Diverses


Henkelmann

Essensträger, um 1940 

Der Henkelmann (auf Luxemburgisch "ën Döppen") ist ein heute eher ungebräuchlicher Behälter aus Blech (teilweise Emaille), in dem früher arbeitende Menschen ihr Essen verpackten, um es zum Arbeitsplatz zu transportieren. Begriffsbildend war der Griff - der Henkel -, an dem der Behälter getragen wird.
museum.zib.de/museumsvokabular/demo-sgml/thn/gefaess_196.jpg

Entstanden ist der Henkelmann im Zusammenhang mit der aufkommenden Industrie und in Anlehnung an das vom Militär bekannte Kochgeschirr. Die zur damaligen Zeit recht langen Arbeitstage für die Arbeiter in den Fabriken und auf den Baustellen, zu denen in vielen Fällen auch noch lange Anmarschwege kamen, erforderte eine der schweren körperlichen Arbeit angepasste Verpflegung. Dieser Notwendigkeit trugen findige Köpfe Rechnung, in dem sie ein verschließbares und mit einem Tragebügel versehenes Essgeschirr entwickelten, eben diesen "Henkelmann". Da Werkskantinen zur Gründerzeit der Industrie noch nicht eingeplant waren, mußte die Tagesverpflegung von den Arbeitern selbst mitgenommen werden. Der Henkelmann entwickelte sich zu dem Aufbewahrungsgerät für das Essen der Arbeiter schlechthin. Häufige Inhalte waren einfache Mahlzeiten, wie Suppe oder Kartoffeln, Gemüse und Soße. Bis in die 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts war er weit verbreitet. Die oft in die Tageszeitung eingewickelten Butterbrote und die mit einem Bügelverschluß versehene Kaffeeflasche waren für die Frühstückspause gedacht, während der Henkelmann die Mittagsmahlzeit enthielt.
Dieses Tragegeschirr gab es nun in den verschiedensten Ausführungen, einmal emailliert oder in Aluminium, als Einzelbehälter oder im Doppelpack. Das darin enthaltene Essen mußte natürlich diesen Formen angepasst sein. Also Eintopfgerichte, Suppen und Gemüse "durcheinander".
Für das Aufwärmen der Henkelmänner und Kaffeeflaschen standen in den Fabrikräumen und Baubuden Wasserbehälter auf einem Ofen bereit. Die Wartung der Öfen und das pünktliche Hineinstellen der Behältnisse war in vielen Fällen Aufgabe der Lehrlinge. In Krefeld gab es einen "Wärmwaterparatmaxmester", der morgens in der Werkstatt die Aufgabe hatte, das Warmwasserbad für die Henkelmänner einzurichten.
Schon 1904 liess ein cleverer Erfinder einen beheizbaren Essensträger patentieren:
"Nr. 5548. — 9. Juni. — Essenträger mit Wärmvorrichtung. — J. Schmitz in Ruhrort und Chr. Lummertzheim in Duisbourg" (Memorial Luxemburg n°46 vom 8.7.1904)

"Die im plattdeutschen "Düppen" genannten Essensträger, bekannt auch als "Henkelmänner", sind beispielsweise ein ganz typisches Utensil aus der Zeit der Industrialisierung" "Henkelmann", der in den 1870er Jahren aufkam und bis in die 1960er Jahre Verwendung fand"
www.nrw-stiftung.de/projekte/projekt.php?pid=160

Im Hinteren Orient und in England nennt man das Geschirr "Tiffin-carriers":
penanghokkien.com/?m=200708

Auch die Franzosen kannten dieses Objekt und nannten es "porte-manger" oder "porte-dîner":
"Récipient couvert, en bois, métal ou terre cuite, servant à transporter et consommer les aliments à l'extérieur de la maison.Le porte-dîner, circulaire, à fond plat, est muni d'une anse supérieure fixe ou mobile et/ou de brides pour le passage d'une anse souple ou rigide.Le couvercle, une fois retourné, peut servir d'assiette.Le porte-dîner peut être aussi constitué par deux ou trois récipients accolés ou superposés, vissés ou emboîtés et munis de brides pour le passage d'une anse. Il peut être enveloppé par une doublure en vannerie comportant parfois un réceptacle latéral pour une bouteille ou placé dans un panier à couvercle plat à charnière. La boîte de champs est un porte-dîner en bois, à couvercle vissé et sans éléments de prise, qui peut comporter plusieurs réceptacles superposés emboîtés ou vissés".

Bei der WilhelmEisenbahn in Luxemburg gab es ab 1940 eine Kantine - sie sollte den Henkelmann ablösen:
"Täglich an die 400 warme Essen. Die Reichsbahnbetriebsküche im Hauptbahnhof Luxemburg / Rationelle Resteverwertung. Ehedem war das so, daß unsere Eisenbahner, wenn sie auf Fahrt gingen, alle ihr bauchiges schwarzes Köfferchen bei sich trugen. Was in den schwarzen Köfferchen war? Für gewöhnlich immer dasselbe: ein Topf Kaffee und ein Pack Butterbrote, ein Schnitt kaltes Fleisch oder ein Stummel Wurst, alles Sachen, die ein rechtschaffener Männermagen als Notbehelf braucht, weil ihm ein regelrechtes warmes Mittagessen nicht zur Verfügung stehen kann. Unterwegs stellte dann der Lokomotivführer seinen Kaffeetopf irgendwie an die Dampfröhre, daß er warm werde und der Heizer, der vielleicht mehr auf frischen Aufguß hielt, zapfte sich etwas Wasser aus dem dampfenden Kessel und braute seinen Kaffee an Ort und Stelle, um dann beim Kohlengeschaufel und gewissermaßen so „zwischendurch" seine mittlerweile schon bedenklich trocken gewordenen Butterbrote zu verzehren. Ob das ein gutes, warmes Essen ersetzen konnte, ein richtiggehendes Mittagessen mit Suppe, Kartoffeln und Gemüse? Gewiß nicht, haben sich die vielen tausend Eisenbahner gesagt, als sie vor jetzt genau drei Jahren im Juni 1940 von ihrem Henkelmann Abschied genommen haben, um ständiger Gast in den Reichsbahnbetriebsküchen zu werden" (L.W. vom 31.8.1943).

Noch in den 50/60er Jahren benutzte man die Töpfe in den Schulkantinen:
"Schulspeisung gab es auch, allerdings mussten die Teilnehmer ihren so genannten Essenträger jeden Tag mit zur Schule bringen. Ein solches Geschirr ist im Görziger Dorfmuseum zu besichtigen"
www.suedliches-anhalt.de/fileadmin/vgem/amtsblatt/2006/Amtsblatt_22_06.pdf

Seinen Job verlor der Henkelmann durch das Aufkommen von Werkskantinen und Imbissautomaten, und letztlich durch die verkürzten Arbeitszeiten in der Industrie.


 Lit.:
Der Essenträger. Bemerkungen zu einem Gebrauchsgefäß in Europa und Indo-Pakistan
.The Tiffin-Carrier. Notes on an Object of Daily Use in Europe and Indo-Pakistan
In: Baessler-Archiv, N.S. 42: 385-403 (Publikation der Wissenschaftler des Staatlichen Museums für Völkerkunde München, 1994).

Der vorgestellte Essensträger stammt aus dem Nachlass des Arztes Guillaume KOENER, dürfte aber nicht wirklich in der Praxis benutzt worden sein. Am ehesten hat die Haushälterin darin das Essen des Doktors warmgehalten, wenn dieser wieder mal auf Tour war um Patienten in den Öslinger Dörfern zu besuchen ...

Die Idee für "Essen auf Rädern" entstand in den 1940er Jahren in Großbritannien. 1947 lieferten die Frauen der britischen Wohlfahrtsorganisation WVS („Women's Voluntary Service“, heute „Women's Royal Voluntary Sercive“, WRVS) in Welwyn Garden City die ersten Essen an alte und pflegebedürftige Menschen aus: „meals on wheels“. In den 1960er Jahren kam Essen auf Rädern nach Deutschland. Das Nachbarschaftshaus an der Berliner Urbanstraße versorgte im Juli 1961 erstmals 30 Kreuzberger Rentner mit warmen Mahlzeiten und benutzte dazu "Henkelmänner".
Am 1. April 1974 startete die Stadtverwaltung Luxemburg einen Spezialdienst zur Betreuung hilfsbedürftiger alter Menschen: die Aktion "Repas sur roues". An den Samstagen übernahmen die Malteser die Auslieferung dieses Essens. Am 1. April 1988 wurde diese Aktion auch auf die Sonntage ausgedehnt. Bald übernahmen die Malteser-Helfer diesen Dienst auch täglich in Bartringen und Strassen, und seit 1997 auch in Walferdingen. Ab 1985 versorgte die "Clinique St. Joseph" in Wiltz die Bewohner von Wiltz mit Essen auf Rädern, das aus der Kliniksküche stammte. Fast alle Gemeinde des Landes zogen allmählich nach, sodass heute Essen auf Rädern (sowohl in Deutschland als auch) in Luxemburg flächendeckend (Gemeindeverwaltungen Mersch, Grevenmacher, Mertzig, Ulflingen; Service Servior in den Gemeinden Niederkorn, Dudelange, Hesperange, Differdange, Niederanven, Bofferdange, Roeser, Weiler la Tour ...) verfügbar ist und verhindert, dass alte Leute vorzeitig in ein Altenheim eingewiesen werden müssen, nur weil ihnen das Einkaufen und Kochen Probleme bereitet ...

Nota: ein identisches Exponat befindet sich im Stormarnsches Dorfmuseum in Schleswig Holstein:
www.museen-sh.de/ml/digi_einzBild.php?pi=61_2006-108&inst=61&mab_id=61&nameInst=Stormarnsches%20Dorfmuseum&page=12&action=vonsuche&r=133

Siehe auch Heimat-Museum Zerf. In den 50er Jahren wurde inwendig eine Oxydschicht aufgetragen, die das Aluminium vor Lebensmittelsäuren und -salzen schützte und damit die grosse Schwäche von Aluminium (Geschmacksveränderungen) beim Einsatz als Kochgeschirr behob. Bald aber läutete das AUS auch für diese Töpfe - als Plastik die Haushalte eroberte ...