Karikaturen


Arztkarikatur, um 1910

 

Die "singeries" waren im Flandern des 18. Jahrhunderts ebensowie in Frankreich bei beliebtes Thma der Maler. Denken Sie an den "Singe peintre" von Jean Siméon Chardin (1699-1779), der im Louvre hängt. Dummheit, die zum Nach"äffen" führte und Lügnereien, die zum rfolg im Beruf führen ...

 

Was für Maler recht war, schien für Ärzte nicht falsch zu sein.

 

"Monsieur le Docteur" - der Arzt als dressierter Affe: mit dem Zylinderhut und den braunen Lederhandschuhen, der Goldrandbrille und dem Gehstock sieht der Medicus gar gescheit aus. Das graue Haar zeugt von Weisheit - wenn da nicht das Affengesicht wäre, und das vermutlich entsprechende Affenhirn...

 

Die Anfänge der Porträtmalerei liegen in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die Entwicklung ging tastend und zögernd voran. Kunden waren zunächst das Bürgertum der Reichsstädte: Bürgermeister, Richter, Angehöriger des Lehrkörpers der Universitäten. Eines der ersten Porträts von Ärzten zeigt den Schweinfurter Arzt und Humanisten Johann SPIESSHEIMER genannt CUSPINIAN - ein Bild das anlässlich seiner Eheschliessung entstand. Cranach d.Ä hat es 1503 gemalt: jugendlich, forsch stellt sich der Arzt vor und beruft sich auf ein gewaltiges Buch - vermutlich HIPPOKRATES oder GALEN...

Seither haben hunderte von Kollegen Malern unterschiedlichster Dignität Modell gestanden und so mehr oder weniger erfolgreich für ihre Unsterblichkeit gesorgt. Dabei wurden sie zumeist im höheren Alter abgebildet, als das Einkommen reichte, um den Maler zu bezahlen und der Ruhm - und sei es auch nur der angestrebte - die ganze Prozedur in etwa rechtfertigte.

Anders die Karikatur. Die gab der Arzt nicht in Auftrag, die fällt ihm sozusagen ins Haus! Nicht sein Können soll hier verewigt werden, sondern eine seiner Marotten, eine seiner Unarten...

 

So auch bei unserm "Affenarzt": gescheit ausschauen will er, aber affig bleibt er dennoch - eine Mahnung an die Herren Doktores...

 

Nicolas Larmessin (1638-1694) hat den Arztstand Frankreichs - und nicht nur ihn - mit seinen Bildern verhöhnt: der Arzt trägt ein Kleid aus Büchern ("Habit de Médecin"), der Chirurg ist über und über mit Instrumenten behangen: passende Karikaturen, die im Zeitalter von Molière mit den manierierten, perrückentragenden Ärzten durchaus angebracht waren.

Der englische Karikaturist William Hogarth (1694-1764) spottete 1750/51 der aufgeblasenen Universitätsdoktoren, die "ex cathedra" einer Sektion beiwohnten, gefühllos, überheblich.

James WEST karikierte 1803 die raffgierigen Ärzte, wie sie sich bei Frau "Cholera" dafür bedanken, dass sie ihr Land besucht und ihnen die zahlreichen Patienten beschert hatte.

Beliebte Motive späterer Karikaturisten waren eher die Aussenseiter der medizinischen Szene. So karikierte Honoré Daumier (1808-1879) im Jahre 1837 zwei streitende Homöopathen; beliebtes Spottmotiv war im 19. Jahrhundert auch Dr. Franz-Joseph GALL (1758-1828), der Erfinder der Kraniologie.

Otto Dix (1891-1969) hat den Düsseldorfer Urologen Dr. Hans KOCH so porträtiert, dass man die Kombination von Mensch und Arbeitsgeschirr durchaus als "karikierend" bezeichnen kann - die Übergänge zwischen realistischer Darstellung und Karikatur sind manchmal fliessend - am Gemütszustand des Zuschauers liegt es, wie er das Bild aufnimmt.

So überlasse ich auch Dir, werter Besucher, die endgültige Bewertung des Bildes mit dem Affen, der Arzt sein wollte - oder dem Arzt, der sich zum Affen machte...

 

Lit.:
G.H. KLÖVEKORN, Das Portrait des Arztes, Leverkusen 1956.
Piero LERCHER, Medizin in der Karikatur, Wien 2001.
Cornelis VETH, Der Arzt in der Karikatur, Amsterdam und Berlin, 1927.
Helmut VOGT, Medizinische Karikatur von 1800 bis zur Gegenwart, München 1960.