Geburtshilfe


Beckenzirkel (1), französisches Modell

Beckenzirkel n. MARTIN, um 1900 

 

Vor die Therapie haben die Götter die Diagnostik gestellt. Zu den Diagnostika in der Geburtshilfe gehörte ab dem 17. Jh. der Beckenzirkel.

 

Äussere Beckenmasse
Von OSIANDER stammt die Idee, die äusseren Masse des knöchernen Beckens mittels eines Zirkels abzugreifen. Die Weiterentwicklung des Zirkels geschah, unerwartet und heute übersehen, im Kampfe gegen den übertriebenen Einsatz der geburtshilflichen Zange. BAUDELOQUE (1746-1810) wehrte sich gegen allzu aktive Geburtshilfe (siehe Forcepsexzesse aus finanziellen Motiven) und wandte sich wieder verstärkt der Erforschung der Becken- verhältnisse zu. Sein "compas d'épaisseur" war zwar noch recht ungenau, da nur äusserlich einsetzbar, aber er war wegweisend: der Zirkel wurde mehrfach verbessert, so von MARTIN, COLLIN, BREISKY, KEHRER, GÖHMANN, SCHULTZE, die alle kurz nach der Jahrhundertwende eigene Zirkel angaben.

 

Distantia spinarum (Entfernung beider spinae iliacae anteriores spuerioresvorderen oberen Darmbeinstachel)

Distantia cristarum (Entfernung der beiden Beckenkämme)

Distantia trochanterica (Entfernung beider Femurtrochanteren)

Conjugata externa "diameter BAUDELOCQUI" (Lendenwirbelfortsatz-Symphysenoberrand)

 

Exponat

Das hier vorliegende Modell nach MARTIN mit seiner leicht ablesbaren Zentimeterskala ist auch heute noch im Gebrauch.

Eduard Arn. MARTIN (1809-1875) war ab 1846 Leiter der Entbindungsanstalt Jena, ab 1858 wirkte er in Berlin, wo er Direktor der Charité wurde. Bei ihm finden wir erste Ansätze zur geburtshilflichen Asepsis, wenn er die von Gebärenden und Wöchnerinnen benützten Räume mehrmals im Jahr desinfizieren liess - ein Vorläufer des grossen SEMMELWEIS. Seine Monographie "Anaesthesie bei Geburten" beschreibt den Nutzen der Chloroformdämpfe bei der operativen Versorgung ausgedehnter Weichteilverletzungen intra partum ...