Innere Medizin |
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Galvanotherapie (2) |
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Zu Beginn des 19. Jahrhunderts beschränkte sich die Auseinandersetzung mit der Elektrizität auf Vorführungen auf Jahrmärkten, oder in vornehmen Salons, um die Gesellschaft in Erstaunen zu versetzen. Im Allgemeinen benutzte man zwei Elektrisiermaschinen als Elektrizitätserzeuger und eine Leydener Flasche als Elektrizitätsspeicher. Mit dieser Anordnung lud man die Besucher mit so hohen Spannungen auf, dass ihnen die Haare zu Berge standen, oder man ließ Funken über eine Distanz von einem Meter springen. Physiker, Künstler und Scharlatane reisten bis ins 20. Jahrhundert von Ort zu Ort und führten auf den Jahrmärkten Experimente mit statischer Elektrizität vor. Am 26.1.1877 inserierte ein Prof. C.B. ALLAN in der "Luxemburger Zeitung": „Esch/Alz. 3. Juni. Der aus Rotterdam stammende Wilhelm Heinrich SIEHL hatte vorgestern Vorträge über elektrische Heilbehandlung angesagt. Die Gendarmen beschlagnahmten sämtliche Apparate während der Vorführung, da es sich um verkappten Hausierhandel mit Heilgeräten handle. Gegen Hinterlegung einer Kaution wurde SIEHL auf freien Fuss belassen“ ("Luxemburger Zeitung" vom 3.6.1932).
Lit.:
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Innere Medizin |
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Galvanotherapie (3) |
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Der Bericht des Arztes Johann Lukas SCHÖNLEIN (1793-1864) über eine erfolgreiche elektromagnetische Behandlung eines Schlaganfallpatienten - eines russischen Seekapitäns - brachte die Lawine ins rollen: für Lähmungen und Impotenz gab es endlich eine Therapiemöglichkeit! Lange Zeit aber kam der galvanische Strom - mangels geeigneter Geräte - nur wenig zur Anwendung in der Heilkunde. Erst mit dem von Ingenieur August WOHLMUTH entwickelten Gerät gelang der Durchbruch. Mit diesem Gerät wurden die Einwände der Skeptiker (Gefährlichkeit des Galvanisierens, Erregung von Schmerzen) hinfällig. "Les appareils d'électrothérapie ne furent utilisés vraiment qu'à partir de 1850 par les professions médicales. Il est certain que l'attrait de la nouveauté, les cotés merveilleux de l'électrothérapie associés à d'éventuelles guérisons miraculeuses, l'activité charlatanesque relayée par une action psychosomatique, n'ont pas été étrangères à un certain engouement pour l'électrothérapie. Cependant très rapidement les médecins et les dentistes intégrèrent les possibilités objectives que leur offrait l'électrothérapie surtout dans trois domaines : En petite chirurgie par l'usage du galvanocautère, en éclairage et endoscopie par des nouvelles possibilités de confort opératoire, en électrophorèse avec par exemple la cataphorèse utilisée en dentisterie. In neuerer Zeit wird die Indikation zur Galvanisier- technik - von der Schulmedizin! - weiter gestellt als einst von den Wohlmuth-Instituten. In universitären Betrieben werden Tumoren gespickt, der durchfliessende galvanische Strom führt zu einer Nekrose der Tumorzellen. Diese Galvanotherapie (Exogen-Cancer-Therapie / Electronic Cancer Therapie / Elektro-Chemo-Therpie) stellt einen neuen Therapieansatz zur Behandlung verschiedener Tumoren dar. Vorgestellt wird ein schwerer Galvanisierkasten aus den 20er-30er Jahren, erstanden auf dem Antikmarkt in Luxemburg am 12.11.2005. Das Gehäuse enthält "GEWECO"-Trockenelemente, die zu einer Batterie zusammengeschlossen sind, die den Strom liefern. Ein Handbuch "Elektro-Galvanische Heilkunde" wurde unter ärztlicher Mitarbeit vom Wohlmuth-Verlag in Furtwangen / Schwarzwald herausgegeben, in dem der Patient alle Kniffe zur Selbsttherapie nachlesen konnte. Das Buch erschien in mehreren Auflagen:
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Gastroskop |
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Die Gastroskopie, umgangssprachlich Magenspiegelung genannt, medizinisch auch Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD), ist eine medizinische Untersuchungsmethode des oberen Teils des Verdauungstrakts. Sie wurde 1881 von dem Wiener Chirurgen Johann Freiherr von MIKULICZ-Radecki (1850-1905) begründet. In enger Zusammenarbeit mit seinem Instrumentenmacher Josef Leiter konstruierte er ein starres, leicht stumpf-winkliges Gastroskop, das am Ende eine wassergekühlte Platinlampe trug.
1931 erfand der in München tätige Arzt Rudolph SCHINDLER (1888-1968), zusammen mit dem Apparatebauer Richard Wolf, das halbflexible Gastroskop - ein 75 Centimeter langes 11 Millimeter dickes Rohr. In der vorderen Hälfte war dieses Gerät durch ein neues Linsensystem so weit biegsam, daß es sich ohne größere Mühe dem Verlauf von Rachenraum, Speiseröhre und Magen anpaßte. 1934 emigrierte Schindler übrigens in die USA.
1931 verbesserte der Internist Norbert HENNING (1896-1985) dieses Gerät, der Blickwinkel wurde von 60° auf 90° erweitert und der Außendurchmesser vermindert. Durch das Anbringen von weichen Gummibällchen an der Endoskopspitze wurde die Perforationsgefahr vermindert.
1958 stellte der südafrikanische Arzt Basil Isaac HIRSCHOWITZ (1925-2013) auf dem 1.Weltkongress für Gastroenterologie ein vollflexibles Glasfaser-Endoskop vor. Heute enthalten die Gastroskope ausnahmslos eine Fiberglasoptik und sind in alle 4 Richtungen schenkbar.
Exponat Starres, 70 cm langes Gastroskop n. HENNING aus dem Besitz des Chirurgen Carl-Anton-Lambert-Maria SCHWERING *28.01.1887 in Billerbeck-Westfalen als 2. von 10 Kindern des praktischen Arztes Johann-Friedrich-Walther SCHWERING (1850-1936) und seiner Ehefrau Maria-Josefine-Sophia-Johanne Heyl. Am 6. September 1933 heiratete er in Lippstadt Paula-Margaretha Berghoff-Ising. Er war mehrere Jahre Chefarzt der chirurgischen Abteilung am Krankenhauses Salzkotten, Geseke. Er starb 1977/78.
Er schrieb: C.A. Schwering, Ueber funktionelle Prüfung des Herzens, mit besonderer Berücksichtigung der von M. Katzenstein angegebenen Methode, Inaugural-Dissertation, Medizinische Fakultät, Univ. Berlin, 1913.
Herkunft: Geseke in Westfalen. |
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Hammer (1) n. TRAUBE |
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Als Kind hatte Leopold AUENBRUGGER (1722-1809) bei seinem Vater, der Gastwirt war, miterlebt, wie dieser den Füllungsstand seiner Weinfässer prüfte, indem er die Fässer beklopfte. Der pfiffige Österreicher übernahm die Methode in die Heilkunde und publizierte 1761 (die damals wenig beachtete Schrift) "Inventum novum ex percussione thoracis humani". Der Pariser Arzt Jean CORVISART (1755-1821), Chefarzt an der berühmten Pariser Charité und ab 1807 Leibarzt Napoleon's, übersetzte das "Inventum novum" 1808 und verhalf der Methode endlich zum verdienten Durchbruch. Welcher Mediziner erinnert sich nicht mit Schmunzeln an seine Teilnahme an einem "Klopfkurs" - bei dem er viel zu hören bekam von Lehrern, die angeblich so viel hörten - und selber nie irgend etwas in einem der dargebotenen Brustkörbe hören konnte.
Die ersten Perkussionisten klopfen mit den Fingerspitzen ihrer rechten Hand direkt auf den auf den Patienten. Der Finger der rechten Hand des Arztes wurde alsbald durch ein Instrument ersetzt, einen kleinen Hammer. Mehrere Internisten gaben später Hämmerchen an, sog. "marteaux percuteurs", um den Patienten "wissenschaftich" abzuklopfen: TRAUBE, CURCHMANN, SALZ... Die Hämmerchen setzten sich als Perkussionsinstrumente nicht durch, in der Praxis wurden sie bald nur noch benutzt als "Reflexhammer", um den Patellar- und Bizepssehnenreflex zu überprüfen. Der neurologische Missbrauch wird besonders deutlich bei denjenigen Hämmerchen, in denen eine spitze Nadel integriert ist, mit der man den Dermographismus und Hautsensibilität prüfen konnte (Modelle nach MULLER etc). EBSTEIN gab ein Hämmerchen an, das man sich auf den Finger stecken konnte. Es wurde zusammen mit einem Plessimeter in einer Metallbüchse verkauft.
Vorgestellt wird ein russischer Hammer nach Ludwig TRAUBE (1818-1876), der um 1999 in Bulgarien benutzt wurde. TRAUBE begab sich 1843 nach Wien, um die damals neue Technik der Auskultation und Perkussion zu erlernen. Zurück in Berlin lehrte er die Technik - er wurde einer der ersten jüdischen Professoren Berlins, leitete ab 1857 die Propädeutische Klinik der Charité (siehe auch seine Verdienste um die Fiebermessung >Thermometer). Weniger glücklich war sein Vorschlag, ventiliertes Hammelblut auf Patienten zu übertragen (1874).
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Herzschrittmacher (1) |
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Universitätsklinik Karolinska Stockholm, im Herbst 1958: das Herz des Patienten Arne Larsson bleibt 20- bis 30-mal am Tag stehen. Der 43-Jährige muss jedes Mal reanimiert werden. Zwischen den Stillständen schlägt das Herz des Schweden teilweise nur rund 20-mal pro Minute. Larssons Arzt Åke Senning bewertet den Zustand seines Patienten als hoffnungslos: "Ich war praktisch tot", sagte Larsson 1999 in einem Interview mit der "Berliner Morgenpost". Larsson litt am Adams-Stokes-Syndrom, bei dem das natürliche Leitungssystem für die Herzströme, welche die Herzmuskeln zur Kontraktion anregen, geschädigt ist. Zusammen mit dem Elektroingenieur Rune Elmquist entwickelete Senning einen "Schrittmacher" für Larsson's Herz. Er bestand aus elektronischen Bauelementen, die in einem einfachen Kunststoffbecher in Epoxydharz gegossen waren. Um das Gerät einzusetzen, musste der Brustkorb geöffnet werden und die Elektroden mussten auf den Herzmuskel aufgenäht werden: "The first apparatus had two electrode wires, each consisting of a twined, stainless suture wire with polyethylene insulation sewn in the myocardium … It soon appeared that the wire was unsuitable as an electrode". Das Aggregat wurde von außen aufgeladen, die Laufzeit der ersten Modelle betrug nur 15-20 Minuten.
Exponat Vorgestellt wird ein früher, vorprogrammierter Schrittmacher von 1964 (eingeschweißter Zettel: 21613; 9-28-64, keiner Herstellerangabe) )mit Quecksilberbatterien. Zweikammersystem: die beiden "dicken Kabel" (Polyethylenmantel, Spiraldraht aus Stahl) wurden auf den Herzmuskel aufgenäht - ein Kabel auf jede Kammer. Das Bündel mit drei dünnen Drähten diente der Wiederaufladung der Batterien.
Zur Frequenzänderung musste perkutan (nach einem kleinen Hautschnitt) mit einem Schraubenzieher das Potentiometer bei der versiegelten Oeffnung verstellt werden - sicher kein leichter Entschluss! Die Amplitude konnte auf der gegenüberliegenden Seite verstellt werden - ein multiprogrammierbarer Schrittmacher. Die Methode hat sich nicht durchgesetzt, aber die Idee der Programmierbarkeit sehr wohl. Wie auch bei früheren Modellen von Greatbatch und Chardack sind die Komponenten in Epoxidharz eingegossen. Dieser duroplastische Kunststoff weist im ausgehärteten Zustand hohe Festigkeit und chemische Beständigkeit auf. Da man inzwischen wusste, dass sich Epoxidharz bei der Aushärtung zusammenzieht und dadurch die eingegossenen Bauteile beschädigen konnte, wurde jedes Teil vor dem Eingießen mit einer Silikonschicht überzogen. Der Schrittmacher stammt aus dem Nachlass des ab 1952 auf dem Limpertsberg / Luxemburg niedergelassenen Arztes Roger GLAESENER (1922-2006) - hatte er das Gerät etwa explantiert, bevor sein Patient eingeäschert wurde?
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Innere Medizin |
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Herzschrittmacher (2) |
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Die Entwicklung der implantierbaren Therapiesysteme ging weiter: Seit den 70er Jahren gibt es programmierbare Aggregate. Seit den 80er Jahren ermöglichen Bewegungssensoren bedarfsgerechtere Schrittmacheraktionen. Auch die Funktionsdauer wurde verbessert. Die Abfrage per Telemetrie ermöglicht es seit 1979, den Batteriezustand und die Elektrodenfunktion ohne weiteren chirurgischen Eingriff zu überprüfen. Seit 1996 sind Zwei-Kammer-Schrittmacher auf dem Markt, die sowohl im Vorhof als auch in der Kammer stimulieren. Die Geräte wurden im Lauf der Zeit immer kleiner. Vorgestellt wird ein Schrittmacher von 1975, Lithiumbatterie, 94 g Gewicht. Er stammt aus dem Nachlass des in Luxemburg praktizierenden Arztes Camille GLAESENER resp. seines Sohnes Roger GLAESENER.
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Innere Medizin |
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Herzschrittmacher (3) |
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1965 brachte die Firma CORDIS aus Miami/Florida diesen Schrittmacher auf den Markt, der mit einer nicht verstellbaren Frequenz von 70 bpm den Herzmuskel stimulierte.
Diese Nichtanpassung an die Situation, das Unvermögen, sich dem momentanen Bedarf anzupassen, war ein erstes Problem dieser Herzschrittmacher.
Ein weiteres Probleme der ersten dauerhaft implantierten Schrittmacher war die Energiezufuhr. Die ersten Modelle hatten Akkus, die alle paar Stunden von außen aufgeladen werden mussten. Ab 1960 benutzte man Quecksilberoxid-Zink-Batterien, die zwei bis drei Jahre am Stück arbeiteten. Wegen des Elektrolyts waren sie allerdings schwierig hermetisch abzudichten.
Exponat Defibrillator ECTOCOR der Fa. Cordis aus dem Jahre 1975. Batterien und Elektronik sind in Epoxy-Harz eingeschweißt (6,8 x 5,8 x 2,3cm; 140g). Man kann die 5 Quecksilber-Zink-Batterien sehen. |
Innere Medizin |
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Herzschrittmacher (4) |
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Exponat Ein Patient schreibt zu seinem typengleichen HSM: "This is the Guidant Discovery Pacemaker that I had implanted in May of 1999. It was Removed in May of 2003".
FABRIKAT: Guidant Discovery DR Type DDDR Model 1274 SN PG 490315
Bei chronotroper Inkompetenz ist die frequenzvariable Zweikammer-Stimulation (DDDR) die optimale Therapieform.
Mit diesem HSM gab es gleich zwei Probleme: 1) In Frankreich wurde er ab 2003 nicht mehr von den Krankenkassen bezahlt: "Journal officiel du 21 janvier 2003: Vu le code de la sécurité sociale et ses articles L. 165-1 à L. 165-5 et R. 165-1 à R. 165-30, vu les dates de fin de prise en charge des stimulateurs cardiaques figurant dans la liste prévue à l'article L. 165-1 du code de la sécurité sociale, vu l'absence de dépôt de demande de renouvellement d'inscription pour les appareils concernés, vu l'avis du comité économique des produits de santé du 5 novembre 2002, les stimulateurs cardiaques suivants ne figurent plus dans la liste des produits et prestations remboursables : [..] Discovery DR 1274 / Guidant France".
2) Probleme gab es wenig später mit Geräten, die nicht wirklich wasserdicht waren. Ab 2005 wurde der DR1274 daher weltweit auf Grund einer "kann"-Rückrufaktion der Firma explantiert. In Frankreich wurden die Ärzte im Juli 2005 auf die Gefahr aufmerksam gemacht: "Rueil-Malmaison, le 6 février 2006. Mon Cher Confrère, Par lettre du 22 juillet dernier, nous vous avions informé que certains de nos stimulateurs cardiaques, implantés en France entre juin 1998 et avril 2001, ont été affectés d’une défaillance d’étanchéité d’un joint par lequel passent les fils conducteurs reliant le micro-processeur au bloc connecteur. Il s’agit d’appareils Pulsar, Pulsar max, Pulsarmax II, Meridian, Discovery, DiscoveryII et Contak TR. 78.000 dispositifs commercialisés dans le monde comportaient la pièce en cause".
Unser Apparat wurde am 14.8.2007 in Köln bei einer 80jährigen Frau explantiert.
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Innere Medizin |
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Herzstichstilett |
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Die Angst vor dem Lebendig- begrabenwer- den war früher ebenso weitverbreitet wie heutzutage die Angst vor der zu raschen Organentnahme. So soll der dänische Schrift- steller Hans Christian Anderson (1805-1875) stets ein Schildchen "Ich bin nur scheintot" auf den Nachttisch gestellt haben, wenn er schlief. "Um dem grausamen Schicksal des lebendig Begrabenwerdens zu entgehen, verfügte Nestroy – wie viele andere damals – testamentarisch, dass seiner Leiche ein Dolch ins Herz gestoßen werde. Der Herzstich – oder das Öffnen der Pulsadern – war in Österreich-Ungarn bis an den Beginn des 20. Jahrhundert eine übliche Methode der „Tötung durch den Arzt“ " [zit. Wolfgang Regal und Michael Nanut, Das Stilett gegen den Scheintod (Narrenturm 118)]. Johann Nepomuk Eduard Ambrosius Nestroy (* 7.12.1801 in Wien; † 25.5.1862 in Graz) war ein österreichischer Schauspieler, Sänger, Dramatiker und Satiriker. Sein Werk ist der literarische Höhepunkt des Alt-Wiener Volkstheaters. Von ihm die makabre Überlegung: Nach (!) Feststellung des Todes durch den behandelnden Arzt und den amtlichen Totenbeschau-Arzt vollzog ein dritter Arzt gegen Honorar den Herzstich. Scheintot war man danach sicher nicht mehr. Ein Herzstichstilett war einst Bestandteil jeder Arzttasche.
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Innere Medizin |
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Hochfrequenzgeräte (1) |
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Reizströme wurden bereits um 1900 vom Physikochemiker Walther Nernst und Mitarbeitern wissenschaftlich untersucht. Reizstromgeräte waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts sehr populär und wurden zur Therapie aller möglichen Wehleiden beworben, z. B. sogar gegen Bettnässen. Der Markt bot um die Jahrhundertwende eine ungehheure Vielfalt (fast hatte ich gesagt Einfalt) solcher Geräte an. Die Therapie mit Strom degenerierte geradezu zum Modeartikel. Eine Weiterentwicklung der Strombehandlung stellt der Einsatz von sog. Hochfrequenzströmen dar. Hochfrequenzströme wurden durch den Kroaten Nikola TESLA (1856-1943) entdeckt. Sie führen, wie die Untersuchungen von Walter Hermann NERNST (1864-1941) zeigten, zu keinen Ionen-wanderungen im menschlichen Gewebe, und sind daher ungefährlich: es kommt zu keiner elektrischen Reizung, zu keiner Reizung des Nervensystems und der Muskeln. Ähnlich wie wir es bei den Schallwellen beobachten, deren Schwingungen ab einer Frequenz von 20-40.000 nicht mehr hörbar sind, sind auch die elektrischen Schwingungen ab einer Frequenz von 10-20.000 Schwingungen in der Sekunde unspürbar. 1892 beschrieb TESLA die bei Wechselströmen von hoher Spannung und Wechselzahl auftretenden elektrischen Wellenphänomene. Die nach ihm benannten "Tesla-ströme" finden in der Medizin unter dem Namen Arsonvalisation Anwendung.
a) Gezeigt wird ein Hochfrequenz-strahlapparat der Fa. VELMAG Vereinigte Fabriken elektrischer Messinstrumente und Apparate Leipzig von 1928 (Niederlage M. Reuter / Consthum). b) Ein etwas einfacherer Kasten der Fa. Horus, Modell Frequenta, scheint unvollständig zu sein, er enthält keine Farbröhren. Dafür findet man hier eine Fulgurationselektrode |
Innere Medizin |
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Hochfrequenzgeräte (2) |
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Ein Pionier der Elektro-Hochfrequenztherapie war der österreichische Arzt Dr.med. Otto NUHR (1912-1989). Im Zweiten Weltkrieg behandelte er Gefangene mit starken Erfrierungen im damaligen Lazarett in Königsberg. Nach seiner Heimkehr in die Wachau gründete er das Zentrum in Senftenberg. Bei der lokalen Anwendung nach NUHR wird der zu behandelnden Körperregion des Patienten eine bürstenförmige Elektrode gegenübergesetzt, welche mit dem einzelnen Pol der Sekundärspule des sog. TESLA-Transformators verbunden ist. Aus dieser Bürstenelektrode strömt ein Glimmlicht, das bei genügender Spannung oder bei Verringerung des Abstandes zwischen Bürste und Patient in ein Büschellicht und schliesslich in elektrische Funken übergeht. Die spezifischen Wirkungen dieser Hochfrequenzströme sind
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Innere Medizin |
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Hochfrequenzgeräte (3) |
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Bei der Behandlung mit Hochfrequenzströmen ging man davon aus, dass man dem geschwächten Körper "unmittelbar wirkende Kraft zuführte", dem Körper "qualitativ positiv-physiologische Kraft " bringt, "die jedes Atom, jedes Molekül, jede Zelle sofort und ungehindert erreichen kann, so dass die Organe eine fortwährende Anreicherung ihrer eigenen Lebenskraft erhalten". Die Auffassung ist in heutiger Sicht naïv, entspricht aber vollauf den überspannten Erwartungen an den Strom und an simplistische Vorstellungen von Körperelektrizität.
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