Antike


Römischer Schröpfkopf

 

 

Ärzte in Mesopotamien, Aegypten, Griechenland kannten sich sowohl mit der blutigen als auch der unblutigen Methode des Schröpfen aus …

 

Vorgriechisch

Die Antike kannte den Blutegel als Parasiten von Pferden (im Alten Testament wird der Rossegel in Spr 30,15 erwähnt). Mit der Saugglocke wird dieser Parasit "nachgespielt". "Auf dem Siegel des mesopotamischen Arztes Urlagaledinu von 3300 v. Chr. sind drei Schröpfköpfe abgebildet. Sein Sklave wird in der zugehörigen Aufschrift als Schröpfkopf- setzer und Pflasterleger (sic) erwähnt" (Jürgen Fege, Ärzteblatt Sachsen 6/2012 S.256-258). Papyrus Ebers erwähnt diese blutige Technik 1550 v.Chr. Wer sein Blut nicht hergeben wollte und dennoch eine "Umstimmung" seiner Säfte wünschte, der rief den "Mann mit dem Schröpfglas". HERODOT schrieb 413 v.Chr., dass schon die "alten" Aegypter sowohl die nasse als auch die trockene Formen des Aderlasses praktizierten.

 

Griechisch

Schon die erste Darstellung eines Arztbesuches, die 1914 dem Musée d'Orsay vom jüdischen Bankier Joanny Peytel (1844-1924) geschenkte Parfumflasche "aryballe Peytel" – seit 1918 Eigentum des Louvre - zeigt eine solche Glocke. Bei den alten Griechen trug der Schröpfkopf den verniedlichenden Namen "sikuos" d.h. Kürbis; auch die Römer nannten sie "Cucurbitula", d.h. „kleiner Kürbis“. Einen Schnepper kannten die Griechen und Römer offensichtlich noch nicht. Man schätzte und benutzte das Schröpfgefäss so sehr, dass es zum Symbol der Ärzteschaft wurde: es taucht auf griechischen Grabreliefs des frühen 5. Jahrhunderts v. Chr. als Symbol für diesen Berufsstand auf.

 

Römisch

Den Römern war dieses Utensil zunächst ein Graus – und als die ersten Griechenärzte damit in Rom ankamen, schwappte ihnen eine Welle der Fremdenfeindlichkeit entgegen. Die Feindlichkeit wich bald einer wahren Liebe für die Medizin der Griechen. In der sog. "Schule von Alexandria" lernten Jahre später die angehenden Ärzte des römischen Reiches die Schröpfköpfe kennen. GALEN wetterte gegen ERASISTRATUS, der die Saugglocke angeblich zu selten benutze … Rechtzeitig auf die Bisswunde aufgesetzt, konnte der Schröpfkopf vor der Tollwut schützen: "Man soll den frischen Biß ausbrennen und, wenn möglich, einen Schröpfkopf darauf befestigen" (Stefan Winkle, Die Tollwut im Altertum; zit. anonymus, in: 9. Brief aus einer fingierten Schriftensammlung, die unter dem Namen "Briefe des Hippokrates" bekannt wurde und zum Teil eine Korrespondenz mit Demokritos vorzutäuschen versucht). Fast das gleiche hatte bereits Cornelius CELSUS, Sekretär des Kaisers Tiberius, empfohlen, der sich als praktischer Römer in seinem Buch nur auf die Behandlung beschränkte. Ähnlich wie beim Schlangenbiß soll auch aus den durch Hundebiß verursachten Wunden das "Gift (lateinisch: "Virus") durch einen Schröpfkopf ausgesaugt" und möglichst "auch noch mit glühendem Eisen ausgebrannt" werden. CELSUS wiederholt, dass es beide Formen des Aderlasses gebe. Bei ORIBASE finden wir im Buch VII 3 Zitate über Schröpfen: GALEN (Cels. II, 113; Gal. tom. XI S: 320-321), ANTYLLUS (Hippocr. De med. S. 20) und HERODOT (Gal. tom. XI S: 321). Das Schröpfen war der kleine Bruder des Aderlasses und wurde vorzugsweise bei schwachen Patienten oder bei lokalen Behandlungen eingesetzt. Der Indikationskatalog war gross: Epilepsie, Lähmung, Kopfschmerz, Lungenentzündung, Durchfall, aber auch zum Säubern von Wunden, die durch den Biss giftiger Schlangen oder tollwütiger Hunde zugefügt wurden (De medicina libri II-V). Um einen heftigen, tief in den Körper reichenden Sog zu erreichen, benutzte man Glocken mit einem engen Hals, Glocken mit weitem Hals saugten sachter, oberflächlicher. Die Handhabung des Schröpfkopfes war recht einfach: Zunächst wurde die Mündung über eine Flamme gehalten oder kurz über ein Öllämpchen gehalten. War das Innere ausreichend erhitzt, so drückte man die Öffnung auf die zu behandelnde Körperpartie. 

 

Spätrömische Schröpfbecher aus Glas wurden als Reliquienbehälter von der jungen – aber armen, christlichen Glaubensgemeinde weiterverwertet. 

 

Römische Saugbecher aus Bronze finden sich in mehreren europäischen Museen ausgestellt. Sie stammen aus sog. "Arztgräbern" und stellen als "pars pro toto" die Gesamtheit der Instrumente des Arztes dar. Sie haben allesamt  eine schlanke Pilzform - das runde Oberteil ist scharf vom Hals abgetrennt und kann einen Ring zum Aufhängen besitzen. Exponate:

- im Science Museum in London "This bronze cupping vessel is from Pompeii, Italy".

- im Wellcome Historical Medical Museum

- Ventouse en bronze recueillie à Martigny (Suisse). Cliché service Archéologique et Fondation Pierre Gianadda, Musée archéologique

- im Museum von Bingen, wo 3 Schröpfköpfe aus dem berühmten lokalen Arztgrab ausgestellt sind,

- das "Kurpfälzische Museum Heidelberg" zeigt 2, aus dünnem Bronzeblech getriebene Glocken, die 1964 bei der Ausgrabung des römischen Gräberfeldes von Heidelberg-Neuenheim ans Licht gekommen waren und zum Inventar eines Arztgrabes aus der ersten Hälfte des 2. Jh.n.Chr. gehören.

 

Exponat

Als besonders "vitrinefähig" stellen wir einen "römischen" Schröpfkopf unbekannter Provenienz vor, erstanden in einem kanadischen Antikladen in Ottawa/Ontario (Certificate of Authenticity) - der Vorbesitzer hatte es in den frühen 60er Jahren in New York erworben. Typischer glockenförmigen Gefäßkörper mit deutlich abgesetztem Hals. Höhe 8.3 cm. Der Rand ist abgerundet, oft auch flach nach außen zurückgebogen. Damit wird ein schmerzhafter Druck des Randes auf die Haut vermieden und eine gute Abdichtung erreicht. Ob echt oder Fälschung, wagen wir nicht zu entscheiden – fragt man Herrn Künzl, braucht man auf die Antwort nicht warten um zu wissen, dass er unecht ist! Wie dem auch sei, das Objekt regt zur Diskussion an über die medizinische Praxis vor 2000 Jahren.