Geburtshilfe


Schmerzbekämpfung (1), Hosemann-Pfeife

Trichlorethylen-Inhalator, um 1950 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Während Chloroform- und Aethernarkosen nicht spezifisch geburtshilfliche Methoden darstellen und im Kapitel Humanmedizin/Anaesthesie vorgestellt werden, handelt es sich bei der hier vorgestellten Methode um eine recht typisch geburtshilfliche Narkosemethode: die Autonarkose der Patientin mit Trichlorethylen!

 

Trichlorethylen ist eine klare, farblose, nicht entzündbare, leichtflüchtige Flüssigkeit mit süßlichem Geruch. Wegen seiner fettlösenden Eigenschaft, der Flüchtigkeit und Nichtbrennbarkeit war Trichlorethylen eines der gebräuchlichsten Reinigungs-, Entfettungs- und Extraktionsmittel, und wurde z.B. in der Metallindustrie, in der Glasindustrie, bei der Chemischen Reinigung und in der Textilbearbeitung eingesetzt.

 

1935 benutzten C. Striker, S. Goldblatt, I.S. Warm und D.E. Jackson das Trichlorethylen zur Narkose. 1941 traten Hewer und Hadfield für das Trichlorethylen ein. Daraufhin verbreitete sich seine Verwendung.

„Vor 50 Jahren war es noch äußerst beliebt: Trichlorethylen zur Schmerzbekämpfung während der Geburt und zur Anästhesie. Eine Überdosierung des hoch toxischen Nervengifts war durch die ausgeklügelte Technik der Narkoseapparate praktisch unmöglich. Sobald der Patient das Bewusstsein verlor, fiel ihm das Gerät aus der Hand.
Erste Mitteilungen über Trichlorethylen-Narkosen am Menschen kamen 1935 aus den USA. Ab 1941 konnte Trichlorethylen allgemein in die Narkosetechnik eingeführt werden und gewann bald an Beliebtheit.
Die stark analgetische Substanz wurde unter Trichlorethylen pro narkosi, pro inhalatione, Trilen, Trisan, Trimenth, Cypran oder mit ähnlichem Namen als Rauschnarkotikum empfohlen, und man hoffte lange Zeit ein „atoxisches Chloroform“ gefunden zu haben; was sich leider nicht bewahrheitete. Da Trichlorethylen einen hohen Siedepunkt hat und deswegen bei Raumtemperatur nicht schnell genug verdampft, eignete es sich nicht für die damals übliche, weit verbreitete Technik der so genannten offenen Tropfnarkose mit einer Maske aus Draht und Gaze. Findige Techniker und Anästhesisten konstruierten aber rasch eine Vielzahl von einfachen Apparaten mit denen das „Tri“ relativ sicher verabreicht werden konnte. All diese recht handlichen Inhalatoren bestanden im Prinzip aus einer Flasche, in der das Trichlorethylen durch die Handwärme des Patienten zum Verdampfen gebracht wurde, und einem Mundstück oder einer Maske, durch die der Patient das Trichlorethylen-Luftgemisch einatmete. Eingesetzt wurden diese Inhalatoren vorwiegend zur Schmerzlinderung bei der Geburt, aber auch bei einer Reihe von therapeutischen und diagnostischen Eingriffen in der kleinen Chirurgie und Gynäkologie, Unfallchirurgie, Urologie, Dermatologie, Pädiatrie, HNO- und Zahnheilkunde. Die „Analgesiegeräte zur Selbstgabe“ waren so klein, handlich und außerdem so einfach und gefahrlos zu bedienen, dass die Hersteller sie auch zur Mitnahme bei Hausbesuchen empfahlen. An allen diesen kleinen Geräten war ein Kettchen oder ein Trageband befestigt. Vor der Betäubung bekam der Patient den kleinen Apparat um den Hals gehängt. Zur Selbstapplikation nahm er nun die Vergasungsflasche in die Hand und atmete durch das Mundstück nach „Art einer Tabakspfeife“. Ausatmen musste der Patient durch die Nase. Ein Einatemventil verhinderte das Rückatmen durch den Inhaler. Eine Überdosierung war – genial einfach – absolut ausgeschlossen: sobald der Patient das Bewusstsein verlor, fiel ihm der Apparat aus der Hand. Ein paar Atemzüge frische Luft, und der Patient war wieder bei Bewusstsein“.
zit. Wolfgang Regal/Michael Nanut, in: Ärzte Woche, 20. Jahrgang Nr. 26, 2006.

Trichlorethylen kann in der Niere [in Abhängigkeit von der Konzentration] sowohl einen Tumor auslösen als auch einen bestehenden fortentwickeln. Der häufige und intensive Umgang mit organischen Lösungsmitteln wie Aceton, Phenol oder Trichlorethylen, die auch in den meisten Nagellackentfernern, Pinselreinigern o.ä. enthalten sind, ist allerdings nicht ungefährlich. Das haben Studien an Frauen gezeigt, die in der Schwangerschaft ständig sogenannte Schnüffelstoffe zur Erzeugung eines Rauschzustands eingeatmet haben. Die inhalierten Stoffe können Fehlgeburten und Schädigungen wie Taubheit, Hirnfehlbildungen, offener Rücken (Spina bifida) oder Klumpfüsse verursachen.

 

Zu dem ausgestellten Objekt
1951 entwickelte der Geburtshelfer Hans HOSEMANN (1913-1994) aus Göttingen, zusammen mit der Fa. DRÄGER aus Lübeck, einen gläsernen Trichlorethylen-Verdampfer, zum Einsatz in den KreissSälen. Die vorgestellte „TRI-Pfeife“ stammt aus dem Raume Aalen (nördlich von Ulm).

 

Lit.:
- H. Hosemann, Schmerzlinderung mit Trichloräthylen, Urban&Schwarzenberg 1952, 76 S.
- Pschyrembel W, Rothe J., Inhalation analgesia with trichlorethylene (trichloran) in obstetrics, in: Dtsch Med Wochenschr. 1952 Sep 12;77(37):1121-3.