Gynaekologie


Scheidenspüler n. PINKUS

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Heißwasser-Scheidenspüler nach Felix PINKUS / Berlin

um 1910

 

 

Wichtige Indikationen der heißen Scheidenspülungen bildeten chronisch entzündliche Prozesse, bei denen eine resorptionsfördernde Wirkung erstrebt wurde.


"Beitrag zur Technik der heißen Scheidenspülung von Dr. Heinr. Baumgärtner jun.
In der gynäkologischen Praxis werden vielfach heiße Ausspülungen der Scheide verordnet, wo es sich darum handelt, Uteruskontraktionen anzuregen, Blutungen zu stillen, alte Exsudatreste und Verwachsungen zur Resorption und chronisch entzündliche Zustände der Beckenorgane zur Heilung zu bringen" (Monatsschr. Geburtshilfe Gynäkol. 1897; 5:7-11).

 

Bei beginnender Fehlgeburt sollte die Hebamme einen heiße Scheidenspülung vornehmen:
"Bei einer im Gange befindlichen Fehlgeburt: die Frau wird ins Bett gebracht und erhält eine heiße Scheidenspülung" (Friedrich Kirstein, Leitfaden für den Hebammenunterricht, Berlin 1912 S.98).

 

Besonders häufig scheint die Anwendung im frühen Wochenbett gewesen zu sein
"Bezüglich der bei Blutungen zu verfolgenden Therapie ist zu bemerken, daß heiße Scheidenspülungen nur eine vorübergehende Hämostase bewirken und daß man sich deshalb nicht auf dieselben verlassen kann. So lange eine Retention besteht, geben heiße intrauterine Spülungen ebenfalls eine gewisse Hämostase; sie haben aber nur insoweit eine Berechtigung, als sie die Expulsion befördern" (Oskar Beuttner, Zur Behandlung des unvollständigen Abortus nebst einigen Bemerkungen über Atmokausis, Uterusperforation und Hysteroskopie, in: Anton Bum, Wiener Klinik, Vorträge aus der gesammten Praktischen Heilkunde 1900, S.152).

 

Ein Wechsel kalt/warm löste die Plazenta:
"(..) wegen fortdauernder Blutung Versuch, die teilweise gelöste Placenta durch Credé zu exprimieren. Der Versuch scheiterte. Die andauernde mäßige Blutung wurde dann durch nochmalige heiße Scheidenspülung ganz zum stehen gebracht, der Uterus kontrahierte sich fest. Die Halbentbundene wurde nun mit Eisblase auf dem Leibe vom Operationstisch ins Bett zurückverbracht, und während der Kontrolle des Uterus wurde die Placenta spontan nach Modus Duncan ausgestoßen" (Interntionale klinische Rundschau, Nr.16, 1903 S.278).

 

„Die gestörte Rückbildung der Genitalien gibt sich dadurch zu erkennen, daß der Uterus groß, schlaff und weich bleibt (..) Behandlung: dreimal täglich 15 Tropfen Extr. Secal. Cornuti fluid.; zwei tägliche heiße Scheidenspülungen, längere Bettruhe“ (G. v. Bergmann, Die Therapie des praktischen Arztes, Berlin 1920 S.360).

 

„Bei den übrigen Nachgeburtsblutungen suche die Hebamme bis zur Ankunft des Arztes die Gebärmutter gleichmäßig zu reiben, bei gefüllter Harnblase diese zu entleeren, dann in allen Fällen Bettruhe, Rückenlage mit geschlossenen Beinen und niedrig gelegtem Kopfe anzuordnen, ferner kalte Umschläge auf den Bauch und eine stets mit dem Thermometer zu messende 50°C heiße Scheidenspülung von 2-4 Liter mit Lysol vermischtem Wasser zu machen“ (Karl Waibel, Leitfaden für die Prüfungen der Hebammen, Springer 1923 S.91).

 

Die Spülbirne eignete sich auch für die Selbstbehandlung bei Unterleibsentzündungen:
"(..) Dann folgt die Selbstbehandlung durch die Patientin daheim: Am folgenden Tage abends vor dem Zubettgehen eine heiße Kamillenteespülung oder eine Spülung mit Thiosept-Emulsion (1 bis 2 Eßlöffel auf 1 Liter heißes Wasser). Jeden zweiten Tag nach vorgenommenem Sitzbad (in bekannter Weise) lasse ich nach dem Zubettgehen ein Thiosept-Vaginal-Globulus soweit als möglich in die Scheide einführen, am darauffolgenden Tage wiederum abends eine heiße Scheiden-spülung vornehmen. Je nach dem Grade der Entzündung läßt man die Patientin nach der zweiten oder vierten Selbstbehandlung wieder in die Sprechstunde kommen" (Wiener medizinische Wochenschrift Nr.37, 1939 S. 939).

Rupert Franz in Wien empfahl bei Gonorrhoe mehrmals täglich heiße Scheidenspülungen (in: Carl Bruck, Josef Jadassohn, Gonorrhöe: allgemeine Ätiologie, Pathologie, bakteriologische Diagnose, Berlin 1934 S.683).

 

1913 erwähnten Carl Menge und Erich Opitz die PINKUS'sche Spül-Birne in ihrem Handbuch der Frauenheilunde S.277.

Noch Anfang der 1950er Jahre findet die Methode in der Literatur Erwähnung:
"Scheidenspülungen zu rein hydriatischem Zweck einer Zirkulationsumstimmung (Hyperämisierung, Resorptionsförderung) sind nur dann von Wert, wenn man große Mengen Spülflüssigkeit (bis zu 20 Liter) von hoher Temperatur (allmählich steigend von 40 bis 50°C) verwendet. In diesen Fällen muß der Irrigator natürlich ein gehörig großer Eimer sein und für eine ebenso großes Ablaufgefäß gesorgt werden. Da überdies die meisten Frauen solch hoch temperierte Duschen am Introitus als schmerzhaft empfinden, verwendet man dazu statt des einfachen Scheidenrohres besser eine Pinkus'sche Spülbirne, welche das ein- und rücklaufende heiße Wasser vom Introitus durch die isolierende Luftschicht fernhält" (Rudolf Th. v. Jaschke, Leitfaden der Gynäkologie, Berlin 1950 S.51).

 

Zum Erfinder
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Der am 4. April 1868 in Berlin geborene Felix Israel PINKUS wurde am 1. April 1908 zum leitenden Arzt der Geschlechtskrankenstation im Städtischen Obdach in Berlin ernannt, eines Obdachlosenasyls. Nach Eröffnung des Frauenkrankenhauses in Reinickendorf am 15.12.1924 wurde er Direktor dieses Krankenhauses, das er bis 1933 leitete. Nach der Machtergreifung Hitlers verblieb er zunächst in Deutschland und durchlitt die Eskalation der Unterdrückung:
- 1933 wurde er als Sekretär der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten abgesetzt.
- 1934 wurde er aus dem Lehrkörper der Berliner Universität gestrichen. Er musste Wohnung und Praxis aufgeben.
- 1938 wurde allen jüdischen Ärzten die Bestallung entzogen, nur 709 erhielten die Erlaubnis weiter ärztlich tätig zu sein, jedoch nur für jüdische Patienten und nicht als Ärzte, sondern als "Krankenbehandler".


Im August 1939 emigrierte Pinkus nach Oslo, wo ihn die Nazi im April 1940 drohten einzuholen - über Kopenhagen, Moskau und Wladiwostok konnte er sich in letzter Sekunde über Japan nach San Francisco retten, wo er im Januar 1941 ankam und von seinem Sohn in Empfang genommen wurde. Er starb am 19. November 1947 in Monroe-Michigan/USA.
Er war ein Vetter des Salvarsanforschers Paul EHRLICH (1854-1915), der mit einer Pinkus verheiratet war.
Nach ihm ist die "Pinkus'sche Krankheit", der Lichen nitidus benannt.

 

Lit.:
Langenhagen, De l’emploi abusif et inconsidéré des irrigations vaginales trop chaudes en gynécologie. Gynécologie 1913 Jg.17 Nr.3 p.141-146.
Pinkus, Felix, Haut- und Geschlechtskrankheiten. Verlag: Dr W. Klinkhardt Vlg Leipzig 1910.
Boruttau, Heinrich, Zur Quecksilberresorption bei der Schmierkur, Dtsch Med Wochenschr 1913; 39(29): 1409 [Aus der Physiologisch-chemischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses im Friedrichshain (Leiter: Prof. Boruttau) und aus der Abteilung für Geschlechtskrankheiten im Städtischen Siechenhaus (Dirigierender Arzt: Priv.-Doz. Felix Pinkus) in Berlin]

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