Paediatrie


UV Höhensonne

Ansichtskarte Legendre, um 1920 

1904 entdeckte der Chemiker und Physiker Richard Küch (1860-1915) in den Laboratorien der Firma Heraeus in Hanau bei Frankfurt, dass Quecksilberdampf ein grünliches Licht abstrahlte, wenn er in einem Quartzglasrohr elektrisch angeregt wurde (der in einem Kolben aus reinem Quarzglas eingeschlossene Quecksilberdampf strahlt neben sichtbarem Licht auch UV-Licht ab, das von normalem Glas weitgehend absorbiert würde, Quarzglas aber ohne Problem überwindet) - ein UV-reiches Licht mit hohem wirtschaftlichem Potential. Küch wandte sich 1906 an die AEG und gründete mit dieser zusammen, die sog. Quarzlampengesellschaft GmbH. Allerdings scheiterte die Massen-Produktion von Strassenlampen ..
>br>Doch fand sich bald ein anderes Anwendungsgebiet. 1903 hatte der dänische Arzt Nils Ryberg FINSEN (1860-1904) mit UV-Licht experimentiert und dessen Nutzen bei der Behandlung der Hauttuberkulose dargelegt - die bekannte FINSENTHERAPIE. Des weiteren konnte das UV-Licht eingesetzt werden zur Entkeimung von Wunden und ... zur Behandlung des Bluthochdruckes. Hier tat sich für Küch also ein riesiges Feld der praktischen Nutzung seiner UV-Lampen auf.

Die Quartzlampengesellschaft entwickelte daraufhin eine ringförmige Lampe, die "Hanau-Höhensonne", die ähnlich belebende Wirkungen erbrachte, wie eine Sonnenbestrahlung im Gebirge (daher der Name "Höhensonne). Mit dieser künstlichen Sonne konnte der Organismus an Vitamin D ohne allzu hohe Kosten (eine Lampe kostete an die 500 RM) angereichert werden. Die Sonne war - ohne dass man von einem "Schuldigen" reden könnte, Teil einer schleichenden Technisierung der ärztlichen Praxis. Als erster luxemburger Ärzte warb Dr. Theodor KIRPACH 1919 mit der neuen Methode:
"Künstliche Höhensonne. Ersatz für Höhenkuren. Grossartige Heilerfolge bei Lungenleiden, Herzleiden, Rheumatismus, Gicht, Ischias, Blutarmut, Bleichsucht. Nervosität, Stoffwechselkrankheiten, Skrophulose, Frauenleiden, usw. Besonders zu empfehlen in der Genesung nach Rippenfell-, Lungenentzündung, Bronchitis, Influenza u.s.w. Lokale Bestrahlung bei schlecht heilenden Wunden, Geschwüren (Beingeschwüren), Fisteln, Hautausschlägen, Haarausfall" (Luxemburger Wort vom 11.10.1916). Aus dem Spital der ARBED in Esch wurden 1919 Erfolge gemeldet "mit den ultravioletten Strahlen der Höhensonne bei Flechten, Ausschlag, Wucherungen skrofulöser und tuberkulöser Wunden" (Luxemburger Wort vom 8.11.1919).

Die Therapie mit Höhensonnen und UV-Strahlen eröffnete um 1918 neue Perspektiven in der medizinischen Behandlung, Prophylaxe und Kurierung der "Armutskrankheit" Rachitis. Anfang der 20er Jahre war die Höhensonne "der Schrei", der "clou" - ganze Schulklassen wurden kollektiv mit ultraviolettem Licht bestrahlt, im Krankenhaus wurden schon Säuglinge unter Höhensonne-Lampen gelegt. Die Alters- und Invalidenversicherung in Luxemburg meldete in ihrem Bericht für das Geschäftsjahr 1915 "wurde den Kranken auch das modernste Hilfsmittel, die Bestrahlung mit künstlicher Höhensonne, zugänglich gemacht" (Escher Tageblatt vom 7.8.1916). In der Hauptstadt richtete der Schularzt ein Höhensonnen-Zimmer in der städtischen Badeanstalt ein:
"Mit kommendem Januar empfangen kranke Schulkinder auch Höhensonne und Salzbäder. Zu diesem Zwecke ist ein Extrazimmer in der Badeanstalt hergerichtet worden" (E.T. vom 23.12.1925). Auch die Kinder der ARBED-Angestellten profitierten im Genesungsheim auf dem Kreuzberg in Düdelingen von dieser Errungenschaften der Medizintechnik. Natürlich gab es auch in dem 1930 eröffneten Sanatorium der Sozialversicherungen in Vianden Räume für Heliotherapie (Escher Tageblatt vom 24.4.1930).

Doch erzeugt dieses ultraviolettes Licht nicht nur Vitamin D. Es kann auch zu Sonnenbrand führen - und erhöht damit das Hautkrebsrisiko. Als in den 80er-Jahren die Gefahren künstlicher Bestrahlung bekannt werden, gerieten die Höhensonnen außer Mode. Ausserdem gab es für wenig Geld Vitamin-D in der Apotheke ...