Paediatrie


Pocken-Impfschein

 

 

Luxemburg erhielt 1906 – eine unmittelbare Folge der herrschenden Epidemie – ein modernes Impfgesetz:
“In der Luxemburger Kammer ist endlich der famose Impfparagraph des tüchtigen Seuchengesetzes in erster Lesung mit 25 gegen 14 Stimmen angenommen worden. Der Artikel lautet: Die Impfung ist obligatorisch im Laufe des ersten, die Nachimpfung im Laufe des elften Lebensjahres. Da die Pocken meistens durch Ausländer eingeschleppt werden, so stellte Herr X. Brasseur den Antrag, dass alle Ausländer, die im Lande Aufenthalt nehmen, von der Regierung zu einer Nachimpfung gezwungen werden. Die Redaktion dieses Zusatzes wird noch etwas Schwierigkeiten bieten, da schon jetzt manche befürchten, es möchten dadurch auch sogar die Touristen einem unliebsamen Zwange unterworfen werden“ (Echternacher Anzeiger vom 13.5.1906).

 

Ausländer und Touristen als Problemgruppen ! Auch in Bezug auf die Inländern war die Impferei alles andere als unumstritten. Ein Vater aus Rodange klagte den Staat 1906 an, weil sein 12jähriger Sohn im Vorjahr ohne sein Wissen und gegen seinen Willen geimpft worden sei und seither kränklich sei (L.W. vom 9.5.1906). Zweideutige Artikel im L.W. (17. und 24.2.1906) verglichen das Impfserum mit Alkohol, der sowohl nützen, als auch schaden könne. Offenbar hatte die Methode ihre Gegner - in höherer Position, sonst wären sie im L.W. nicht zu Wort gekommen. Die Impfwilligkeit liess zu wünschen übrig.

 

So beklagte sich die Redaktion des "Ardenner Bauer" in der Ausgabe vom 13.6.1906:
"Zur Impffrage. Trotzdem in der Stadt und Umgegend sich zahlreiche Pockenfälle ereignet haben, gibt es dennoch Leute, die sich der Impfung gänzlich widersetzen. So hat ein Schneidermeister aus der Louvignystrasse, der in einem Haus wohnt, wo die Pockenkrankheit amtlich festgestellt wurde, sich hartnäckich geweigert, eine Nachimpfung an sich vornehmen zu lassen. Allerdings tritt das neue Gesetz, das den Impfzwang vorschreibt, erst 6 Monate nach dem Votum in Kraft".

 

Das Impfgesetz wurde am 27.6.1906 votiert...

 

Exponat

Vorgestellt wird ein Pockenimpfschein, ausgestellt im Mai 1911 in der Gemeinde Roeser, unterschrieben vom Bettemburger Arzt Jean-Pierre ENGLING (1868-1933) und vom Bürgermeister der Gemeinde Roeser Hirt. Derartige Scheine sind häufig auf Flohmärkten anzutreffen - was ihren Reiz nicht schmälert.

 

Der letzte tödliche Fall von Pocken hierzulande ereignete sich 1932 (Statistiques Historiques, 1990). Am 22. Oktober 1977 erkrankte der somalische Koch Ali MAON MAALIN an den Pocken. Ende November wurde er für geheilt erklärt: er war der letzte an Pocken erkrankte Mensch auf der Erde ("Journal" Nr. 228 vom 29.11.2001). In Luxemburg wie in den meisten Ländern der Welt wurde die obligatorische Impfung abgeschafft (arrêté ministériel vom 14.2.1977).