Diverses


Spucknapf (01)

Crachoir Villeroy&Boch, 1899 

In der Antike hatte Spucke als Heilmittel gegolten
(vgl. allgemeinbildung-online.ch/aktuelles/spuckengeschichte.html.
Mit der modernen Tuberkuloseforschung wurde Spucken zur "unerwünschten Praxis".

Schon 1818 führte die Fa. V&B einen Spucknapf in ihrem Angebot. Unklar ist die exakte Verwendung – von der Gefahr der Übertragung der Tb durch den Auswurf wusste man damals nichts. Der Napf war demnach für die Benutzer von Kautabak bestimmt.
Die preussische Garnison in Luxemburg spuckte zu dieser Zeit fleissig – allerdings in Näpfe aus Blech:
„Versteigerung. Für das königl.-Preuss. Allgemeine Garnisons-Lazareth hierselbst werden folgende Gegenstände gebraucht, und soll deren Lieferung im Wege öffentlicher Submission und Licitation dem Mindestfordernden überlassen werden, nämlich: 100 Stück Spuckkästen von unverzinntem Blech Luxemburg den 16. Juni 1822“
(Inserat in: „Luxemburger Wochenblatt“ vom 22.6.1822)

Für den öffentlichen resp. Krankenhausbedarf stellten die Manufakturen später Spucknäpfe her, die in Gemeinschafträumen aufgestellt wurde – für die Benutzer von Kautabak ebensowie für die „tuberkulösen Rotzerten“. Auf den ersten Blick sind Verwechslungen vorprogrammiert mit Spucknäpfen, die von den Weinkennern beim Pröbeln der Weine benutzt wurden. Weincrachoirs aber haben keine seitlichen Öffnungen!

Das hier vorgestellte Objekt der Firma Villeroy&Boch / Mettlach (Durchmesser 215 mm, Höhe 100 mm) wurde im August 2003 in den französischen Alpen (Gap) erstanden und stammt laut Verkäufer aus einem ehemaligen Herren-Frisiersalon. Hatte der Kunde Platz genommen, wurde der Spucknapf heangeschoben. Hergestellt wurde er gemäβ Stempel im Jahr 1899. Im Katalog von 1897 ist es bereits verzeichnet unter „Articles divers: crachoir forme brasilienne“.
Schwierigkeiten hatte man beim Auswaschen dieses Topfes, da der Deckel nicht abnehmbar war.

Ähnliche Modelle hatte V&B auch 1910 im Angebot – mehrere Modelle mit abnehmbarem Trichter. Offenbar verkauften sich Spucknäpfe zunächst recht gut - das Dresdner Werk von V&B hatte 1910-17 nicht weniger als 22 Modelle im Angebot! 1933 aber bot Dresden nur noch ein einziges Modell an, die V&B-Werke Wallerfangen und Mettlach boten schon ab 1926 kein einziges Modell mehr an: die Zeit der unhandlichen Näpfe war vorbei; metallene Näpfe, insbes. handliche Taschenmodelle, hatten sie abgelöst.

Als Seltenheit findet sich ein Zimmerspucknapf, in eine Holzschatulle eingearbeitet, dessen Klappdeckel über einen meterhohen Griff bedient wird (Toggenburger Museum Lichtensteig)

Abschliessend eine Anekdote aus einem Gymnasium in Delmenhorst:
„Ein Spucknapf in jedem Klassenraum. Seine Existenz ging auf einen Erlaß des Oberschulkollegiums vom 12 11.1901 über Maßnahmen zur Verhütung der Tuberkulose zurück. Dieser Erlaß enthielt dem Inhalt nach u. a. folgende Anordnungen: Das Ausspucken auf den Fußboden in den Räumen in der Schule ist verboten. Es sind insbesondere dort, wo sich ständig hustende, der Tuberkulose verdächtige Kinder aufhalten, zur Hälfte mit Wasser gefüllte Spucknäpfe aufzustellen, die täglich ausgeleert und ausgespült werden müssen. Wahrend des Unterrichts hat der Lehrer eine verstellbare Scheibe eines Fensters offen zu halten. Die Fußböden sind vor dem Fegen mit Wasser zu besprengen. Beim Fegen sind nicht Reisigbesen sondern steifborstige Kehrbesen zu verwenden usw. -- Diese gutgemeinten Anordnungen zeigen, wie hilflos man damals gegenüber einer Volksseuche mit sehr hoher Sterblichkeitsrate war. Der Spucknapf zierte noch viele Jahrzehnte die Klassenzimmer. Er wurde von einigen Lehrern mit lautem Geräusper unter dem Grinsen der Schüler benutzt. Uberhaupt war er für die Schüler ein willkommener Anlaß, Unfug zu treiben. So beklagte sich in den zwanziger Jahren eine Lehrerin bitter bei einem jungen Lehrer über die bösen Knaben ihrer Klasse. Sie hatten einen Bindfaden an dem Napf befestigt und ihn im entscheidenden Augenblick fortgezogen“ (Internet).