Innere Medizin


Injektionen (01)

Spritzen n. PRAVAZ, um 1900 

Zur Geschichte der Spritze
Johann Sigismund ELSHOLTZ, Leibarzt des Grossen Kurfürsten, stellte 1667 in seinem Buch "Clysmatica nova" eine Injektionsspritze vor, die grosse Ähnlichkeiten mit den damals gängigen Klistierspritzen hatte. Ab 1800 wurden winzige Spritzen für Einspritzungen unter die Haut hergestellt, die häufig der Einspritzung konservierender Flüssigkeiten unter die Leichenhaut zwecks Einbalsamieren oder als Vorbereitung für eine Sektion dienten. Solche Minispritzen waren meist aus Stahl, Messing oder einer Kombination beider Werkstoffe, ein Ring als Daumengriff konnte sogar aus Elfenbein sein; die Nadeln waren gerade oder gekrümmt. Ebenfalls um 1800 tauchen seitliche Ringansätze auf...

1824 erhielt ein gew. John WEISS ein Patent für eine Spritze, 1851 erhielt ein Frederic WEISS ein weiteres Patent - leider wissen wir über Bau und Funktion dieser Spritzen nicht sehr viel!
Mitte des 19. Jh. entstand eine kleine Spritzenart, die der Applikation von Hautwässern usw. oder andern Medikamenten auf oder in den Körper diente. Sie bestanden aus Silber oder plattiertem Silber mit Schraubvorrichtung zur Dosierung, wobei jede Schraubendrehung einen Tropfen freigab.

1827 gab der Darmstädter Arzt A. NEUNER eine Spritze an mit feiner Kanüle, die er 1827 im "Journal der Chirurgie und Augenheilkunde" publizierte. Diese von dem "Grossherzogl. Hessischen Oberarzt" in Darmstadt verfasste experimentelle Arbeit über die künstliche Erzeugung von "Cataracten in todten Augen" enthält wohl die erste bekannte Injektionsspritze, die sogar dem viel belesenen Verfasser der "Hypodermastischen Injection der Arzneitmittel" Albert Eulenburg entgangen ist. Dies mag daran liegen, dass hier kein Arzneimittel, sondern künstlich Krankheit, und insbesondere ins Auge appliziert werden sollte. NEUNER führt aus, "welches Unglück durch den weniger kundigen, weniger an Leichen gut eingeübten angehenden Operateur um so leichter veranlasst werden kann, als bei den in Rede stehenden Operationen die Spitze des Instrumentes oft seinen Blicken ganz entzogen ist, und alles von einer richtig angewöhnten Mechanik der Hand abhängt", und so stellte sich ihm die Frage "wie kann man zu dem genannten Zwecke in dem todten Auge eine Trübung, Undurchsichtigkeit und größere Consistenz des Krystallköpers, d.i. eine Cataracta künstlich erzeugen" und stellte dann weiter fest, dass "nehmlich Consolidirung und Undurchsichtigkeit der Linse durch Coagulation ihrer Albumine, d.i. eine künstlich erzeugte Cataracta auch in der natürlichen Contiguität innerhalb des todten Auges befindlichen Linse herbeigeführt werden könne ... wenn man eine subtile Weise blos in die weiche Substanz der Linse durch ein geeignetes Instrument einführen und absetzen könnte", und erfand somit die erste Injektionsspritze.

Charles-Gabriel PRAVAZ (*24.3.1791 in Pont de Beauvoisin/Isère, +24.6.1853 in Lyon), Orthopäde in Paris und Lyon, gab 1841 eine weitere Injektionsspritze an mit einem Gewinde. Anlass zur Erfindung war der Wunsch PRAVAZ's, liquor ferri sesquichlorati in ein Aneurysma zu injizieren: 1841 liess er sich eine erste Spritze (aus Silber) von dem Pariser Fabrikanten Charrière anfertigen, 3 cm lang und 5 mm im Durchmesser. Der Kolben wurde durch Drehen vorwärtsgetrieben, "vorgeschraubt".

Die Bezeichnung Seringue de PRAVAZ" stammt vom Chirurgen Louis Jules Félix BEHIER (1813-1876), der den Gebrauch der Spritze in Europa verbreitete.

1853 begann ein Pariser Geschäftsmann mit der Serienproduktion: Konstrukteur der 1,3 ml fassenden Spritzen war der in Paris lebende deutsche Instrumentenmacher Georg Wilhelm LUER. Der Chirurg NELATON war angeblich der Erste, der sie in der Humanmedizin einsetzte.

Die von PRAVAZ angegebene Spritze erlebte eine Sternstunde, als der deutschfranzösische Krieg den Einsatz von Morphium erforderte. Da kam die Spritze gerade rechtzeitig. Sie diente noch zu Beginn des 20. Jh. der intracutanen Injektion von Medikamenten. Der anfänglich benutzte Kolben aus Leder (Modell 1) musste mittels Alkohol oder Aether gereinigt werden, spätere Modelle (2, 3) besassen einen Kolben aus Hartgummi (Kaoutchuc), Metall oder Glas und konnten zwecks Sterilisation ausgekocht werden.

Die auch in Deutschland als "Pravazsche Injektionsspritzen" bezeichneten Spritzen wurden zumeist in handlichen Etuis angeboten, in denen Platz für 2 Nadeln (Kanülen) war. Im Deckel der älteren Modelle war ein Klappfach eingelassen, in dem feine Drähte untergebracht waren, mit denen man die Nadeln reinigen konnte.

"Le Musée Sissi de Vienne a acheté un lot de 240 objets ayant appartenu à la célèbre impératrice Elisabeth d'Autriche (1837-1898) dont sa seringue à cocaïne. Parmi ces objets figurent également une dent de lait de la future femme de l'empereur François-Joseph ainsi que sa robe de baptême et le manteau noir qu'elle portait, semble-t-il, au moment de son assassinat à Genève par un anarchiste italien. La seringue à cocaïne faisait partie d'une trousse à pharmacie de voyage, cette substance étant couramment utilisée au 19e siècle comme sédatif et comme anti-dépresseur, a indiqué la conservtrice du musée, Katrin Unterreiner. Le lot, rassemblé à l'origine par un collectionneur allemand, Manfred Klauda, a été acheté à sa veuve pour 850.000 euros, a indiqué la direction du musée, dont la collection compte désormais 350 objets se rapportant à la belle Sissi. Installé dans l'ancien palais impérial de la Hofburg, dans le centre de Vienne, le Musée a accueilli 571.000 visiteurs en 2004" (Internet) - ein Beispiel für eine Pravaz-Spritze in fürstlichem Gebrauch ..



Unerlaubter Gebrauch
- "In the 1800's a proper Victorian gentleman would carry around what was called a Gentleman's kit, a lovely leather pocket box beautifully detailed, so that when he felt the need to imbibe, he could inject his drug of choice, heroin, opium, cocaine, morphine, none of them illegal at the time and used as frequently as tobacco or alcohol".
- 1930 beklagte sich der Kantonalarzt von Echternach "zwei Hebammen haben in ihrem Instrumentarium eine Pravazspritze; bei einer stellte ich Pituglandol und Ergotin-Ampoullen fest. Dies ist ein Mißbrauch und sollte kein Arzt noch Apotheker diese Mittel überantworten; es kann nur Schaden für die Wöchnerinnen daraus entstehen" (Memorial Annexe N°5 vom 21.11.1930).

 

Zur Geschichte der Kanüle
10. Jahrhundert: der Iraker Ammar ibn Ali al-MAWSILI  d.h. "aus Mossul" (bei uns Canamusali genannt) erfindet in Aegypten die hohle Starnadel aus Metall und saugt damit die kranke Linse aus dem Augapfel aus - Geburtsstunde der Injektionsnadel - im Orient. In der westlichen Welt musste das Rad neu erfunden werden! Bis zur Wiedererfindung der Hohlnadel durch Francis RYND (1801-1861) in Dublin im Jahr 1845 wurden Akupunkturnadeln verwendet - der Wirkstoff floss entlang der Nadel zum Einsatzort.
1853 "erfand" der britisch-schottische Arzt Alexander WOOD (1817-1884) "A new method of treating painful neuralgias by the direct application of opiates to painful points" die Kolbenspritze neu und kombinierte den von C.-G. Pravaz (1791--1853) erfundenen Glaskörper mit der (aufschraubbaren) Hohlnadel von RYND. Er führte nun subkutane Injektion von Medikamenten in die Therapie ein, ein Verfahren, das in der Folgezeit ausgiebig angewandt wurde, da die Wirkung der Medikamente schneller und intensiver eintrat, als nach Einnahme über den Magen. Im allgemeinen reicht die halbe Dosis dessen, was man von der Wirksubstanz hätte oral einnehmen müssen, zudem kommt es nicht zu Reizungen der Magenschleimhaut, die Behandlung kann auch bei Erbrechen angewandt werden...