Innere Medizin |
||
Hochfrequenzgerät (4) |
||
Hochfrequenzstrahlen-Apparate waren medizinisch von zweifelhafter Wirkung - was aber Jahrzehntelang niemanden ernstlich zu stören schien. Weil sie im Dritten Reich angeblich die Radiogeräte - die sog. Volksempfänger störten, wurden sie damals verboten ...
Komplexer, besonders gut ausgestatteter Koffer der niederländischen Firma "Instituut van elektro-medische apparaten te Ginneken", mitgebracht von einer Patientin, deren Vater Niederländer war. Apparat für den Heimgebrauch; Koffer innen mit violettem Samt bespannt; Inhalt: Generator, Bakelite-Griff zum Aufstecken der unterschiedlich geformten Elektroden.
Maße: Koffer liegend geschlossen: H 10,6cm x B 34,7cm x T 24,4cm.
Bemerkungen: 1892 hatte der französische Physiker und Physiologe Jacques-Arsène d’Arsonval (1851-1940) die Hochfrequenz-Ströme in die Medizin eingeführt; die Elektrotherapie geriet um 1900, als viele Haushalte anfingen, über Strom zu verfügen (die Geräte transformierten den normalen Leitungsnetz in hochfrequente Wechselströme von 10 bis 20 Kilohertz), zur Modeerscheinung und zum Allheilmittel; z.B. zur Behandlung von Grippe und Rheuma, aber auch Diabetes, Zahnschmerzen und Hühneraugen.
|
Innere Medizin |
||
Hygiene (1) Kantine Rümelingen |
||
Viele Betriebe der Schwerindustrie unter- hielten Kantinen in denen Bergleute und Schmelz- arbeiter billig schlafen und sich verpflegen konnten. Die Hütten- gesellschaft "ARBED Terres - Rouges" hatte in Esch die "Kantine Wolter" errichtet. In Beggen, Differdingen, Lamade- laine, Oberkorn und Rümelingen gab es ähnliche Arbeiterwohn- heime. 1926 arbeiteten in Differdingen 4.427 Arbei- ter in dem Hüttenwerk und im Bergbau. Davon wohnten 272 in Werks- wohnungen, 120 in der Kantine in Oberkorn und 53 in der Kantine in Differdingen... Hier die hygienischen Bestimmungen einer solchen Kantine, wie sie im Januar 1923 verfügt wurden: Ein gesundes Milieu demzufolge, in dem sich der Arbeiter nach der Schicht erholen konnte. Die Arbeit in den Galerien war strapaziös: 10-12°C, hohe Luftfeuchtigkeit begünstigten das Auftreten von Rheuma. Arbeitsunfälle waren häufig, von harmlosen Quetschungen bis hin zu schweren Verletzungen, die Amputationen erforderlich machten. In der Zeit von 1864 bis 1981 kamen 1.477 Menschen in den Minen zu Grunde - nicht mitgezählt die Opfer der unzähligen Messerstechereien in den Kneipen und ... Kantinen. Lit.: Vorgestellt wird eine Ansichtskarte "Edit. Ch. Arendt - Rumelange; DESAIX" aus den 20er Jahren. Im Hintergrund die Schmelz, rechts im Vordergrund die grosse Kantine...
|
Innere Medizin |
||
Hygiene, Lebensmittel |
||
Gemäss der am 4.6.1908 vorgenommenen Wahlen war Eugène MAJERES "pâtissier" in Esch Arbeitgeber-Deligierter bei der Unfallversicherungsgenossenschaft. Laut Firmenregister gründete er 1910 ein Süsswarengeschäft in Esch a. d. Alzette: Eine Konditorei oder Konfiserie (auch Confiserie) ist ein Handwerksbetrieb, der Feingebäck (oder Süß-) herstellt. Konditoren und Konditorinnen (Zuckerbäcker) stellen Torten und Kuchen, Pralinen, Konfekt, Marzipan- und Zuckererzeugnisse, Salz-, Käse- und Dauergebäck sowie Speiseeis her. Die Herstellung von Baumkuchen gilt als die höchste Kunst der Konditorei. Auf der Ansichtskarte (P. Thorn, Esch s/A. 129512) sieht man den Besitzer, sitzend, ohne Kopfbedeckung, sowie zwei Angestellte, beide mit einer Konditormütze. Einer der Angestellten trägt ausserdem eine grosse weisse Schürze. Die Karte belegt, dass die Confiseure (das Wort "Konfisör" gibt es nicht) schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts - auch ohne einschlägige Gesetzgebung - sich und ihre Ware durch eine angemessene Kleidung zu schützen wussten - mit einer winzigen Einschränkung: was für das Personal gilt, gilt nicht unbedingt für den Chef ... In Lebensmittelbetrieben wird seit langer Zeit auf die Einhaltung einer minimalen Hygiene geachtet. Eine dem Arbeitsbereich angemessene, saubere Arbeitskleidung ist zu verwenden, die geeignet ist, eine nachteilige Beeinflussung der Lebensmittel zu verhindern. In Luxemburg regelten Gesetze von 1902, 1953 und 1971 den Umgang mit Lebensmitteln, sie wurden 1988 ersetzt (Règlement grand-ducal du 4 juillet 1988): Link: Das Tragen von Kopfbedeckungen (z.B. Schirmkappen, Haarnetzen oder Ähnlichem) ist seit Jahren bei der Herstellung sowie der Be- und Verarbeitung von Lebensmitteln obligatorisch. Am 1. März 1999 ist in Österreich die Lebensmittelhygieneverordnung in Kraft getreten. Diese Verordnung ist für alle Betriebe, die Lebensmittel herstellen, verarbeiten, lagern, verpacken, befördern oder verkaufen bindend, sofern nicht spezielle Hygieneverordnungen zutreffen. Es muss saubere, leicht waschbare, nicht fusselnde Kleidung und haarbedeckende Kopfbedeckung getragen werden. Lange Haare sind hinten zusammenzubinden. Darüber hinaus ist eine zweckmässige Kopfbedeckung zu tragen. Einheitliche Regelungen zur Lebensmittelhygiene haben seit Anfang 2006 im Rahmen des sogenannten "EU-Hygienepakets" Gültigkeit. In Deutschland galten diese Auflagen bereits seit Jahrzehnten, sie waren in nationalen lebensmittelrechtlichen Verordnungen bereits verankert. Somit hat sich durch das neue EU -Hygienepaket für diese Betriebe nicht so viel geändert ... Eine farbenfrohe OP-Szene, in der sich eine Anspielung an die Konditormütze wiederfindet, kann man bei Detlev von Liliencron (1844-1909) in seinen "Übungsblättern" (1900) nachlesen:
|
Innere Medizin |
||
Städtische Hygiene |
||
Ein städtisches Reglement von 1691 forderte eine Abortgrube für jedes Haus der Hauptstadt. Mit einer Geldstrafe in der Zeit der französischen Besetzung 1796 wurde jeder - auch Militärangehörige - belegt, der seine Notdurft auf öffentlicher Strasse verrichtete. Dass diese Reglemente nicht viel ausrichteten ist aus dem erneuten Beschluss des Stadtrates von 1841 zu ersehen, demzufolge eine letzte Frist gesetzt wurde, Aborte einzurichten ... Wer entleerte die Senkkästen? Wohin mit der Jauche?
Vorgestellt wird eine Ansichtskarte von Charles Bernhoeft (N° 11349, gelaufen 14.9.1908): ein städtisches Pferdegespann, das ein Jauchefass durch die Grossgasse in Luxemburg zieht - in Richtung des auf der Arlonerstrasse eingerichteten kommunalen "Piffhaff". Hinter dem metallenen Fass (Fehlen der Dauben) erkennt man das Metallrohr und den aufgefalteten Verbindungsschlauch, durch den die Jauche (mittels "Piffpompel") aus der Jauchegrube (lux. "Zetär") angesaugt wurde ... Bis 1899 fuhr ein Privatunternehmer fort, die Fäkalien, die von Angestellten der Gemeinde oder von ihm selber aus den Senkkästen der Oberstadt abgepumpt worden waren, auf seine Felder auszubringen. Ab 1899 übernahm ein kommunaler Hygienedienst dieses Geschäft "en bloc" und beseitigte den Unrat mittels Pferdekarren, auf denen ein Jauchefass lag ... Die Jauche konnte nur noch zum geringen Teil an Gärtner und Bauern verkauft werden. Ein Grossteil musste auf Kosten der Stadt "entsorgt" werden. Zu diesem Zweck kaufte die Stadtverwaltung 1899 Äcker längs der Arlonerstrasse und benutzte sie als "Berieselungsfeld" resp. "Rieselfeld" zum "Verrieseln" der Jauche - dafür wurde das "Depotoir" auf Bellevue 1902 aufgegeben. Die Juden werden nicht böse drum gewesen sein!
|
Innere Medizin |
||
Trinkwasserhygiene |
||
Wer kennt nicht die Geschichte von der Trinkwasserpumpe, an der sich 1854 die Einwohner eines ganzen Wohnviertels der Grossstadt London mit Cholera ansteckten - bis der Arzt John SNOW (813-1858) den Schwengel dieser Pumpe abmontieren liess? Snow konnte nachweisen, dass sich die Todesfälle im Bereich einer Wasserpumpe in der Broad Street konzentrierten. Nachdem er die Pumpe außer Betrieb setzte, indem er deren Schwengel entfernte, kam es zum Stillstand der Epidemie. Seine Theorie wurde jedoch zu seiner Lebenszeit durch die damaligen Wissenschaftler und Ärzte nicht anerkannt und erst einige Jahre nach seinem Tod bestätigt. Wir haben die luxemburgischen Ansichtskarten gesichtet, und nur diese eher unscheinbare Karte mite einer Schwengelpumpe entdecken können: im oberen Teil der Kleinstadt Remich stand eine übermannsgrosse Pumpe, deutlich ist auf dem Bildausschnitt der grosse, geschwungene Schwengel zu sehen. Offenbar gab die Pumpe keinen Anlass für Klagen:
|
Innere Medizin |
||
Der Wasserturm auf Limpertsberg |
||
Gleich zwei unnütze Sachen erkennt man auf diesem Bild: Zur Kanone Kanonentypen "In 1907 German Army tested as anti-aircraft-guns the guns then adopted by field and foot artillery: 7.7cm field gun, 10.5cm light field howitzer and 10cm heavy gun. In spite of the lack of interest shown by the Army, studies went on. Between 1908 and 1910 a lot of new guns appeared. Krupp produced a 7.5cm L/35 gun on wheels and a 7.1cm L/30 gun on a motor car, while Rheinmetall a 6.5cm L/35 pivot gun. War Ministry ... laid down the rules for the Ballonabwehrkanone (Bak = anti-balloon gun). These demanded the calibre and the ammunition of the 7.7cm L/27 field gun and devices for a rapid change in azimuth and elevation. The gun had to be transported by a field carriage or mounted on a motor car with a pivot. Between 1911 to 1914 both Krupp and Rheinmetall produced some different pattern of Bak. Zum Wasserturm Dennoch blieb der Wasserturm das Wahrzeichen des aufstrebenden Wohnviertels !
|
Innere Medizin |
||
Induktionsapparat (1) |
||
Früh fand die Elektrotherapie Eingang in die Volksmedizin. Der Einsatz des elektrischen Stromes kann als ein Charakteristikum der Medizin aus der Zeit der Jahrhundertwende angesehen werden. So finden wir im Nachlass des verstorbenen Appellations-Rathes MULLER aus Trier eine Bibliothek mit 800 Büchern und Manuskripten aus dem 9.-14. Jh., ein Sonnenteleskop, eine Elektrisiermaschine und ein Violoncello .
"Le service physico-thérapeutique a pu être considérablement étendu et amélioré, grâce à l'installation d'accumulateurs qui présentent en outre l'avantage d'entourer de plus de garanties le service de l'éclairage et permettent d'employer l'électricité comme force motrice. L'électrothérapie a été mise à point. L'établissement possède en ce moment un choix d'appareils pour les applications les plus variées de cette force qui a pris une place prépondérante dans le domaine de la thérapeutique comme dans celui de l'industrie : franklinisation, application de courants faradiques et constants, etc." (Memorial n°45/1903). Dass Ärzte hierzulande sich früh mit Strom versorgten, und dabei in der Not auf Akkumulatoren zurückgriffen, wird in einer Anzeige der Jahrhundertwende deutlich: "Zwei gut erhaltene Akkumulatoren, 2- und 4zellig (Reiniger, Gebbert und Schall), sind billig zu verkaufen, wegen Anschluss an die elektrische Centrale bei Dr. KROMBACH, Arzt, Luxemburg-Bahnhof, Elisabethstr.1" ("Luxemburger Wort" vom 13.5.1909). Der Arzt war an das öffentliche Netz angeschlossen und brauchte seine Akkumulatoren nicht mehr... Vorgestellt wird ein transportabler Induktionsapparat nach Dr. SPAMER. Er besass einen einfachen Unterbrecher und arbeitete mit einem Chromsäure-element als Batterie. Andere Geräte benutzten Kohle-Zinkbatterien.
|
Innere Medizin |
||
Induktionsapparat (2) |
||
Induktionsapparate waren für damalige Verhältnisse kostspielige Anschaffungen, das hier gezeigte Modell wurde beispielsweise für 30 Mark angeboten. Der feingearbeitete Nussbaumkasten, das galvanische Element und das Zubehör rechtfertigten diesen Preis durchaus. Die Geräte wurden deshalb auf Wunsch gegen eine Gebühr von 5 Mark pro Monat leihweise abgegeben. Der Induktionsapparat nach du Bois-Reymond war seiner Struktur nach einfacher. Er bestand aus einer Platte, auf die eine Induktionsspule nebst Unterbrecher montiert waren. Ein stromliefernder Teil (Chromsäure- oder Trockenelement) fehlte. Man bezeichnete derartige Geräte, deren elektrische Eigenschaften mittels eines Schiebers in der Spule reguliert wurden, als Schlittenapparate. Vorgestellt werden die beiden Elektrodengriffe eines solchen Gerätes. |
Innere Medizin |
||
Induktionsapparat (3) |
||
Aus dem Nachlass des ab 1913 in Clerf niedergelassenen Praktikers Guillaume KOENER (1882-1953) stammt dieser von Jos. Moitzheim in Luxemburg ausgelieferte Induktionskasten - offenbar ein "must" für jeden Arzt ... Hier die Anwendung bei peripherischen Lähmungen, so wie sie KOENER in seinem "Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie" von Adolf Strümpell (Bd. II S. 366, Ausg. 1907) nachlesen konnte: Transportabler Induktions-Apparat in feinpoliertem Nussbaumkasten mit vernickeltem Traggriff ...
|
Innere Medizin |
||
Induktionsapparat (4) |
||
Zum Beginn der Elektrotherapie im 18. Jahrhundert wurde schwache, aber hochgespannte statische Elektrizität verwendet (Franklinisation, Galvanisation). Benjamin Duchenne (1806-1875) war es, der die Faradisation begründete. Die Faradisation konnte hochgespannten, rasch pulsierenden Gleichstrom aus dem Induktionsapparat verwenden. Die Faradisation eines Duchenne war die erste elektrotherapeutische Methode, die eine weitgehende Modulation (Veränderung von Frequenz und Intensität) der Ströme möglich machte. Aus dem Nachlass des ab 1913 in Clerf niedergelassenen Arztes Guillaume KOENER (1882-1953) stammt dieses Induktionsgerät. An der Innenseite des Deckels lesen wir: Das Gerät fällt durch seine "moderne" Stromquelle auf - eine 1,5 Volt TIGER-Trockenbatterie der bekannten dänischen Firma HELLESENS. "Frederik Louis Wilhelm Hellesen (1836 – December 22, 1892) was a Danish inventor and industrialist. In 1887 he designed what is thought to be the first dry cell battery based on the Leclanché cell design. The same year he founded the company W. Hellesen (later know as A/S Tudor-Hellesens, A/S Hellesens, and GN Hellesens), now defunct. Today the Hellesens brand name is owned by Duracell" (Wikipedia). Seinen besonderen "Reiz" bekommt das Gerät, wenn man weiss, dass das einzige Kind KOENER's an einer schweren Schizophrenie litt und nach mehreren Aufenthalten in ausländischen Instituten schliesslich in der Nervenheilanstalt Ettelbrück aufgenommen werden musste. Hat KOENER versucht, seine Tochter mit diesem Apparat zu behandeln? Die Vermutung liegt nahe, da gewusst ist, dass seit dem 1. Weltkrieg psychiatrische Krankheiten mit Faradisation angegangen wurden. Nach 1938 wurde die aggressivere Elektroschocktherapie angewandt. Mit der Faradisation wurden die so genannten "Kriegszitterer" behandelt. Auch in der Therapie der Kriegsneurosen trat nach dem 1. Weltkrieg die von Stabsarzt Fritz KAUFMANN beschriebene Methode der Faradisation mittels elektrischer Ströme in den Vordergrund - die Kriegsneurotiker erhielten Elektroschocks, denen sich militärische Kommandos anschlossen, bis sie die Flucht aus der Krankheit in die Gesundheit antraten und freiwillig an die Front zurückkehrten. Dieser Therapie lag die Annahme zugrunde, den durch einen Kriegsschock erkrankten Soldaten mittels eines Gegen(elektro)-Schocks wieder von seiner Erkrankung zu heilen. Die durchschlagenden Erfolge blieben jedoch aus, so daß alternative Wege der Behandlung gesucht wurden. Hier ist vor allem der Hamburger Neurologe Max NONNE ( 1861-1959) zu erwähnen, der mittels Hypnose die Soldaten nach wenigen Sitzungen symptomfrei machte. Es fällt in diesem Zusammenhang auf, dass in der Bibliothek KOERNER's auch ein Standardwerk des Hypnose stand, "Hypnotisme & Suggestion" von Hippolyte BERNHEIM (1837-1919) ... Mit (besonders starken) Stromschlägen ("Faradisieren während des Anfalls") wurden auch hysterische Krampfzustände angegangen (Strümpell Bd.II S; 776, Ausg.1907) - eine Frühform der Elektroschocktherapie ... Billiger Holzkasten, mit farbig bedrucktem Papier überzogen. Ist diese eher erbarmungswürdige Aufmachung eine Folge des wirtschaftlichen Niedergangs nach dem 2. Weltkrieg ?
|
Innere Medizin |
||
Induktionsapparat (6) n. Dr. S. EBEL |
||
Bei Lähmungen der Nerven schwindet die zugehörige Muskulatur. Um diese "bei Laune" zu halten, müssen die Muskel folgerichtig elektrisch gereizt und zum Arbeiten gebracht werden. So auch bei dem späteren deutschen Kaiser Wilhelm II, der bei der Geburt - er kam als Steisslage zur Welt - eine schwere Quetschung des Plexus brachialis erlitten hatte mit nachfolgender schlaffer Lähmung des linken Armes: Zehn Jahre lang wurde er als Kind einer Elektrisierungs-behandlung unterzogen und mit Wechsel- oder galvanischem Strom behandelt.
In den 1930er Jahren wurde die Faradisierung eine modische Erscheinung ..
Anzeige "Tonisatorapparat für Schwellstrom-Massagen zu kaufen evtl. zu leihen gesucht. Gebr. Wagner, Esch-Alzig, Breitenweg Nr. 34" (Escher Tageblatt vom 8.5.1943).
Exponat Aus dem Nachlass des ab 1922 auf L.-Limpertsberg niedergelassenen Arztes Camille GLAESENER (1887-1952) stammt dieser Elektrisierapparat der Berliner Firma Sanitas aus den 20-30er Jahren. Das Gerät diente der Elektrostimulierung des Nervensystems - was immer man darunter verstehen will. Der elektrische Strom des "Tonisator" wurde in 4 Trockenzellen produziert. Die Handkurbel (in der oberen Ecke links im Bild zu sehen) wurde in die rechte Seite des Kastens gesteckt und ein Uhrwerk aufgezogen, das dafür sorgte, daß der Stromabnehmer (Mitte des Bildes) minutenlang im Kreis über die 24 Stifte lief und dem faradischen Strom so eine an- und abschwellende Form gab, die Stärke des Stromes wurde an den Schaltern links eingestellt.
Zum Erfinder Das Patent des Gerätes gehörte ursprünglich einem Dr. Ebel, zu dessen Person ich lange recherchieren musste, bevor ich diese spärlichen Daten fand: Dr. Samuel EBEL (Wiener med. Wschr., 1918 S.188) war um 1909 mehrere Jahre lang Bade- resp. Kurarzt in Bad-Gräfenberg, der Heimatstadt des bekannten Vinzenz Prießnitz ... Er war 1918 auch in Abbazzia tätig. Er starb im März 1931, Beisetzung auf dem Zentralfriedhof in Wien Tor IV (Neues Wiener Journal, 20. März 1931). Hersteller des Apparates: Electricitätsgesellschaft SANITAS, Berlin N24. Friedrichstr. 131d.
1925 (20.4.) ließ er sich als Dr. Siegfried Samuel EBEL einen Unterbrecher für elektro-therapeutische Einrichtungen patentieren (https://patents.google.com/patent/DE498678C/un) sowie diesen Apparat für Elektrotherapie (https://patents.google.com/patent/FR614797A/en) - ein Gerät, das mit seiner4-V-Trockenbatterie völlig harmlos daherkam, und mit jeder x-bliebigen Taschenlampen-Batterie betrieben werden konnte. Nach dem Tod des Erfinders (?) konstituierte sich in Wien eine "Tonisator-Gesellschaft" mit Sitz in der Seilerstätte n°15, die ihre Geräte mit viel Geschick an den Mann brachte (Neues Wiener Journal, 25. Dez. 1932):
von Dr. rned. A. K. Medizin und Statistik haben herausgefunden, daß es eine Anzahl von Erkrankungen gibt, die insbesondere im Herbst bedeutend zahlreicher auftreten als zu anderen Jahreszeiten. Der Uebergang von der warmen zur kalten Jahreszeit mit den durch den Sommer ungewohnten Temperaturdifferenzen, die Abendfeuchtigkeit und nicht zuletzt die Folgen der im Sommer zum Beispiel durch zu kaltes unbesonnenes Baden begangenen Sünden beginnen sich im Herbst zu rächen. Ebenso machen sich jetzt Sportverletzungen, zu denen der Sommer reichlich Gelegenheit bot und die gewöhnlich nicht mit dem erforderlichen Ernst behandelt wurden, doppelt unangenehm bemerkbar.Alle diese Erkrankungen, die oft mit großer Schmerzhaftigkeit verbunden sind, werden in der modernen Medizin außer durch die bekannten internen Behandlungsmethoden vornehmlich auf elektro-therapeutischem Wege behandelt. Hier spielt der nach Angaben von Dr. med. S.S. Ebel konstruierte „Tonisator" eine ganz besondere Rolle. Durch eine äußerst sinnreiche Konstruktion wird der elektrische Strom, im Gegensatz zu dem von veralteten Apparaten verabreichten, zu einem regelmäßig an- und abschwellenden Strom verwandelt, dessen Rhythmus sich weitestgehend den biologischen Vorgängen im menschlichen Körper anpaßt. Hiedurch wird dem Strom jede brüske und schmerzhafte Wirkung genommen, er wird angenehm und schmerzstillend empfunden. Selbst Kinder, die sich bekanntlich gegen jede elektrische Behandlung ablehnend Verhalten, sind ihm ohne weiteres zugänglich. Die Eigenschaften machen den „Tonisator" gerade bei den im Herbst häufig auftretenden Krankheiten unentbehrlich. Hieher gehören vor allem Erkrankungen der Muskeln, Gelenke und Nerven. Hiebei ist es gleichgültig, ob sie als akute Erkrankungen oder als Rezidiven von bereits seit Jahren bestehenden Muskel- oder Gelenks-erkrankungen auftreten: die „Tonisatorströme" bringen in den allermeisten Fällen schon nach wenigen Behandlungen dauernde Befreiung von den Schmerzen und endgültige Heilung. Dieselben Erfolgs hat der „Tonisator" bei den schmerzhaften, häufig das Berufsleben störenden Folgeerscheinungen nach Sportverletzungen, wie Verrenkungen, Verstauchungen, Zerrungen, Folgen nach Knochenbrüchen usw., aufzuweisen. Nach ganz wenigen Sitzungen schwinden auch hier die Schmerzen und erfolgt dauernde Heilung. Eines speziellen Anwendungsgebietes des „Tonisators" sei bei dieser Gelegenheit noch gedacht, da gerade dieses im Herbst von großer Wichtigkeit ist. — Nimmt man nach dem Urlaub seine gewohnte berufliche Beschäftigung wieder auf, so zeigen sich anfänglich oft unangenehme Ermüdungserscheinungen, gegen die erfahrungsgemäß der „Tonisator" ein ganz hervorragendes Mittel ist. Alle Muskeln und Nerven werden dllrchgeknetet und machen eine Passive, äußerst heilkräftige Massage und Gymnastik durch, die ihre Rückwirkung nicht nur rm körperlichen Befinden, sondern auch in der gesteigerten geistigen Regsamkeit findet. Nicht mit Unrecht wird behauptet, daß die „Tonisatorströme" ein ausgezeichnetes und unschädliches Regenerationsmittel find" (Neues Wiener Journal,10. Sept.1933).
Lit.: Schrottenbach Heinz, Ein Fortschritt in der Elektrotherapie: Der Tonisator nach Dr. Ebel, in: Münch.med.Wschr., 74,1801-1802 (1927). Prinz, A., Der Tonisator in der täglichen Praxis, in: Mitt. d. Niederösterr. Ärztekammer u.d. Landesorganisation der Ärzte, Baden bei Wien. Ein Leben für das Werk. Robert Otto zum Dank. Zusammengestellt und herausgegeben zum 40jährigen Bestehen der Electricitätsgesellschaft Sanitas und zur Vollendung des achtzigsten Lebensjahres ihres Gründers. 3. Oktober 1899 - 1939. Denk- und Festschrift. 130 (3) S. mit einer Vielzahl von sw. Abb. Format: 30x21,5.
|
Innere Medizin |
||
Induktionsapparat (7) |
||
Ein "Elekt-Roller", nein, nicht der Prototyp eines TESLA-Motorrades, sondern ein Elektro-Massagegerät aus den 1920er Jahren. Rollten die beiden Räder über die Haut des Patienten, so brachten sie einen im Handgriff untergebrachten Dynamo in Bewegung, der elektischen Strom produzierte, der auf die Haut abgegeben wurde. Die Stärke der Stromstösse ließ sich über eine Skala auf dem Griff einstellen.
«Aufruf an alle an Rheumatismus, Gelenks-, Muskel-, Lähmungs-, Kopf- und Nervenschmerzen, Fettleibigkeit und schwerer Krankheitsursachen der schlechten Blutzirkulation Leidenden! Elektroller, der neue elektrische Heilapparat, ein wahrer Hausschatz, lindert, heilt, stärkt und macht gesund, kostet nur 45 S mit Gebrauchs-anweisung und einjährigem Garantie-schein. Elektroller-Co. A. Zlamal, Wien, 18. Bez., Gentzgasse 144“ (Freie Stimmen, 18. Nov. 1928).
Der Verkauf des in Prag hergestellten Gerätes erfolgte über Handelsvertreter, nicht in Geschäften:
Hersteller: "Elektric, Prag"
Den 38jährigen Zlamal finden wir 1945 wieder als Maschinenbau-Ingenieur in Hausmannstätten bei Graz als er eine neue Anstellung suchte (Grazer Volkszeitung, 24. Nov. 1945). |