Anästhesie


Chloroform, Rechnung 1854

abb1170

 

 

 

   "Chloroform, Formylchlorid, eine Verbindung des Formyls mit Chlor, wird erhalten, indem man eine Mischung von Chlorkalk, Wasser und Weingeist einer Destillation unterwirft. Das C. wird als betäubendes Mittel sowohl vor chirurg. Operationen, als in Krankheiten bei heftigen Schmerzen angewendet" (Herders Conversations-Lexikon; 1854, Bd. II, S. 96).
... kein Beweis also für eine Tracheotomie, Chloroform war ein Schmerz- und Betäubungsmittel!

 

   1854 spielte sich in der Familie Charles METZ (1799-1853) ein Drama ab: erst wurde der Vater, dann die Tochter dahingerafft.
"Le 23 avril 1853, en compagnie de ses deux frères [Norbert (1811-1855) und August (1812-1854)] et de ses filles, il [Charles Metz] se rendit à Diekirch auprès de sa belle-mêre où sa fille Adéline, âgée de 11 ans, était gravement malade d'une fièvre muqueuse. Le pronostic des médecins ne laissant plus aucun espoir, il eut une rupture d'anévrisme qui occasionna sa mort le lendemain, dans la maison de Vannérus. La petite Adéline succomba trois semaines plus tard" (J. Mersch, Biographie nationale, 1963 tome XIII S. 429-486).

 

   Charles Metz starb am 24. April 1853 - die Aortenruptur war ein derart foudroyantes Geschehen, dass es nicht zum Einsatz von Medikamenten kam. Bei der Behandlung der Tochter aber müssen die behandelnden Ârzte Höllenqualen ausgestanden haben bei der Verabreichung des Chloroformes, hatte doch erst vor kurzem der englische Arzt John SNOW (1813-1853) Todesfälle beschrieben:

"Remarks on the fatal case of inhalation of chloroform". London Med. Gazette, vol. 41, Feb. 18, 1848, pp. 277-278.


"On the fatal cases of inhalation of chloroform". Edinburgh Med. & Surg. Jour., vol. 72, July 1849, pp. 75-87.


"Deaths from chloroform in Scotland." Medical Times Gazette 4 (1852): 598-99. [ltr. to ed., June 1852]


"Death from chloroform in a case of fatty degeneration of the heart". Med. Times and Gazette, n. s. vol. 5, Oct. 9, 1852, pp. 361-362.


   Da beruhigte die Nachricht, dass 1853 Königin Victoria bei der Entbindung ihres achten Kindes eine Chloroformnarkose gewünscht hatte - und sowohl Geburt als auch Narkose heile überstand; auch an der Front bewährte sich Chloroform, so bei den britischen und türkischen Soldaten des gerade in diesen Tagen tobenden Koreakrieges (Florence Nightingale).

 


   Die kleine Adéline überlebte zwar das Chloroform, nicht aber die "fièvre muqueuse" (möglicherweise eine schwere Form der Diphtherie). Die Erben Metz erhielten am 1. Januar 1854 die Rechnung des Diekircher Apothekers August NELLES (1812-1913) für die Medikamente, die er während der Krankentage der Kleinen abgegeben hatte. Wir sehen, dass die Kleine seit dem 12. April krank war und bis zum 8. Mai therapiert wurde, mit: - Pülverchen zum äusseren Gebrauch,
- Salbe, Leinmehl, Senfmehl,
- Syrup mit Iodeisen,
- Mixturen (nicht näher beschrieben),
- Gummi,
- Mandelsyrup,
- Klystieren,
- Mundwasser,
- Einreibungen, Aufschlägen, Pflastern.

Gummi Olibani, Gummi Galbani und Gummi Myrrhae in der Form von vaginalen Suppositorien war ein gängiges Mittel bei Adnexitis und Salpingitis. Jodeisen (frz. iodure de fer) schlug mit 5 Franken 11 centimes zu Buch - es war damals das wirksamste Mittel bei der Behandlung "schwächlicher, skrophulöser Individuen" und bei Bleichsucht. Auch bei Amenorrhoe und der Weissfluss wurde es verschrieben ...

 

Bernhard-August NELLES war 1812 in Kilburg im Preussischen geboren. Am 10.2.1836 wurde er in Arlon als Apotheker angenommen. In Diekirch übernahm er 1850 die Apotheke von Jean-Guillaume KROMBACH, als dieser nach Ettelbrück wechselte. Er übertrug die Offizin später an seinen Sohn, starb 1913 in Diekirch im ansehnlichen Alter von 101 Jahren ...