Anästhesie


Chloroform, Transportflasche

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Vierkantflasche 

 

 

Chloroform wurde im Jahre 1831 unabhängig voneinander von Justus von Liebig und Eugène Soubeiran hergestellt. Nachdem seine narkotisierende Wirkung schon im Jahre 1842 durch den britischen Arzt Robert Mortimer Glover und 1847 durch den französischen Physiologen Marie Jean Pierre Flourens sowie den schottischen Geburtshelfer James Young Simpson erkannt worden war, war es das Verdienst des Letzteren, Chloroform ein Jahr darauf in die ärztliche Praxis einzuführen und unzähligen Patienten Operationsschmerzen zu ersparen (Text Wikipedia). Chloroform war lange Zeit ein wichtiges Narkosemittel. Die von ihm ausgehende Gefahr (gesundheitsschädigend) wurde viele Jahre unterschätzt.

Chloroform zersetzt sich beim Einwirken von Sonnenlicht und Luftsauerstoff zu Chlorwasserstoff und dem äußerst giftigem Phosgen - daher die Aufbewahrung in braunen Flaschen und wird möglichst in Dunkelheit gelagert. Ausserdem setzt man der Flüssigkeit etwas Ethanol als Stabilisator zu (1%ige Lösung), da dieser evtl. entstehendes Phosgen unter Bildung von Kohlen- und Chlorameisensäureestern beseitigt


Lektüre
"Niemand in der feinen Gesellschaft Edinburghs lässt sich 1847 die Einladung zu einer Dinnerparty bei James Young Simpson entgehen. Der beliebte und vielseitig gebildete Arzt weiß seine Gäste stets durch naturwissenschaftliche Kabinettstückchen zu unterhalten. Besonders begehrt ist ein kleines braunes Fläschchen mit einer Substanz, die der deutsche Chemiker Justus Liebig 16 Jahre zuvor erstmals hergestellt hat: Chloroform. Immer wieder macht das Fläschchen die Runde und jeder, der daran riecht, sinkt zur Gaudi der Anderen schlafend auf dem Teppich nieder. So erstaunt es nicht weiter, dass der Gynäkologe schließlich auf die Idee kommt, die wundersame Partydroge in seinem Kreißsaal auf ihre Wirksamkeit als Narkosemittel zu testen.
Simpson konstruiert daraufhin ein mit Stoff bespanntes Drahtgestell. Am 9. November 1847 stülpt er die Maske erstmals einer werdenden Mutter über Mund und Nase, beträufelt sie mit Chloroform und entbindet die völlig narkotisierte Frau absolut schmerzfrei von einem gesunden Kind. Trotz des durchschlagenden Erfolgs muss Simpson jahrelang für die Verbreitung seiner Entdeckung kämpfen. Vor allem die anglikanische Kirche wettert gegen die vermeintliche Missachtung des göttlichen Willens. In den Qualen der Geburt sehen die Kleriker die gerechte Strafe für Evas Sündenfall. Der Durchbruch gelingt Simpson sechs Jahre später, als Königin Victoria, Oberhaupt der englischen Staatskirche, ihr achtes Kind unter einer Chloroform-Vollnarkose zur Welt bringt. Es dauert aber noch einmal Jahrzehnte, bis die schmerzfreie Geburt "à la reine" (nach Art der Königin) nicht nur den Damen der Upperclass zugute kommt, sondern weltweit die Geburtshilfe revolutionieren kann"
(WDR, Sendung am 09. November 2007 - Vor 160 Jahren: Erste Entbindung mit Chloroform-Narkose).

"Marienbad, 9. Juni. (Priv.) In eine Apotheke kam gestern ein Kurgast und bestellte eine Arznei. In einem unüberwachten Augen  blick trank er aus einer Apothekerflasche Chloroform und starb auf der Stelle. Es handelt sich um den 32jährigen in Deutschland ansässigen griechischen Kaufmann Michael Vlachos" (Innsbrucker Nachrichten, 9. Juni 1932) ...


Unfälle mit Chloroform waren durchaus keine Seltenheit (tödliche Herzrhytmusstörungen, Leberversagen). Dennoch verdrängte das angenehm süss riechende Chloroform in einer ersten Phase Aether vielerorts als Narkosemittel. Es verschwand erst nach dem 2. Weltkrieg aus den Operationssälen, als modernere Mittel zur Verfügung standen. Schon 1936 lesen wir von Evipan-Narkosen:
"Nachweisbar wurden in meiner Zahnpraxis über 400 Narkosen von einem Luxemburger prakt. Arzt ausgeführt. (Evipan und Aethernarkose) bei Zahnoperationen. Zahnziehen. Goldplomben, Knippstahlgebisse. Dentist Syré -Thinnes, Wasserbilligerbrück, Villa zur schönen Aussicht. Ruf 238. Nur neben Gastwirtschaft Reinig. Achtet auf den Namen. Zu allen deutschen Krankenkassen zugelassen. 22 Jahre selbständig, 8 Jahre auf der Brücke. Sprechstunden täglich bis 7 Uhr, Sonntags bis 4 Uhr "(Luxemburger Wort vom 1.3.1936). Dabei war Evipan erst 1932 in den Handel gekommen!

Fortschrittliche Mittel bei den einen, konservative Narkosen bei andern: noch 1975 führte der angesehene luxemburger Arzt Emil GRETSCH (1908-2004) in der Maternité Gr-D. Charlotte "narcoses à la reine" durch ...

Exponat

Wir zeigen hier eine 19,0 x 8,5 cm grosse, viereckige, braune Chloroform-Flasche aus dem frühen 20. Jahrhundert, erworben auf einem Strassenmarkt in Remich/Mosel am 15.8.2012. Deutlich seltener als runde sind solche Vierkantflaschen.