Innere Medizin


Herzstichstilett

 

Die Angst vor dem Lebendig- begrabenwer- den war früher ebenso weitverbreitet wie heutzutage die Angst vor der zu raschen Organentnahme. So soll der dänische Schrift- steller Hans Christian Anderson (1805-1875) stets ein Schildchen "Ich bin nur scheintot" auf den Nachttisch gestellt haben, wenn er schlief.

"Um dem grausamen Schicksal des lebendig Begrabenwerdens zu entgehen, verfügte Nestroy – wie viele andere damals – testamentarisch, dass seiner Leiche ein Dolch ins Herz gestoßen werde. Der Herzstich – oder das Öffnen der Pulsadern – war in Österreich-Ungarn bis an den Beginn des 20. Jahrhundert eine übliche Methode der „Tötung durch den Arzt“ " [zit. Wolfgang Regal und Michael Nanut, Das Stilett gegen den Scheintod (Narrenturm 118)].

Johann Nepomuk Eduard Ambrosius Nestroy (* 7.12.1801 in Wien; † 25.5.1862 in Graz) war ein österreichischer Schauspieler, Sänger, Dramatiker und Satiriker. Sein Werk ist der literarische Höhepunkt des Alt-Wiener Volkstheaters. Von ihm die makabre Überlegung:
"Das einzige, was ich beym Tode fürchte, liegt in der Idee der Möglichkeit des Lebensbegrabenwerdens. Die Todtenbeschau heißt so viel wie gar nichts, und die medizinische Wissenschaft ist leider noch in einem Stadium, daß die Doctoren - selbst wenn sie einen umgebracht haben - nicht einmal gewiß wissen, ob er todt ist".

Der Klavierfabrikant Ignaz Bösendorfer (1796-1859) und der Schriftsteller und Arzt Arthur Schnitzler (1862-1931) hatten den Herzstich testamentarisch verfügt. Am 14. August 1956 starb Bert Brecht in der Berliner Charité. Aus Angst lebendig begraben zu werden hatte er vor seinem Tode den finalen Herzstich angeordnet. Auch heute noch kann man sich in Wien den Herzstich wünschen...

Nach (!) Feststellung des Todes durch den behandelnden Arzt und den amtlichen Totenbeschau-Arzt vollzog ein dritter Arzt gegen Honorar den Herzstich. Scheintot war man danach sicher nicht mehr. Ein Herzstichstilett war einst Bestandteil jeder Arzttasche.