Chirurgie


Krankentransport, 1921

HADIR Differdingen 

 


Die Berner Kliniken verfügten schon 1830 über einen Reisewagen für den Transport von Inselpatienten in die aargauischen Bäder. Ab 1870 wurden in Bonn bei Christian MIESEN Reisewagen in GrossSerie hergestellt, bald darauf serienmässig die ersten Sanitätswagen für Pferdebespannung. 1899 ersetzte die "Frankfurter Freiwillige RettungsGesellschaft" ihre fahrbaren Tragen durch Pferde- kutschen. Andere Städte zögerten: eine Stadt wie Bielefeld schaffte erst 1907 einen ersten pferdebespannten Krankenwagen an.

 

1903 scheint sich die Stadt Luxemburg erstmals um eine öffentliche Regelung des Transportes von Kranken und Verletzten bemüht zu haben und Kostenvoranschläge eingeholt zu haben. Im Stadtrat wurde zu Beginn des Jahres 1903 (Samstag 17.1.1903) über das Thema beraten. Im Sommer 1903 wurde ein Kredit bewilligt:

„Luxemburg, den 30. Juni. Gemeinderatssitzung vom Samstag. Vor Eintritt in die Tagesordnung votiert der Gemeinderat auf Antrag des Hrn. Probst einen Kredit von 1250 Franken für Anschaffung eines Ambulanzwagens“ (Obermoselzeitung vom 30.6.1903).

 

1905 stand der Wagen zur Verfügung:

"Tod durch Schlagfluss. Der ca. 65 Jahre alte Nik. Steffen, Arbeiter in der Handschuhfabrik Alb. Reinhard / Stadtgrund, wurde gestern Nachmittag gegen 2 Uhr in der Fabrik während der Arbeit vom Schlage gerührt und blieb zur Stelle todt. Die Leiche wurde sofort im Krankenwagen nach seiner Wohnung gebracht" (Ardenner Bauer vom 15.7.1905).

 

Aus einer Kostenabrechnung aus dem Jahre 1914 darf man schliessen, dass diese Ambulanz schon vor dem 1. Weltkrieg mit Gummireifen ausgestattet war:

13.6.1914: "voté d'un crédit de frs 1050.- pour le remplacement des bandages usés en caoutchouc des roues de derrière de la voiture d'ambulance" (Conseil fol 30 r).

Zu Beginn des 1. Weltkrieges steckte die Motorisierung auch bei der Armee noch in den Kinderschuhen - die Sanitätsdienste sowohl des deutschen als auch des französischen Heeres zogen zunächst mit Pferd und Wagen ins Feld.

 

Die Hüttenwerke im Süden des Landes verfügten früh über Krankenwagen - Pferdedroschken, um ihre verletzten Arbeiter zu den Werksspitälern zu karren. Von Differdingen ging die Reise prinzipiell nach Niedercorn zum HADIR-Werksspital. Laut einer mündlichen Überlieferung litt der erste in diesem Wagen transportierte Patient an einem perforierten Blinddarm:

« Differdingen, 21. Juli. Mit dem Ambulanzwagen wurde er gleich ins Hospital geschafft. Die Hirnschale ist zertrümmert und das Gehirn blossgelegt. Sein Zustand ist lebensgefährlich. Eine Stunde vorher erst hatte der Ambulanzwagen einen anderen, aber nur leicht verletzten Arbeiter ins Hospital befördert » (Escher Tageblatt vom 21.7.1913).

 

 

Vorgestellt wird ein um 1921 entstandenes Foto. Von rechts nach links:

- der Krankenpfleger resp. "Sanitäter" Walter KLEIN Ehemann von Frieda Kunz aus Obercorn, deren Tochter den deutschen Handelsattaché Dr. Heinrich Diehl heiratete, der seinem Leben 1949 in Dietz resp. Wetzlar ein Ende setzte durch einen Sprung in die Nahe,

- der „gardien" Nicolas BIREN, der seit 1911 bei der Schmelz angestellt war. Er war später Oberwächter resp. Vorarbeiter bei der ARBED,

- der in Eschette wohnende Kutscher Michel Meyer, der während des 2. WK Bürgermeister von Folschette wurde und bei Kriegsende "heim ins Reich" flüchtete, wo er bis zu seinem Tode in St. Vith lebte.

 

Die Männer posieren vor dem Ambulanzwagen der HADIR-Werke / Differdingen (Hauts-Fourneaux et Aciéries de Differdange, - St. Ingbert - Rumelange). Das Foto aus dem Fundus von Niki Goedert ist ein Geschenk von Erny Hilgert aus Differdingen.

Ab 1918 stellte der luxemburger Staat eine Autoambulanz in Dienst. Die Erlaubnis zum Benutzen des Autos musste in jedem einzelnen Fall beim Ministerium eingeholt werden. In einer "Circulaire" vom 29.6.1918 bat der Minister um Zurückhaltung bei der Anforderung des Autos "eu égard à la rareté et à la cherté des pneus" (zit.: A. Praum, Edm. Knaff, Code médical 1919 S. 251). Die Stadt Luxemburg folgte dem Beispiel 1928. 1937 schaffte auch die Escher Gemeindeverwaltung endlich einen motorisierten Krankenwagen an.