Innere Medizin


Apotheken-Rezept (7), 1875

Abführmittel 

Inhaltsstoffe
Rp.
Tinct[ura] Aloës Camp .............................. grm 45,00
D[a]s[igna] ..................................................(gib und bezeichne)
ter de die gtt 25 .......................................... (drei mal am Tag 25 Tropfen)
E. ARENS

Am 17. Juli 1875 verschrieb der seit 1872 als Augenarzt in Luxemburg etablierte Edouard ARENS (1846-1887) seinem (namentlich nicht genannten) Patienten Aloë-Tinctur, die in der Apotheke von François HELDENSTEIN (1820-1907) ausgegeben wurde. HELDENSTEIN hatte 1860 die Apotheke von François DARGENT (1805-1869) in Luxemburg-Eich übernommen.

Um eine Verwechslung mit der althergebrachten Abkürzung gr für Gran auszuschliessen, schrieb CARY grm für Gramm - dem modernen, seit wenigen Jahren gebräuchlichen metrischen System der Dosierung!

Einzige Wirksubstanz in diesem Rezept ist ein Extrakt aus Aloë:
"Die Heilkräfte der Aloe vera sind seit dem Altertum bekannt und wurden durch die Jahrhunderte überliefert. Erst durch die industrielle und synthetische Herstellung von Medikamenten wurde um 1900 der allgemeine Gebrauch dieses Naturheilmittels beendet, obwohl Sebastian Kneipp in seinem Gesundheits-Wegweiser »So sollt ihr leben« (1889, 20. Auflage 1894) noch ausdrücklich auf die Aloe aufmerksam gemacht hatte. Das »Klinische Recept-Taschenbuch für praktische Ärzte« aus dem Jahr 1902 verzeichnet die Aloe-Tinktur nur noch als Abführmittel, aber selbst diese Wirkung ist heute weitgehend vergessen. Aloe ist als Pulver oder Trockenextrakt sowie als Dick- oder Fluidestrakt erhältlich" (Alice Beringer, Aloe vera. Die Königin der Heilpflanzen).

Die Aloe-Tinktur wirkt milder als Pulver oder Trockenextrakt. Die Tagesdosis beträgt 50 bis 200 mg Pulver.

Das Besondere an diesem Rezept ist die Verwendung von Camp[her] - es gab keine "teinture d'aloës camphrée". Offenbar hatte ARENS mit seinem Apotheker ein Abkommen, sodass dieser wusste, wieviel von diesem Kampher er zugeben musste. Insbesondere im deutschen Sprachraum scheint diese Kombination klassisch gewesen zu sein:

  • die "teinture fébrifuge de l'hôpital de Vienne" setzte sich zusammen aus 45 g Aloës, 6 g Kampher, 250 g Orangenschale, 250 g éaunée" und 7.500 g Alkohol.
  • die "teinture de WARBURG" enthielt 4 g Aloe hepaticum; 4 g Zedoaire- und 0,1 g Angelikawurzel, 0,10 g Kampher, 0,15 g Safran und 100 g Alkohol,
  • die "teinture cordiale RYMER enthielt Aloe, Rhabarber, Kardamon, Kampher, Capsicum, Alkohol und Castoreum (zit. Dorvault, L'Officine Paris 1910 S. 1374) ...