Chirurgie


Kauter (1)

Brenneisen, um 1800 

Zu den ältesten Problemen der Chirurgen gehört die Blutstillung. Bei diffusen Blutungen wurden vermutlich in der Frühphase adstringierende Pflanzen aufgelegt (Eichenrinde, Erdbeerwurzel etc) oder Mineralien (Alaun). Bei heftigen Blutungen wurde das spritzende Gefäss komprimiert. Schon 3000 v.Chr. kannten die Aegypter das Brenneisen ... Neben solch praktischen Massnahmen spielte bis ins 19. Jahrhundert die Anwendung von Magie eine Rolle: "Man sagt einen Spruch aus der Bibel leise vor sich hin, und bekreuzt dreimal die blutende Stelle mit dem Zeigefinger" (Georg Friedrich Most, Encyklopädie der Volksmedizin, 1843 S. 90).

Im 10. Jh. begannen die Araber, das Brenneisen in der psychiatrischen Therapie einzusetzen: bei Epilepsie, Melancholie und Kopfschmerzen (Brennpunkte am Schädel).

Die meisten Chirurgen besassen seit jeher Brenneisen in ihrem Instrumentarium – die unterschiedlichsten Formen waren in Gebrauch – und brannten damit Hämorrhoiden, blutende Wunden, Amputationsstümpfe etc. aus. Man erinnere sich an den Widerwillen, den Ambroise PARE empfand, die Soldaten zu brennen – er ersetzte das glühende Eisen durch Öl mit Zusatz von Eigelb.

Etwas verwunderlich ist das Brennen bei Zahnschmerzen (Brennpunkte in der Mundhöhle), bei Rippenfellentzündung, Wassersucht (Brennpunkte am Leib).

Vielfach wurde auch mit diesen Eisen geschnitten (Italien des Mittelalters).

In manchen Gegenden Deutschlands pflegte man die Irrsinnigen mit glühendem Eisen zu brennen, ihnen ein sog. „Brandsiegel“ aufzudrücken. Man hoffte, auf diese Weise, den Krankheitsdämon herauszubrennen, oder, wie andere meinten, ein Loch zu schaffen, durch das man ihn hinausjagen konnte. Zu den Indikationen der Kauterisation siehe auch den Beitrag PAQUELIN (1)

Das hier vorgestellte Set stammt vom Trödelmarkt in Metz-Grigy, es befand sich in einem Ensemble von humanmedizinischen, insbes. gynäkologischen Instrumenten – dies um den Verdacht auszuräumen, dass es sich um veterinärmedizinische Instrumente handeln könnte. Neun Eisen, die in einen Wechselgriff eingeklickt werden konnte: während das eine Eisen im Einsatz war, wurde das nächste bereits im Kohlefeuer zur Rotglut gebracht. Der Name des Hersteller ist in zwei der Eisen graviert: BOURDEAUX. „Bourdeaux l’ainé“ war Instrumentenbauer in Montpellier.

Als der Engländer Percivall POTT (1714-1788) – der gleiche, nach dem der „morbus POTT“, d.h. die Wirbeltuberkulose benannt ist, – als dieser auf die Eisen verzichtete, war dies der Anstoss zum allgemeinen Verlassen der Methode. Dafür kamen nun die Thermo- und Elektrokoagulationsgeräte in Mode sowie die Ätzstifte.

Der Franzose bezeichnete die runden Eisenspitzen als "boutons de feu". Im Volkstum lebt die Methode fort, z.B. im Sprichwort: "C’est un cautère sur une jambe de bois" , d.h. da brennst du ein Holzbein, um zu sagen, dass dieses Medikament nichts auzurichten vermag!

Lit.:

  • Walter von Brunn: Zur Geschichte der Blutstillung, Die medizinische Welt 9 (1935), S. 107f.
  • E. F. Heeger: Zur Geschichte der Blutstillung im Altertum und Mittelalter, Wiener klinische Wochenschrift (1910), S. 1006-1008 und 1079-1080.
  • Michael Sachs, Geschichte der operativen Chirurgie, Bd. I: Historische Entwicklung chirurgischer Operationen, Kaden Verlag Heidelberg, 2000.
  • Michael Schlathölter, Geschichte der Theorie und Praxis der Wundheilung und Wundbehandlung unter besonderer Berücksichtigung des 19. und 20. Jahrhunderts, Münster 2005