille danach" agieren, indem sie die Progesteronproduktion blockieren.
DIOSCORIDES (40-90 n.Chr.) und GALEN (129-199 n.Chr.) empfahlen als Antikonzeptivum den Granatapfel. Man weiß heute, daß sich in den Kernen des Granatapfels Östrogen in hohen Konzentrationen befindet. All diese Mittel erklären, wieso es die Römer in den ersten 5 Jahrhunderten unserer Zeitrechnung schafften, ihre Familie auf 1-2 Kinder zu begrenzen …



Zu Beginn war das Silphium demnach eine eher von Frauen benutzte und kontrollierte Medizin. Die Nachfrage nach dem Silphium stieg allmählich ins Unermessliche, und schließlich wurde es sogar mit Silberdenaren aufgewogen. Aufgrund der großen Nachfrage wurde das Silphium übererntet. Aus Geldgier ließen die Pächter des Landes, auf dem das Silphium wuchs, ihr Vieh darauf weiden, um die Bestände zu verknappen und so den Preis in die Höhe zu treiben. Durch den Klimawandel wurde das Gebiet, in dem das Silphium wuchs, zunehmend zur Wüste. Welcher dieser Gründe ausschlaggebend war, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass das Kraut schliesslich ausstarb: das letzte gefundene Silphiumpflänzchen soll an Kaiser Nero geschickt worden sein, der bekanntlich von 54-68 n. Chr. Kaiser war.

 

Die einstige Bedeutung des Silphium für die kyrenäische Wirtschaft lässt sich daran ablesen, dass das Silphium oder Teile davon auf fast allen kyrenäischen Münzen abgebildet war. Ausgestellt wird eine 14 mm grosse, 3.1 g schwere, bronzene Münze aus Kyrene, mit beidseitig (!) einer Silphiumpflanze - eine Münze (Fehlprägung?) aus der Zeit des unabhängigen Königreiches, da während der römischen Besatzung des Landes der klassische Provinzialstyl mit avers dem Kaiserprofil vorherrschte. Der Erhaltungszustand der hier vorgestellten Münze ist leider erbärmlich. Dennoch ziehe ich ein schlechtes Original einer pikfeinen Fälschung vor: zum besseren Erkennen der Pflanze darunter die Skizze einer guterhaltenen Münze mit Kaiserkopf und Silphium.

 

Herkunft der Münze: Privatsammlung in Issaquah, Washington District, USA.

 

Lit.:

André Laronde, Le silphium sur les monnaies de Cyrène, in Bacchielli, Lidiano and Margherita Bonanno Aravantinos (ed.) Scritti di Antichità in memoria di Sandro Stucchi vol. I, Studi Miscellanei . 29. Roma (1996), pp. 157-168, illus.