Anästhesie


Chloraethyl (2), Glasflasche

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Ein vielbenutztes Verfahren zur Schmerzstillung bei kleinen Eingriffen war die „Vereisung“. Man verwendete hierfür schnell flüchtige Stoffe wie Äther, Chloroform und Chloräthyl. RICHARDSON veröffentlichte 1866 einen Ätherzerstäubungs- apparat, mit dem man die Haut durch einen Ätherstrahl rasch auf -15 bis -20°C abkühlen konnte. Kurz danach führte der deutsche Zahnarzt Jean-Baptiste ROTTENSTEIN das Chloräthyl zur Lokalanästhesie ein.

 

Das Chloraethyl der Fa. THILO entsprach vermutlich dem KELEN

 

Die ophtalmologischen Praeparate des Hauses THILO wurden nach dem 2. WK vom Pharmariesen "Alcon Pharma" aufgekauft und werden unter der Bezeichnung "Thilo-" und "Thilodigon-Augentropfen weiter kommerzialisiert.

 

Vorgestellt wird eine Flasche mit schrägem Abgang der Spritzdüse von Dr. THILO & Co.Chemische Fabrik, Mainz; um 1930.

Anästhesie


Chloraethyl (3), Glasflasche

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n. Dr. BENGUE 

 

"Chloréthyle du Dr. Bengue Bte S.G.D.G.
Anesthésie locale Névralgies
Dr. BENGUE, Pharmacien
47, Rue Blanche, Paris
(et Pharmacie MANNHARDT, 34 Rue Labruyère, Paris).

(Erstanden auf einem Strassenmarkt in Arlon am 6.11.2005).

Anästhesie


Chloraethyl (4), Glasflasche

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HIPPOCRATES erwähnte in seinen Büchern, daß er Eis und Schnee vor Beginn seiner Operationen benutzt habe. Dominique Jean LARREY (1766-1842) war in der Lage, Amputationen an halb erfrorenen Soldaten bei Minustemperaturen vorzunehmen - Kälte als Anaestheticum hat Tradition. Das Kältespray zur lokalen Anästhesie "Chloraethyl Dr. HENNING" in seiner 100-ml-Sprühflasche mit Hebelverschluss wird weltweit exportiert. Die Sprühflasche erzeugt einen gezielten Strahl zur punktuellen Behandlung kleiner Hautareale, beispielsweise zur Vereisung von Warzen, bei Sportverletzungen (Zerrungen, Prellungen, Verstauchungen), Schwellungen und Muskelkrämpfen.

 

Etikett
Dr. Georg Friedrich HENNING
Chemische Fabrik, Inh. E. Wedel
6909 Walldorf/Baden.

 

Die Firma mit Sitz in Walldorf bei Heidelberg produziert seit über 100 Jahren. Die Adresse hat sich seither verändert: Postleitzahl 69190.
Ist dieser Henning identisch mit dem nun folgenden Pharmakologen?
Hexogen wurde 1898 von dem Berliner Chemiker und pharmazeutischen Unternehmer Georg Friedrich Henning als Explosivstoff zur technischen Verwertung und als Ausgangsmaterial für pharmazeutische Präparate erstmalig hergestellt und im deutschen Reichspatent unter der Nr. 104280 vom 15. Juli 1898 beschrieben. H. Brunswig erkannte ebenfalls in Deutschland 1916 die hochbrisanten Eigenschaften und ließ sie sich in zwei Verfahrenspatenten schützen. Im Jahre 1920 erforschte man im Militärversuchsamt in Berlin die Substanz näher und nannte sie nun Hexogen.

 


Seit dem 01.01.2004 ist CHLORAETHYL "DR. HENNING" nicht mehr apothekenpflichtig, wird jedoch weiterhin von der Herstellerfirma apothekenexklusiv vertrieben.

 

 

Vorgestellt wird eine Spray-Flasche mit apicalem Abgang der Spritzdüse.

Anästhesie


Chloraethyl (5), Druckflaschen

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Druckflaschen n. Dr. BENGUE

 

 

1895 fiel einem Zahnarzt auf, dass seine Patienten nicht selten einschliefen, wenn er ihnen Chloräthyl (= Chloraethan, Chloraether) auf das Zahnfleisch spritzte, um dieses durch Vereisen örtlich zu betäuben. Dieser narkotisierende Effekt wurde in vielen Kliniken (Hildesheim, Zürich, Basel und Konstanz) bestätigt; der durch Chloräthyl bewirkte, schnell einsetzende und flüchtige Schlaf eignete sich sehr wohl für kurze Eingriffe, zumal der Geruch des Präparates sehr viel angenehmer war als derjenige des Chloroforms; Puls und Atmung blieben unbeeinflusst, die Atemwege wurden nicht gereizt, es kam zu keiner Exzitationsphase...

 

Wie verbreitet das "Chloréthyle BENGUE" war, beweist folgende Anekdote. Ein Arzt berichtet von der Übernahme einer Praxis in SchwarzAfrika
"..mon prédécesseur, à l'évidence oligopharmaque et paucithérapeute, ne disposait en tout et pour tout que de Baume Baissade et de Chloréthyle Bengué"

perso.orange.fr/jdtr/Painciel.htm

 

Die luxemburger Gesetzgebung kannte noch 1959 die Vollnarkose mittels Chloräthyl:
"L´anesthésie locale au chloréthyle, les anesthésies par instillations, tamponnements et badigeonnages sont comprises dans le prix de l´intervention.
13° Anesthésie générale :
1) de courte durée au chloréthyle ou à l´évipan, faite par un médecin en vue d´une intervention chirurgicale ou dentaire
2) de durée prolongée à l´éther, au chloroforme, l´anesthésie continue par voie intraveineuse ou rectale, l´anesthésie combinée avec la curarisation, l´administration de ganglioplégiques, l´hibernation contrôlée artificielle"
(Memorial n°31 vom 2.7.1959).
In dieser Indikation wird das Chloraethyl wegen der schwierigen Dosierbarkeit u. der gefährlich geringen Narkosebreite heutzutage nicht mehr angewandt, wohl aber zur örtlichen Vereisung.

 

Nach Dr. BENGUE ist ein Chloraethylfläschchen benannt, das im September 1999 im Palais des Congrès Teil einer Ausstellung "Matériel ancien d'Anesthésie et de Réanimation" ausgestellt war.

 

Der Pariser Apotheker Jules BENGUE (1840-1898) hatte Ende des 19. Jh. eine örtlich kühlende Salbe entwickelt gegen Muskelzerrungen, die aus Menthol, Salizylat und Lanolin bestand, das "Ben-Gay" - ein Renner auf dem US-amerikanischen Markt.

Anästhesie


Chloroform-Maske (2)

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Ledertasche n. ESMARCH 

"In the last quarter of 1846 ether was successfully used to provide general anaesthesia for surgical operations in the USA and Great Britain. Usage spread rapidly but it wasn’t easy to administer and was unpleasant to inhale. About a year later chloroform was introduced; it seemed more ‘patient friendly’. However, within three months a fit young woman suddenly died whilst having chloroform". In der Tat konnte Chloroform das Herz des stärksten und gesündesten Mannes zum Stillstehen kriegen... Dennoch blieb Chloroform in Gebrauch !

1877 veröffentlichte Johann Friedrich August von Esmarch (1823-1908) das hier vorgestellte Chloroform-Set.

"Esmarch publizierte seinen Chloroform-Narkoseapparat im Jahr 1877. Er stellte seine Erfindung als so genanntes „Chloroformbesteck“ vor. Dieses Besteck bestand aus der beschriebenen Maske, einer Tropfflasche mit Chloroform und einer Zungenzange. Das Set war in einem Lederetui untergebracht und primär für den Einsatz auf dem Schlachtfeld gedacht. Es fand aber auch jahrzehntelang in zivilen Operationssälen weite Verbreitung. Im Prinzip war das Chloroform-Set um 1900 das gesamte Equipment eines Anästhesisten".
www.aerztewoche.at/viewArticleDetails.do?articleId=3204

Im Klinikalltag lagen die Masken lose in Schubladen und Glasvitrinen. Der Hausarzt sowie der Militärchirurg aber hoben die Maske fein säuberlich in einer gediegenen Ledertasche auf, die sie über Land mit sich führten: ein birnenförmiges Lederetui, in dem die Maske, eine Tropfflasche nach LOMSKY und eine gerade, flache Zungenzange Platz fanden.

In der Geburtshilfe dominierte die Anwendung per inhalationem, in der Zahnheilkunde wurde das Chloroform eher lokal eingesetzt:

"Vor allen Mitteln der neuesten Zeit, die schmerzstillend wirken und namentlich bei jeder Form von Zahnschmerz Anwendung finden, wird das Chloroform gerühmt. Von seiner Anwendungsweise durch Verdunstung und Einatmung wollen wir hier absehen, zumal diese Art seines Gebrauchs nicht immer ohne Gefahr für Gesundheit und Leben ist und ohne einen beobachtenden Arzt durchaus nicht auszuführen ist; nur seines örtlichen Gebrauchs auf die schmerzhafte Stelle selbst, indem man ein wenig Baumwolle mit einem oder einigen Tropfen benetzt und an den schmerzhaften Zahn und dessen Zahnfleisch andrückt, auch wohl äuberlich damit die Wange reibt, sei hier erwähnt".

Chloroform wurde aus einer Schale inhaliert, die der Patient in der hohlen Hand hielt, oder über ein Taschentuch oder eine Kompresse verabfolgt, die man auf die Nase des Patienten drückte. Eleganter war der Gebrauch einer Maske: der Patient zählte von 200 rückwärts, atmete dabei durch den Mund, 7-15 Gramm Chloroform reichten im Allgemeinen einen erwachsenen Menschen in Narkose zu versetzen.

Nota: das Chloroform-Set war ursprünglich für den Einsatz auf den Schlachtfeldern bestimmt (ESMARCH hatte sich auf diese besondere Art der Chirurgie spezialisiert). Das hier vorgestellte Exemplar gehörte einem völlig friedlichen Zeitgenossen: es stammt aus dem Nachlass des ab 1925 niedergelassenen Diekircher Allgemeinpraktikers Paul HETTO (1895-1979).

Anästhesie


Chloroform-Maske (5) n. YANKAUER

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Die YANKAUER-Maske besteht aus einem feinen Drahtgeflecht, 13 cm x 9 cm, mit einem Handgriff. Sie wurde um 1910 entwickelt und wurde von Taylor GWATHMEY (1862-1944), als die beste Maske für die Tropfmethode für Chloroform und Äther beschrieben.


Sidney YANKAUER (1872-1932), ein HNO-Chirurg und Pionier der Bronchoskopie, arbeitete am Mount Sinai Hospital in New York. Seinen Medizinabschluss macht er 1893. 1916 leitete er die Mount Sinai School of Medicine und 1927 war er für ein Jahr Präsident der ABEA (American Bronchesophagological Association). Er starb am 27. August 1932 in New York.

Die vorgestellte Maske stammt aus dem Fundus der Maternité Charlotte in Luxemburg.


Ein Witz
Ehe noch das Chloroform erfunden wurde, annoncirte ein Zahnarzt: Schmerzloses Zahnausziehen! Sobald ein Patient sich einstellte, wurde er auf einen Stuhl gesetzt und die Zange an seinen Zahn gelegt. Ein Ruck, dem ein fürchterliches Gebrüll folgte. „Beruhigen Sie sich, ich habe Ihnen versprochen, den Zahn schmerzlos auszuziehen, das halte ich auch; diesen Ruck habe ich Ihnen nur gegeben, um Ihnen Doktor Brechers Methode zu demonstriren." Das Instrument wurde wieder angesetzt — ein Ruck — fürchterliches Geschrei. „Seien Sie nur still, das ist Doktor Reißers Methode. Nun setzen Sie sich hin, Sie sollen meine Methode kennenlernen". Wieder ein Zug mit demselben Resultat folgte. „Bitte, beruhigen Sie sich, das war Doltor Schinders Methode. Sie gefällt Ihnen nicht? Das glaube ich gerne." Jetzt hing der Zahn nur noch an einem Faden und der Zahnarzt war im Stande, ihn schmerzlos fortzunehmen. Triumphierend rief er aus: „Sehen Sie, das ist meine Methode, Zähne schmerzlos auszuziehen. Sie können sie jetzt mit derjenigen der drei anderen Herren vergleichen. — Zwei Thaler, wenn ich bitten darf." (Luxemburger Wort vom 17.5.1888).

 

Diese Meldung schaut auch verdammt nach einem Aprilscherz aus, war aber keiner:

"Man schreibt aus Schwerin: In diesen Tagen werden in der Nähe unserer Stadt Schießversuche mit ganz neuartigen Projectilen vorgenommen, welche bestimmt sind, gegen die „Kugelspritze" ins Feld geführt zu werden; man erwartet von denselben ganz außerordentliche Erfolge, denn die Schießversuche sind in der That zur vollen Zufriedenheit der Commission ad hoc, welche aus mehreren Artillerie-Offizieren, unter dem Präsidium des Obersten vom Ingenieursstab, Schultze, besteht, ausgefallen. Die Granate ist aus Hartgußeisen und hat eine doppelte Wandung von nur 3/8tel Stärke. Der Raum zwischen dem Mantel und dem eigentlichen Granatenkörper ist mit Nitro-Glycerin gefüllt, welches bekanntlich durch Percussion explodirt. Die innere Granate enthält circa 100 kleine Glaskugeln von 3/8tel Durchmesser und 1/16tel Wandung, welche mit concentrirtem Chloroform gefüllt sind. Sobald das Gescboß vor einer feindlichen Colonne platzt, verbreiten sich die Glaskugeln über das Terrain und werden von den anrückenden Soldaten zerstampft, welche dann in Folge der von dem verdunstenden Chloroform vermittelten Narkose entweder sogleich betäubt niedersinken oder geschwächt und halb ohnmächtig in die Hände ihrer Gegner fallen, von denen sie ungefäumt, hülflos, wie sie sind, entwaffnet werden. Die sinnreiche Construction des Geschosses, vermöge welcher sich die Glaskugeln nicht über eine Kreisfläche zerstreuen, sondern vor der feindlichen Fronte in einer Linie sich auebreiten, die zur Kugelbahn im rechten Winkel liegt, ist noch Geheimniß des Erfinders und wird es auch wohl bleiben. Eine einzige dieser Granaten reicht hin, die gesammte Bedienungsmannschaft einer Kugelspritze eine Stunde lang vollkommen kampfunfähig zu machen. Da man die Absicht hegt, auch den feindlichen Generalstad auf Distanz zu beschießen, so sind zu dem Zwecke sehr weit tragente Geschütze von 2 ½ ter Bohrung und Hohlgeschosse gleichen System« construirt worden, welche jedoch anstatt des Chloroformes eine sehr flüchiige KantharidenTinctur [l'inclura cantharidis volubilis) enthalten. Sobald dieselben inmitten der auf einer dominirenden Anhöhe postirten Generalstabs geplatzt sind, stellt sich bei dem Feldherrn und seiner Suite ein unnennbares Gefühl der Menschenliebe und gegenseitiger Berücksichtigung ein, welches eine vollständige Verwirrung anrichtet. Das geht noch aber die Kugelspritze, deren moralischer Eindruck so allgemein gefürchtet wird. Man hofft, daß die feindliche Armee, von dem Eindrucke der überraschenden Scene consternirt, die Flucht ergreifen werde!" (Luxemburger Wort, 18.5.1867).

Anästhesie


Chloroform-Maske (6)

Chloroform-Maske (...
Chloroform-Maske (...
 

 

   Aus dem Nachlass des Arztes Camille GLAESENER (1887-1952) stammt diese Maske nach ESMARCH mit ihrem Originalbezug aus Flanell-Tuch (in unserm Fall mit Mottenbefall). Auf der Rückseite wurde dieser Bezug an einem Knopf in Griffnähe "eingehakt".

Nachteil dieser Bespannung: das Chloroform kam in Kontakt mit der Haut und reizte diese.

 

"Mord in Narkose

"Im Rothen-Kreuzspitale (wo?) sollte vor einigen Tagen an einem Patienten eine schmerzliche Operation ausgeführt werden. Man reichte demselben Chloroform, doch der Kranke, ein außerordentlich kräftig gebauter Mann und nebenbei ein Trinker, erwachte gleich nach dem ersten Schnitt aus der Betäubung; rasend vor Schmerz, entriß er dem Arzt das haarscharfe Messer, und, obgleich mehrere Personen anwesend waren, hatte der Kranke doch, ehe man ihn zu bändigen vermochte, Professor Ragout, sowie eine zwanzigjährige Nonne, die als Wärterin aushalf, durch Stiche ins Herz getödtet. Der zweifache Mörder wurde ins Inquisitenspital gebracht und dort gefesselt. Da die Aerzte erkannten, daß eine Narkose hier unmöglich sei, unterzog man den Mann bei vollem Bewußtsein der Operation. Dieselbe verlief günstig, und glauben die Professoren, daß der Mörder baldigst vollkommen genesen sein wird. Schon jetzt beschäftigt man sich mit der Frage, ob der Mörder nicht straflos ausgehen werde, da die That in halb bewußtlosem Zustande vollführt worden ist" (Obermoselzeitung vom 8.10.1889).

Anästhesie


Chloroform, Maske (1)

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Maske n. ESMARCH

 

 

Der angenehmere Geruch und geringere Schleimhautreizung des Chloroforms sorgten alsbald für eine weite Verbreitung dieses Anaesthetikums, das sich insbesondere in der Geburtshilfe bewährte. Selbst VELPEAU in Frankreich, der noch 1840 gemeint hatte "éviter la douleur dans les opérations est une chimère qu'il n'est pas permis de poursuivre aujourd'hui", liess sich zu dem neuen Verfahren bekehren. So entband schon 1853 die englische Queen Victoria in Chloroformrausch - die "anaesthesie à la reine" wurde zum Schlager der high society.

 

Mehrere Methoden wetteiferten, um das Chloroform zu applizieren:
- der Schwamm, der direkt auf die Nase gedrückt wurde,
- die 1862 angegebene Maske des Geburtshelfers Thomas SKINNER aus Liverpool, die mit Mull überzogen war
- die 1877 angegebene Maske von A. von ESMARCH.

"Die Esmarch-Maske ist im Prinzip eine mit einem Tuch bespannte Drahtmaske. Eine Konstruktion, die die bereits 1862 beschriebene Maske des Engländers Thomas SKINNER modifizierte und verbesserte. Durch das Auftropfen von Chloroform auf den Stoff verflüchtigte sich das Betäubungsmittel und konnte nun als Dampf vom Patienten eingeatmet werden. Eine bedeutende Verbesserung gegenüber der bisher verwendeten Methode, bei der Chloroform, auf ein Tuch oder auf einen Schwamm gegossen, dem Patienten direkt auf Mund und Nase gedrückt wurde. Durch das tropfenweise Aufbringen des Chloroforms auf die Maske kam es, abgesehen von der wesentlich besseren Dosierbarkeit des Narkosemittels, zur Vermischung mit viel frischer Luft und dadurch zu einer drastischen Verminderung der Hypoxie-Gefahr" (Wolfgang Regal).

 

Die hier vorgestellte Maske diente jahrelang unserm Kollegen Dr. Emil GRETSCH (1908-2004) zur "anaesthésie à la reine" bei Geburten in der Maternité Charlotte.

Anästhesie


Chloroform, Maske (3a)

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Maske n. SCHIMMELBUSCH, um 1900

 

 

   Trotz seiner Lebertoxizität war Chloroform lange Zeit ein beliebtes Anaesthetikum. Manchmal aber musste es "ohne" gehen: "Heute morgen wurde dem verunglückten Fußhöller das linke Bein über dem Knie amputiert. Wegen seines allzugroßen Schwächezustandes konnte der Bedauernswerte nicht chloroformiert werden. Sein Zustand ist sehr bedenklich" (Luxemburger Wort vom 16.5.1911).

 

Der Mann verschied nach wenigen Stunden: "Esch a.d. Alz., 17. Mai. Der im Clair-Chêne verunglückte Arbeiter Fußhöller ist heute morgen gestorben" (Luxemburger Wort vom 17.5.1911).

 

 

Exponat

Vorgestellt wird eine einfache Konstruktion von 1900 (von SCHIMMELBUSCH erstmals 1890 angegeben), mit Bügel, Rahmen und Griff aus Chrom (das Gestell liess sich sterilisieren und entsprach somit den Anforderungen der Aseptik), wurden mit einem beliebigen Überzug von der nötigen Größe bezogen.

 

Hersteller: Aesculap AG, Tuttlingen, Deutschland. Maße: ca. 17,5 x 11 x 5,5 cm. Die Schimmelbusch-Maske besteht aus einem ovalen Metallrahmen mit Griff, einem umlaufenden, aufklappbaren Spannbügel mit Griff und einem kreuzförmigen Metallgeflecht, das sich halbrund ausklappen lässt. Auf der Rahmen-Vorderseite ist das Aesculap-Logo eingepunzt, am Rahmengriff die Nummer "3". Die Schimmelbusch-Maske galt bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts als Standardgerät zur Narkotisierung. Mit Hilfe des Drahtgestells wurden Mullkompressen bzw. Tüll über Nase und Mund gespannt und mit dampfförmigen Inhalationsnarkotika (zumeist mit Hilfe eines Y-Tropfers) beträufelt. Bei der Schimmelbusch-Maske konnte erstmals überschüssige Flüssigkeit über die seitliche Rinne abfließen und aufgefangen werden: die Schimmelbusch-Maske, eine Weiterentwicklung der Maske von ESMARCH, war als erste mit einer Rinne ausgestattet, um die überschüssigen Wirkstoffe aufzufangen.

 

 

Curt Schimmelbusch (1860-95), Chirurg, Berlin. Er wurde durch seine in Berlin unter Ernst von Bergmann erarbeiteten Beiträge zur Entwicklung und wissenschaftlichen Begründung mechanischer Sterilisationsmethoden weltberühmt. Als Pionier des Faches Anästhesie wurde er hingegen nie gesehen. Seinen chirurgischen Werdegang startete er 1888 in Köln unter dem berühmten Chirurgen BARDENHEUER. 1890 beschreibt er unter primär aseptischen Gesichtspunkten seine Maske für die Äther- und Chloroformnarkose. "Curt Schimmelbusch was born on November 16th, 1860, as the son of a lord of a manor in Gross-Nogath/West-Prussia. Having graduated from high school in 1882, he studied medicine at Wurzburg, Gottingen, Berlin and Halle. The physician who was awarded the doctor's degree in Halle in 1886 as a co-worker of the histologist and pathologist Eberth at first dealt with research in the field of thrombosis. His surgical training took place in Cologne where he worked in 1888 with the famous surgeon Bardenheuer at the Burgerhospital. A year later he returned to Berlin to do research work at the institute at the Ziegelstrasse. Under the main aspects of hygiene he described a mask in 1890, which he used predominantly for ether anaesthesia, although he considered it to be suitable also for chloroform anaesthesia, in itself an exciting contribution he has made characterising the progress of anaesthesia in German-speaking countries up to the mid-50's of the 20th century".


Quelle:
Reinhard M, Eberhardt E., Curt Schimmelbusch, development of a mask for chloroform and ether anesthesia based on primary aseptic principles, in: Anasthesiol. Intensivmed. Notfallmed. Schmerzther. 1994 Feb;29(1):30-5.

Anaesthesie


Chloroform, Maske (3b)

Masken Munchen 1
 

 

"SCHIMMELBUSCH-Masken. Einfache Konstruktion (um 1890) mit Bügel, Rahmen und Griff aus dem für ein aseptisches Verfahren geeigneten Chrom, wurde mit einem beliebigen Überzug von der nötigen Größe bezogen. Zum Gebrauch für Äther wurde zusätzlich noch ein undurchlässiger Stoff über das feine Drahtgeflecht gezogen.

 

 

Entscheidend sind das faltbare, zusammenklappbare Gesichtszelt und die Auffangrinne.

 

 

Die Schimmelbusch-Masken waren als erste mit einer Rinne ausgestattet, um die überschüssigen Wirkstoffe aufzufangen. Das Gestell der Maske läßt sich sterilisieren und entspricht so den Anforderungen der Aseptik" (Anaesthesie-Museum, Bochum).

 

Das Narkosegas (Cloroform, Aether) wurde auf Flanell oder Stoff getropft. Falls Äther als Narkosegas gewählt wurde, überzog man das Drahtgestell der Maske mit einem luftundurchlässigen Wachstuch (vgl. Julliard). Hierdurch verdunstete der Äther nicht so schnell, jedoch erhöhte sich das Hypoxierisiko des Patienten

 

 

"This mask was originally designed by Dr Curt Theodor Schimmelbusch (1860-1895) in 1890 to administer ether (or chloroform) to anaesthetise patients undergoing surgery. Schimmelbusch attempted to improve his original anaesthetic mask design in 1895, but it was not a success; so the original design was used in clinical practice. It has since been modified in different ways but the principle remains the same. The mask rim is designed to fit the contours of a person’s face. A frame is constructed over the rim of the mask with 10 to 12 layers of Gamgee gauze (a surgical dressing invented by Dr Joseph Sampson Gamgee in Birmingham, England, in 1880, consisting of a thick layer of absorbent cotton wool held between two layers of absorbent gauze) applied over it and clamped in place during use. This frame keeps the gauze away from the face of the patient to make it more comfortable and acceptable for the patient. There is a gutter that runs around the rim to catch excess anaesthetic liquid so that it does not drip onto the patient’s face and irritate the patient—this is a desirable characteristic as an irritable patient might contribute to stormy induction of ether anaesthesia" (Ronald Lo, The Schimmelbusch mask, in: Hong Kong Med J 2014 Dec;20(6):560–1).

 

Exponat

2 unterschiedliche Schimmelbusch-Masken, erworben auf einem Flohmarkt im Olympiapark / München 9/2018

 

Anästesie


Chloroform, Maske (3c)

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Masken aus dem Besitz der Ärzte Fritz (Vater) und Oswald (Sohn) STEINER aus Matrei am Brenner.

Anästhesie


Chloroform, Maske (4)

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Maske n. SCHIMMELBUSCH, um 1900

 

 

Narkose 1907
"Mertert, 80. Juli. (Per Telephon.) Gestern abend löste ein junger Mann zu Manternach ein Billet für den letzten Zug Luxemburg-Trier. Zu Mertert stieg der besagte Passagier aus und wartete auf den Schnellzug, der gegen Mittelnacht von Trier nach Luxemburg fährt. Beim Herannahen des Zuges suchte sich der Mann auf die Schienen zu werfen; doch die Beamten zogen ihn weg, was ihnen nur unter den größten Anstrengungen gelang. Man sperrte den Lebensmüden, der augenscheinlich wahnsinnig war, ins Stationsgebäude ein, wo er sofort alle Fenster zerschlug. Die Gendarmen von Wasserbillig, die eiligst requiriert worden waren, banden den Unglücklichen und brachten ihn nach Grevenmacher zum Doktor, wo man ihn chloroformieren musste, um den Ausbrüchen der Tobsucht Einhalt zu tun. Nach dem Erwachen mußte der Arme von Neuem gebunden werden da er durchaus nicht zu beruhigen war. Schließlich brachte man ihn über Wasserbillig nach Ettelbrück. Allem Anscheine nach hat man es mit einem irrsinnigen Deutschen zu tun, der vielleicht einer ausländischen Heilanstalt entsprungen ist" (Luxemburger Wort, 30.7.1907).

Narkosen wurden um die Jahrhundertwende von Chirurgen und Krankenschwestern durchgeführt, die Geräte mussten demzufolge einfach im Gebrauch sein, das benutzte Anaesthetikum musste gut steuerbar sein. Der Einfachheit halber wurde das OMBREDANN'sche Gerät daher schon nach 1862 vielfach zugunsten der einfacheren SCHIMMELBUSCH-Maske aufgegeben, bei der Äther auf eine Maske geträufelt wurde, die auf der Nase des Patienten lag, wobei flüssiges Äther im Kontakt mit der Gaze der Maske verdampfte und vom Patienten eingeatmet wurde...

 

Die SCHIMMELBUSCHMASKE wurde in einer metallenen Dose aufbewahrt, zusammen mit der passenden Tropfflasche.

 

 

Exponat

Vorgestellt wird eine "Chloroform-maske" nach SCHIMMELBUSCH*, wie sie noch 1942 im Katalog der "Manufacture Belge de Gembloux" unter der Katalog-Nr. 15323 angeboten wurde als "Masque pliant pour anesthésie au chloroforme".
Der Chirurg Curt SCHIMMELBUSCH kam am 16.11.1860 in Grossnogarth / Westpreussen zur Welt, er starb in Berlin am 2.8.1895. Nach ihm wurden die Maske und eine Trommel zur Sterilisierung und Aufbewahrung von Material benannt.