Hirtz
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Radiologie


Zirkel n. HIRTZ

P1020115

Compas de Hirtz

 

 

Als der 1. Weltkrieg im August 1914 ausbrach, steckte die Radiologie noch in den Kinderschuhen. Erst galt es, die Chirurgen vom Nutzen der Röntgenaufnahmen zu überzeugen – es war eine der Aufgaben, die sich die junge Marie Curie vornahm. Sie bildete Gruppen von Chirurgen, Franzosen, Amerikaner, aus in der Anwendung der neuen Strahlen. Am Projekt beteilig war ihre Tochter Irene.

 

Als nächstes mussten die Behörden mit einbezogen werden. Beide Frauen überredeten die Regierung, kleine Lastwagen mit der nötigen Infrastruktur auszustatten, um die verletzten Soldaten kurz hinter den Kampflinien fachgerecht operativ versorgen zu können.

 

Die "Voitures-ambulances" waren ausgestattet entweder mit einem "groupe électrogène", einem Dieselmotor, der hinten im Ladekasten stand und Strom lieferte, oder mit einem Stromaggregat, das auf dem Trittbrett des Wagens aufgebaut wurde und an den Motor des Wagens angeschlossen war. Mit dem Strom wurde die Beleuchtung des Zeltes, aber auch die Röntgeneinrichtung betrieben. Um bei der Durchforstung der Wunde nach Metallsplittern nicht mehr Schaden anzurichten, als das Geschoss primär hinterlassen hatte, empfahl sich eine stereotaktische Einrichtung, mit deren Hilfe die Geschosse und Schrapnelle millimetergenau lokalisiert werden konnten.

 

Schon 1910 hatte der in Lyon in einer jüdischen Familie geborene Eugène Jules Hirtz (1869–1934), zu dieser Zeit als Militärarzt am "Hôpital du Dey" in Alger stationniert, ein Gestell konzipiert, das über der Wunde aufgebaut wurde. Zwei Röntgenaufnahmen, aus gleicher Entfernung senkrecht auf die gleiche Fotoplatte aufgenommen, vermittelten einen dreidimensionalen Eindruck der Lage. Als Hirtz später im Rang eines médecin-major am Pariser Militärspital Val de Grâce  das "service de physiothérapie" leitete, überzeugte seine Apparatur die Armeeleitung – der "Compas de Hirtz" gehörte fortan zur Standardausrüstung der "voitures-ambulance". Ehre wem Ehre gebührt: 1919 wurde Hirtz erster Inhaber eines französischen Lehrstuhles für Radiologie in der "École d’application de la médecine militaire au Val-de-Grâce".

 

Auch ein Luxemburger war (ein kleines bisschen) an dem Verfahren beteiligt, Gabriel LIPPMANN (1845-1921): er stellte  am 12. April 1897 in der Académie des Sciences die gedoppelte Röntgenröhre von Dr. François Victor FOVEAU de Courmelles (1862-1943) vor, die mit einem einzigen "Schuss" das gewünschte Doppelbild liefern konnte. Ob die fragile Röhre im Felde einsatzbereit war, ist eine andere Frage ...

 

Exponat

Unser Kasten (43x29x9 cm) stammt wohl aus einem dieser medizinischen Not-Zentren – er ist arg ramponiert, sein Inhalt nicht ganz vollständig. Dennoch, oder sollte ich sagen gerade deshalb vermittelt er einen lebendigen Eindruck von den Verhältnissen in den "ambulances" der Grande Guerre. 

Herkunft: Fontanil-Cornillon, Rhône-Alpes. Kauf April 2014.

 

Die Berechnungen waren extrem kompliziert, und unter Kriegsbedingungen nicht hinzukriegen! 1940 stand ein Ersatz zur Verfügung, der einfacher zu bedienen war, das Boloskop der Niederländer BOWERS und Van der PLAATS. Hier eine Bemerkung aus der damaligen Presse: "Oberstabsarzt Dr. Johannes SCHLAAFF, Lippstadt i.W., erinnert daran, daß auf dem Kriegsorthopädenkongress 1940 gleich drei neue Apparate zur Auffindung von Steckgeschossen bekanntgegeben wurden: Das Gerät von Stracker, das Boloskop und der Siemens'sche Metallsucher (..) Das Boloskop ist zwar in Holland konstruiert, aber der wichtigste Gedankengang auf dem es beruht - der Ersatz des Röntgenlichtes durch den gekoppelten Lichtstrahl – ist eine deutsche Erfindung" (WMW 1/1943 S. 16) - der Arzt glaubte, daß es angebracht war, sich dafür zu entschuldigen, daß der Apparat aus Holland kam!