Innere Medizin


Elektrokardiograph (1)

Fa. Schwarzer / München um 1956 

Wie fast alle Erfindungen, ist auch der Elektrokardiograph das Resultat einer jahrzehntelangen, multinationalen Gemeinschafztsaktion: 1843 konnte der Italiener Carlo MATTEUCCI (1811-1868) eine mit der Muskelbewegung einhergehende elektrische Reaktion nachweisen - auch am Herzmuskel.

1876 gelang dem Franzosen Etienne Jules MAREY (1830-1904) die graphische Darstellung dieser elektrischen Ströme. Bei dieser Darstellung erwies sich das 1873 von dem luxemburgischen Physiker Gabriel LIPPMANN (1845-1921) entwickelte Kapillarelektrometer als wenig praktisch. Erst als man 1900 über das Saitengalvanometer des Holländers Willem EINTHOVEN verfügte, gelang es, praktisch verwertbare Herzstromkurven aufzuzeichnen .

Unter dem Datum des 2.9.1936 finden wir im "Escher Tageblatt" diese sonderbare Beschreibung eines frühen Eletrokardiographen:
"Die feinste Analyse dieser Art wird mit Hilfe des sogenannten Elektrokardiographen ausgeführt ; die Kurve ist das Elektrokardiogramm. Bei dieser Untersuchung werden feine Nadeln in zwei verschiedene Stellen der Haut eingestochen und durch Drähte mit der Apparatur verbunden. So werden die feinsten Schwankungen der elektrischen Eigenströme registriert, die von der Haut ausgehen, und diese Schwankungen entsprechen der jeweiligen Durchblutung, die wieder ihrerseits in unmittelbarer Abhängigkit von der Herztätigkeit steht.
Dr. E.J.".

Die ersten Geräte zeichneten die Kurve auf Photopapier, das in einer Dunkelkammer entwickelt werden musste: für die Praxis war die Methode nicht reif. Als aber nach dem 2. Weltkrieg neue Registrierverfahren (Thermoschrift und Flüssigkeitsstrahl) zur Verfügung standen, hielt das EKG Einzug in die medizinische Praxis: ab 1948 wurden Elektrokardiographen als "Direktschreiber" auf den europäischen Markt gebracht, so von den Firmen HELLIGE und SIEMENS.

Der hier vorgestellte tragbare "CARDIOSCRIPT II" der Firma SCHWARZER (Baujahr vermutlich 1956) stammt aus dem Nachlass des Arztes Pierre BRÜCK (1926 - 2001) aus Gasperich, der sich 1957 als Internist in Ettelbrück niederliess. Der Einkanal-Direktschreiber wiegt stolze 17 Kilogramm!


Zur Firma SCHWARZER
Als Elektrofrequenz Fritz Schwarzer & Co. gründete der Namensgeber sein Unternehmen 1936 in Falkensee bei Berlin. Nach dem Krieg verlegte die Firma ihren Sitz ins niedersächsische Alfeld an der Leine. Schon 1946 brachte Schwarz den ersten in Deutschland industriell hergestellten Elektro-Encephalographen zur Messung von Gehirnströmen auf den Markt. Zwei Jahre später folgte der erste in Europa hergestellte direktschreibende Elektrokardiograph. 1953 erfolgte wiederum ein Umzug, diesmal nach München. Seit dieser Zeit firmiert das Unternehmen als Fritz Schwarzer GmbH. Auch nach dem Verkauf der Schwarzer GmbH an den US-Konzern American Optical schrieb die Schwarzer GmbH weiter Medizingeschichte. 1973 wurde das erste digitale EKG-System TS 5000 vorgestellt - mit Zwischenspeicherung auf Kassette und digitaler Fernübertragung. 1981 wurde Schwarzer von der US-Firma Picker International übernommen, und elf Jahre später verkaufte Picker das Unternehmen für Medizintechnik an den Pharmakonzern Madaus.
Dieses Engagement fand 1995 ein Ende; im Rahmen eines Management-Buy-Out wurde die neue Schwarzer GmbH gegründet...




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Elektrokardiograph (2)

Elektrokardiogramm 2
 

   

 

 

 

 

 

Aus dem Nachlass des ab 1965 in Luxemburg niedergelassenen Internisten Joseph KREMER (1933-2003) stellen wir hier einen tragbaren Elektrokardiographen der Fa. Siemens (Modell T, Baujahr 1978) vor. Ein Dankeschön an seine Tochter Muriel.

 

Innere Medizin


Enzyklopädie

 

MENON, ein Schüler des grossen Aristoteles, schrieb im 4. Jahrhundert v.Chr. eine medizinische Collection, die leider verloren ging. Aulus Cornelius CELSUS lieferte in seinem "Artes" um Christi Geburt eine grossangelegte Zusammenfassungen des damaligen Wissens. Einzig erhalten davon sind die 8 Bücher "De Medicina", in denen die gesamte Medizin der römischen Antike zusammengefasst ist. Aus dieser Goldgrube schürfte die Nachwelt bis ins 18. Jahrhundert.

Im frühen Mittelalter verfasste OREIBASIOS (325-403), gestÜtzt vor allem auf Texte des römischen Arztes Claudius GALENOS (1. Jahrhundert n.Chr.), eine ähnliche Enzyklopädie, seine 72 Bücher umfassende "Synagogía Iatrikê" (ärztliche Zusammenkunft) ...

In Arabien publizierte Al-TABARI zu Beginn des 9. Jahrhunderts sein "Firdaws Al-Hikma" (Das Paradies des Wissens), eine medizinische Enzyklopädie, welche das Wissen der Griechen, Perser, Inder und Araber umfaßte. Ihm eiferte Abu Bakr Mohammad Ibn Zakaria Al-Razi, besser bekannt als RHAZES nach. Sein Buch "Al-Hawi" auch "Continens" erbenso wie das mehr als 1 Million Worte starke "Al-Canun" von Abu-Ali Al-Hussein Ibn Sinâ alias AVICENNA sind Fleissarbeiten - zu keiner Zeit hatte ein einzelner Mann vor AVICENNA soviel medizinisches Wissen zusammengetragen ...

Mit der Aufklärung wurde dieser Buchtypus wieder aufgegriffen und massenhaft gedruckt: Laien, insbesondere der reiche Mittelstand und der Adel schmökerten gerne in diesen Lexiken. Es gab zahllose kleine "Wörterbücher" und "Dictionnaires", die wir hier aussen vor lassen wollen, um uns auf die grossen Lexika zu konzentrieren:

- in Frankreich publizierte der Pariser Buckdrucker Charles-Joseph Panckoucke ein umfangreichen Überblick über das medizinische Wissen seiner Zeit:

  • von den 210 Bänden der von ihm verlegten "Encyclopédie méthodique (1782-1832) befassten sich deren 13 mit Medizin (1787-1830) resp. mit Chirurgie (1790-1798).
  • von 1812 bis 1822 erschien in seinem Verlag ein 60-bändiges "Dictionnaire des sciences médicales"
    Eine Generation später machte sich der französische Arzt Amédée DECHAMBRE (1812-1886) daran, das Wissen seiner Zeit zusammenzufassen und es einem grossen Publikum kundzutun. Als die Arbeiten an seiner "Encyclopédie" 1889 (posthum) eingestellt wurden, umfasste diese genau 100 Bände - eine Kapitalanlage, und ein Bücherschrank ganz alleine für dieses Werk!.

    - dem französischen Vorbild nacheifernd, gab die Medizinische Fakultät der jungen Universität Berlin, durch Christoph Wilhelm HUFELAND (1762–1836) angeregt, ab 1828 das "Encyclopädische Wörterbuch der medicinischen Wissenschaften" heraus - 37 Bände sollten es werden. Dieses "Wörterbuch" war auf deutschem Boden der Vorläufer der in mehreren Auflagen erschienenen "Real-Enzyklopädie der gesammten Heilkunde" des Berliner Arztes Albert EULENBURG (1840-1917) - deren erste Auflage (1880 -1883) in 15 Bänden erschien, deren 2. Auflage (1885-1890) bereits 22 Bände füllte, und deren dritte Auflage (1894-1901) in 26 Bänden erschien - ein Standardwerk seiner Zeit. Die rasch fortschreitende medizinische Wissenschaft machte jährliche "Encyklopädische Jahrbücher der gesammten Heilkunde" notwendig, die von 1903 bis 1911 erschienen. Eine 4. und letzte Ausgabe kam in 15 Bänden (1907-1914) heraus. Bis 1937/38 schloß sich die Veröffentlichung der "Ergebnisse der gesamten Medizin" in 22 Bänden an. Das Opus von EULENBURG dienste dem medizinischen Publikum als Nachschlagewerk, wurde aber auch fleissig von "gebildeten Laien" benutzt.

    Diese Enzyklopädien richteten sich vorwiegend an ein medizinisch gebildetes Publikum - Ärzte und Studenten. Ausdrücklich für ein nichtärztliches Publikum verfasste 1843 der Rostocker Arzt Georg Friedrich MOST (1794-1845) seine "Encyklopädie der Volksmedicin. Oder Lexikon der vorzüglichsten und wirksamsten Haus- und Volksarzneimittel aller Länder". Sein Publikum waren Landprediger, Ortsvorsteher, Schullehrer, die hier Anregungen finden sollten, wie sie sich im Notfall bis zum Eintreffenen eines Arztes zu verhalten hatten. "Junge, mit der Volksmedizin und den Volks- und Hausmitteln noch wenig vertraute Ärzte und Wundärzte" sollten daraus viel Gutes lernen können (Einführung).
    Dagegen sahen die populären Enzykopädien des 20. Jahrhunderts bescheiden aus:
    - 1912 erschien das zweibändige "Larousse médical" - es wurde 2005 zur ersten Enzyklopädie auf CD (336 MB).
    - 1922 folgte die dreibändige "Nouvelle encyclopédie pratique de médecine et d'hygiène", die der Verleger Aristide Quillet vier Jahre zuvor bei dem Arzt Pierre-Louis REHM in Auftrag gegeben hatte.

    Der hier vorgestellte Erste Band der "Encyclopédie" von DECHAMBRE stammt aus dem aufgelösten Fundus des "Collège médical" und wurde mir von dessen Präsidenten Herrn Dr. Paul ROLLMANN geschenkt, dem ich von dieser Stelle aus meinen Dank aussprechen möchte.




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Fieberthermometer (1)

Reise- und Klinikthermometer, um 1950 

Erste Versuche zur Messung der Körpertemperatur erfolgten um 1600 in Padua, unter Verwendung des Galilei'schen Thermoscops. Doch war die Messung viel zu zeitraubend und ungenau, um Eingang in die medizinische Praxis zu erlangen. In die Medizin wurden die Temperaturmeßgeräte 1611 von SANTORIO eingeführt, wobei der Patient eine Glaskugel in den Mund nahm, deren Luftinhalt er mit deinem Atem erwärmte. George MARTINE (1702-41), ein Anhänger von BOERHAAVE, konstruierte ein Thermometer, das bis zur Erfindung des kurzen klinischen Thermometers allgemeine Verwendung fand. " Die Bestimmung der Körpertemperatur des Kranken als Teil der ärztlichen Untersuchung hat zuerst Hermann BOERHAAVE (1668-1738), Professor an der holländischen Universität Leyden, gefordert.
Der Einfluß der Schüler des bedeutenden medizinischen Forschers BOERHAAVE auf die europäische Medizin war nachhaltig, nicht zuletzt auf die Wiener Schule. Anton De HAEN (1704-1776), einer der nach Wien berufenen Boerhaave-schüler, hat an seiner Klinik die regelmässige Temperaturmessung bei den Kranken praktiziert. In Deutschland haben Friedrich-Wilhelm von BÄRENSPRUNG (1822-1864) sowie Ludwig TRAUBE (1818-1876) und Carl WUNDERLICH (1815-1875) die klinische Thermometrie um 1850 definitiv eingeführt" .

Unter TRAUBE und WUNDERLICH entstand schließlich jene uns heute vertraute Gepflogenheit, Fieberverläufe schriftlich festzuhalten und Fieberkurven zu führen, wodurch die für einzelne Krankheiten so typischen Fieberverläufe entdeckt wurden.


Der Schotte James CURRIE (1756–1805), war der Erste, der kalte Bäder bei der Therapie des Typhus einsetzte. Er überwachte die Körpertemperatur seiner Patienten und konnte so die Frequenz der Kältebäder der Körpertemperatur der Typhuskranken anpassen.

1866 stellte Clifford ALLBUTT (1836-1925) aus dem englischen Leeds ein Thermometer vor, bei welchem der Quecksilberfaden durch Kontraktion unterbrochen wurde, so daß auf diese Weise die Maximaltemperatur noch Stunden nach der Messung ablesbar blieb. Ende der 60er Jahre wurden Thermometer mit Maximumvorrichtung auch im Thüringischen Ilmenau fabriziert. Aus diesen " Maximal-thermometern " entwickelten sich das später in allen Haushalten Europas vorrätige Fieberthermometer, das man nach jedem Ablesen " herunterklopfen " mußte. Auch gehörte ein derartiges Thermometer spätestens ab dem 2. Weltkrieg zur Grundausstattung eines jeden Krankenplatzes im Hospital ; hier wurden gebrochene Thermometer zur wahren Krux. " Daat mécht 80 Frang, Madam " - nur mit dieser, zugegebenermaßen drastischen Methode, konnte Anfang der 90-er Jahre eine Kostenlavine vom Krankenhausträger abgehalten werden. Über die Art der korrekten Entsorgung der Quecksilber-kügelchen, denen die Schwestern tagein, tagaus quer durch die Krankenzimmer nachjagen mußten, wagte niemand, sich Gedanken zu machen: sie landeten im erstbesten Abfalleimer, ohne daß je ein offizielles Reglement veröffentlicht worden wäre, das ihre umweltgerechte Beseitigung geregelt hätte.

a) Das erste hier vorgestellte Thermometer fällt durch das besonders elegante, sargähnliche Etui auf.
b) Das zweite stellt eine Kombination dar mit einer Sanduhr zur Messung des Pulses.


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Fieberthermometer (2)

Thermometer als Werbeträger 

Das Thermometer als Werbeträger: die Apotheke HIPPERT am Roth Brunnen Platz in Luxemburg liess dieses Thermometer herstellen mit eingeschweisster (nicht aufgeklebter) Adresse.




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Fieberthermometer (3)

 

"Mein Gott, Sie haben 105!"
"Seien Sie nicht so dumm, vorigen Donnerstag wurde ich erst 92"

... ein kindisches Wortspiel mit den Fiebergraden nach Fahrenheit und dem Alter in Jahren.

Britische Ansichtskarte, gestempelt in London am 10. November 1960




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Fieberthermometer n. LEYSER

Thermometer Ria
Thermometer von  Leyser 

In den physiologischen Laboratorien des 18. Jahrhunderts entwickelt, wurde das Thermometer Mitte des 19. Jahrhundert unverändert für die Fiebermessung der Patienten übernommen. "

1835 wiesen der Physiker Antoine César Becquerel (1788-1878) und der Anatom Gilbert Breschet (1784-1845) nach, das die Körpertemperatur eines gesunden Menschen konstant 37° misst – seither ein wachsendes Interesse an der Körpertemperatur, um Krankheitsverläufe besser zu dokumentieren. Carl WUNDERLICH (1815-1877) - “Das Verhalten der Eigenwarme in Krankheiten” (1868) führte die graphische Darstellung in Form der Fieberkurve in die Medizin ein.

In einer ritualisierten Handlung wurde das Instrument" dem Patienten in den Po gesteckt und stundenlang "in situ" belassen (7 Stunden und länger – bis zu 20 Stunden!) – so lag das Ergebnis für die Chefvisite vor. Diese lange Wartezeit erklärt sich aus der Tatsache, dass das Thermometer an und für sich nicht die Temperatur des Patienten misst, sondern seine eigene. Erst wenn das Thermometer die Temperatur des Patienten angenommen hat, misst man dessen Fieber. Die Wartezeit hängt also mit der aufzuwärmenden Masse des Thermometers zusammen! Diese ersten Thermometer mussten bis zum Ablesen am Ort der Messung verbleiben, da sich nach dem Herausziehen die angezeigte Temperatur schnell wieder veränderte. Ausser einem Geschlecht, einer Grösse und einem Gewicht aber hatte der Patient nun eine weitere "Grösse": seine Temperatur.

Exponat (Nachlass von Ria Kremer-MULLER)

Georg Moritz Ludwig Leyser, "Mechanicus", Inspector des physikalischen Cabinets der Universität Leipzig.

case: 8 5/8 in x 5/8 in; 21.9075 cm x 1.5875 cm

Glasthermometer: 20.63 cm x 1.27 cm

Herstellung: ca 1850-1870, Sachsen, Leipzig

"This mercury-in-glass thermometer was probably used for diagnostic purposes. It has a spherical bulb. The stem is bent, above the bulb, so as to hold a rolled paper securely in place. This paper carries a scale reading from 19 to 46 degrees Centigrade. The section from 32 to 43 degrees (that is, the range of body temperature) is graduated in tenths. The scale is marked “M. Leyser, Insp. a.d. Univ. Leipzig / 30080” and “Celsius.” The whole is enclosed in an outer glass tube" (National Museum of American History, Kenneth E. Behring Center).

Unser Thermometer trägt die Nummer 38637.

1867 erfolgte eine erste wesentliche Anpassung des Thermometers durch den Tübinger Internisten Karl Ehrle (1843-1917): das Maximalthermometer, das nach Gebrauch "heruntergeklopft" wurde. Ehrle war damals junger Assistent des Tübinger Internisten Felix von Niemeyer. Zufällig hatte er bei einem Thermometer üblicher Bauart beobachtet, dass ein kleines Stück der Quecksilbersäule durch eine Luftblase von der übrigen Säule abgetrennt war. Dieses Säulchen blieb auch nach Abkühlen des Thermometers am Maximum stehen, bis es durch eine Erschütterung heruntergebracht werden konnte. Konnte man Instrumente mit einer solchen trennenden Luftschicht bauen? 1865 bot Ehrle seine Entdeckung dem Tübinger Instrumentenmacher Christian Heinrich Erbe (1821-1902) zur serienmäßigen Herstellung an: bei sinkender Temperatur sollte die Quecksilbersäule durch eine Engstelle an der Thermometerkugel fixiert werden und abreißen. Erbe aber lehnte ab, weil er aus technischen Gründen dazu nicht in der Lage war. Drei Jahre später war Ehrle als Stipendiat des Württembergischen Staates in Paris und fand dort einen Instrumentenmacher, der sein Maximalthermometer bauen konnte. 1868 erschien im Württembergischen Korrespondenzblatt (dem Vorgänger des Baden-Württembergischen Ärzteblattes) der erste Hinweis in der deutschen Fachpresse. Wenig später – Ehrle war inzwischen als praktischer Arzt in Isny tätig – lobte v.Niemeyer den Wert des Instruments. Der Vorteil des neuen, sog. Maximal-Thermometers war, dass es auch von Pflegepersonal und selbst von Laien abgelesen werden konnte. Außerdem konnte ein niedergelassener Arzt, der mehrere Thermometer im Haus eines Kranken zuruckließ, beim nächsten Besuch den Temperaturverlauf direkt kontrollieren.

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Fieberthermometer (5)

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Im November 1857 führte der aus Wullersdorf / NÖ stammende Arzt Johannes Evangelista WIRTINGER (1826-1909) das Fieber-Thermometer am AKH / Wien ein.
 
Hier ein gängiges Thermometer der Fa. Wilhelm UEBE aus den 1950er Jahren.
 
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Thermometrie in Österreich

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Johannes Evangelista WIRTINGER (1826-1909) *28. Dezember 1826 in Wullersdorf / NÖ führte die Thermometrie 1857 am AKH ein. Aus seiner Ehe mit Beata Powolny stammt u.a. der spätere Mathematiker Wilhelm Wirtinger (1865-1945) (Österr. Biograph. Lexikon, Wilhelm Wirtinger).

 

1855, Frühjahr, Promotion: „(Promotionen und Approbationen). Am 2. März 1855 (..) Wirtinger Johann, aus Wullersdorf in Österreich“ (Österreichische Zeitschrift f. Practische Heilkunde, Wien 6. April 1855 S.116).

 

1855, Herbst, Anstellung am AKH: „(Personalveränderungen im allg. Krankenhause) Dr. Matzal Theodor (..) supplirtdurch Dr. Johann Wirtinger“ (Wiener med. Wochenschrift, Nr.40, 6. Oktober 1855 S.647).

 

1856, Herbst, letztes Doktorat: „(Promotionen, Sponsionen und Approbationen) Seit 3. Juni wurden folgende Med.Doct. an der Wiener med. Fakultät als Magister der Geburtshilfe approbirt: (..) am 2. August 1856 Wirtinger Johann“ (Österreichische Zeitschrift f. Practische Heilkunde, Wien 17. Oktober 1856).

 

1861 Landgerichtsarzt: „Der em. Sekundararzt des allg. Krankenhauses, Dr. Wirtinger, wurde als Sekundararzt beim k.k. Landesgericht in Wien angestellt“ (Wiener med. Wochenschrift Nr.1, 5. Jänner 1861 S.15) – hier war er Assistent am Gefangenenkrankenhaus (Strafhausspital) (Wiener med. Wochenschrift 1862 und 1864).

 

„Die vierte (Sanitäts-) Sektion hat beschlossen, dem Plenum den Sekundararzt des Inquisitenspitales Dr. Wirtinger für die Hausarztstelle in Ybbs zu empfehlen. Wir beglückwünschen die Sektion zu diesem Vorschlage und wünschen im Interesse der Bewohner des Ybbser Versorgungshauses, dass das Plenum diesen Vorschlag adoptire. Dr. Wirtinger’s Kenntnisse, Gewissenhaftigkeit im Dienste und reiche Erfahrungen (er dient seit zehn Jahren in verschiedenen Krankenhäusern) sind bekannt und befähigen ihn, wie wenige seiner Collegen, gerade zu einem Posten, wie es jener im Versorgungshause in Ybbs ist“ (Wiener med. Wochenschrift Nr.19, 7. Mai 1864 S.301).

 

1864 Primararzt am Versorgungshaus Ybbs: „(Ernennung). An die Stelle des bisherigen Landesgerichtsarztes Herrn Dr. Wirtinger, der zum Primarius für das Versorgungshaus Ybbs ernannt wurde, ist Dr. Friedmann an dessen Stelle befördert worden“ (Wiener Medizinal-Halle Nr.35, 28. August 1864 S.367).

 

1898 Versetzung in den Ruhestand: „(Wiener Stadtrath, Sitzung vom 28. October). Dem Ansuchen des Primärarztes der Wiener Versorgungsanstalt in Ybbs Dr. Johann Wirtinger um Versetzung in den bleibenden Ruhestand wird Folge gegeben“ (Wiener Zeitung, 29. Oktober 1898).

 

1909, 21. April Tod: „Mittwoch, den 21. d.M. starb in Ybbs a.D. im 83. Lebensjahre Dr. Johann Wirtinger, Primararzt der dortigen Wiener städtischen Versorgungsanstalt im Ruhestand“ (Prager Tagblatt, 26. April 1909).

 

 

Wirtinger und die Thermometrie
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Im November 1857 führte er als junger Assistenzarzt „Sekundararzt“ die Thermometrie am AKH in Wien ein. Erst 1865, als er zum Primararzt des Ybbs’er Versorgungshauses (staatliches Armenhaus, ab 1817 Aufnahme psychisch Kranker, ab 1859 war das Haus ganz in den Händen des staatlichen Irrenfonds, ab 1865 lag die Verwaltung bei der Landesvertretung des Niederösterreichischen Irrenfonds) avanciert war, veröffentlichte er seine Ergebnisse [Primararzt Wirtinger in Ybbs: Beiträge zur pathologischen Thermometrie, Wiener med. Wochenschrift Nr.61, 2. August 1865 S.1115].

 

„Schon in der Bibliothek des Assyrerkönigs Sardanapal waren die akuten Erkrankungen unter dem Bilde zusammengefaßt, daß Feuer die Stirn eines Menschen ergreift. Die betreffende kleine Tafelserie wird uns demnächst durch Herausgabe des Marburger Keilschriftforschers Küchler zugänglich werden. Andere Texte verschiedener Sprachen beweisen, daß lange davor und lange danach nach subjektiver Abschätzung die gesteigerte Körpertemperatur des Fieberkranken beachtet wurde. Dann kam die Erfindung des Thermometers. Die Vorgeschichte dazu ist in den Mitteilungen zur Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften ausführlich enthalten. Bei Häser finden wir dann die Geschichte der Schwierigkeiten, welche sich der Einführung des Thermometers am Krankenbett entgegenstellten. Erst Wunderlich (1815-1877) gelang es, die klinische Thermometrie zu begründen. Aber heute, ein Vierteljahrhundert weiter, ist die Verbreitung des Fieberthermometers eine so allgemeine, daß fast jede sorgsame Mutter die Handhabung kennt“ (Dr. Freiherr v. Oefele, Zur Alkalimetrie und Acidimetrie des menschlichen Kotes, in: Pharmazeutische Praxis, Wien Heft 4 1905 S.1).

 

„Das Jubiläum des Fieberthermometers. Das Thermometer feiert heuer das vierzigjährige Jubiläum seiner Anwendung zur Temperaturbemessung der Kranken. Seine Wiege stand im Allgemeinen Krankenhaus zu Wien. Im Jahre 1865 veröffentlichte der damalige Sekundararzt Dr. Wirtinger seine Erfahrungen über die neue Untersuchungsmethode in der „Wiener medizinischen Wochenschrift". Anfangs wurde die neue Entdeckung kühl aufgenommen; bald aber wurde das Thermometer bei allen Krankheiten methodisch angewendet und erhielt seinen Platz neben den anderen physikalischen Untersuchungsmethoden, der Perkussion und Auskultation, die ebenfalls vom Allgemeinen Krankenhaus in Wien aus ihren Siegeszug über die ganze Welt angetreten haben. Ihre Ausbildung zur wissenschaftlichen Methode erhielt die Temperaturbemessung durch die Arbeiten der berühmten Kliniker Traube, Wunderlich und Liebermeister. Heute kann man sich die Krankenuntersuchung ohne Thermometer gar nicht mehr vorstellen“ (Die Zeit, 31. Januar 1905 S.6).

 

„Wir erhalten folgende Zuschrift: „Im Jahre 1905 begeht die pathologische Thermometrie ihr vierzigjähriges Jubiläum, und der „Wr. Med. Wochenschr.“ gebührt das Verdienst, die erste diesbezügliche Arbeit in Nr. 61 und 62 des Jahrganges 1865 gebracht zu haben. Die Wiege der pathologischen Thermometrie stand in der V. medizinischen Abteilung des k.k. Allgemeinen Krankenhauses in Wien, wo der damalige Sekundararzt Dr. Johann Wirtinger im November 1857 die ersten Temperaturmessungen an Kranken systematisch vorgenommen und konsequent durchgeführt hat. Schon im Jahresberichte des k.k. Allgemeinen Krankenhauses vom Jahre 1853 (p.60) und in den folgenden Spitalsberichten dieser Wochenschrift 1863 und 1864 finden wir thermometrische Beobachtungen des Verfassers eingestreut, bis im Jahre 1865 die bereits erwähnte Publikation erfolgte. Trotz der anfänglich kühlen Aufnahme hat dieser wichtige physikalische Behelf neben der Auskultation und Perkussion als dritter im Bunde von Wien aus einen wahren Siegeszug durch die Welt angetreten. Und der noch lebende Urheber Dr. Johann Wirtinger, Primararzt i.R. in Ybbs, wird - Diis faventibus - am 2. März 1905 die Feier seines goldenen akademischen Ehrentages begehen“ (Wiener med. Wochenschrift Nr.1, 1. Januar 1905 S.50).

 

„(Erneuerung eines Doktordiploms.) Am 2. März begeht der ehemalige Primarius am städtischen Versorgungshause zu Ybbs Dr. Johann Wirtinger sein goldenes Doktorjubiläum. Der Jubilar ist der Erfinder der heute allgemein angewendeten sogenannten pathologischen Thermometrie. Aus Anlaß des goldenen Doktorjubiläums wird dem Jubilar, dessen Sohn an der Wiener Universität als Professor der Mathematik wirkt, das Doktordiplom erneuert werden“ (Neues Wiener Tagblatt, 22. Februar 1905).

 

„[Dr. Johann Wirtinger] Morgen, am 2.Mårz, feiert der ehemalige Primarius des städtischen Versorgungshauses in Ybbs, Dr. Johann Wirtinger, sein goldenes Doktorjubiläum. Aus diesem Anlasse wird das Doktordiplom des Jubilars dessen Sohn als Professor der Mathematik an der Wiener Universität tätig ist, erneuert werden. Dr. Wirtinger spielt auch in der Entwicklung der wissenschaftlichen Medizin eine Rolle - er ist der Begründer der pathologischen Thermometrie. An der fünften medizinischen Abteilung des Wiener Allgemeinen Krankenhauses hat der Sekundararzt Dr. Johann Wirtinger im November 1857 die ersten Temperaturmessungen an Kranken systematisch vorgenommen und konsequent durchgeführt. Im Jahre 1865 erfolgte seine erste größere Arbeit über dieses wichtige Thema in der »Wiener Medizinischen Wochenschrift«. Trotz der anfänglich kühlen Aufnahme hat dieser wichtige physikalische Behelf, neben der Auskultation und der Perkussion als dritter im Bunde, von Wien aus den Siegeszug durch die Welt angetreten. Heute, da eine gewissenhafte Krankenbeobachtung ohne Thermometer nicht mehr denkbar wäre, feiert der Arzt ein fünfzigjähriges Doktorjubiläum, welcher die systematischen Temperaturmessungen von Kranken in Wien eingeführt hat“ (Neue Freie Presse, 2. März 1905).

 

 

Werbung für Thermometer in Österreich

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„Alois Oppenheimer, Optiker und Mechaniker,
Telegraphenbau-Anstalt,
Wien I, Kärntnerstrasse 53 vis-a-vis der Hofoper.
Operngläser, in Schwarz oder Nickel (400 Modelle), Feldstecher m. Boussole f. Riemen u. Etui, Aneroid-Barometer, streng verläßlich, Altdeutsche Postament-Thermometer, Stereoskop-Apparate und Bilder, Revolver-Stereoskop-Apparate für 50—100 Bilder, Metronome, Tactmesser mit n. ohne Glocke, Feinste Nickelzwicker oder Brillen m. Krystallglas, Goldzwicker u. Brillen neueste Formen, ferner Reisezeuge, Compasse, Mikroskope, Schrittzähler, Telegraphen, kleine Dampfmaschinen, elektrische Motoren, Höhenmesser, Jagdstecher, Inductions- Apparate, Fieberthermometer sowie alle existirenden optischen und mechanischen Gegenstände, welche ich in grösster Auswahl zu Fabrikspreisen am Lager halte.— Postsendungen umgehend“ (Neue Freie Presse, 18. Dezember 1887).

Innere Medizin


Fieberthermometer (6)

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Um 1977 benutzten die Schwestern der St. Elisabeth-Klinik in Luxemburg dieses skurrile Thermometer, das auf seiner Rückseite eine Pulsuhr enthält.

Innere Medizin


Fieberthermometer (7)

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um 1935

 

 

Zur 1934 gegründeten „Apotheke zur Universität“

 

„Konzessionserteilung. Der Landeshauptmann von Tirol hat Herrn Mr. Rudolf Prantl die Konzession zur Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke in Innsbruck, mit dem Standorte Völserstraße beiderseits von der Mittenwaldbahn bis zum Innrain, und Innrain beiderseits bis zu der den Innrain überquerenden, verlängerten Anichstraße, erteilt“ (Freie Apotheker-Stimmen, 25. Januar 1934).

 

„Apothekenübernahme. Herrn Mr. Herbert Nachtmann wurde vom Landeshauptmann in Tirol die Konzession zum Betriebe der Apotheke „Zur Universität“ in Innsbruck verliehen. Somit ist er Alleininhaber dieser Apotheke geworden, nachdem er seit ihrer Gründung im Jahre 1934 durch den bisherigen Konzessionsinhaber Mr. Rudolf Prantl Mitbesitzer war. Prantl ist aus dem Unternehmen ausgeschieden“ (Pharmaceutische Post, 21. Oktober 1939).

 

PRANTL verschied 68jährig am 18. Juni 1951 (Österr. Apotheker-Zeitung, 30. Juni 1951), NACHTMANN starb 79jährig am 1. Juli 1977 (ÖAZ 6. August 1977).

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Innere Medizin


Flugmedizin, Erinnerung an Prof. Nathan Zuntz

 

Am 17.4.1920 vermeldete das "Escher Tageblatt" auf seiner Titelseite den am 22.3. erfolgten Tod des Physiologen Nathan ZUNTZ:
"Der Altmeister der Physiologie, Geheimer Regierungsrat Prof. Dr. N. Zuntz ist im 72. Lebensjahre gestorben. Ein ungewöhnlich reiches Gelehrtenleben hat damit seinen Abschluss gefunden. Weltberühmt sind seine Untersuchungen über das Blut und die Blutgase, sowie seine Studien über Atmung, Stoffwechsel und Muskeltatigkeit geworden. Diese bedeutungsvollen Forschungen haben völlig neue Einblicke in die normalen und krankhaften Vorgängebeim Kraft- und Stoffwechselverbrauch des Menschen gewährt. Im engsten Zusammenhang damit stehen seine Experimente, von denen der berühmte Versuch an hungernden Menschen, der Ausgangspunkt grundlegender Erkenntnisse geworden ist".
Sogar ein Portraitfoto gehörte zu diesem Artikel ...

Nathan Zuntz (1847-1920) kam 1847 in einer jüdischen Familie in Bonn zur Welt. Mit 21 Jahren promovierte er 1868 in seiner Geburtsstadt "summa cum laude" zum Doktor der Medizin. 1871 Privatdozent, 1872 Honorardozent. Mit 34 Jahren wurde er 1881 als ordentlicher Professor an die Königlich Landwirtschaftliche Hochschule Berlin berufen. 1889 erfand er das Laufband, am Jüdischen Krankenhaus Berlin richtete er ein "Pneumatisches Kabinett" ein, mit dem Bronchitis und Asthma behandelt wurden. 1906 ernannte ihn Wilhelm II zum Rektor der Landwirtschaftlichen Hochschule und schmückte ihn für herausragende Forscher- und Lehrtätigkeit mit dem Titel "Geheimer Regierungsrat". 1916 kam noch das Eiserne Kreuz Zweiter Klasse dazu. Der Weg auf einen Lehrstuhl an der Universität aber blieb Zuntz zeitlebens versperrt. "Er nahm es als Schicksal hin, daß der Antisemitismus sich seinen Wünschen entgegenstemmte" schrieb seine Tochter Julie über den Vater.
Von 1881-1919 war er Professor für Tierphysiologie an der Königlichen Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin. Hier entwickelte er bahnbrechende Untersuchungsmethoden auf dem Gebiet der Arbeits-, Leistungs- und Höhenmedizin. Zuntz konvertierte zum protestantischen Glauben. Dennoch blieb ihm der Zugang zur Universität in dem antisemitischen Berlin versperrt ... Seine Untersuchungen zur Belastung deutscher Soldaten auf Märschen oder zur "Volksernährung in der Kriegszeit" wurden zur Pflichtlektüre im Ersten Weltkrieg ...
Vor allem aber ging er ab 1902 der Frage nach, wie sich Aufenthalte in grosser Höhe auf den menschlichen Organismus auswirken. 1902 unternahm er mehrere Ballonfahrten in 5000 m Höhe. Bei Wanderungen, die er zusammen mit seinen Studenten ins Gebirge unternahm - insbesondere auf das Brienzer Rothorn, ging er an das Limit seiner eigenen Leistung, drohte mehrfach im Hochgebirge an Herzversagen umzukommen. Mit seiner "transportablen trocknen Gasuhr" auf dem Buckel, erklomm er die Berge und mass die bei Hypoxämie auftretenden Veränderungen im Stoffwechsel. 1906 erschien sein "Höhenklima und Bergwanderungen in ihrer Wirkung auf den Menschen. Ergebnisse experimenteller Forschungen im Hochgebirge und Laboratorium". Wegen dieser (und über 400 weiteren!) Untersuchungen gilt er als Altvater der Flugmedizin. Seine Abhandlung „Zur Physiologie und Hygiene der Luftfahrt“ von 1912 sorgte dafür, dass sich Luftfahrtmedizin und -physiologie als eigenständiger Forschungszweig der Medizin etablierten.

Am 28. November 1909 wurde in einem Café der "Place d"Armes" in Luxemburg der „Aéroclub de Luxembourg“ gegründet.

Im Oktober 1913 fand ein Flugfest in den Merler Wiesen statt.
"Differdingen. 28. Okt. – A e r o p l a n e. Ein eigenartiger seltener Genuß bot sich gestern nachmittag den Reisenden des Zuges Luxemburg-Longwy. der 4.40 Uhr in Luxemburg abgeht Nachdem der Zug die Station Dippach verlassen, gewahrten die Reisenden plötzlich, durch fernes Motorgeknatter aufmerksam gemacht. Zwei Aeroplane in der Richtung von Luxemburg kommend. Es waren die zwei Flieger Emil V é d r i n e s und P a r m e l i n , welche vom Flugfeld in Luxemburg die Rückreise nach Frankreich durch die Lüfte angetreten hatten, in mäßiger Höhe, einige Hundert Meter von einander entfernt, begleiteten sie den Zug" (E.T. vom 28.10.1913).
... Védrines (1886-1914), der im Januar 1914 in Kairo und Jerusalem begeistert empfangen wurde und im April 1914 tödlich abstürzte, Agénor Parmelin (1884-1917), der am 11.2.1914 das Mont Blanc-Massif in 5.540 m Höhe überflog und drei Jahre später bei einem Testflug ums Leben kam - noch begleiteten sie wie ausgelassene Kinder den Zug bei Dippach - ein Bild wie wir es sonst eher von Delphinen kennen, wenn sie die Touristenboote begleiten
- womit wir wieder beim Ausgangspunkt unseres Ausfluges wären, dem Physiologen Zuntz und den Höhenflügen. Sicher hatte Parmelin dessen Publikation gelesen, bevor er zu seinem Flug über die Alpen startete: ein Baro-Altimeter um den Hals, eine Schutzbrille, zwei übereinander gezogene Schutzanzüge aus Leder mit einem Futter aus Wollstoff - um nicht zu erfrieren, eine Sauerstoffflasche im Cockpit - für alle Fälle: Flugmedizin in den Kinderschuhen ...

Ein glamouröses Flugfest fand in Mondorf vom 3.-12. Juni 1910 statt, ein weiteres vom 8.-15. Oktober 1911 in den Merler Wiesen, wo auch am 27./28. Oktober 1913 geflogen wurde. Spätere Flugfeste wurden im Alzettethal zwischen Steinsel und Walferdingen (24.6.1928) organisiert, in Strassen/Bartringen (13.9.1931), am Cents (1930/1931) und in Hesperingen/Alzingen (4.10.1936) - immer auf angemieteten Wiesen. In Esch wurde am 26.9.1937 das erste dauerhafte Flugfeld des Landes eingeweiht - es wurde später Treffpunkt der Sportflieger Luxemburgs und wurde Anfang der 50er Jahre ein Opfer der Grundstücksspekulation. Das Abgeordnetenhaus votierte 1937 (Gesetz vom 19.3.1937) den Bau eines internationalen Flugfeldes am Ort genannt "um Findel" - die Nivellierungsarbeiten begannen, im Frühjahr 1940 einigte man sich darauf, sie als Arbeitsbeschaffungsmassnahme über das Notprogramm zu finanzieren. Das ambitiöse Projekt, das Luxemburg aus der Isolierung reissen sollte, wurde durch den Krieg unterbrochen, ja, man versuchte sogar, das Werk rückgängig zu machen: in aller Eile warfen die Arbeiter Gräben aus, um die Piste für die anrückenden deutschen Truppen unbrauchbar zu machen. Die deutschen Besatzer füllten die Gräben kurzerhand auf und nutzen das Gelände ab dem 12.5.1940 (E.T. vom 20.7.1946), um Bomber nach Malmedy an die Front zu schicken. Im Herbst 1944 legten die Amerikanern ein neues Rollfeld an - hier landete am 14.4.1945 die Grossherzogin , ein Rollfeld, das ab dem 24.4.1946 von der zivilen Luftfahrt (Sabena) genutzt und am 21.7.1947 offiziell eingeweiht wurde.

Die Familien Linden und Ludig stellten auf dem Cents ein Feld (im virt. Schnittpunkt von bd. Simonis und r. Follereau) zur Verfügung, auf dem der Aéroclub um 1930 einen Schuppen aufstellte. Auf den benachbarten Wiesen fanden Flugfeste statt am 24.8.1930, am 1.10.1931. Von dem letztgenannten Fest folgende Anekdote:
"Als vor einigen Jahren das Flugfest auf dem «Cents» stattfand, bestieg sie (Frau Cathérine Schandel Thibeau, 1829-1933) einen Aeroplan und ließ sich in die Lüfte tragen, dabei erklärend: «Jetzt könnt Ihr mich ja in den Himmel führen». Der Himmel, das ist ein illusionistischer Begriff, und sie wusste das selbst am besten. Sie liebte bis an ihr Ende lustige Scherze und war deshalb bei Jung und Alt ganz beliebt" (E.T. vom 7.10.1933).

... eine 92jährige in die Lüfte zu heben, war 1931 in der Tat ein echtes "Himmelfahrts-kommando"! Wussten Sie, dass bei Flügen von Ost nach West der Insulinbedarf steigt, während er bei Flügen von West nach Ost sinkt? Achtung vor Gasen im Darm - im Unterdruck der Flugkabine dehnen sie sich aus und können frische OP-Narben zum Platzen bringen: Vorsicht also nach rezenten Bauchoperationen! Ansonsten hat uns die Erfahrung gelehrt: wer Treppen steigen kann, der kann auch fliegen - zumindest in modernen Flugzeugen, in denen der Innendruck einem Aufenthalt in einer Höhe von 2000 m entspricht!
Auf der Ansichtskarte von 1931: die Flugapparate in Reih und Glied auf L.-Cents,




Innere Medizin


Galvanotherapie (1)

Gottlieb Tobias WILHELM, 1806 

Froschschenkel zuckten beim Kontakt mit zwei Metallen. Der Anatomieprofessor Luigi GALVANI (1737-1798) folgerte, dass es im Frosch eine „tierische Elektrizität“ gab.
Lit.:
- Créve, Carl Caspar (1769-1853), Beiträge zu Galvanis Versuche über die Kräfte der thierischen Elektrizität auf die Bewegung der Muskeln [von] Carl Caspar Créve. Frankfurt und Leipzig, bei J.J. Stahel Sel. Wittwe, 1793. 104 S.
- Volta, Alexander. Schriften über die thierische Elektrizität. Prag, 1793.

Alexander VOLTA (1745-1827), Physikprofessor an der Universität Pavia, konnte kurz nach GALVANI’s Tode nachweisen, dass diese Elektrizität nicht dem Frosch innewohnt, sondern am Kontakt zwischen den Metallen entsteht. Hatte GALVANI noch mit „Reibungselektrizität“ gearbeitet, fand VOLTA alsbald eine ergiebigere Stromquelle: ab 1799 experimentierte er mit Metallen und Säure und erzeugte mit Metallpaaren Strom. Man konnte bis dato zwar mit elektrostatischen Maschinen hohe Spannungen erzeugen (etwa 30 000 Volt), aber keine großen Ströme. Jede der neuen Voltaschen Batteriezellen lieferte zwar nur etwa 1Volt, aber durch Serienschaltung konnte man relative große Ströme bei beliebigen Spannungen erzeugen: um einen starken Strom herzustellen, brauchte man nichts anderes als eine Aneinanderreihung von dutzenden dieser Metallpaare… Im Frühjahr 1800 stellte VOLTA der Öffentlichkeit seine Batterie vor, mit der erstmals Gleichstrom in messbarer und fühlbarer Stärke hergestellt werden konnte: am 20.3.1800 berichtete er der „Royal Society“ in London !
Die beiden Kupferdrähte, die den Strom aus der Säule ableiteten, hiessen „rheophore“ aus dem Griechischen „Strom tragen“. Die mit Säure oder Salzlauge getränkten Karton- bzw. Stoffscheiben verdunsteten und trockneten aus; solange sie aber nass waren, floss die verdünnte Schwefelsäure (H2-SO4) oder Salzlauge an der Säule entlang, „versaute“ alles, und, was schlimmer war, führte zu ewigen Kurzschlüssen …
Die wissenschaftiche Welt aber war begeistert. Napoleon berief VOLTA 1801 nach Paris, und bat um eine Vorführung. Er gewährte ihm eine Staatspension, gab ihm den Titel eines „Comte“ und nannte ihn zum Senator Italiens. Der „Ecole Polytechnique“ schenkte Napoleon eine „pîle“ aus 600 Elementen. Man sagt, der Chemiker Humphrey DAVY in London habe eine „pîle“ aus gar 3.000 Elementen besessen…

In Medizinerkreisen begeisterte die neue Form von Elektrizität, auch wenn anfänglich Zweifel darüber herrschten, ob die altbekannte Reibungselektrizität mit der neuen chemischen Elektrizität identisch sei. Die « École Nationale de Médecine » schaffte eine « pîle » an [die allerdings etwas schwächer war als diejenige der « Ecole Polytechnique »].
1806 bildete der Augsburger Pfarrer Gottlieb-Tobias WILHELM die VOLTA’sche Säule in seiner Enzyklopädie ab… Das Bild erinnert an einen Altar mit 2 Kerzen - zumal WILHELM Geistlicher war ! Obwohl ein Zusammenhang zwischen Elektrizität und Magnetismus 1806 nicht bekannt war, erinnert die experimentelle Anordnung auf dem Bild auch an Franz Anton MESMER (1734-1815), mit einer Frau (diese waren dem Meister MESMER besonders zugetan), einer Maschine, aus der ein mysteriöses Fluidum strömte, Kettchen, unnötigem Kram wie den Schüsseln und Kugeln in der Flüssigkeit und einer Männerhand, die den ganzen Spuk orchestrierte. Mesmer hatte seine Wahlheimat Paris 1785 verlassen und zog seither ruhelos durch Europa (England, Italien, Deutschland, Frankreich, Schweiz). 1806 war sein Bild also in Deutschland durchaus präsent…

Ein Zusammenhang zwischen Magnetismus und Elektrizität war 1806 unbekannt. Erst 1809 entdeckte Dominique-François ARAGO (1786-1853), dass Eisen magnetisch wird, wenn es von einem stromführenden Draht umgeben ist. 1819/20 machte der Physiklehrer Hans Christian OERSTED (1777-1851) die wichtige Beobachtung, dass in der Umgebung eines elektrischen Stromes eine Kompassnadel ausschlug - dass Ströme Magnetfelder erzeugen.

G. T. Wilhelm (1758-1811) war Pfarrer in Augsburg und Bruder von Paul Martin Wilhelm, dem späteren Inhaber der Engelbrecht'schen Kunsthandlung, wo das vorliegende Blatt gedruckt wurde. Das Blatt über Elektrische Wirkungen an gelähmten Gliedmassen (T XXXIX 120) stammt aus dem seltenen 3. Band der "Unterhaltungen über den Menschen" – zugleich 15. Band des 27-bändigen Schinkens „Unterhaltungen aus der Naturgeschichte“: Dritter Theil, Von dem Körper und seinen Theilen und Functionen insbesondere. Augsburg, Martin Engelbrecht’ sche Kunsthandlung, 1806.
Hochkarätige Bilder dieses Werkes stammen aus der Feder von J.M. Mattenleiter und wurden von. P.J. Laminit gestochen. Das hier vorgestellte Bild erhebt keinerlei künstlerische Ansprüche und entbehrt der Autorenangabe.

Nach 1850 erlebte die galvanische Feinstromtherapie eine erste Blütezeit. Der Ingenieur August WOHLMUTH führte die Gleichstromtherapie nach dem 1. Weltkrieg in die Volksmedizin ein…

Den Namen von Alessandro VOLTA findet man in dem Handelsnamen eines bekannten Rheumaproduktes der Firma Novartis wieder, dem VOLTAREN..