Innere Medizin


Sternalpunktion (2), Nadel n. KLIMA und ROSEGGER

 

 

  Giuseppe PIANESE, Anatomieprofessor an der Universität Neapel, war der Erste, dem eine Biopsie aus dem Knochenmark gelang: 1905 öffnete er eine Tibia mit einer Trephine! Andere nahmen den Faden auf und biopsierten andere Knochen. Komplikationen wie Blutungen, Fisteln, Osteomyelitiden führten dazu, dass dieser Methodik der Durchbruch nicht beschieden war.

Der Russe Mikhael I. ARINKIN, damals Arzt am Militärhospital Leningrad, berichtete 1927 über eine erste Sternalpunktion mit Aspiration von Knochenmark. Russland aber lag abseits der grossen medizinischen Strömungen. Die Methode wurde ab 1933 in den USA weiter entwickelt von R. P. Custer als ein neues diagnostisches Verfahren.
Der Arzt desinfiziert, nachdem der Patient die entsprechende Lage eingenommen hat, die Haut über der Punktionsstelle. Nach einer örtlichen Betäubung führt er die Spezialnadel durch die Haut und die harte Knochensubstanz in das Knochenmark ein. Diesen Vorgang nennt man Punktion. Dann wird ein wenige Millimeter durchmessender kleiner Knochenmarkzylinder entnommen für die histologische Untersuchung. Es kann aber auch eine Spritze auf die Punktionsnadel aufgesetzt und etwas flüssiges Knochenmark abgesaugt werden für die zytologische Untersuchung - Knochenmark sieht nach dickflüssigem Blut aus. Die gewonnenen Proben werden auf einem handelsüblichen Objektträger ausgestrichen und, nach Färbung (z.B. GIEMSA), mikroskopisch untersucht.
Wegen Komplikationen wie Verletzung des Herzbeutel mit Herzbeuteltamponade, der Lunge etc. ist die Methode von vielen Ärzten zugunsten der Beckenkammbiopsie verlassen worden.

 

Exponat

Vorgestellt wird die Nadel, mit der Dr. André BEISSEL (1919-2004) in der Elisabethklinik arbeitete. Heutzutage werden vielfach Einmalnadeln benutzt. Die 1935 von den Hämatologen R. KLIMA und H. ROSEGGER (II. Medizinische Universitätsklinik Wien) angegebene Nadel ist in einer kurzen Variante erhältlich für die Sternalpunktion, in einer längeren Variante für die Beckenkammpunktion. Das Besondere: die Nadel hat einen Abstandshalter, den man je nach Bedarf herein- oder wieder herausdrehen kann. Dadurch ist sichergestellt, dass die Nadel punktgenau in den Körper des Patienten vorgebracht wird.

 

Klima Rudolf, *9. August 1896 in Hohenau, † 9. Jänner 1983 Wien, Internist. Nach Studium an der Universität Wien (Dr. med. univ. 1923) war Klima Hospitant an der I. Medizinischen Universitätsklinik (Allgemeines Krankenhaus) unter Karel Frederik Wenckebach und absolvierte danach seine Sekundararztzeit im Erzherzogin-Sophien-Spital (wo er 1929 Assistent bei Nikolaus von Jagič wurde. Als dieser 1931 zum Vorstand der II. Medizinischen Universitätsklinik (Allgemeines Krankenhaus) bestellt wurde, nahm er Klima mit. Dort konnte Klima (erstmals in Wien) eine Blutambulanz, verbunden mit einer Station für blutkranke Patienten, errichten. Als Ergebnis der mit Jagic durchgeführten Forschungen erschien das gemeinsame Lehrbuch „Klinik und Therapie der Blutkrankheiten". 1935 habilitierte sich Klima an der Universität Wien für innere Medizin (ao. Prof. 1943). Durch die gemeinsam mit Hellfried Rosegger entwickelte Sternalpunktionsnadel eröffnete Klima der hämotologischen Diagnostik eine wertvolle, einfach zu handhabende und für den Patienten schonende Hilfe. Bald darauf erschien Klimas zum Standardwerk gewordene Monographie „Die Untersuchung des Knochenmarks bei Blutkrankheiten und ihre Ergebnisse". Am 1. Februar 1937 wurde Klima Primararzt der I. Medizinischen Abteilung des Kaiserin-Elisabeth-Spitals. Nach dem Abgang von Wilhelm Falta wurden beide Abteilungen unter Klimas Leitung vereint. 1945-1964 war Klima ärztlicher Direktor dieses Spitals; als es im April 1945 als russisches Lazarett verwendet wurde, hatte Klima 400 russische Soldaten zu versorgen und konnte durch persönlichen Einsatz bei der sowjetrussischen Kommandantur den Spitalsbetrieb sicherstellen. Mit Hilfe seiner Mitarbeiter konnte Klima nach dem Zweiten Weltkrieg die Hämatologie an seiner Abteilung stets auf dem neuesten Wissensstand halten und auch die zytologische Diagnostik von hämatologischen Erkrankungen etablieren. Er gehört zu den wesentlichsten Begründern der klinischen Hämatologie im deutschsprachigen Raum.

Lit.: Prof. Dr. R. Klima zum 75. Geburtstag. DMW 96 (1971) 1318.

 

Rosegger, Hellfried, gen Friedl (*14.08.1904-11.02.1940) als Sohn des in Langenwang niedergelassenen Arztes Josef gen. Sepp Rosegger (1874-1948) und dessen Ehefrau Paula Hafner. Er heiratete Irmingard Nierhaus, starb nach 2 ½ jähriger Ehe, erst 36jährig, in seiner eigenen Klinik in Wien an einer Lungenentzündung (Kleine Volks-Zeitung, 15. Februar 1940). 

Lit.: Rosegger, H., A Heat-coagulation Test for Human Cerebro-spinal Fluid, in: Klin. Wochenschr., vol. xvii, pp. 498–501, (1938).

 

Joseph Abramovich KASSIRSKY (1898-1971) geboren in Fergana / Uzbekistan, gest. in Moskau. 1933 entwickelte er für die Diagnostik der Leishmaniose die später nach ihm benannte Sternalpunktionsnadel. Ab 1936 war er Prof. für tropische Krankheiten und Blutkrankheiten. 1942 schlug er als erster die Intrasternale Bluttransfusion vor (Blood 1969 33:501-503).

 

 

Lit.:
Arinkin MJ, Intravitale Untersuchungs Methodik des Knochenmarks. Folia Hematol 1929;38.233-240.
Klima R., Rosegger H., Fol. haemat. (Lpz.)51, 414 (1934).
Chekulaev, GN, History of sternal puncture suggested by M.I. Arinkin, in: Klin Med (Mosk). 1973 Oct;51(10):142-3 (Artikel in Russisch).

 

Frühe Lehrbücher

Schulten, Hans, Die Sternalpunktion als diagnostische Methode, Leipzig, Thieme,1937
Rohr, Karl, Das Menschliche Knochenmark (Seine Anatomie, Physiologie und Pathologie nach Ergebnissen der intravitalen Sternalpunktion), Leipzig Georg Thieme Verlag 1940 (Erstausgabe).
Thaddea, Sigismund und Bergmann, G. von (Geleitwort), Die Sternalpunktion und ihre klinische Verwertung, Stuttgart, Verlag Enke, 1943.
Kienle, Franz, Die Sternalpunktion in d. Diagnostik, Leipzig, Thieme, 1943.