Innere Medizin


Induktionsapparat (4)

 

Zum Beginn der Elektrotherapie im 18. Jahrhundert wurde schwache, aber hochgespannte statische Elektrizität verwendet (Franklinisation, Galvanisation). Benjamin Duchenne (1806-1875) war es, der die Faradisation begründete. Die Faradisation konnte hochgespannten, rasch pulsierenden Gleichstrom aus dem Induktionsapparat verwenden. Die Faradisation eines Duchenne war die erste elektrotherapeutische Methode, die eine weitgehende Modulation (Veränderung von Frequenz und Intensität) der Ströme möglich machte.

Aus dem Nachlass des ab 1913 in Clerf niedergelassenen Arztes Guillaume KOENER (1882-1953) stammt dieses Induktionsgerät. An der Innenseite des Deckels lesen wir:
"Der Apparat tritt in Tätigkeit, sobald die Kurbel von "aus" auf "ein" umgelegt wird. Hierauf wird der Unterbrecher gleich einsetzen; sollte nach längerem Gebrauch ein etwaiges Versagen eintreten, so dürfte ein kurzer Anstoss des Ankers oder eine sehr leichte Drehung der Kurbelschraube nach der einen oder der anderen Richtung genügen, um die an einem feinen Summen erkenntlichen Unterbrechungen einzuleiten. Die beiden Klemmen in unmittelbarer Nähe des Wortes primär geben den schwachen Strom; bei sekundär erhält man den starken Strom und die beiden äusseren liefern einen gemischten (verstärkte) Strom. Der den Elektroden zugeführte Strom wird durch die mit einer Skala versehene Dämpferhülse reguliert; je mehr diese aus der Spule herausgezogen wird, umso stärker wird der Strom".

Das Gerät fällt durch seine "moderne" Stromquelle auf - eine 1,5 Volt TIGER-Trockenbatterie der bekannten dänischen Firma HELLESENS.

"Frederik Louis Wilhelm Hellesen (1836 – December 22, 1892) was a Danish inventor and industrialist. In 1887 he designed what is thought to be the first dry cell battery based on the Leclanché cell design. The same year he founded the company W. Hellesen (later know as A/S Tudor-Hellesens, A/S Hellesens, and GN Hellesens), now defunct. Today the Hellesens brand name is owned by Duracell" (Wikipedia).

Seinen besonderen "Reiz" bekommt das Gerät, wenn man weiss, dass das einzige Kind KOENER's an einer schweren Schizophrenie litt und nach mehreren Aufenthalten in ausländischen Instituten schliesslich in der Nervenheilanstalt Ettelbrück aufgenommen werden musste. Hat KOENER versucht, seine Tochter mit diesem Apparat zu behandeln? Die Vermutung liegt nahe, da gewusst ist, dass seit dem 1. Weltkrieg psychiatrische Krankheiten mit Faradisation angegangen wurden. Nach 1938 wurde die aggressivere Elektroschocktherapie angewandt.

Mit der Faradisation wurden die so genannten "Kriegszitterer" behandelt. Auch in der Therapie der Kriegsneurosen trat nach dem 1. Weltkrieg die von Stabsarzt Fritz KAUFMANN beschriebene Methode der Faradisation mittels elektrischer Ströme in den Vordergrund - die Kriegsneurotiker erhielten Elektroschocks, denen sich militärische Kommandos anschlossen, bis sie die Flucht aus der Krankheit in die Gesundheit antraten und freiwillig an die Front zurückkehrten. Dieser Therapie lag die Annahme zugrunde, den durch einen Kriegsschock erkrankten Soldaten mittels eines Gegen(elektro)-Schocks wieder von seiner Erkrankung zu heilen. Die durchschlagenden Erfolge blieben jedoch aus, so daß alternative Wege der Behandlung gesucht wurden. Hier ist vor allem der Hamburger Neurologe Max NONNE ( 1861-1959) zu erwähnen, der mittels Hypnose die Soldaten nach wenigen Sitzungen symptomfrei machte. Es fällt in diesem Zusammenhang auf, dass in der Bibliothek KOERNER's auch ein Standardwerk des Hypnose stand, "Hypnotisme & Suggestion" von Hippolyte BERNHEIM (1837-1919) ...

Mit (besonders starken) Stromschlägen ("Faradisieren während des Anfalls") wurden auch hysterische Krampfzustände angegangen (Strümpell Bd.II S; 776, Ausg.1907) - eine Frühform der Elektroschocktherapie ...

Billiger Holzkasten, mit farbig bedrucktem Papier überzogen. Ist diese eher erbarmungswürdige Aufmachung eine Folge des wirtschaftlichen Niedergangs nach dem 2. Weltkrieg ?