Laboratorium


Hämometer n. FLEISCHL

11 11 a Hämometer Fleischl
 

 

Exponat

Hämometer um 1915, vernickeltes und geschwärztes resp. schwarz schrumpflackiertes Messing, Keramikplatte in Spiegel-halterung gefaßt (als matt refektierender Hintergrund des Beobachtungsfensters), Rubinglas. Auf dem Hufeisenfuß signiert: C(arl) Reichert Wien. Die Seriennummer erscheint auf der Tischplatte und dem Glaskeil-aufnehmer mit Skala: Seriennr. 7789

Das hier verwendete Glas hat gegenüber dem bei den bis dato benutzten Instrumenten als Vergleichssubstanz verwendeten Picrokarmin den Vorteil absoluter Beständigkeit. Potentielle Fehler, die dadurch entstehen, daß die zu vergleichenden Farben nicht identisch sind, lassen sich dadurch vermeiden, daß man das Gerät nicht bei Tageslicht benutzt, da der ultraviolette Anteil des Lichtes zu Verfälschung der Ablesung führt. Für dieses spezielle Kolorimeter wird das Blut zur Untersuchung in der Verdünnung von 1:200 bis 1:400 verwendet. Friedrich Miescher (1844-1895) hat dann das Gerät verbessert - was allerdings erst nach dessen Tod durch seinen Schüler Veillon 1897 publiziert wurde. Im Katalog "Mikroskope und Nebenapparate DS/4" der Optischen Werke C. Reichert / Wien aus dem Jahre 1918 wird dieses Instrument angeboten als: B 900 Hämometer nach Fleischl zur Bestimmung des normalen Hämoglobingehaltes im Blute ... 63.- Mark.

 


Funktionsweise

"Der Apparat besteht aus dem von einem kräftigen Fuß getragenen Tisch, der in seiner Mitte eine kreisrunde Oeffnung besitzt, durch die das vom Spiegel aufgefangene Gas- oder Wachsstocklicht reflectirt werden kann. Unter der Tischplatte ist ein Metallrahmen durch Schraubendrehung hin- und herzubewegen, der einen mit Cassius'schem Goldpurpur gefärbten Glaskeil in der dem Beobachter zugekehrten Hälfte führt. In die runde Oeffnung des Tischchens kann ein cylindrischer, unten durch Glas geschlossener Behälter eingelassen werden, der durch eine metallene Scheidewand in 2 gleiche Hälften getheilt ist. Der Behälter wird so eingesetzt, dass die Scheidewand parallel dem vorderen Tischrand und die hintere, dem Beobachter zugewandte Hälfte der Kammer genau über dem Glaskeil steht. Der dicht am Glasteil gelegene Schenkel des Rahmens trägt die Marken 0-120, die beim Hin- und Herbewegen des Rahmens in einem kleinen Ausschnitte am Tischchen abgelesen werden können.Die Untersuchung wird in der Weise ausgeführt, dass man die beiden Kammerhälften mit Wasser füllt und in der vorderen, frei über dem Spiegel befindlichen etwas Blut auflöst, dessen Menge durch die beigegebenen kleinen Pipetten genau bestimmt ist. Die Färbung des Glaskeils bei der Einstellung der Zahl 100 entspricht dem Farbenton, den normales Blut bei der beschriebenen Auflösung in der vorderen Kammer anzeigt.Die links von der Zahl 100 angegebenen Zahlen drücken aus, wieviel Procent des normalen Hämoglobin-Gehaltes (der im Mittel bei Männern 13,7, bei Frauen 12,6 g in 100 ccm beträgt) in dem untersuchten Blut enthalten ist" (Hermann Lenhartz, Mikroskopie und Chemie am Krankenbett: Leitfaden bei der klinischen Untersuchung und Diagnose, Springerverlag 1893, S.88).

 


Zum Erfinder

Der in Wien geborene Physiologe Ernst Fleischl Edler von Marxow (1846-1891) konstruierte dieses Gerät zur Bestimmung des Hämoglobins über einen Vergleichskeil aus Rubinglas 1885. Er konstruierte mehrere Messgeräte, verbesserte das 1872 von Gabriel Lippmann entwickelte Kapillarelektrometer und erfand das Hämometer. Er berichtete über die Weltausstellung 1876 in Philadelphia. Er studierte Physiologie, infizierte sich aber während seiner Zeit als Assistent von  Karl von Rokitansky (1804 - 1878) während pathologisch-anatomischer Forschungen an einer Leiche. Mit der dadurch bedingten Amputation seiner Daumens mußte er sich wieder der Physiologie zuwenden. Als Folge davon litt er lebenslang unter schmerzhaften Neuromen im Amputationsstumpf, die sein enger Freund Sigmund Freud ab 1884 mit Kokain zu behandeln versuchte. Die suchtbildende Wirkung wurde dabei erst im Behandlungsverlauf entdeckt, Spätfolgen dieser Verletzung waren dann auch die Ursache seines Todes. Von Fleischl-Marxow litt fast 20 Jahre an den Spätfolgen der oben erwähnten Infektion bis er schließlich daran starb. Sein enger Freund Sigmund Freud versuchte ihn ab ca. 1884 mit dem damals noch kaum bekannten Alkaloid Kokain vom Morphium abzubringen. Freud war bald überzeugt, ein großartiges neues Heilmittel entdeckt zu haben - die verhängnisvolle suchtbildende Wirkung des Kokain wurde dabei erst im Verlauf der Behandlung entdeckt. Er habilitierte sich 1874. Ab 1880 a.o. Prof. und ab 1887 korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Er untersuchte die physiologische Optik sowie elektrische Ströme der Gehirnoberfläche. Er gilt als ein Vorarbeiter der Entwicklung des Elektronenenzephalogramms (EEG), wurde zu seiner Zeit jedoch vor allem durch die Konstruktion des Hämometers bekannt, welches weite Verbreitung fand.



Zum Verbesserer

Johann Friedrich MIESCHER (1844-1895) kam in Basel zur Welt und starb in Davos. Er studierte in Göttingen und Basel Medizin mit dem Abschluss 1868. Danach ging er in das Labor von Felix Hoppe-Seyler in Tübingen. Zu seinen bedeutendsten Entdeckungen gehört 1869 (in den Labors von Hoppe-Seyler) der Nachweis der DNA in einem Extrakt aus Eiterzellen (weißen Blutkörperchen) – von ihm stammt die Bezeichnung „Nuclein-säuren“, da er sie nur in Zellkernen vorfand. Er erkannte, vielmehr, er ahnte ihre Bedeutung für die Genetik: "Sofern wir (…) annehmen wollten, dass eine einzelne Substanz (…) auf irgendeine Art (…) die spezifische Ursache der Befruchtung sei, so müsste man ohne Zweifel vor allem an das Nuclein denken."1871 habilitierte er sich in Basel und ward daselbst 1872 ordentlicher Professor für Physiologische Chemie.Miescher verwarf die vielfach ungenauen automatischen Blutpipetten von FLEISCHL und verwandte einen "Mélangeur", den er von der Mischpipette gleichen Namens von POTAIN übernahm.