Chirurgie


Retraktor n. PERCY, um 1900

Weichteilretraktor, Durchmesser 165 mm, Handgriffe fest angebracht 

 

 

Sägte man den Knochen auf gleicher Höhe, wie die Weichteile, so hatte man kein Material, um den Knochenstumpf zu decken Schon bei CELSUS finden wir eine Erwähnung dieses Problems: „Es ist bei der Operation darauf zu achten, dass die verbleibenden Hautreste gross genug sind, um den gesamten Stumpf decken zu können. Der römische Patient „ging auf dem Knochen“, der nur mit einer dünnen Lage Haut und bestenfalls Unterhaut-fettgewebe überzogen war – eine schmerzhafte Angelegenheit, wenn man eine Prothese benutzen wollte. Folglich versuchte man vor dem Absägen des Knochens nicht nur die Haut, sondern alle Weichteile hochzuschieben, um auf diese Art ein dickes Material für das Decken und Abpolstern des Knochenendes aufzusparen.

 

Fabricius von HILDEN (1560-1634) hatte einen "Hosensack" entwickelt, aus dem unten der Knochenstumpf vorschaute, während man durch Zug am Hosenbein die Weichteile nach oben ziehen konnte. Mitte des 18. Jahrhunderts benutzte man Muskelhaken aus Leder, mit 2 Öffnungen für Speiche und Elle resp. Tibia und Fibula. Diese Wundhalter waren nicht zu säubern. 1800 gab es die „Muskelhaken“ aus Metall, mit einer einzigen Aussparung für den Knochen – Abbildungen finden sich bei Elisabeth Bennion, Alte Medizinische Instrumente, Sotheby 1979 S. 52 und 53.

 

Pierre-François PERCY (1754-1825) entwickelte 1799 einen neuartigen Retraktor für das Weichteilpaket, der aus zwei fast identischen Teilen bestand, die über ein Scharnier artikulierten. Er hatte an den napoleonischen Feldzügen teilgenommen, wo er mit LARREY zusammengearbeitet hatte - wusste also wovon er sprach, wenn er sich zu Fragen der Amputation äusserte.

 

Sog. „komplette Bestecke zur Amputation“, wie sie um 1910 von deutschen Warenhäusern angeboten wurden enthalten keine Retraktoren – wie auch bei den Einzelteilen derartige Instrumente durchweg fehlen. Offenbar war der Retraktor eher eine Sache der Franzosen. Noch heute ist der "Percy" mit abnehmbaren Griffen Bestandteil von Amputationsbestecken - Neupreis um die 157 Euro!

 

Der hier vorgestellte Retraktor stammt aus dem ausgemusterten Fundus der Klinik Differdingen (die nur wenige Kilometer von der französischen Grenze entfernt liegt). Wie auf den Modellen des 18. Jahrhunderts befinden sich hier zwei Öffnungen – die kleine ist viereckig, die grössere ist kreisrund und hat einen Duchmesser von 4 cm. Keine Herstellerangaben, lediglich eine Grössenangabe „2“ auf dem aufgeschraubten Einzelgriff.