Laborgerätschaften


Uroskopie (4), Matula (Replik)

Matula
 

 

   Im späten Mittelalter und der Renaissance entstand das standardisierte Uringlas für die ärztliche Diagnostik - ein rundkolben- bis birnenförmiges Glasgefäß mit weitem Hals. Manche Exemplare hatten einen flachen Boden zum Hinstellen, die meisten einen gewölbten Boden und bedurften eines Stützbehälters (Korb oder Holzgestell) zur Vermeidung des Umkippens. Durch diese abgerundete Form ähnelte die Matula – gewollt – der menschlichen Harnblase.

 

Der in diesem Gefäß gesammelte Morgenurin wurde zum Harn(be)schauer gebracht - einem Arzt oder Medizinkundigen, der die Probe entsprechend der Humoralpathologie auf Dichte, Farbe, Geruch, Geschmack und Sediment (lat. contenta „Inhaltsstoffe“) überprüfte und den Befund, im Zusammenhang mit anderen Daten des Patienten wertete. "Der Morgenurin wurde in der Matula – einem gross­kolbigen Uringlas – gesammelt und in einem speziellen Korb vor Sonnenlicht und Wärme geschützt dem Harnschauer überbracht. Begutachtet wurden Farbe, Konsistenz und Beimengungen sowie Geschmack und Geruch der Urinprobe unter Berücksichtigung der körperlichen Verfassung, des Temperamentes und Geschlechtes des Patienten. Diese historischen Berichte enthalten bereits Aspekte, die bis heute ihren Stellenwert in der Urindiagnostik behalten haben: Schon damals wurde die Bedeutung von korrekter Urinentnahme und Transport erkannt (Präanalytik) und der Urinbefund wurde stets in Zusammenhang mit dem klinischen Zustand des Patienten gewertet" (Dr. Rodo von Vigier, Nützliche Urinuntersuchung, in: Fortbildung, Kinderärzte.Schweiz 01/2013 S.14).

 

Die Matula galt seinerzeit als Symbol für die Uroskopie als unfehlbare Diagnosemethode ...

 

Dass die Gläser unten rund waren halte ich für ein Gerücht: auf viele zeitgenössischen Abbildungen stehen alle Gläser gerade da, in Reih und Glied auf einem Regal – trotz angebl. rundem Boden. Alles eine Frage des Stils – nie ist ein Arzt mit einer dicken Wampe dargestellt – alle sind schlanke Jünglinge.

 

Matula und Arztroman

Kein Arztroman ohne eine Matula. Das einstige Symbol des ärztlichen Tuns wirkt nach

- im Roman "Der Medicus" von Noah Gordon, der um das Jahr 1050 spielt, hielt der Arzt Ibn SINA eine glockenförmige, speziell für diesen Zweck von einem Glasbläser hergestellte Matula gegen das Licht.

- in dem Roman "Die Heilerin des Sultans" von Silvia Stolzenburg, der um das Jahr 1400 spielt, tauchte Sapphira die durchsichtige, kolbenförmige Matula in die warme Flüssigkeit, die anschließend von der "Tabibe" untersucht wurde.

- in dem Roman von Ursula Niehaus "Die Tochter der Seidenweberin", der im Jahr 1499 spielt, begutachtete der Arzt Gremberg in Kapitel 5 den Urin der ungewollt kinderlosen Lisbeth und benutzte eine birnenförmige Matula.

- in ihrem anderen Roman "Die Stadtärztin", der um 1560 spielt, tat es der Arzt Stammler mit dem Urin der zukünftigen Ärztin Agathe und benutzte eine Matula, deren Boden ausdrücklich flach war.

- in dem Roman von Jeannine Meighörner "Die Wolkenbraut", der ebenfalls im 16. Jahrhundert spielt, untersuchte Dr. KELLER den Urin in der kolbenförmigen Matula: "Tragende Weiber riechen nach Vanille, nach den süßen Schoten aus dem Aztekenland, wenn sie Zwillinge tragen, nicht nach den herberen von den Komoren".

- in dem Roman "Die Ärztin von Bologna" von Wolf Serno, der um 1570 spielt, hielt der Arzt Valerini die kolbenförmige Matula gegen das Licht.

 

Exponat

Ein Flohmarkt-Glas mit flachem Boden, das mich an die legendäre Matula erinnerte.

 

Lit.:

Mattelaer JJ., Some historical aspects of urinals and urine receptacles, in: World J Urol. 1999 Jun;17(3):145-50.