Paediatrie


Tragen der Kinder (1)

 

"Gruss aus Thüringen" Ansichtskarte gestempelt am 1.3.1914, von Jena nach Posen gelaufen.

"Me bruchen kenn
grussoartigen Köngerwoagen,
Bi ons wärn de Köng'
em Moantel getroagen"

Das Tragen der Kinder in einem grossen "Tragetuch" ist also keine "afrikanische" Erfindung - das Tragen im "Mantel" gehörte in Thüringen zur Volkstradition. Auf der Ansichtskarte fällt auf, dass nicht die jungen Mutter sondern die Oma das Kind trägt - etwa eine Senkungsprophylaxe im Wochenbett?

Erst mit den befestigten Strassen und den Bürgersteigen in den modernen Städten begann sich der Kinderwagen durchzusetzen...



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Tragen der Kinder (2), Steckkissen

 

Kinder, an einem Nagel an der Wand aufgehängt? Früher ein alltägliches Bild! Da auf kleinen Bauernhöfen Schweine bis in die Küche vordringen konnten - alle Türen standen offen - wäre es für die Kleinen lebens- gefährlich gewesen, in einer niedrigen Wiege oder gar auf dem Boden zu liegen. Da hängte man doch lieber das gepuckte Kind an einem Nagel hoch oben an der Wand auf und war sicher, dass es nicht von einem Schwein angebissen wurde...

dtsch. "Taufkissen",
new territories (Indianer) "papoose",
frz. "coussin de baptême".

"Die Kinder in den Zimmern
aufhängen wie Medaillons.
Gürtel unter dem Arm
und ein Steigriemen"
Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799), Schriftsteller und der erste deutsche Professor für Experimentalphysik. Er begründete die Tradition des deutschen Aphorismus. Drei Beispiele von bekannten Aphorismen:
- Die gefährlichen Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt.
- Ein Abend, an dem sich alle Anwesenden völlig einig sind, ist ein verlorener Abend.
- Was die Kirche nicht verhindern kann, das segnet sie.




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Tragen der Kinder (3), Steckkissen

 

Der historische Vorläufer des heutigen Pucksacks ist das so genannte Steckkissen, ein gepolsterter Sack mit Kissen als Kopfauflage, bei dem die Arme frei blieben. Einer französischen Überlieferung zufolge wurde das Steckkissen im frühen 17. Jahrhundert in Frankreich erfunden:
„Lange bevor die ersten Kindergefährte die Straßen bevölkerten, sorgte ein Zufall dafür, dass ein Steckkissen erfunden wurde, das heute noch in abgewandelter Form als Fell- oder Fußsack für den Kinderwagen bekannt ist. Im Jahre 1602 begab es sich, dass König Henri IV. nach der Amme rief, damit sie ihm seinen Sohn brächte. Die Kinderfrau erschien mit dem kleinen Louis XIII., der auf ein reich verziertes Kissen gebettet war. In dem Moment, als der König sich hinunterbeugte, um seinen Sohn zu küssen, rutschte der kleine Nachwuchs von dem Kissen und plumpste unsanft auf den Boden. Zutiefst erschrocken ordnete Henri IV. daraufhin an, einen Streifen Samt, ähnlich einer Tasche, am Kissen festzunähen. Dort wurde der Kleine von nun an hineingesteckt und war nun vor Abstürzen besser geschützt. Die praktische Idee des Herrschers verbreitete sich schnell und war bald schon in bürgerlichen Haushalten zu finden.“
(https://www.schlawiner.biz/downloads/leipzig_2006_10_20_40.pdf).

Am preussischen Hofe finden wir das Steckkissen 1712 wieder:
„Das Kind in seinem Steckkissen trug er [Friedrich der Grosse] an seiner Seite, schon den schwarzen Adlerorden und ein Krönlein auf dem Haupte. Man erzählt, daß sechs Gräfinnen die schwere Schleppe seines Taufkleides trugen, eines Kleides von reichem Silberbrokat, mit Diamanten besetzt. Der königliche Großvater selbst hielt den kleinen Prinzen über die Taufe.“
(https://www.jadu.de/berlin/fdg/)

Im Frühbarock feierten Steckkissen Hochkonjunktur.
„Säuglinge wurden zur damaligen Zeit in viel zu enge Steckkissen gepresst, denn es wurde auch bei Säuglingen nicht vor dem Grundsatz Halt gemacht, dass die Menschen in jeder Lage Haltung zu bewahren hatte. Die Entwicklung des Knochengerüsts wurde dadurch stark beeinträchtigt, wenn nicht sogar fehlgelenkt“
(https://www.g-stein.com/allgemein/Barock-Referate/maennermode-ruester.htm).

Im 19. Jahrhundert fand man das Abstützen der Kinder in diesen Tragekissen immer noch für hilfreich:
„Sogenannte Steckkissen oder Tragekissen sind vollkommen ausreichend, das Kind zu stützen; darauf soll das Kind 3 – 4 Monate meist horizontal getragen werden“
(Journal für Kinderkrankheiten, Bd. VI, Berlin 1846 S.277 ).

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Steckkissen immer noch geläufig. Eines der 1937 als „entartet“ beschlagnahmten Gemälde von Otto Dix (1891-1969) „Kind im Steckkissen“ aus dem Jahr 1932 kann nun als Leihgabe aus der Nationalgalerie Berlin für die Dauer der Ausstellung erstmals in Dresden gezeigt werden....

Psychologen und Orthopäden waren später ganz und gar nicht begeistert über das Einzwängen der Kinder in diese Kissen:
„Der Vergangenheit gehören zum Glück die so genannten Steckkissen an, in denen die Kinder kaum Bewegungsfreiheit hatten“
(https://www.fuldaerzeitung.de/newsroom/kinzigtal/dezentral/kinzigtal/art14187,561982).

Heutzutage sind Taufkissen daher aus der Mode gekommen. Hier der Bericht einer jungen Mutter, die sich mit den antiquierten Vorstellungen ihrer Schwiegermutter herumschlägt:
„Johanna hatte an ihrer Taufe ein süßes weißes Kleidchen an mit einer Pumphose und eine tolle Mütze. meine Schiwegermutter wollte sie in so ein Taufkissen stecken... das hätte sie wohl gern gehabt und ich das Geschrei meiner Tochter“. (https://www.leben-und-erziehen.de/beitrag/Taufkleid-ja-oder-nein/23120/1);

Österreichisch : Wickelpolster
Deutsch : Steckkissen, Bindsack, Tragbettchen.

Vorgestellt werden zwei Steckkissen (linkes Bild) aus Ostdeutschland, die um 1936 bei Kindstaufen benutzt wurden. Eines der Kissen wurde geknöpft, das andere mit Schleifchen verschlossen. Das rechte Bild zeigt das auseinandergefaltete Kissen.
Mein Dank geht an die Familie S.Fritz in Chemnitz, die mir diese Kissen für die Ausstellung (Musée Sybodo) im Hôpital Kirchberg/ Luxemburg geschenkt hat.




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Höhensonne (1)

 

Die Puppenmutter weiss, dass die kleinen Kinder viel Licht brauchen, um ausreichend Vitamin D zu produzieren. Ohne dieses Vitamin laufen sie Gefahr, an Skorbut zu erkranken...

Ansichtskarte WBSS 7309/2, gestempelt um 1930. Künstlersignatur John Wills.



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UV Höhensonne

Ansichtskarte Legendre, um 1920 

1904 entdeckte der Chemiker und Physiker Richard Küch (1860-1915) in den Laboratorien der Firma Heraeus in Hanau bei Frankfurt, dass Quecksilberdampf ein grünliches Licht abstrahlte, wenn er in einem Quartzglasrohr elektrisch angeregt wurde (der in einem Kolben aus reinem Quarzglas eingeschlossene Quecksilberdampf strahlt neben sichtbarem Licht auch UV-Licht ab, das von normalem Glas weitgehend absorbiert würde, Quarzglas aber ohne Problem überwindet) - ein UV-reiches Licht mit hohem wirtschaftlichem Potential. Küch wandte sich 1906 an die AEG und gründete mit dieser zusammen, die sog. Quarzlampengesellschaft GmbH. Allerdings scheiterte die Massen-Produktion von Strassenlampen ..
>br>Doch fand sich bald ein anderes Anwendungsgebiet. 1903 hatte der dänische Arzt Nils Ryberg FINSEN (1860-1904) mit UV-Licht experimentiert und dessen Nutzen bei der Behandlung der Hauttuberkulose dargelegt - die bekannte FINSENTHERAPIE. Des weiteren konnte das UV-Licht eingesetzt werden zur Entkeimung von Wunden und ... zur Behandlung des Bluthochdruckes. Hier tat sich für Küch also ein riesiges Feld der praktischen Nutzung seiner UV-Lampen auf.

Die Quartzlampengesellschaft entwickelte daraufhin eine ringförmige Lampe, die "Hanau-Höhensonne", die ähnlich belebende Wirkungen erbrachte, wie eine Sonnenbestrahlung im Gebirge (daher der Name "Höhensonne). Mit dieser künstlichen Sonne konnte der Organismus an Vitamin D ohne allzu hohe Kosten (eine Lampe kostete an die 500 RM) angereichert werden. Die Sonne war - ohne dass man von einem "Schuldigen" reden könnte, Teil einer schleichenden Technisierung der ärztlichen Praxis. Als erster luxemburger Ärzte warb Dr. Theodor KIRPACH 1919 mit der neuen Methode:
"Künstliche Höhensonne. Ersatz für Höhenkuren. Grossartige Heilerfolge bei Lungenleiden, Herzleiden, Rheumatismus, Gicht, Ischias, Blutarmut, Bleichsucht. Nervosität, Stoffwechselkrankheiten, Skrophulose, Frauenleiden, usw. Besonders zu empfehlen in der Genesung nach Rippenfell-, Lungenentzündung, Bronchitis, Influenza u.s.w. Lokale Bestrahlung bei schlecht heilenden Wunden, Geschwüren (Beingeschwüren), Fisteln, Hautausschlägen, Haarausfall" (Luxemburger Wort vom 11.10.1916). Aus dem Spital der ARBED in Esch wurden 1919 Erfolge gemeldet "mit den ultravioletten Strahlen der Höhensonne bei Flechten, Ausschlag, Wucherungen skrofulöser und tuberkulöser Wunden" (Luxemburger Wort vom 8.11.1919).

Die Therapie mit Höhensonnen und UV-Strahlen eröffnete um 1918 neue Perspektiven in der medizinischen Behandlung, Prophylaxe und Kurierung der "Armutskrankheit" Rachitis. Anfang der 20er Jahre war die Höhensonne "der Schrei", der "clou" - ganze Schulklassen wurden kollektiv mit ultraviolettem Licht bestrahlt, im Krankenhaus wurden schon Säuglinge unter Höhensonne-Lampen gelegt. Die Alters- und Invalidenversicherung in Luxemburg meldete in ihrem Bericht für das Geschäftsjahr 1915 "wurde den Kranken auch das modernste Hilfsmittel, die Bestrahlung mit künstlicher Höhensonne, zugänglich gemacht" (Escher Tageblatt vom 7.8.1916). In der Hauptstadt richtete der Schularzt ein Höhensonnen-Zimmer in der städtischen Badeanstalt ein:
"Mit kommendem Januar empfangen kranke Schulkinder auch Höhensonne und Salzbäder. Zu diesem Zwecke ist ein Extrazimmer in der Badeanstalt hergerichtet worden" (E.T. vom 23.12.1925). Auch die Kinder der ARBED-Angestellten profitierten im Genesungsheim auf dem Kreuzberg in Düdelingen von dieser Errungenschaften der Medizintechnik. Natürlich gab es auch in dem 1930 eröffneten Sanatorium der Sozialversicherungen in Vianden Räume für Heliotherapie (Escher Tageblatt vom 24.4.1930).

Doch erzeugt dieses ultraviolettes Licht nicht nur Vitamin D. Es kann auch zu Sonnenbrand führen - und erhöht damit das Hautkrebsrisiko. Als in den 80er-Jahren die Gefahren künstlicher Bestrahlung bekannt werden, gerieten die Höhensonnen außer Mode. Ausserdem gab es für wenig Geld Vitamin-D in der Apotheke ...



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UV Schutzbrille

um 1948 

Seit langem war bekannt, dass man mit Licht die "Englische Krankheit", die Rachitis, wirksam bekämpfen konnte.

In den Nachkriegsjahren, als sich die Rachitis europaweit bemerkbar machte, versuchte man dem Übel im Sommer mit "Lichtbädern" im Freien, im Winter mit der künstlichen "Höhensonne" beizukommen. Die Strahlenbildung kommt durch die Erhitzung von Quecksilber zu Quecksilberdampf in einer luftleer gemachten Quarzglasröhre zustande.

Um einer Verbrennung der sensiblen Netzhaut bei den Kindern vorzubeugen, setzte man den Kleinen dabei eine Schutzbrille auf, die diese Art von Lichtstrahlen nicht durchliess. Die Benutzung einer Höhensonne erfordert aufgrund der Ultraviolettstrahlung und der hohen Leuchtdichte (auch im sichtbaren Bereich!) eine spezielle Schutzbrille, ansonsten können Blenderscheinungen oder auch eine Bindehautentzündung entstehen.

Die hier vorgestellte Brille fand sich in einer Schublade der früheren Elisabethklinik in Luxemburg, wo der Autor als Kind mehrere dieser "Geistersitzungen" erduldete - und noch heute den besonderen Geruch der UV-Lampen in der Nase spürt (Ozonanreicherung in der Luft). Früher wiesen die Lampen in der Tat signifikante Emissionen harter Ultraviolettstrahlung auf, was sich durch den typischen Geruch von Ozon äußerte das sich durch die Strahlung aus Luftsauerstoff bildete.



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Wickelband, sog. Fatsche

um 1950 

Als Fatsche resp. Fetsche oder Fätsche (vom lateinischen fascia = Binde, Wickel), bezeichnet man einen breiten Leibriemen (Gürtel), der in deutschsprachigen Alpenregionen heute noch als Teil der bodenständigen Männertracht zur Lederhose getragen wird. Ursprünglich war das "linteolum" resp. die "fascia" eine Wickelschnur für Kinder. Analog nennt man ein straff gewickeltes Neugeborenes "Fatschenkind".

Lit.: K. BEITL, Volksglaube. Zeugnisse relig. Volkskunst, München 1983.

Das Wickeln des Kindes ist nur bedingt eine medizinische Angelegenheit. Dennoch kann gerade das unsinnige "Pucken" zu ernsthaften Komplikationen führen.

Bei rachitischen Kindern verhinderte dieses Wickeln zwar das Auseinanderweichen des unteren Rippenbogens beim schreienden Kinde - eine kosmetische, symptomatische Behandlung. Doch war der Preis hoch: die Einengung der Atembewegungen durch das Wickeln bewirkte oft eine ernstliche Unterbelüftung (Atelektase) der kindlichen Lunge und brachte manches Wickelkind zu Tode.
Die Unsitte gab es schon in der Antike. Die Griechen puckten, die Aegypter nicht. Der Historiker C.J. Sommerville schrieb, dass es fast soviele verschiedene Begründungen für den Brauch gab wie Gesellschaften, in denen er praktiziert wurde. Manche Gesellschaften behaupteten, dass die Kinder davon ein gerades Rückgrat bekommen, manche sind der Meinung, dass es sie warm hält. In andern will man damit die Kinder daran hindern, sich zu verletzen, über den Anblick der eigenen Arme und Beine zu erschrecken [!] oder zu masturbieren .

"Depuis l’Antiquité et particulièrement au Moyen âge, les nouveaux-nés étaient emmaillotés jusqu’à l’âge de la marche (Alexandre-Bidon, 1986). Le maillot était constitué d’une bande de tissus que l’on enroulait des pieds de l’enfant maintenus joints jusque sous les épaules. Le bandage s’achevait par un dernier tour partant de l’épaule droite vers la taille du côté gauche. La France a conservé plus longtemps que d’autres pays cette pratique contre laquelle s’est élevé l’écrivain Jean-Jacques Rousseau en 1792 dans « L’Emile » (Rousseau, 1999). En Angleterre, dès 1693, des écrivains comme John Locke (Adamson, 1922) puis en 1748, des médecins comme William Cadogan, dénoncent ce procédé qui sera abandonné dès la première moitié du 19° siècle dans ce pays alors que l’usage du maillot perdurera en France jusqu’au début du 20° siècle" .

Trotz der frühen Warnungen hielt sich die Unsitte jahrhundertelang. Charles-Michel BILLARD (1800-1832), Arzt am Pariser Findelhaus, schrieb dazu:
"Das allgemeine Unbehagen des Neugeborenen im Wickelband ist oft die Ursache seines Geschreies. Zwar wickelt man die Kinder nicht mehr so stark wie früher, doch gibt es noch heute Stellen, zu denen die Stimme des Genfer Philosophen Rousseau (im "Emile") noch nicht gedrungen ist. Täglich sieht man in dem Pariser Findelhaus, wie die Schwestern, die Dienstmädchen oder die Ammen aus den Kindern feste Pakete machen, statt sie so zu kleiden, dab sie ihre Glieder frei bewegen und frei atmen können".

Besonders hartnäckig hielt sich das straffe Wickeln in den Alpen. So schleppten Gastarbeiter aus Norditalien die Methode immer wieder nach Luxemburg ein.



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Wickelkind, Fatschenkind

1791 Luxemburg 

Bartholomaeus Anglicus nennt in seinem Werk "De rerum proprietatibus" – d.h. "Über die Natur der Dinge" um 1250 in Buch 6, Kapitel 4 als Grund für das Wickeln:
"Die Gliedmaßen des Kindes sind wegen ihrer Schwäche leicht verformbar; deshalb müssen sie durch Wickelbinden und Windeln eingebunden werden, damit sie nicht verkrümmt oder verkrüppelt werden".

Bei der Taufe durfte die Mutter früher nicht anwesend sein. An ihrer Stelle trug die Hebamme, begleitet vom Paten oder der Patin, das Kind zur Taufe. Bevor sie aus dem Hause gingen, steckte (in Kärnten) der Pate das sogenannte Kresengeld (eine Silbermünze) in die Fatsche des Kindes. Oft wurde auch eine Taufkerze hineingesteckt. Dies wäre gegen das böse Wetter gut, sagte man.

Die hier vorgestellte Ansichtskarte zeigt eine im Landesmuseum Luxemburg/ Fischmarkt aufbewahrte Grabplatte aus dem Jahr 1791, Reste des Grabes eines Kindes der adligen Familie Manderscheid-Nassau.

Das arme Wurm war (zu Lebzeiten) zusammengeschnürt wie ein Paket, unfähig, einen Finger zu rühren.

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Windeln

Ansichtskarte, um 1910 

Schon "Klein-Jesus" wurde in Windeln gewickelt. Das wohl um die Mitte des 2. Jh. nach Chr. verfasste Protevangelium des Jakobus berichtet anlässlich der Geburt Jesu, dass eine der beiden anwesenden Hebammen, Salome, die Jungfräulichkeit Mariae überprüfen wollte, wobei ihre Hand verdorrte, aber bei der Berührung der Windeln Jesu wieder verheilte - ein Motiv, das auch in der Kunst dargestellt wurde, z. B. um 543/553 auf einem Elfenbeinrelief an der Maximians-Kathedrale in Ravenna oder von Robert Campin um 1420/30. Die Windeln - auf die Schnelle aus den Fusslappen sprich Strümpfen des Heiligen Joseph zusammengeschustert - sie waren also heilkräftig: Grund genug, die Windel Jesu als Reliquie in den Aachener Dom zu schaffen. Sst es die gleiche Windel, die einst in Konstantinopel in der Blachernenkirche resp. der Hagia Sophia verehrt wurde ?

Eine Windel als Zeichen des Erdenlebens Jesu. Das antike Textil (man benutzte damals ausschliesslich Stoffwindeln) befindet sich in Aachen vermutlich seit den Zeiten Karls des Großen, der es 799 von einem Mönch aus Jerusalem überreicht bekommen haben soll. Dabei waren zur Zeit Jesu Windeln den Wohlhabenden vorbehalten! Arme konnten sich eine derartige Verschwendung von Tüchern nicht leisten ...

Das "Bureau d'Assistance à l'Enfance" des Amerikanischen Roten Kreuzes warb in Frankreich mit Bildern der Künstlerin H. STEPHANY für einen sorgfältigen Umgang mit Säuglingswindel:
"Changez nos couches dès qu'elles sont mouillées".

Damals wurden noch Stoffwindeln benutzt, die täglich gewaschen wurden. Grosse (ca. 80x80cm) Windeln wurden gefaltet und ums Baby gewickelt. Üblicherweise wurden hierfür Mullwindeln benutzt, auch Köperwindeln. Beide hatten jedoch eine relativ geringe Saugkraft - daher die Warnung vor "überlaufende Windeln" auf der Ansichtskarte.

Erst lange nach dem 2. Weltkrieg kamen die Wegwerfwindeln in Gebrauch - zunächst sehr zögerlich, da die Dinger ziemlich hautunverträglich waren ... und teuer.
"Die moderne Wegwerfwindel wurde gleich zweimal erfunden, erst von Victor Mills und dann von Carlyle Harmon und Billy Gene Harper. Mills arbeitete für Procter & Gamble und wurde dort zur Legende. 1957 kaufte Procter & Gamble die Chamin Paper Company in Green Bay (Wisconsin), und Mills erhielt den Auftrag, sich für die Papiersparte neue Produkte auszudenken. Da er Grossvater war und das Windelwaschen immer gehasst hatte, kam er auf die Idee, eine Wegwerfwindel zu entwickeln. «Einer der Entwickler der ersten Stunde erzählte mir, sie seien als Erstes in einen Spielzeugladen gefahren und hätten eine dieser Gliederpuppen gekauft, denen man Wasser in den Mund schütten kann, worauf es am anderen Ende wieder herausrinnt», berichtet Ed Rider, der Leiter des Firmenarchivs von Procter & Gamble.
«Im Labor montierten sie solche Puppen auf einer Tretmühle; an ihr testeten sie die Windeln.»
Das Ergebnis war das Produkt Pampers, das 1961 erstmals auf den Markt kam. Die erste Wegwerfwindel hatte eine schlichte rechteckige Form. Ihr Futter, das direkt auf der Babyhaut lag, bestand aus Rayon, die Aussenhaut war aus Kunststofffolie. Dazwischen lagen zahlreiche Schichten Krepppapier. Festgezurrt wurde die Windel mit Sicherheitsnadeln. Das Innenfutter war teilweise plissiert, damit sich die Windel besser an die Beine des Babys anschmiegte.
Wegwerfwindeln sind in den letzten zwanzig Jahren kleiner und kleiner geworden. In den frühen achtziger Jahren waren sie noch dreimal so sperrig wie heute – dicker und im Schritt erheblich breiter. Ein paar Jahre später schrumpften die Huggies (und ebenso das Konkurrenzprodukt Pampers von Procter & Gamble) um rund fünfzig Prozent. Mitte der neunziger Jahre brachte ein neuer Entwicklungssprung eine Reduzierung der Masse um ein weiteres Drittel. Und in den kommenden Jahren könnten die Windeln noch kleiner werden."

Quelle:
www.weltwoche.ch/artikel/?AssetID=1995&CategoryID=60