Chirurgie


Aderlass, weisser (1)

 

Zu den Ableitenden Verfahren gehört, neben dem unblutigen und dem blutigen Aderlass, bei dem Blut "verschoben" wird, auch das "weiße Schröpfen" mit Kantharidenpflastern. Es werden Ansammlungen "ungesunder Körperflüssigkeiten" aus dem Körperinneren lokal an die Oberfläche geleitet und dort entsorgt. Bei diesem Verfahren wird also helles SERUM entzogen, daher die Bezeichnung "weisser Aderlass".

 

Die Kantharide, "mouche d'Espagne" oder "mouche de Milan" [dtsch. „spanische Fliege“] ist eine in Mitteleuropa und in den Ländern des Mahgreb heimische Käferart. Aus ihr wird ein Pulver erzeugt, das bei Anwendung auf der menschlichen Haut eine Entzündung hervorruft, die einer Brandblase vergleichbar ist. Bei diesem schon in der Antike bekannten Verfahren wird eine reizende Salbe auf die Haut aufgetragen, worauf sich eine Blase bildet, wie bei einer Verbrennung 2. Grades. Der Arzt sticht diese Blase (möglichst steril) an, und benutzt dabei entweder ein Messer oder eine Spritze. Dann wird die Haut mit einem sterilen Verband abgedeckt - wie bei einer Verbrennung.

Kantharidenpflaster.

(Blasenpflaster, Spanischfliegenpflaster, Emplastrum cantharidum [vesicatorium] ordinarium), eine Mischung aus 2 Teilen grob gepulverten Spanischen Fliegen (Kanthariden), 1 Teil Olivenöl, 4 Teilen gelbem Wachs und 1 Teil Terpentin; ist weich, wird zum Gebrauch messerrückendick auf Leinwand gestrichen und mit Heftpflaster auf der Haut befestigt; es zieht in 6-12 Stunden eine Blase. Der Lymphfluß wird angeregt, es werden gute Ergebnisse erzielt bei vielen chronischen Beschwerden der Gelenke – Kniearthrose, Hüftarthrose, Blockaden der Hals- und Lendenwirbelsäule. Cave: bei Nierenkranken!!

 

Geschichtliches zur Methode
Belegt ist die äussere Ableitung schon bei Ärzten im alten Indien. Hier wurde der Blasenzug (Vesikation) absichtlich herbeigeführt, in dem man Asche mit ätzender Lauge vermischte und auf die Haut aufbrachte. Auch im römischen Reich und in der arabischen Medizin arbeitete man mit dieser Therapie. Die äusserliche Anwendung der Kanthariden als Vesikans war allerdings vor Beginn des Mittelalters kaum in Gebrauch, von da an wurde es immer häufiger gegen eine grosse Anzahl schmerzhafter und entzündlicher Zustände eingesetzt. Paracelsus rühmte es als Heilmittel bei der Gicht: "Wo die Natur einen Schmerz erzeugt dort will sie schädliche Stoffe anhäufen und ausleeren. Wo sie dies nicht selbst fertigbringt dort mache eine Loch in die Haut und lasse dies heraus” (Paracelsus).

Die innere Anwendung als Aphrodisiakum war ebenfalls bereits den alten Griechen bekannt. Der "Canossa-Gänger" König Heinrich IV. (1050-1106) soll Kantharidenpulver konsumiert haben gegen seine Potenzprobleme. Der Marquis de Sade belohnte seine Nutten mit anishaltigen Perlen, in denen auch Kantharidenpulver enthalten war. Als eine dieser Damen an einer Kantharidin-Vergiftung starb, musste der geile Marquis die Flucht ergreifen, wurde aufgegabelt und in Haft genommen...

 

Hier das Rezept des Apothekers GAROSTE aus Fos:

Poix noire purifiée............... 125 grammes
Cire blanche........................ 30 grammes
Cantharides en poudre fine ... 60 grammes
Essence de Térébenthine ...... 15 grammes
Huile d'Olives ....................... 8 grammes

 

Exponat

Vorgestellt wird ein Pflaster-Briefchen, erworben am 22.4.2007 in Steinfort. Das gleiche Produkt in einer runden Pappkarton-Dose aus einer Pariser Apotheke (Ebay 6/2018).