Chirurgie


Nahtmaterial: Pferdehaar

um 1950 

 

    Zu den frühen Nahtmaterialien gehört Pferdehaar – reissfest, in beachtlicher Länge und grosser Menge disponibel, wurde es schon von den alten Chinesen benutzt, um Wunden zu vernähen. In einer chinesischen Schrift aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. wird über einen Arzt mit Namen HUATO berichtet, der kranke Organe herausnehmen und so Menschen heilen konnte. Ein aussergewöhnlicher Hinweis, da die damalige chinesische Ärztetradition die Chirurgie normalerweise verbot. Vielleicht, so meinen die Forscher, bezieht sich diese Huato-Legende auf eine medizinische Tradition von in der Xinjiang-Provinz ausgegrabenen Mumien, denn diese Menschen haben ja, wie der Fund eines mit Pferdehaar vernähten Operationsschnittes zeigt, chirurgische Eingriffe vorgenommen.

 

Die alten Aegypter benutzten Ameisenzangen zum Adaptieren von Hautwunden – eine Methode die sie möglicherwiese von den Indern übernommen hatten. Die Griechen zogen feine Sehnen als Nahtmaterial vor.

 

Die Araber führten die Naht mit Saiten von Musikinstrumenten ein für tiefe Nähte – und Pferdehaare für Hautnähte. Später wurden die verschiedensten Materialien benutzt: getrocknete Tierdärme und Sehnen, in Streifen geschnittene Haut, Frauenhaar, Rindenstreifen der Birke, Hanf und Gräser. Im Mittelalter nahm man Pferde- oder Menschenhaar und knüpfte einen Strang daraus; diesen steckte man in einen Einschnitt der Haut (Wade, Nacken oder Leiste) sodaß beide Enden des Stranges hervorschauten; diese wurden verknotet, damit der Strang nicht herausrutschte. Zweck dieser Sache war es, die Abwehrstoffe anzuregen (weil sich der Einschnitt natürlich entzündete) und somit mehr Abwehrkräfte gegen Krankheiten (z.B.die Pest) zur Verfügung standen…

 

Während des amerikanischen Sezessionskrieges 1865 wurden unterschiedliche Nahtmaterialien benutzt:

- die Chirurgen der Nordstaaten benutzten (unsterile) „silk“ – Seide,

- die Kollegen der Südstaaten benutzten Baumwolle,

- da Catgut exzessiv teuer war, wurde gegen Kriegsende von den Konföderierten vielfach auf Rosshaar zurückgegriffen. Da dieses störend rigide war, kochte man die Haare aus, um sie aufzuweichen. Dabei wurde das Nahtmaterial – ohne dass man sich dieser Tatsache bewusst gewesen wäre – sterilisiert. Die Wunden verheilten nun sauberer und schneller als zuvor…

 

Gustav SIMON (1824-1876), Professor der Chirurgie in Rostock und Heidelberg, führte die Naht mit Pferdehaaren in die Operationssäle Europa’s ein…

Noch heutzutage wird Mähnenhaar von Pferden in der afrikanischen Volksheilkunde benutzt, so bei der „Weiblichen Genitalverstümmelung“ – als Nahtmaterial werden bei diesem verabscheuungswürdigen Eingriff Schafdarm, Pferdehaar, Akaziendornen, Bast oder Eisenringe und zur Blutstillung Asche, Kräuter, kaltes Wasser, Blätter und Wundkompressen aus Zuckerrohr verwendet. Das hier vorgestellte „horse-hair“ –Fläschchen enthält 2 jeweils 20 inches (x2,54 = 50 cm) lange Strähnen. Es stammt aus einem US-amerikanischen Werk des Pharmakonzernes JOHNSON&JOHNSON und wurde im Januar 2005 über Ebay angesteigert. Als Spezialist für chirurgisches Nahtmaterial begann die Erfolgsgeschichte der JOHNSON&JOHNSON-Tochter Ethicon vor 40 Jahren. Firmensitz ist Hamburg Norderstedt. Zur Zeit sind hier 1.500 Mitarbeiter beschäftigt.