Innere Medizin


Krankenkassenwesen (2)

 

Formular aus "brauner Zeit" ... Noch wurde Wiltz mit T geschrieb: das Formblatt stammt folglich aus den Anfangszeiten der deutschen Krankenkassenwesens in Luxemburg (zw. 10/40 und 3/41).

Unter dem NS-Regime stand den Juden lange Jahre die Möglichkeit zu, sich privat zu versichern - eine ohnehin von den meisten Juden traditionnell bevorzugte Arzt der Krankenversicherung. Manche Kassen sträubten sich: so gab die Hamburger Bezirksdirektion der Barmenia ihren Außendienstmitarbeitern bekannt, dass „jüdische Kreise in Zukunft bei unserem Unternehmen nicht mehr krankenversichert werden können“ und schwärzte andere Versicherungsgesellschaften an, weiterhin das „schlechte Judenrisiko“ zu übernehmen. Die zu den Handwerkerversicherungen zählende Nordwestdeutsche Versicherungsanstalt (Nova) aus Hamburg erwirkte sogar eine einstweilige gerichtliche Verfügung gegen den Nationalen Krankenversicherungsverein und untersagte diesem die Behauptung, „man könne nicht wissen, wie viele Juden bei der Nordwestdeutschen Versicherungsanstalt a. G. für Handwerk und Gewerbe, Sitz Hamburg, wären.“ Wie die Barmenia gingen viele Versicherungsvereine sofort dazu über, jüdische Anträge nicht mehr anzunehmen oder Neuaufnahmen per Satzung auszuschließen. Dagegen warben anfangs Gesellschaften wie etwa die Nova in jüdischen Kundenkreisen und nutzten den zur Schau gestellten Antisemitismus einiger Gesellschaften zur gezielten Abwerbung von jüdischen Versicherten. In der NS-Zeit wurde es für Juden zunehmend schwieriger, PKV-Verträge abzuschließen. Bis 1939 nahmen zehn der 40 größten PKV-Gesellschaften den so genannten Arierparagra- phen in die Satzungen auf und schlossen damit Juden von der Neuaufnahme aus. Viele Gesellschaften druckten in die Aufnahmeformulare Verweise, dass Anträge von Juden ungültig seien. Allerdings folgten nicht alle PKV-Gesellschaften der antisemitischen Linie. Gesellschaften wie in Hamburg etwa die Deutsche Krankenkasse von 186942 oder die Bürgerliche Krankenkasse, ein Tochterunternehmen der Hamburg-Mannheimer,43 die weiterhin Juden aufnahmen, konnten sich der Duldung und teilweisen Unterstützung des Reichsaufsichtsamtes und Reichswirtschaftsministeriums sicher sein, die bis 1940 den Ausschluss der Juden aus der PKV ablehnten und offenkundig rechtswidrige Maßnahmen nicht legitimierten.

Besonders prekär wurde die Versorgung der jüdischen Mitbürger ab dem 1.10.1938, als jüdische Ärzte nicht mehr praktizieren durften - Juden gezwungen waren, sich von "arischen" Ârzten behandeln zu lassen. Nach dem Pogrom vom November 1938 untersagte das Reichsaufsichtsamt die KrankenVersicherung von Juden ... wer aber wollte eine nicht versicherte Person behandeln !

Eine verschwindend kleine Gruppe von Privaten Krankenversicherungen trotzte dem Druck der Partei und besaß - noch 1940 ! - einen größeren Bestand an jüdischer Kundschaft. Aber selbst die Bestände dieser Gruppe beinhalteten wohl nicht den normalerweise zu erwartenden jüdischen Anteil. So hatte etwa die Vereinigte Krankenversicherung AG schadenträchtige jüdische Versicherungen weniger kulant als die nichtjüdischen behandelt, und die im Jahr 1939 ausgesprochenen Kündigungen betrafen hauptsächlich jüdische Versicherungen.

Lit.:
Ingo Böhle, „Juden können nicht Mitglieder der Kasse sein“; Versicherungswirtschaft und die jüdischen Versicherten im Nationalsozialismus am Beispiel Hamburg, 2003 Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg.




Innere Medizin


Lebenswecker (1)

Lebenswecker n. BAUNSCHEIDT, um 1880 

 

 

Am Übergang der Chirurgie zur Inneren Medizin ist ein kurioses Gerät angesiedelt: der "Baunscheidt'sche Lebenswecker. Er nutzte die Eigenschaft der Haut aus, dass es an Punktionsstellen - unter Mitwirken von Krotonöl - zur Bildung von Pusteln kommt. Diese Pusteln wurden von BAUNSCHEIDT als "Abzugsstelle für die im Körper abgelagerten Krankheitsstoffe" angesehen.

 

Carl BAUNSCHEIDT (1809-1873) aus Endenich bei Bonn war Mechaniker. Von Gicht und rheumatischen Schmerzen der rechten Hand geplagt saß dieser an einem Sommerabend in seinem Garten während eine Mückenplage seine kranke Hand zerstach. Die Pusteln auf der Hand am nächsten Morgen waren nicht verwunderlich, aber das Verschwinden der rheumatischen Schmerzen. Die Erfindung bestand nun darin diese Mückenstiche nachzuahmen: Ein Nadelgerät - vom Erfinder schlicht "Mücke" genannt, von dankbaren Patienten später als "Lebenswecker" bezeichnet, und ein Hautreiz-Öl, welches die Quaddeln auf der Haut erzeugt. Das Verfahren wurde an vielen Kranken erprobt, von der damaligen Bonner Medizinischen Fakultät empfohlen und ging als Heilverfahren um die ganze Welt.
BAUNSCHEIDT wurde ein reicher Mann, der Schloss Dottendorf bei Bonn kaufen und restaurieren konnte...

Rein formal ist sein "Lebenswecker" eine Weiterentwicklung derjenigen Instrumente, die man Jahre zuvor bei der Markierung von Deserteuren benutzt hatte.


Das Gerät wandte sich zunächst an Mediziner und betraf eine klar umrissene Pathologie. Schon bald aber wurde die Methode kritiklos gegen alle erdenklichen Leiden benutzt.

Das Gerät fand auch in Luxemburg Anwendung. So schrieb 1857 ein zufriedener Patient, dass "Mr. ALBERTY, curé à B.....sur la Moselle dans le grand-duché de Luxembourg" die Methode in unserer Provinz eingeführt habe und zahlreiche Lebenswecker erworben und verteilt habe. Daraufhin habe mancheiner sich wegen unbefugten Ausübens der Heilkunde vor Gericht verantworten müssen. In 5 von 6 Fällen sei der Angeschuldigte freigesprochen worden, weil er nur Freunde behandelt habe. Eine Hebamme aber habe die Behandlungen gegen Geld durchgeführt und sei zu 52 frcs Strafe verurteilt worden: "Les auditeurs indignés de cette décision arrangèrent sur le champ une collecte de 65 frcs. qui a largement indemnisé la pauvre femme".
Von A., "Pfarrer im Grossherzogtum Luxemburg", lesen wir, dass er im November 1856 4 Lebenswecker nach Arlon verschickt hatte.

 

Exponat

Vorgestellt wird ein Gerät aus Vulcanite, ohne Herstellerangabe. Eine zentrale Nadel, erster Kranz 6, zweiter Kranz 12, äusserer Kranz 13 Nadeln. Ein grosses B in Hochrelief auf der Platte, auf der die Nadeln stehen als Hinweis, dass es sich um ein Originalgerät handelt ...

Innere Medizin


Lebenswecker (2)

Lebenswecker n. Baunscheidt, um 1900 

 

 

In der Seefahrt der damaligen Zeit gehörte der Lebenswecker und das Baunscheidt-Öl zur medizinischen Ausstattung vieler Schiffe. Kein Wunder demnach, wenn wir das Gerät in den USA antreffen, wohin es die Auswanderer auf den Schiffen mitgenommen hatten. Das hier vorgestellte Modell mit seinem "modernen" Leichtmetall-Stempel ist ein Import aus den USA: "John Linden Cleveland, O(hio)" - Gravur auf dem Nadelkopf. Eine zentrale Nadel, erster Kranz mit 6, zweiter Kranz mit 10, äusserer Kranz mit 13 Nadeln.

 

John Linden schrieb ein passendes Buch: "Baunscheidtism or a new exanthematic method of cure", 1865. [1874 13. Aufl., 258 Seiten; 1878 14. Aufl., 332 Seiten.


Um 1900 praktizierten in Deutschland über 300 Ärzte ausschließlich das Baunscheidt-Verfahren. Mit der Entwicklung der chemischen Pharmazeutika wurde das Verfahren allmählich aufgegeben und wird seit Ende des 20.Jahrhunderts fast nur noch von Heilpraktikern angewendet.


Einige wenige Firmen beliefern diesen (Parallel-) Markt mit ihren "Baunscheidtiergeräten"
www.asklepios-versand.de/catalog/default.php/cPath/111

 




Innere Medizin


Lebenswecker (3)

 

Am 25.6.1851 erschien die erste Auflage des Büchleins "Der Baunscheidtismus", in dem der Verfasser in einem Vorwort sich bescheiden und vorsichtig an die Adresse der Ärzte wandte:
"Indem ich bei der Zusammenstellung gegenwärtigen Heftchens nichts als das Interesse der leidenden Menschheit im Auge hatte, glaube ich von dem verständigen Theile der ärztlichen Corporation erwarten zu dürfen, dass mich dieser wenigstens in meinen wohlthätigen Strebungen unterstützen und begünstigen wird. Übrigens aber ist meine Heilmethode im Fluss-und Fieberrheumatischen Krankheitsgebiet auf ein so einfaches Verfahren reduziert, dass der Bruder oder die Schwester des Patienten, der Vater oder die Mutter desselben die Stelle des Arztes selbst zu versehen im Stande ist, so dass ich also auch die Hindernisse nicht zu fürchten hätte, die der unverständliche Theil der ärztlichen Corporation gegen die Einführung in seiner eigenen Praxis allenfalls aufzustellen gesonnen sein dürfte. Meine vielfältigen, höchst wichtigen Erfahrungen in Augenkrankheiten bin ich Willens, später noch der Öffentlichkeit zu übergeben".

Vorgestellt wird die 5. Auflage des Werkes aus dem Jahr 1857.
4. Aufl. 1856,
6. Aufl. 1858,
10. Aufl. 1869
12. Aufl. 1874.
1863 erste amerikanische Ausgabe.


In Frankreich gingen die Behörder energisch gegen das sich ausbreitende Kurpfuschertum vor. Dabei ging auch die Rede vom ... Lebenswecker: "Ein Kongreß gegen Kurpfuscherei in Frankreich. Aus Paris wird berichtet: Im Laufe dieses Sommers soll in der Hauptstadt Frankreichs ein Kongreß stattfinden, der sich mit der Frage beschäfttgen will, auf welche Weise es möglich sei, das Kurpfuscher zu bekämpfen. Es waren von bekannten französischen ärztlichen Autoritäten Fragebogen versandt, in denen alle Interessenten ihre Meinung über das Kurpfuscherwesen abgeben sollen. Im Anschluß an den Kongreß ist eine Ausstellung sämtlicher Artikel, Bücher, Broschüren, Heil-Anzeigen und Rezepte des kurpfuscherischen Großbetriebs geplant. Da sollen auch sämtliche Artikel, Apparate, Medikamente einen Platz finden, damit der Welt gezeigt werden könne, wieviele Millionen in einem Jahre für diese schwindelhaften Erzeugnisse des Kurpfuschertums ausgegeben werden. Sehr interessant ist die Sammlung eines Arztes, die er der Ausstellung bezw. dem Kongreß zur Verfügung stellen will. Darunter befinden sich verschiedene Apparate, die die Staatsanwaltschaft beschlagnahmt hatte: Ein Apparat gegen Taubheit, ein sogen. Elektro-Vigor-Gürtel (Preis 200 Fr.), eine elektrisch-magnetische Ohrentrommel, die Brille des „Professors" Moran, die jeden Blinden sehend macht (500 Fr.), einen Lebenswecker, mehrere Flaschen Lebenselizier, ferner eine vollständige elektro-magnetisch-homäopathische Hausapotheke, die weiter nichts enthält als rote, grüne, gelbe, blaue und schwarze Flüssigkeiten (Preis 800 Fr.: der wirtliche Wert der ganzen Kiste dürfte sich auf etwa 80 Centimes stellen). Zu der genannten Sammlung gehören auch die verschiedenen simili-wissenschaftlichen Broschüren, die Danksagungen angeblich geheilter Patienten. Rezepte und Originalbriefe „berühmter amerikanischer Professoren", die gar nicht existieren, enthalten. Der Kongreß wird sich auch mit den spiritistischen "Heilmethoden" befassen: wie Gesundbeten, Fluidum-bäder, Amulette u. dgl. Man will durch solche Kongresse dem Publikum die Augen öffnen und der Öffentlichkeit Gelegenheit geben, in den geheimen Geschäftsbetrieb berühmter Institute einen Einblick zu tun. Endlich will man auch Ärzten und Apothekern zeigen, was hinter den vielen mit sogenannten „Patenten" versehenen Mittel der Kurpfuscher steckt" (Luxemburger Wort vom 27.5.1908).




INNERE MEDIZIN


Lebenswecker (4), Oel

Baunscheidt Oel
 

 

"Als Ersatz für das Mückengift mischte Baunscheidt ein hautreizendes Öl, das in die angeritzten Hautstellen eingerieben wurde, das sogenannte Pustulanzium (siehe Pustel), dessen Rezeptur nicht überliefert ist. Nach dem Tode Baunscheidts haben die Anhänger der Methode eine Reihe von Ersatzrezepturen ersonnen, u.a. mit Wacholderöl, Senföl und anderen hautreizenden Stoffen, besonders häufig wurde jedoch Crotonöl verwendet, um dessen Verwendung in der Originalrezeptur in der Literatur immer noch gestritten wird"(Wikipedia).

"Das Geheimnis des "Original-Oleum-Baunscheidtii" ist bis heute nicht gelüftet worden, außer jenen Inhaltsstoffen, die Baunscheidt gezwungenermaßen nach Berlin ans Innenministerium melden mußte. Ob diese Rezeptur vollständig gewesen ist, wird bezweifelt. Ebenfalls ist nicht geklärt, ob Croton tiglium, das Samenöl eines Wolfsmilchgewächses von stärkster Toxizität, als Inhaltsstoff bei Baunscheidt überhaupt verwendet wurde. Die Erbengemeinschaft Baunscheidt hat dieses wiederholt bestritten"

(https://www.lebenswecker.de/baunscheidtmethode/19.htm).

 

Wirkliche Zusammensetzung
"À ses débuts, l’huile Baunscheidt était entourée d’un grand secret. Ses ingrédients suscitèrent beaucoup de spéculation, jusqu’à ce que l’arrière-petite-fille de Baunscheidt  en  transmette  la  recette  à  une  entreprise  pharmaceutique. Après  quelques  essais,  Baunscheidt mit son huile au point, à base d'huiles de croton, de moutarde, de poivre,  de tanaisie, de poivre noir et d’olive. L’Oleum Baunscheidtii était inventée" (Paracelsus Clinica al Ronc, 25 septembre 2011).

Baunscheidt-Öl

Das "oleum Baunscheidtii enthielt ursprünglich Kroton-, Oliven-, Wacholder. und Senföl, Rainfarn und schwarzen Pfeffer. Als spezifisch hautreizende Stoffe enthielt es Cantharidin und Euphorbiumsaft. Inzwischen weiss man, dass Krotonöl als Kokarzinogen die krebserregende Wirkung anderer Substanzen verstärkt - moderne, krotonölfreie Baunscheidt-Öle führen nicht zur Hauteiterung, sie erzeugen vielmehr Hautquaddeln oder ein lokales Erythem. Senföle, die in einigen Pflanzen enthalten sind (z.B. Meerrettich, Kapuzinerkresse) bewirken starke Pustelbildung. 

Die krotonölhaltigen Öle sind rezeptpflichtig.

 

Spekulationen

"(syn. Oleum Baunscheidtii), ursprünglich eine Mischung aus Olivenöl und Crotonöl, das im Rahmen eines der Paramedizin zugehörigen Verfahrens ("Baunscheidtieren") unter Einsatz eines Stichels ("Lebenswecker") zur lokalen Hautreizung bei Rheumatismus und anderen Erkrankungen eingesetzt wurde. B. wird heute selten, zusammen mit der Akupunktur, in der Naturheilkunde eingesetzt" (Spektrum.de)."Das Baunscheidt-Öl enthält heutzutage überwiegend hautreizende Stoffe wie z.B.  Cantharidin, Wacholder-öl, Senföl oder Euphorbiumsaft. Einige Baunscheidt-Öle enthalten Krotonöl" (Therapeutische Methoden in der Naturheilpraxis

 https://www.bunkahle.com/HP/bierbach25.pdf

Innere Medizin


Lepraklapper

 

 

1179 bestimmte Papst Alexander III., dass die von Lepra Befallenen nicht mit den Gesunden in den Städten zusammenleben dürften - und zementierte so für Jahrhunderte deren Status als Aussätzige. Entstellt und dem Tode geweiht, mussten sie den Rest ihrer Tage abseits menschlicher Siedlungen fristen - mit einer Klapper in der Hand, die Herannahende vor dem Leprösen warnte.

 

Die Absonderung erfolgte einmal gesellschaftlich, da sich die Erkrankten durch bestimmte Kleidung bzw. Verhüllung kennlich machen mussten, sowie durch akustische Signale. Die Klapper, das wohl bekannteste Merkmal eines Aussätzigen, war vom Kranken immer zu benutzen, um die Mitmenschen auf sich aufmerksam zu machen, um die Gesunden zu warnen. Ein Brauch, der vermutlich aus alten germanischen Recht stammte: Es war im frühen Mittelalter jeder Ortsfremde dazu verpflichtet, auf Reisen mit einem Horn auf sich aufmerksam zu machen. Tat er es nicht, mußte er damit rechnen, umgebracht zu werden.

 

Auch die Leprakranken benutzten zunächst ein Horn, das jedoch durch die Klapper ersetzt wurde. Ein akustisches Warninstrument, zusätzlich ein Stock, mit dem der Lepröse auf Gegenstände zeigte, die er kaufen wollte, vervollständigten die so genannte „Leprosentracht“. Es gab regionale Unterschiede. Da die Krankheit auch die Stimmbänder angriff, waren die Leprösen angehalten, sich durch Rufen bemerkbar zu machen - wo dann die schrille, verzerrte Stimme entsprechend abstossend wirkte.

 

Ratsche, Lazarusklapper, frz. „cliquète“, resp. „cliquette“; nl. „Melaatsenklepper“. Der Name der Klapper übertrug sich auf einige Leprahäuser - „Klapperhaus“ (Medebach), „Klephuis“ (Vreden), „Klapperhuys“ (Nienborg). In Vreden gibt es eine „Klepweide“, von der Klapperwiese abgeleitet. In einigen wenigen Fällen übertrug sich der Gebrauch der Rassel auf den Weg, der zur Leproserie führte. Auf ein in Uedorf (heute ein Stadtteil von Bornheim im Rhein-Sieg-Kreis) gelegenes Lepra-Haus weist noch der Flurname "auf dem Klappermann", jetzt "auf dem Klasmann" hin. Ebenso gab es einen "Klappermannspfad", der 1790 in der Nähe erwähnt wurde.
- Klappergasse in Aachen (Die Leprosen hatten sich durch Rasseln und Klappern bemerkbar zu machen),
- Klappergasse in Ladenburg,
- Klappergasse in Simmern.

 

Wir kennen nur drei im Original erhaltene Klappern

- eine reich mit Heiligen dekorierte Klapper, die in Brugge im "Musée Notre-Dame de la Poterie" ausgestellt ist - kaum anzunehmen, dass sie von einem Leprosen benutzt wurde. Am ehesten gehörte sie zu einer verschollenen Heiligenstatue.

- eine Siechenklapper, die im historischen Museum Aschaffenburg zu sehen ist, mit Metallscharnieren (ist verschollen).

- die hier vorgestellte Klapper, bestehend aus einem Holzgriff und drei Holzblättern. Das mittlere Blatt ist die Verlängerung des Griffes. Die beiden äußeren Blätter sind beweglich an Lederbändern befestigt, die beim Schütteln gegen das mittlere Blatt schlugen und ein lautes "Storchengeklapper" erzeugten. Herkunft des Objektes: ein (betont) anonymer Privathaushalt in Bakel in den Niederlanden (zw. Einthoven und Venlo). Aus dem Gemeindearchiv der Stadt Venlo geht hervor, daß 1464 hier ein Leprosenhäuschen gebaut wurde, das 1545 aufs neue in Stein aufgebaut wurde. Einthoven besass das armseligste Leprosenhaus des Landes.

Nach einem Bericht von van Dort ist die Lepra in Holland bereits im 5. Jahrhundert n.Chr. bekannt gewesen. Maßnahmen zur Isolierung wurden jedoch erst im 13. Jahrhundert eingeleitet. Das Absinken der Lepra führte zur Schließung der Leprosorien im 16. und 17. Jahrhundert - das letzte Leprosorium der Niederlande wurde 1672 in Leeuwarden geschlossen. Bis Mitte des 19. Jh. gab es landesweit kein Leprosorium mehr. Dann aber zahlte das Land dem internationalen Handel und den Verflechtungen mit den epidemischen Lepragebieten in Fernost seinen Tribut. Eine Lepraepidemie brach 1867 unter ehemaligen Soldaten der Ost- und Westindientruppe aus. Von 1870 bis 1897 wurden 17 Fälle amtlich registriert. Diese Zahl ist nicht wirklich exakt, da zahlreiche Kolonialangestellte ein- und ausreisten wodurch sie einer genauen Lepraregistrierung entgingen. Ein neuzeitliches, staatliches Leprosorium in Veenhuizen (Gemeinde Noordenveld in der Provinz Drenthe) beherbergte zwischen 3 und 13 Patienten auf einmal und bestand bis 1891 - als die beiden letzten Kranken nach Amsterdam in eine Isolierabteilung verbracht wurden ..

Innere Medizin


Lumbalmanometer

n. CLAUDE, um 1930 

Der aus Frankfurt a.d.Oder stammende und in Frankfurt a.Main gestorbene Ordinarius für Innere Medizin Heinrich Irenaeus QUINCKE (1842-1922) [Neurologen arbeiteten um diese Zeit eher in psychiatrischen Anstalten] entwickelte die Technik der Lumbalpunktion zur Reife - ab 1891 war sie ein Standardeingriff.

In Katalogen der Jahrhundertwende finden sich daher bereits mehrere verschiedene diesbezügliche Apparate (Modelle nach KAUSCH, KRÖNIG, QUINCKE). 1936 weist der Simal-Katalog einen "Appareil pour la mesure de la pression du liquide céphalo-rachidien et de la pression veineuse" aus nach Prof. Henri CLAUDE.

"Il se compose d'un petit manomètre anéroide soigneusement gradué en centimètres d'eau que l'on peut relier directement au moyen d'un tube de caoutchouc à un robinet à trois voies. Ce dernier, suivant qu'il occupe l'une ou l'autre position fait communiquer l'aiguille avec l'extérieur ou avec le manomètre. Dans la première position, on peut introduire un très fin mandrin qui permet de déboucher l'aiguille, ou bien d'injecter une solution de stovaïne ou de Novocaïne pour l'anesthésie; enfin, et surtout, on peut recueillir le liquide qui s'échappe. Dans la deuxième position, on mesure la pression du liquide céphalo-rachidien.
Grâce à cet appareil, on peut apprécier la tension du liquide "au départ", en quelque sorte, sans déperdition notable de ce liquide. Ce dispositif a encore l'avantage de permettre de mesurer la pression au cours de la ponction autant de fois qu'on le désire, après écoulement d'une certaine quantité de liquide, au moyen de la simple maneuvre du robinet.
De même, dans le cas d'hypertension très élevée, de tumeur cérébrale, par exemple, on saura dès la lecture de la pression, qu'il convient d'être très prudent dans l'évacuation du liquide, qu'on peut laisser écouler par gouttes en ouvrant incomplètement le robinet pour ne produire qu'une décompression très lente.
En raison de ces qualités essentielles, on peut donc dire que l'emploi de cet appareil s'impose et qu'aucune ponction lombaire ne devrait êttre faite sans lui. Il peut également être utilisé pour le mesure de la pression des liquides d'ascites et de pleurésies, et enfin pour la mesure de la pression veineuse.
L'appareil est fourni avec une aiguille et un mandrin pour ponctions lombaires, il est muni de deux tubes centrifugeurs dont un gradué et d'un tube à hémolyse. Le tout est livré dans un écrin qui peut se mettre dans la poche".

Henri Charles Jules CLAUDE (1869-1946) war Neuropsychiater in Paris, wo er nacheinander im Hôpital Andral, Saint-Antoine, Salpêtrière und im Asyle Sainte Anne praktizierte. Er war Mitglied der Académie de Médecine.

Link zur Person von CLAUDE

www.answers.com/topic/claude-henri-charles-jules
Das hier vorgestellte Modell wurde in Deutschland hergestellt bei HAKO und ist nicht in cm Wasser, sondern mm Quecksilber geeicht. Es stammt aus dem Nachlass von Dr. Paul HETTO aus Diekirch.


Innere Medizin


Lungenfunktionstest

 

Die Kirmeskarte rückt ein schwerwiegendes Problem unser Grossväter ins Rampenlicht: die Lungensilikose. In der Tat arbeiteten viele Grubenarbeiter unter sehr schwierigen Bedingungen, in der Kälte und in der Feuchtigkeit schlecht belüfteter Stollen. Der aufgewirbelte Staub stellte eine reale Gefahr für ihre Lungen dar, indem sich die feinen Silikat-Partikel in den Lungenalveolen festsetzten. Daraus resultierte bei jahrzehntelanger Exposition die sog. Staublunge oder Silikatlunge bzw. Pneumokoniose mit ihren klassischen Symptomen: Reizhusten, vermehrte SpeichelungSchmerzen in der Brust, Kurzatmigkeit bei Belastung, in schweren Fällen Kurzatmigkeit bereits in Ruhe. Dem Arzt fäll die sog. Thoraxstarre auf, eine mangelhafte Bewegung des Brustkorbes bei der "tiefen" Einatmung infolge des geringen Atemvolumens

Verschlimmernd kommt bei der Staublunge hinzu, dass 10% der Betroffenen zusätzlich eine Lungentuberkulose entwickeln !...

Die abgelagerten Staubkörnchen aktivieren das Immunsystem und in der Lunge entstehen knötchenartige Gewebeneubildungen (Granulome). Die Lungenstruktur kann sich verändern, das Gewebe wird narbig umgebaut und das Bindegewebe in den Räumen zwischen den Lungenbläschen kann sich vermehren (Lungenfibrose).

Auf der Karte aus von August Heinecke sehen wir einen Kirmesgänger vor einem Gerät "Lungenprüfer", mit dem das Atemvolumen bestimmt werden konnte resp. die Vitalkapazität. Diese ist eine in der Spirometrie gemessene Kenngröße der Lungenfunktionsdiagnostik. Sie bezeichnet das Lungenvolumen zwischen maximaler Einatmung (Inspiration) und maximaler Ausatmung (Exspiration). Unter Vitalkapazität wird also die maximale Luftmenge verstanden, die nach einem Atemzug wieder ausgeatmet werden kann. Die Vitalkapazität ist abhängig vom Alter, vom Geschlecht und von der Körpergrösse. Auch wenn Ausdauersportler eine deutlich erhöhte Vitalkazität aufweisen (bis zu 7 Litern - Untrainierte ca. 3-4 Liter/abhängig von Größe und Gewicht), so ist dies kein wirklich leistungsbestimmender Faktor. Auch bei der Silikose wird im Übrigen die Vitalkapazität nur unwesentlich gesenkt ! Im Laufe des Arbeitslebens zeigten Steinkohlenbergleute erhebliche Lungenfunktionsstörungen, die nicht an die Diagnosen Silikose und Emphysembronchitis gebunden waren. So zeigen ältere Bergleute einen etwa 3fach stärkeren Abfall der Vitalkapazität als Kontrollen; also doch ein Handycap für die Arbeiter aus der Minette ...

1:0 hiess es vor diesem Apparat, wenn ein Kerl vom Lande gegen einen Minette-Arbeiter antrat ! Stubenhocker und Bürohengste aus der Stadt waren chancenlos ! Was auf der Kirmes Spiel war, wurde beim Arzt schnell bitterer Ernst ...

Noch heute sehen die Satzungen der Stadt Uelzen (pro Quadratmeter und Marktag) folgenden Tarif vor:
"Schießbuden, Verlosungen und andere Ausspielungen sowie andere Belustigungen (Kraftmesser, Lungenprüfer, Automaten u. dgl.) 0,70 Euro ....


In Rudolstadt gab es um die Jahrhundertwende mehrere Verlage, die Ansichtskarten vertrieben:
- Curoni und Fürth
- August Heinecke,
- Hermann Paris,
- Richard Zieschank
Gegen Heinecke lief eine Untersuchung wegen Vergehens gegen das Musterschutzgesetz - da war wohl Schluss mit der komischen Kirmesnummer ... Wurde aus diesem Grunde die hier gezeigte Karte von dem Verlag Rich. Schlothauer in Halle vertrieben?




Innere Medizin


Peak-flow-meter n. WRIGHT

WRIGHT
 

 

Der Peak Flow (Spitzenfluss), eigentlich peak expiratory flow (PEF, exspiratorischer Spitzenfluss englisch wörtlich: Ausatmungsspitzenfluss), ist ein Messwert in der Medizin, der die maximale Ausatmungsgeschwindigkeit einer Person erfasst. Gemessen wird der Spitzenfluss mit einem Peak Flow Meter, einem kleinen Handgerät, oder einem Spirometer. Diese Geräte messen den Luftstrom durch die Bronchien und sind damit ein Maß für die Lungenfunktion.

 

Benannt ist das Gerät nach dem Bioingenieur Martin Wright (*1912 in Dulwich/London, gest. 2001), der das erste Messgerät in den 50er Jahren entwickelte, um den Spitzenfluss als Index der Lungenfunktion zu messen.

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Spirometer von BUHL

Spirometer
 

 

Als einer der Ersten befasste sich Johann Friedrich ALBERS (1805-1867) mit Spirometrie. 

J.P.H. Albers, Erkenntniss der Krankheiten der Brustorgane aus physikalischen Zeichen, oder, Auscultation, Percussion und Spirometrie, Bonn : Bei Adolph Marcus, 1850.

J.P.H. Albers, Über einige nothwendige Correctionen bei Anwendung des Spirometers, in: WMW  n°39 25.9.1852 S.617.

Elias von Cyon: Spirometrie und Pneumometrie, in: Methodik der Physiologischen Experimente und Vivisectionen, S. 213. Giessen, St. Petersburg, Ricker, 1876.

 

 

Exponat 

Zum Messen der vitalen Lungenkapazität bedient sich der Praktiker des sog. Taschenspirometers von BUHL.

 

Die Fa. Paul BUHL arbeitet in Wiesbaden und stellt u.a. nach dem Turbinenprinzip funktionierende Messinstrumente her. 

 

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Luxemburger Rote Kreuz, Lotterie 1940

 

Noch in ihrem Jahresbericht 1923/25 (Imprimerie de la Cour Victor Buck, Luxembourg 1926 S. 58) schrieb der Kassierer:
"Les loteries foisonnent dans notre pays pour les buts les plus divers. La Croix Rouge serait certainement qualifiée pour faire appel, par cette voie, à la générosité de nos compatriotes. Mais nous ne voudrions pas marcher sur les brisées de la Ligue nationale contre la tuberculose qui, chaque année, tire le plus clair de ses ressources de sa loterie annuelle"
Mitten in der wirtschaftlichen Rezession waren die finanziellen Nöte des LRK 1934 derart gross, dass man das Tb-Liga-Tabu durchbrach und beim Staat die Erlaubis einholte, eine Lotterie organisieren zu dürfen.

Vorgestellt werden zwei Lose aus dem Schicksalsjahr 1940. Ziehungen erfolgten am 14.2. (1. Ziehung), 30.4. (2. Ziehung), x (3. Ziehung), und 5.9.1940 (4. Ziehung).
Man beachte die Veränderung im Aufbau des Bildes! Luxemburg wurde am 10. Mai 1940 von deutschen Truppen überrollt, Ende Juli 1940 übernahm Gustav Simon (1900-1942) als Gauleiter des angrenzenden deutschen Gaus Koblenz-Trier die Zivil- verwaltung im Land. Damit wurde das Grossherzogtum von Deutschland faktisch annektiert, wenn auch nicht staatsrechtlich in das Reich inkorporiert. Zur Verschmelzung Luxemburgs mit dem Gau Koblenz-Trier zum Gau Moselland kam es erst am 30. August 1942. Luxemburg blieb bis Kriegsende ein CdZ-Gebiet (einem Chef der Zivilverwaltung unterstellt) - war demnach nie Reichsgebiet. Dennoch wurde die Reichsmark, die Reichspostmarken etc. ohne mit der Wimper zu zucken im Lande eingeführt. Der Einmarsch erklärt die deutsche Schreibweise und den Aufdruck "Luxemburger Landeslotterie" - damit war das Los zweisprachig...




Innere Medizin


Luxemburger Rote Kreuz, Lotterie 1941

 

Aus dem Kriegsjahr 1941 stammt das hier vorgestellte Lotterielos, dessen Erlös an das Luxemburger Rote Kreuz fliessen sollte. Ziehung der Lotterie war der 3. April 1941.
Erinnern wir daran, dass das LRK durch Erlass des Stillhalte- kommissars im Frühjahr 1941 aufgehoben, seines Vermögens und seiner Archive beraubt und in das Deutsche Rote Kreuz integriert wurde. Insofern stellt das hier vorgestellte Los ein letztes Lebenszeichen des unabhängigen LRK dar.

Luxemburg wurde am 10. September 1944 befreit. Unverzüglich wurde eine "Oeuvre Nationale de Secours Grande-Duchesse Charlotte" (l'Oeuvre) am 25. Dezember 1944 (arrêté grand-ducal daté "Londres, Noël 1944") aus der Taufe gehoben, um die Kriegsopfer zu unterstützen. Am 23. Januar (dem damaligen Nationalfeiertag) und 14. April 1945 organisierte die Oeuvre jeweils eine landesweite Geldsammlung, die bedeutende Geldmittel einbrachten. Natürlich konnte derartiges "fechten" nicht ewig fortgeführt werden. Man entschloss sich folglich, eine Lotterie zu gründen, bei der auch der Geber eine (wenn auch bescheidene) Chance hatte, einen Gewinn zu erhaschen: am 13.7.1945 legte die Grossherzogin mit ihrer Unterschrift unter das Lotteriegesetz den Grundstein für die Moderne Landeslotterie (Memorial n°35 vom 18.7.1945), die "Loterie nationale", mit der die Kriegsopfer, später alle charitativen Werke des Landes unterstützt wurden.