Ophtalmologie


Brille (6) Bifokale Schläfenbügelbrille

um 1900 

 

 

   Die Legende berichtet, wie der amerikanische Erfinder und Politiker Benjamin Franklin (1706-1790) eines Tages genug davon hatte, beständig zum Lesen seiner Post die Fernbrille absetzen zu müssen um sie gegen eine Nahsichtbrille auszutauschen. Dabei sei ihm der Gedanke gekommen, beide Brillen zu kombinieren: von der Fernsichtbrille nahm er die obere Hälfte des Glases, von der Nahsichtbrille die untere, er kittete die beiden Glashälften aneinander und fügte sie in ein gemeinsames Brillengestell - und fertig war die erste Brille mit 2 verschiedenen Sehstärken, die bifokale Brille war geboren. So geschehen 1784.

 

Diese Version ist eine fromme Mär. Franklin schreibt selber in zwei Briefen (21.8.1784 und 23.5.1785), dass ein gewisser Peter Dollond in London "gespaltene" Brillen herstelle und verkaufe - dieser Peter Dollond (1731-1820) war der Sohn von John Dollond (1706-1761) und Nachfahre einer aus Frankreich zugewanderten hugenottischen Familie d'Holland. Peter war ab 1750 in London als Brillenfabrikant tätig ...

Franklin ist also nicht wirklich der Erfinder. Dennoch sorgte er für die Verbreitung dieser Brillengläser, indem er sie ohne Scheu, ohne Rücksicht auf das "qu'en dira-t-on" in aller Öffentlichkeit trug.

 

Exponat

Wir stellen hier eine Weiterentwicklung dieser "Franklin-brille" vor: die Gläser bestehen aus einem einzigen Glas, mit zwei halbmondförmigen Anschliffen: beide Sehzonen sind deutlich sichtbar voneinander getrennt - die feine Linie ist bei näherem Hinkucken deutlich sichtbar. Diese Art des doppelten Schliffes geht auf den Londoner Optiker John Isaac Hawkins (1772–1854) zurück, der 1827 die trifokalen Gläser erfand (und patentieren liess) und im Nachhinein die Franklin'sche Brille "bifokal" nannte ...

Das Brillengestell entspricht dem sog. "Windsor-typ" (1880 erfunden) mit seiner runden Fassung "à la Harry Potter". Die Bügel sind nicht gekrümmt, es handelt sich also nicht um eine Ohren-, sondern um eine Temporalbrille, bei der die beiden Bügel gegen die Schläfen anpressen. Man beachte die Oesen am Ende der Bügel: durch sie wurde ein Bändchen geführt, das verhinderte, dass die Brille zu Boden fiel.

 

Menschen wie Mahatma Gandhi, Franklin Roosevelt und John Lennon trugen Windsor-Brillen. Heute gelten sie als "retro" bzw. unmodern. Auch die Gläser mit Doppelschliff sind "out", seit der Ingenieur Bernard Maitenaz 1958 die Gleitsichtgläser erfunden hat, bei denen man die Linie zwischen den beiden Schliffen nicht mehr sieht.




 

Ophtalmologie


Brille (7)

Lorgnon 1 Rigide

Lorgnette, starr

 

 

Das erste Konkavglas ist nach seinem Reflex auf Raffaels Porträt Leo X. festgestellt worden - man weiss, dass dieser Papst, wie überhaupt die Familie der Medici stark kurzsichtig war -  ein Glas, welches gefaßt und mit einem langen Stiel versehen war, mit des der Papst in der linken Hand hielt: ein Monokel-face-à-main sozusagen.

 

Die Lorgnette mit seitlichem Stiel soll um 1780 von George ADAMS jun. (1750-1795)  in London erfunden worden sein. Ihre Blütezeit erreichten die Stielbrillen zur Zeit des "directoire". Zwar wurde sie vor allem von Frauen benutzt, doch war sie im folgenden Fall im Besitz eines Mannes: "Unlängst wurde Herrn Jacquemin, Arzt im Pariser Gefängnisse La Force, als er aus dem Theater im Palais-Royal kam, die Lorgnette aus der Tasche gestohlen" (Bohemia, ein Unterhaltungs-Blatt N°55, vom 8. Mai 1835).

 

Exponat

Stiel-Brille (frz. binocle) n. ADAMS. starre Brille, Gestell aus Horn; frühes 19. Jahrhundert, erworben 8/2017 auf dem Flohmarkt in Völz, kleiner Mäusefrass.

Ophtalmologie


Brille (8)

Lorgnon 2 Klapp

Lorgnette, Gläser klappbar

 

 

Um 1825 kam die faltbare "Klapp-Brille" in Gebrauch: "In 1825 Robert Bretell BATE ('Bate of The Poultry' in the City of London) took out a patent for ‘An Improvement in the Frames of Eye Glasses’ or 'Handled spectacles with a spring action, in which the lenses are designed to fold over one another in which position they look like a single lens'.

 

"Verloren auf dem Weg z. Bahnhof, eine Lorgnette (face à main). Dem Wiederbringer Belohnung. Zu erfragen in der Expedition dieses Blattes" (Luxemburger Wort, 14. April 1915).

 

Exponat

Stiel-Klappbrille (frz. binocles pliantes) ausgehendes 19. Jahrhundert, erworben 6/2017 in Machecoul / Nantes (M. Eugène Flachat).

Ophthalmologie


Brillen-Bügel-Messer "KIRBEND"

KIRBEND eigenes

KIRBEND der Firma Kirk Brothers/London

 

 

Wo haben Brillenträger die Ohren? Weit hinten am Kopf, oder eher kurz hinter der Nase? Um das zu messen erfand ein Londoner Optiker um 1920 das folgende Instrument.

***

Neben den Maßen der Gläser, die vom Optometristen vorgegeben werden und sich auf dem ärztlichen Rezept wiederfinden, bleiben dem Optiker eine ganze Reihe von Maßen zu erheben:

- die Frontgröße,

- die Glashöhe,

- die Glasbreite,

- die Stegbreite.

 

Die Brille mit Bügeln - das Vorbild der heute gebräuchlichen Brillen, erfand 1727 der in Soho/London etablierte Optiker Edward SCARLETT (um 1688-1743). Die Bügel reichten allerdings nicht bis zu den Ohren, sondern lagen den Schläfen an – wodurch oft Kopfschmerzen resultierten. 1752 verlängerte der Londoner Optiker James AYSCOUGH (um 1720-1762) die Bügel bis über die Ohren, wodurch der Tragekomfort wesentlich verbessert wurde. Um die sperrigen Stangen zu verbergen, brachte er zwei Gelenke an. Die Ohrenbrillen wurde im 19. Jahrhundert durch den französischen "pince-nez" abgelöst. In Diplomaten- und Offizierskreisen fand das Monokel im 19. und im frühen 20. Jahrhundert breite Anhängerschaft. Frauen bevorzugten das Lorgnon: der 1. Weltkrieg läutete das Ende dieser allzusehr vom sozialen Stand des Trägers bestimmten Mode ein.

 

Zeitlich fällt das Gründungsjahr der Firma Kirk (1919) in etwa zusammen mit dem erneuten Aufkommen der Brille mit Ohrenbügeln (engl. "temples"): ab 1917 machte der Hollywood-Komiker Harald LLOYD (1893-1971) mit seinen großen, runden Schildpattbrillen die Schläfenbrille mit gebogenem Bügel derart populär, daß sie die seit dem 19. Jahrhundert üblichen Brillen, wie "pince-nez", Monokel und Lorgnon, rasch verdrängte, die nun als altmodisch empfunden wurden. Seither gehört ein weiteres Maß zur Brille:

- die Bügellänge.

 

Die Bügellänge wird vom Brillenanschlag (Schraube des Scharniers) bis zum äußersten Ende der Seite gemessen (beinhaltet die Krümmung und die gesamte Neigung des Bügels). Ist der Bügel zu kurz, übt er hinter den Ohren zu starken Druck aus. Eine derart fest aufliegende Brille hinterlässt meist auf Nase und Schläfen Druckstellen. Bei einem zu langen Bügel rutscht die Brille zu weit nach vorne. Unterscheiden sich die Längen beider Bügel stark, sitzt die Brille schief auf. Üblicherweise messen die Bügel zwischen 125 und 150 Millimeter. Eine normale Bügellänge liegt zwischen 135mm – 145mm. Bügellängen können nur durch Austausch von Teilen verändert werden. Nur selten besteht die Möglichkeit, Mitunter reicht auch das Verbiegen der Bügelenden.

 

Exponat

1920 überreichte die Firma KIRK ihren Verkäufern ein, vermutlich aus den ersten Optometers weiterentwickeltes, Gestänge zum Bestimmen der Bügellänge, mit dem der Punkt bestimmt werden konnte, an dem die Brillenstange gebogen werden mußte "the point to bend". Maße 23,2 x 4 x 3 cm, beidseits der Gleitschiene sind zwei Skalen eingraviert: in cm und in inches. Irrtümlich wird das Instrument auch schon mal als Optometer vorgestellt, so in einem richtigen Museum:

(https://www.historiadelamedicina.org/Instrumentos/instrumento_66.html).

 

Der Name "Kirbend" setzt sich folglich zusammen aus KIR und "bend" biegen". Der Schriftzug "KIRBEND" mahnte die Optiker, wessen Brillen sie verkaufen sollten. Bekannt ist, daß die Firma Kirk & Brothers als erste groß auf Werbung setzte.

 

Zur Firma KIRK

"In 1919 Sidney and Percy Kirk, two ex-dairy farmers (Milchbauern), established themselves in London, where they manufactured various items, including buttons that they supplied to Woolworths. Never averse to taking work home with them, they converted a sewing machine into a lens cutter. Encouraged by Max Wiseman of optical instrument business M. Wiseman and Co., who later founded the Algha Works, the Kirk brothers concentrated on optics and in 1920 established a frames-manufacturing business on Gray's Inn Road, eventually employing one hundred people. Between 1925 and 1935 they took out ten patents for improvements in pads, mountings and pince-nez. Sidney Kirk was apparently the more 'hands-on' brother, while Percy handled the marketing. Kirk Brothers was the first British optical company to have a publicity department and, in 1929, the first to employ motorcycle couriers. The Kirbro brand offered various products prefixed 'Kir', such as the Kirbend side-measuring rule. After the Second World War the brothers split; Percy continued as a wholesaler in his own name (retaining the brothers' Motex safety-googles business, which he moved to Devon, where it later merged with the Savoc firm), and Sidney started the Kirk Optical Co. in Hatton Garden, London's "jewelery street." Den Betrieb gibt es immer noch: "Renowned for their innovation and style, the Kirk Brothers soon became a benchmark to be compared against. Three generations later, Jason and Karen Kirk are doing it all again!" Bekannte Leute trugen ihre Brillen: Menschen wie Julia Roberts, Stevie Wonder und Elton John. Große Ehrungen: London Design Awards 2014, Goldmedaille der Brillenmesse "Hall of Frames" in Stuttgart im October 2014. Zur Zeit verkauft das Unternehmen Kirk&Kirk seine Kollektion "Kaleidoscope" aus italienischem Acrylglas, das … in Frankreich verarbeitet wird – very British, indeed.

 

Anmerkung 

In einer ersten Phase, als die Optiker mit Standardmaßen wenig Erfahrung hatten, mag die Einführung des KIRBEND noch sinnvoll gewesen zu sein. Als sich herausstellte, dass die Maße von Mensch zu Mensch auffallend wenig variierten – fast alle Menschen kommen mit Brillenbügeln zw. 135 und 145 mm Länge aus, und ausreichend Vergleichsbügel vorlagen, hat sich das Vermessen der künftigen Brillenträger erübrigt: man setzte ihnen einige wenige Testmodelle auf die Nase und wusste im Nu Bescheid. So erklärt sich die Tatsache, dass der KIRBEND allem Anschein nach keinen Nachfolger hatte. 

 

Ophthalmologie


Handmagnet n. HIRSCHBERG

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Fremdkörper können durch verschiedene Vorgänge ins Auge gelangen – etwa bei der Bearbeitung von Metall, Holz, durch Glassplitter, einen zurückfedernden Ast, Sport- oder Autounfälle, beim Spielen von Kindern oder durch eine unbedachte Bewegung u.v.m. Oftmals bietet zwar der Lidschlussreflex vor Fremdkörpern Schutz, jedoch nicht immer ausreichend. Selbst kleine Fremdkörper (z.B. Mücke, Sandkorn) machen sich sehr unangenehm und schmerzhaft bemerkbar – besonders wenn diese unter das Oberlid gelangen.

 

Mit der Verbreitung der Eisenhütten wurden Kliniken mit mannsgroßen Elektro-Magneten ausgestattet, mit denen Funkensplitter aus den Augen der Arbeiter gezogen werden konnten. Für den kleinen Mann sprich den niedergelassenen Augenarzt gab es entsprechend kleine Magneten, mit denen auch er versuchen konnte, Eisensplitter aus dem Auge hervorzuziehen.

 

Bei Unfällen mit Metallsplittern wird zuerst versucht diese mit möglichst wenig Kontakt zum Gewebe mithilfe des Magneten herauszuziehen. Bisweilen kann ein spezieller Handmagnet verwendet werden, um Fremdkörper aus Metall zu entfernen.

 

Exponat
Handmagnet der Fa. Reinhold Wurach, Berlin, Neue Promenade 5.
Abb. im Katalog der Fa. Jetter & Scheerer / Tuttlingen, um 1920.
Das Haus am Hacke’schen Markt wurde 1768 erbaut und 1829 sowie 1863 umgebaut. Es hat den Weltkrieg überlebt und ist als Baudenkmal gelistet.
Kasten: 27.0 x 14.5 x 8 cm
Magnet: 24 x 6.5 cm
Gew. 1645 g

 

1901 arbeitete Julius HIRSCHBERG (1843-1925) mit 4 (!) Magneten (einem Riesenmagneten in HAAB’scher Art, einem SCHLÖSSER‘schen Apparat und zwei kleinen, von Dörffel und Färber angefertigten Handmagneten), wobei uns besonders das leichteste der Handmodelle interessiert:
„Die allermerkwürdigste Verstärkung seiner Kraft hat ein kleiner Handmagnet durch den Anschluß an die elektrische Leitung gewonnen. Derselbe stellt einen Cylinder von 40 mm Durchmesser und 135 mm Länge dar und wiegt, sammt Leitungsschnüren, 530 g. Er trägt jetzt
1. mit konischer, starker Spitze, nicht weniger als 4 kg
2. mit kurzer, stumpf-flacher Spitze, 5 mm breit, 3 mm dick, auf 6-7 mm ins Auge eingeführt 1,75 kg
3. mit gebogener Spitze von 3 mm Dicke, die bis auf 5 mm einzuführen ist 0,900 kg
4. mit längerer, gebogener Nadel, die 3 mm dick ist und bis 10 mm eingeführt werden könnte 0,700 kg“ (Das Magnet-Operationszimmer, in: Deutsche Med. Wochenschrift Nr.19 vom 9. Mai 1901 S.290).

 

Hier der Bericht einer Operation an einem Schmied durch Hirschberg von 1899:
„Mit einem feinen chirurgischen Instrument erweitert der Arzt die Eintrittswunde und sofort führte der bereitstehende Assistent die dünne gekrümmte Spitze des Elektromagneten etwa zwei bis drei Millimeter tief in die Wunde ein. Nach zirka zwei Sekunden hörten die scharf aufhorchenden Aerzte einen leisen, aber sehr charakteristischen Ton, ein feines ‚Kling‘. Sie atmeten auf, sie wissen, die Operation ist gelungen“ (Die Woche, 29. Juli 1899 Nr.20, S.785).

 

„Hirschberg berichtet über zwei mit Hilfe seines Elektromagneten vorgenommene Extractionen von Eisensplittern aus dem Glaskörper. Der eine Eisensplitter hatte eine Länge von 16 mm und wog 5 mg. Verfasser hält die seinem Instrument gemachten Vorwürfe für unbegründet. Die geschickte Einführung des aseptischen Magneten ist unbedingt als ungefährlich zu betrachten. Ist der Fall frisch, die Wunde der Sklera offen, der Eisensplitter im Glaskörper sichtbar oder sicher anzunehmen, so wird, nöthigenfalls nach Erweiterung der Wunde, der Magnet in’s Augeninnere eingeführt. Bei grösserer Hornhautwunde und stärkerer Zerschmetterung der Linse und des Glaskörpers, wo ein grösserer Splitter in der Tiefe sich befindet, aber der Augenspiegel seinen Dienst versagt, empfiehlt es sich, den dickeren Ansatz des Magneten eben zwischen die Wundlefzen zu bringen. Ist die Wunde bereits geschlossen, so wird in der Chloroformnarkose hinter dem Ciliarkörper ein Meridionalschnitt gemacht und der Magnet eingeführt.' Nicht in jedem Falle gelingt es, durch Extraction des Fremdkörpers die Sehkraft des verletzten Auges zu retten. Besonders sind alle jene Fälle erfolglos, wo der Splitter übergross war oder wo derselbe schon vorher eine fortschreitende Eiterung eingeleitet hatte“ (Wiener klinische Rundschau, Nr.29 vom 19. Juli 1896 S.508).

 

„Bei Verwendung des kleinen Hirschberg’schen Magneten muss man trachten, die Spitze desselben dem zu extrahirenden Eisenspahn möglichst nahe zu bringen, da sonst bei der verhältnissmässig geringen Kraft des Magneten die Anziehung - besonders sehr kleiner Eisenspähne - ausbliebe. In Fällen, wo der Fremdkörper in der Vorderkammer liegt oder zum mindesten in diese hineinragt, kann man dieser Forderung leicht entsprechen; man eröffnet die vordere Kammer durch einen Lanzenschnitt an einer dem Eisenspahn nahegelegenen Stelle des Limbus und kann nun die Spitze des Magneten in die vordere Kammer einführen, um sie dem Eisenspahn zu nähern. Will man mit Hilfe des Hirschbergschen Magneten Eisenspähne aus dem hinteren Bulbusabschnitt entfernen, so muss man den Augapfel durch einen meridionalen Skleralschnitt eröffnen - möglichst nahe der Stelle, wo sich der Fremdkörper befindet“ (Wiener klein. Wochenschrift Nr.43 vom 27. Oktober 1898 S.966).

 

Bei metallischen Fremdkörpern können abgegebene Substanzen zu Schäden führen. Eisen und Kupfer können sich ablagern. Eisenablagerungen (Siderosis, „Rost“) können an mehreren Strukturen des Auges zu Veränderungen führen, die das Sehen dauerhaft bedrohen können. Im Vordergrund stehen Schäden der Netzhaut, also der Zellschicht am Augenhintergrund, die die Lichtreize aufnimmt. Auch durch Kupferfremdkörper können schwere Veränderungen an Netzhaut und anderen Strukturen sowie heftige Augenentzündungen ausgelöst werden.

 

Zur Geschichte des Augenmagneten
Um 600 v. Chr. wurden in der traditionellen indischen Medizin, dem Ayurveda, Magneten zum Entfernen von Pfeilspitzen empfohlen – vermutlich eine eher theoretische Überlegung. Denn in der Praxis sind Magneten dazu ausserstande - selbst stärkste Elektromagneten können große Geschosse kaum bewegen.

 

Dennoch verbreitete sich der Glaube an die Saugkraft der Magneten und erreichte Europa über den Vorderen Orient: die Schule von Salerno empfahl gegen Abortus, einen Magneten um den Hals zu binden …

 

HILDEGARD von Bingen (1098-1179) glaubte, schmerzlindernde und entspannende Wirkungen von Magneten beobachtet zu haben.

 

PARACELSUS (1493/94-1543) empfahl den Magnetstein zur Lagekorrektur der dislozierten („verrückten“) Gebärmutter. Selbst die Konzeption war für ihn eine Folge der magnetischen Kraft, mit der die Gebärmutter den männlichen und weiblichen Samen an sich zog. Offenbar war er nicht der Einzige, der von der magnetischen Kraft beeindruckt war:

 

1534 steht in einer stark von arabischen Schriften beeinflußten, von fremder Hand überarbeiteten Spät(raub)auflage des 1497 verfaßten „Das buch der cirurgia: hantwirckung der wundarztny“ von Hieronymus BRUNSCHWYCK (1450-1512):
„ob es aber wer von eysen figelot [Eisenspäne, Straßburger Mundart] / so sper das aug etwas auff / unnd heb dar für ein magneten stain der zeuhet das an sich“

Wer den Passus mit dem Magnetstein in das Brunschwyck’sche Buch eingefügt hatte ist nicht bekannt.

 

1624 wurde die erfolgreiche Entfernung eines magnetischen Fremdkörpers mittels Magnetstein dokumentiert: am 5. März dieses Jahres veranlaßte die aus Genf stammende Hebamme und Ehefrau des deutschen Mediziners Wilhelm FABRY (1560-1634) aus Hilden bei Köln, Marie COLINET (1560-1638), ihren Gatten, einen kleinen Eisensplitter mittels eines Magnetsteines aus den oberflächlichen Augenschichten eines Patienten zu entfernen (oder tat sie dies selber?), nachdem ihr Mann vorher erfolglos versucht hatte, den Splitter chirurgisch zu entfernen.

 

1842 zog Regierungs-Medizinalrath Dr. Nicolaus MEYER (1775-1855) in Minden mit Hilfe eines Riesen-Magneten mit 32 Pfund Tragkraft ein Stück Stahl aus der Sclera eines Schmiedes.

 

1859 versuchte der Brite James DIXON (1814-1896) einen im vorderen Teil des Glaskörpers liegenden Eisensplitter mittels Magneten zu wenden, um ihn besser fassen zu können. „Extraction of foreign body from the vitreous chamber. Ophthalmic Hosp. Rep. S.280).

 

1874 eröffnet der Ire William Alexander McKEOWN (1844-1904) in Belfast die Sclera, um einen Fremdkörper mittels Permanent-magnet zu extrahieren,

 

1874 untersuchte der in Breslau praktizierende jüdische Arzt Josef JACOBI (1840-1907) aus Elbing / Polen experimentell die Extraktion von Metallsplittern aus Tieraugen (Klin. Monatsbl. F. Augenheilk. Februar 1874).

 

1875 konstruierte der Berliner Augenarzt Paul Heinrich BRECHT (1838-1885) einen elektrischen Handmagneten.

 

1875 berichtete der aus Potsdam stammende jüdische Augenarzt (und Medizinhistoriker) Julius HIRSCHBERG (1843-1925) über Fremdkörper im Auge: sein Versuch von 1875, mittels eines handelsüblichen Permanent-Magnetes, den er 1901 als „Kinderspielzeugmagneten“ bezeichnete, einen Fremdkörper zu entfernen, mißlang.

 

1877 gelang Malcolm Macdonald McHARDY (1852-1913) am Royal Eye Hospital in London mittels eines elektrischen Handmagneten, die Verschiebung eines Fremdkörpers von der Linsenvorderfläche in die Vorderkammer sowie die anschließende Extraktion.

 

1879, genauer am 15. Oktober jenes Jahres, berichtete HIRSCHBERG der Berliner Medicinischen Gesellschaft über einen gelungenen Operationsfall: zur Extraktion eines ophthalmoskopisch sichtbaren Fremdkörpers im Glaskörperraum wurde die Sklera eröffnet und das schnabelförmige Ende eines Elektro-Magnetes eingeführt.

 

Hirschberg hatte nach einem vergeblichen Extraktionsversuch mit dem Gerät von Brecht 1875 begonnen, sich um die Konstruktion eines klinisch brauchbaren elektrischen Handmagneten zu bemühen, der nach jahrelanger tierexperimentieller Erprobung hergestellt wurde und weltweite Verbreitung fand. Zu jener Zeit waren die phänomenologischen Grundlagen des Magnetismus bereits ziemlich vollständig erforscht, so daß die wissenschaftlichen Voraussetzungen für die Entwicklung leistungsfähiger Magneten für die Augenheilkunde vorhanden waren.

 

1880: Thomas Rickett POOLEY (1841-1926)
1881: Alexander PAGENSTECHER (1828-1879), Nachweis der Magnetisierbarkeit intraokularer Fremdkörper.

 

PICHLER’s Handmagnet
Mitten im 1. Weltkrieg verbesserte ein Österreicher den HIRSCHBERG’schen Magneten:


„Elektromagnete zum Ausziehen der Geschoßsplitter.
Die Anwendung von Magneten zum Entfernen von Eisensplittern aus Wunden ist nicht neu; auch in Klagenfurt befindet sich seit geraumer Zeit ein solcher Magnet. Wohl aber ist die Handhabung eines „Riesenmagneten“ besonders bei Operationen an zarten Körperteilen (Augen) sehr unbequem, da er mittels eines Ständers und sonstiger Vorrichtungen in etwas unbequemer und unsicherer Weise an die Wunde herangebracht werden muß. Auf Veranlassung des Herrn Dr. Alexius Pichler hat daher das Städtische Elektrizitätswerk Klagenfurt einen sehr starken Elektromagneten hergestellt, der vom Arzt in der Hand gehalten und so dem zu operierenden Auge in der leichtesten und zweckmäßigsten Weise nahegebracht, ja sogar mit seinen entsprechend geformten Enden gleich einer Sonde in Wunden geführt werden kann. Er hat allerdings keine so bedeutende Anzugsweite wie der Riesenmagnet, was ja auch bei den meisten Extraktionen nur verderblich wäre; dagegen ist er viel handlicher, vermeidet daher die mit dem Gebrauch großbemessener Magnete verbundenen Schwierigkeiten und gestattet das Anwenden von mannigfachen Formen der Instrumentspitze und das Nähern an den Eisensplitter, der dann sanft und ohne Verletzen der Wundränder ausgezogen werden kann. Wie schon erwähnt, hat Herr Dr. Alexius Pichler, Leiter der Augenabteilung des Reservespitales in Klagenfurt, der schon seit geraumer Zeit einen Riesenmagneten von etwa 70 kg Tragkraft in Verwendung hat, und oft bei sehr heiklen Operationen, die eine sehr große Bewegungsfreiheit des Operateurs erfordern, die Unzulänglichkeit eines solchen Magneten erkannte, die Anregung zur Herstellung des Handmagneten gegeben. Der vom Städtischen Elektrizitätswerk Klagenfurt hergestellte, den Anforderungen des Augenoperateurs vollkommen entsprechende Apparat besteht aus einem Weicheisenkern von 140 mm Länge und 14 mm Durchmesser; er trägt nahe seinem vorderen Ende die Erregerspule, welche bei einer Länge von zirka 70 mm nur eine Dicke von zirka 45 mm aufweist - und bequem in der hohlen Hand liegt, wie die bekannten Federstiele gegen Schreibkrampf. Das freie, zwischen Daumen und Zeigefinger nach hinten ragende Stück des Kernes ist mit einem Rohr aus Hartgummi bedeckt und zwischen Kern und Rohr ist ein Widerstand zum Regulieren der magnetisierenden Kraft der Spule angebracht, dessen Kontakte sich außerhalb des Rohres und knapp hinter der Spule befinden und durch diese Anordnung ein Regulieren mit der operierenden Hand gestatten. An dem vorderen, dem Kopfende des Magneten ist ein Gewinde vorgesehen, welches das Anbringen verschiedener Ansatzstücke ermöglicht, während die Anschlußleitung hinten an zwei Klemmen angebracht wird. Zur Speisung der Spule wird Gleichstrom von 120 V verwendet, welche Spannung sich durch den am Magnet angebrachten Widerstand herunterdrücken läßt. Die wirksame Zugkraftentfernung bei angeschraubtem Ansatzstück ist zirka 25 mm. Die Tragkraft kommt hier nicht in Frage. Außer dem Vorteil einer leichten Handhabung zufolge des geringen Gewichtes von nur 0,54 kg, ferner der bedeutenden Bewegungsfreiheit, die ein Einführen der Ansatzstücke bis an die tiefer liegenden Stellen der Wunden gestattet, besteht auch noch die Möglichkeit, die betreffenden Teile äußerst leicht zu entkeimen. Der Apparat ist infolge der guten Isolierung äußerst unempfindlich gegen Nässe. Herr Dr. Pichler verwendete den Magnet schon in verschiedenen Fällen und ist mit den erzielten Ergebnissen, besonders mit der leichten und einfachen Regelbarkeit der Zugkraft, sehr zufrieden.
v. Winkler“ (Elektrotechnik und Maschinenbau, Heft 46 vom 12. November 1916).

 

Wer war dieser Alexius PICHLER (1867-1929)?
1901 habilitierte er sich an der Universität Prag (Die Heilkunde, Monatsschrift f. prakt. Medizin, 1901) und war dann 7 Jahre lang Privatdozent an der dortigen Deutschen Universität.

„Als Augenarzt hat sich in Klagenfurt Herr Dr. Alexius Pichler niedergelassen. Doktor Pichler war durch zehn Jahre Assistent des kürzlich verstorbenen Professors der Augenheilkunde Wilhelm Czermak an der deutschen Universität in Prag“ (Freie Stimmen, 8. Juli 1908).

„Vom Jahr 1916: Pichler Alexius, Dr., landsturmpflicht, Zivilarzt“ (Hof- und Staats-Handbuch der österreichisch-ungarischen Monarchie, Wien 1918).

„Pichler (1920) verwendet Frauenhaar als besonders reizloses Nahtmaterial, welches 24 Stunden vor der Operation in Alkohol liegt und dann gekocht wird. Vor dem Roßhaar hat es den Vorzug der Geschmeidigkeit. Er empfiehlt für unsere Zwecke mittlere Stärken. Das Frauenhaar reißt am federnden Öhr, deswegen muß es wie eine gewöhnliche Nähnadel eingefädelt werden“ (Th. Axenfeld und A. Elschnig, Handbuch der gesamten Augenheilkunde, Berlin 1922 S.398)

„In Klagenfurt starb der Augenarzt und ehemaliger Dozent der Prager Universität Dr. Alex Pichler, gebürtig aus Spittal a.d. Drau, wo sein Vater Bezirksarzt war, im 63. Lebensjahre“ (Grazer Tagblatt, 10. August 1929). Er war also ein gebürtiger Kärntner …

 

Krieg macht erfinderisch:
„Soldaten konstruieren ein chirurgisches Gerät. Aus Berlin wird gemeldet: In die Arbeit der deutschen Technischen Truppen, die mit besonderen Aufgaben betraut sind, gibt die folgende Episode einen aufschlußreichen Einblick. Der Leiter eines Feldlazaretts an der Ostfront, der mehrfach aus dem Augapfel Geschoßsplitter nach der bekannten Methode mit dem Magnet entfernt hatte, setzte dem Führer einer Technischen Kompanie die ungenügende Leistungsfähigkeit seiner Handmagneten auseinander. Daraufhin wurde von den Fachleuten dieser Abteilung ein großer Elektromagnet konstruiert und nach einigen Zwischenversuchen zu einem tragbaren, leistungsfähigen, chirurgischen Gerät ausgebaut. Die Erfolge waren nach den Bekundungen des Aerztes außerordentlich befriedigend. Elektromagnet und Handmagnet zusammen erwiesen sich als geeignet, um auch in schwierigen Fällen Geschoßsplitter sicher aus verletzten Augen zu ziehen und sie so vor Erblindung zu bewahren“ (Banater Deutsche Zeitung, 2. Juni 1942).

 

Lit.:
Gruening, Magnet for the removal of particles of steel and iron from the interior of eye. (Amer. med. Assoc. Sect, of Ophth.) Bericht Centralbl. f. prakt. Augenheilk. V.S. 60 1880.
Fröhlich, Über den Polwechsel beim Gebrauch des Elektromagneten und über die Magnetnadel als diagnostisches Hilfsmittel. Klin. Monatsbl. f. Augenheilk. S. 405 1882.
Fränkel, Entfernung eines Eisensplitters aus dem Glaskörper mittels Skleralschnittes und Anwendung des Elektromagneten. Deutsche med. Wochenschr. Nr. 46 1883.
Pagenstecher, Zwei Fälle von Extraktion von Eisen splittern aus dem # Glaskörper, nebst Bemerkungen über die Diagnostik und Extraktion von Stahl- und Eisenstückchen vermittels des Magneten. Arch. f. Augenheilk. X. S. 234 1884.
Dickmann, Über die günstige Wirkung des Elektromagneten zur Entfernung von Eisenstückchen aus dem Innern des Bulbus, nebst Mitteilung von zehn derartigen Fällen usw. Inaug.-Diss. München 1884.
Hirschberg, Der Elektromagnet in der Augenheilkunde. Leipzig. Veit & Comp. 1885.
Haab, Die Verwendung sehr starker Magnete zur Entfernung von Eisensplittern aus dem Auge. Bericht über d. 22. Vers. d. ophth. Ges. zu Heidelberg. 463 1892.
Hürzeler, Über die Anwendung von Elektromagneten bei Eisenspljtterverletzungen des Auges. Beiträge z. Augenheilk. II. S. 242 1894.
Haab, Die Zurückziehung von Eisensplittern aus dem Innern des Auges. Bericht über d. 24. Vers. d. ophth. Ges. zu Heidelberg. S. 486 1895.
Hirschberg, Bericht über die im Jahre 4896 und in der ersten Hälfte des Jahres 4 897 bei mir vorgenommenen Magnetoperationen. Deutsche med. Wochenschr. Nr. 34. 4 898.
Hirschberg, Bemerkungen über Magnetoperation. Berliner klin. Wochenschrift. Nr. 46. S. 4043 1897.
Sachs, Sideroskop und Elektromagnet, ihre Verwendung in der Augenheilkunde. Wiener klin. Wochenschr. Nr. 43. S. 965. 1897.
Asmus, Über die Diagnostik und Extraktion von Eisensplittern. Sammelreferat. Zeitschr. f. Augenheilk. I. S. 178 1899.
Hirschberg, Die Magnetoperation in der Augenheilkunde. 2. Aufl. Leipzig, Veit & Comp. 1899.
Mendel, Über Magnetoperationen. (Berliner ophth. Ges.) Zentralbl. f. prakt. Augenheilk. 1900. S. 44 1899.

Ophthalmologie


Hohlmeissel

P1070861
 

"In die Hornhaut eingedrungene Fremdkörper werden mit einem Hohlmeißel nach vorheriger Lokalanästhesie entfernt" (Kenneth Mills, Richard Morton, Graham Page, Farbatlas der Unfall- und Notfallmedizin, Springerverlag 1984).

 

 

Exponat

Hohlmeissel oder Flachmeissel zur Entfernung von Fremdkörpern durch den Augenarzt.

Katalog Waarenhaus AG, Berlin 1910 S.117.

 

Herkunft: Besteckkasten eines Allgememeinpraktikers (!) aus Hall, Flohmarkt Hafen/ Innsbruck 9!2018

Ophtalmologie


Kokainzerstäuber

Zerstäuber, um 1910 

Lange Zeit erwies sich Untersuchung des Augapfels als schwierig, da der Hornhautreflex unweigerlich den Lidschluss zur Folge hatte. Erst nach Einführung des Kokains als Lokalanaesthetikum durch den Wiener Arzt Carl KOLLER (1857-1924) im Jahre 1884 war das direkte Aufsetzen eines Instrumentes auf die unempfindlich gemachte Hornhaut möglich. Damit eröffnete sich die Möglichkeit für den Augenarzt, mittels eines geeigneten Instrumentes den Augeninnendruck zu messen – eine Messung, die bis dahin nur durch vergleichenden Fingerdruck auf den Augapfel möglich war.

Zum Kokain
Man geht davon aus, daß der Kokastrauch bereits seit mindestens 2500 Jahren in Peru als Kulturpflanze angebaut wird. Für alle präkolumbianischen Kulturen konnte der Gebrauch der Kokablätter belegt werden. Die Pflanze hatte die Funktion einer "Währung", als Medizin, als Aphrodisiakum, als Heilmittel und als rituelles Rauschmittel. 1859 gelang es dem Chemiker Albert Niemann (1834 - 1921) an der Universität Göttingen, die einzelnen Alkaloide zu isolieren. Ab 1862 wurde Kokain von der Firma Merck als "Cocainum hydrochloricum" verkauft.
Wie war die örtlich betäubende Wirkung des Kokains bekannt geworden? Von 1864-68 studierte der junge peruanische Militärarzt Thomas MORENO y Maiz in Paris, wo er an Fröschen die Wirkung des Cocains auf das Nervensystem untersuchte. 1868 beschrieb er in seiner Doktoratsthese erstmals die anästhesierende Wirkung von Kokain (T Moreno y Maiz, Recherche cliniques et physiologiques sur l'érythoxylon coca du Perou et la cocaine. Thèse, 1868, Paris) ...
Die schmerzstillende Wirkung soll 1880 von Vassili von ANREP (1852 - 1927) an der Universität Würzburg erkannt worden sein. Erstmalig wurde es von Karl KOLLER am 11. September 1884 am AKH in Wien als Lokalanästhetikum bei einer Augenoperation genutzt. Koller, ein Freund von Sigmund Freud, demonstrierte 1884 in tierexperimentellen Versuchen die schon früher beobachteten lokalanästhetischen Effekte des Kokains und setzte die von ihm standardisierten Lösungen bei Operationen am Auge erfolgreich ein. Bei Experimenten von Corning 1885 wurde im Zusammenhang mit Injektionen im Rückenbereich vermutlich die erste Periduralanästhesie eher zufällig durch Eindringen von Kokain in den Periduralraum erreicht. 1892 wurde von SCHLEICH erstmalig über die Infiltrationsanästhesie mit Kokain berichtet und in der damals weit verbreiteten Publikation „Schmerzlose Operationen“ niedergelegt. 1923 gelang dem Chemiker Willstätter die Vollsynthese des Cocains.
Aufgrund seiner Nebenwirkungen wird Kokain heute nur noch bei Augenoperationen eingesetzt - nach der deutschen Betäubungsmittelverschreibungsverordnung bleibt diese Indikation erhalten ...

Aus der „Metzer Wunderkiste“ stammt dieser Zerstäuber, mit seinem charakteristischen olivförmigen Ende (die Nasenzerstäuber hatten alle ein dünnes Rohr, das man in die Nase schieben konnte)..

Es fehlt leider das Fläschchen und der Blasebalg (cf. Abbildung im Hintergrund)




OPHTHALMOLOGIE


Lidsperrer n. PANAS

Lidsperrer
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der vorgestellte Lidsperrer n. Panas (frz. blépharostate de Panas) zeichnet sich aus durch die beiden Gelenke in den Armen. Der Sperrer stammt aus dem Nachlass des luxemburger Augenarztes Max NAMUR.

 

Zur Person von Prof. Photinos PANAS

"Né le 30 janvier 1831, aux îles Ioniennes, à Céphalonie, Panas fut, encore très jeune, entraîné vers la science ophtalmologique, en voyant sans doute les maux incalculables que le soleil, pourtant si beau, de l'Âttique, occasionnait à ses compatriotes. Il vint faire ses études médicales à Paris, où des maîtres hors ligne brillaient alors du plus vif éclat. Comme nous tous, étrangers d'origine, qui venons chercher en France, comme à leur véritable source, les leçons et les exemples nécessaires à notre développement intellectuel, comme nous tous, dis-je, il s'attacha de toute son âme à cet admirable pays dont il fit sa nouvelle patrie, et se fit naturaliser Français. Il a largement payé sa dette de reconnaissance à son pays d'adoption, en y fondant l'enseignement ophtalmologique officiel à la Faculté de médecine de Paris, et en relevant ainsi le drapeau de la science ophtalmologique française".

 

PANAS studierte unter großen Schwierigkeiten in Paris, 1860 Doktorat. 1864 zum a.o. Professor und Hospital-Wundarzt ernannt, ab 1872 am Hôpital de Lariboisiere tätig, ab 1879 am Hôtel-Dieu. 1879 Professor der Augenheilkunde, erhielt er 1881 den durch die Bemühungen von Gavarret, Dekan der med. Fakultät und Professor der med. Physik, gegründeten Lehrstuhl der augenärztlichen Klinik am Hôtel-Dieu, den er mit grosser Auszeichnung innehatte, bis ihn 1901 eine ernste Krankheit zum Rücktritt zwang. Photinos PANAS starb am 5.1.1903.

 

1881 gründete Panas, zusammen mit Edmund Landolt und dem französischen Chirurgen Antonin Poncet die "Archives d'ophtalmologie".

 

Mit der Ernennung von PANAS zum ordentlichen Professor gaben die Chirurgen von Paris die Lehre der Augenheilkunde auf – insofern steht PANAS am Anfang der Spezialität.

Ophtalmologie


Ophtalmodynamometer

ODM, um 1930 

Ophtalmodynamometer n. Bailliart um 1930

[nicht zu verwechseln mit dem Ophthalmo-tonometer, mit dem der Druck im Inneren des Auges gemessen wird[.

1917 beschrieb Paul Bailliart (1877-1969) eine unblutige Methode, den Druck in der zentralen Arterie der Netzhaut zu messen und damit einen Hinweis zu erlangen auf den im Innenraum des Schädels herrschenden Druck.

Das hier vorgestellte Gerät diente zur Messung des Gefässdruckes innerhalb der Augenhöhle. Der Stempel wird neben den Augapfel gegen die Augenhöhle gedrück. Der Druck, den der Patient eben noch aushält, ohne „Sternchen“ zu sehen, gibt dem Augenarzt einen Anhalt für den Druck, der in der a. centralis retinae herrscht.

Lit.:

  • Bailliart, P.: Ann. Ocul. 154, 648-666 (1917) .
  • Baurmann, M.: Ueber die Entstehung und klinische Bedeutung des Netzhautvenenpulses. Dtsch. Ophthalmol. Ges., 1925, 45: 53-59
  • Hager, H.: Ueber die Diagnose der Verschluesse im Bereich der Carotiden und des Aortenbogens durch den Augenarzt. Berliner Augenaerztl. Gesellschaft (7.12.1963), Berlin-West, Ref.Klin.Mbl.
  • James Elzar Lebensohn, M.D. (1893 -?), Associate Professor of Ophthalmology, Medical School, Northwestern University, Evanston, Ill., onetime Associate Editor of the American Journal of Ophthalmology, translator of Paul Bailliart's The Retinal Circulation in the Normal and Pathological State (1928)
  • Lowe RD, Calibration of Bailliart’s ophthalmodynamometer, in Arch. Ophthalmol. 1962 Apr;67:424-7.
  • Michael J. Schermer: Understanding Bailliart Ophthalmodynamometry. Sixth Annual Meeting of Northern California Eye Residents and Fellows. San Francisco.

    Die Methodik wurde nach 1972 von H.A. Sisler wiederaufgegriffen und erlebt inzwischen, in leicht abgewandelter Form, ein echtes „Come-back“….




Ophtalmologie


Perimeterstäbe n. HESS

um 1930 

Von 1891-1896 arbeitete Carl von HESS (1863-1923) in der Augenheilanstalt Leipzig. 1896 nahm er einen Ruf nach Marburg an. Ab 1900 Professor der Ophtalmologie in Würzburg, ab 1912 in München. Arbeiten über vergleichende Physiologie des Auges, über Refraktion und Akkomodation, Krankheiten des Linsensystems und über Farbblindheit.

Als er aufgrund seiner Versuche zur Spektralempfindlichkeit der Tiere die Auffassung vertrat, dass Fische und alle wirbellosen Tiere und insbesondere auch die Bienen total farbenblind seien, bewies der junge Karl von FRISCH (1886-1982) mit Dressurexperimenten das Gegenteil - und war mit einem Schlag ein angesehener Forscher...

Zur Ermittlung des Feinsehens der Farben hatte v. HESS einen Test entwickelt, bei dem er Farbplättchen unterschiedlicher Farbe und Grösse in das Blickfeld des Probanden brachte und so das Gesichtsfeld auslotete (Perimeterstäbe).

Er schrieb:
- Zur Kenntniss des Ablaufes der Erregung im Sehorgan (1901)
- Die neue Universitäts-Augenklinik in Würzburg (1901)
- Beitr. z. Kenntnis des Tapetum lucidum im Säugerauge (1911)
- Ernst Fuchs (1911)
- Neue Untersuchungen z. vergleich. Physiologie des Gesichtssinnes (1913)
- Ueber eine bisher nicht bekannte Ursache schwerer eitriger Chorio-Retinitis mit Netzhautablösung (1913)
- Ueber Schädigungen des Auges durch Licht (1913)
- Der Farbensinn der Vögel ... (1917)
- Beiträge zur Frage nach der Entstehungsweise des Altersstares (1918)
- Beiträge zur Frage nach einem Farbensinne bei Bienen (1918)
- Einfache Apparate zur Untersuchung des Farbensinnes und seiner Störungen (1920)
- Die angeborenen Farbensinnstörungen und das Farbengesichtsfeld (1920)
- Dienen Rotgrünblindheiten (1920)
- Die Farbensinnprüfung des Bahn- u. Schiffspersonals ... (1920)
- Die Bedeutung des Ultraviolett für die Lichtreaktionen bei Gliederfüsslern.

Carl von HESS starb 1923 in München als Ordinarius für Augenheilkunde an der Universität der bayerischen Landeshauptstadt. Die zwölf Jahre, die Hess in Würzburg verbracht hatte, stellen jedoch den Höhepunkt seines Schaffens dar.

Nachruf auf v. HESS
K. Wessely, Carl von Hess +. MMW 70 (1923) 987-988.

Das vorgestellte Ensemble zum Ausloten des Gesichtsfeldes mit Farbtupfen - in der Originalschatulle - stammt aus dem Nachlass des ab 1958 in Luxemburg etablierten Kollegen Norbert KETTER (*1928), der es von seinem Vater hatte. Heutige Augenärzte kennen die Plättchen, wenn überhaupt, so nur noch aus alten Lehrbüchern…




Ophtalmologie


Refraktionskasten, um 1900

 

 

Brillen gehörten in Klöstern zum Hausinventar, da ohne sie kein Brevier gebetet werden konnte:

10.05.1778 „Le dito j’ai payé quastre florins quatre sols pour trois paires de Lunettes que j’ai acheté pour nos dames“ (AEL, A XXV liasse 9, dépenses couvent de Clairefontaine).

 

 

Exponat 

Aus dem Nachlass des ab 1895 in Luxemburg praktizierenden Augenarztes Max NAMUR (1869-1926) stammt der hier vorgestellte Brillen- resp. ProbierGläserkasten (frz. "coffret de réfraction"), Vorläufer des modernen "Phoropters".

Die Firma „Medicinisches Waarenhaus Berlin“ lieferte um die Jahrhundertwende fünf Kästen dieser Bauart, mit unterschiedlicher Dichte des Linsenmaterials, im Wert von 18 bis 140 Reichsmark, je nachdem die Kästen 7, 15, 25, 35 oder 60 Gläser mit unterschiedlicher Dioptrienstärke enthielten…

Im Gegensatz zu dem Exponat der Uni Wien (1901) sind unsere Gläser nicht gefasst.

 




Ophtalmologie


Sehtesttafel n. MONOYER

Monoyer Tafel
 

 

Ferdinand MONOYER (1836-1912) stammte aus Lyon und wurde 1863 "agrégé" der Physikalischen Fakultät der Universität Straßburg, 1872 wurde er an die Universität Nancy berufen. Sein Vorschlag der Standardisierung der Brechungsstärke von optischen Linsen, die DIOPTRIE, ist heute weltweiter Standard, ein Standard, der 1875 in Brüssel angenommen wurde.

 

1874 veröffentlichte er seine berühmte "Tafel" (Revue Médicale de l'Est 1874, Seite 346-392).

 

Überspringt man die erste Zeile mit den übergrossen Buchstaben Z und U und liest man die Endbuchstaben der Tabelle von Gross nach Klein, so ergibt sich der Vorname "Ferdinand", liest man in gleicher Weise die Anfangsbuchstaben, so ergibt sich der Familienname des Erfinders dieser Tafel MONOYER D(octeur) M(édecine). 

 

Exponat

Die Tafel stammt aus dem Nachlass des ab 1952 niedergelassenen stadtluxemburger Arztes Roger GLAESENER (1922-2006). Möglicherweise gehörte sie schon seinem Vater Camille GLAESENER (1877-1952), der ab 1922 in L.-Limpertsberg niedergelassenwar?

Sie war ein Werbeobjekt der 1870 gegründeten, in der Produktion optischer Geräte (Ophtalmometer, Dynamometer) spezialisierten Fa. Guilbert-Routit, die 1974 von Essilor geschluckt wurde.

"Louis-Jean-Baptiste Berthiot (°1807+1857) et son beau-père Pierre-Alexis Bourot (°1796+1851), tous deux opticiens à Paris originaires de province (le premier de Censerey en Côte-d'Or et le second de Sézanne où il avait été compagnon meunier de 1817 à 1820), ont commencé à surfacer du verre de lunettes minéral dans un moulin à eau situé à Verdey sur le Grand-Morin depuis au moins le mois de janvier 1838. Le verre semble acheté aux verreries de Souppes-sur-Loing, proche de Nemours. À la suite des plaintes des cultivateurs en raison de la pollution de la rivière, la fabrication est déplacée en 1846 au moulin Saint-Hubert aux abords ouest de Sézanne. L'affaire se développe fortement sous Alfred Berthiot (°1838+1870), la veuve de ce dernier Marie-Anne-Zulma François (°1840), le second époux de celle-ci monsieur Benoist, et enfin ses deux fils. Les deux frères ayant été tués durant la Grande Guerre, leurs veuves conservent un temps l'affaire avant de créer une SARL vers 1933 et s'en désengager. La famille Jolly en devient propriétaire jusqu'en 1974. L'entreprise est renommée par la grande technicité de ses produits. En 1940, une usine de repli est inutilement achetée en Dordogne. Au sortir de la guerre Maurice Jolly a l'intuition que la matière plastique représente une voie d'avenir. Les coûteuses recherches menées par un ingénieur lyonnais aboutiront trop tard. Les créanciers bancaires poussent à l'union avec le concurrent Seine-et-Marnais (fondé par des cousins des Berthiot en 1870): Guilbert-Routit".

 

"En 1870, la famille Mazeau achète le moulin à blé tournant à eau de Pongelot et y installe une activité de surfaçage de verres de lunettes minéraux, une activité déjà pratiqué à Sézanne. Le commerce d’optique va se développer au cours des années, survivre à 2 guerres mondiales et plusieurs crises économiques nationales. Au fil des ans, l’usine de Pongelot devient la SA Guilbert-Routit".