Diverses


Spucknapf (09)

Französisches Modell 

Spucknäpfe aus blauem Glas sollten für eine angenehme Farbe sorgen, die den schleimigen Inhalt vergessen machen sollte. Einfache Modelle wie der von der Gläserei Legras / Paris Saint-Denis oder von den 1900 gegründeten Etablissements Charles Leune / Paris hergestellte "Crachoir de poche de Paris LN" hatten eine einzige Öffnung. Dennoch schrieb das Larousse médical noch 1924: "le meilleur parmi les modèles bon marché est celui de Leune". Auch belgische Sanatorien wurden seit Jahren mit diesem Spucknapf beliefert "La fourniture des crachoirs a été continuée à M. Leune, de Paris, aucun autre industriel n'ayant un modèle plus pratique et moins coûteux" (Ligue nationale belge contre la tuberculose. Rapport général sur le quatrieme exercice :1903. Bruxelles). Die aus der Fa Pinot hervorgegangene Fa. Leune - aus der später die "Etablissements H. Greaud" wurden - stellte medizinische und zahntechnische Geräte her. Ihren Sitz hatte sie 98 rue Oberkampf, Paris XIe. 1924 erschien ihr Katalog "Appareils à Pneumothorax artificiel du Docteur Kuss; Crachoirs Hygiéniques individuels & collectifs; Materiel de Laboratoire pour Dispensaire Anti-Tuberculeux, Sanatorium, Hopitaux, etc."

 

Auch in Luxemburg wurden ab 1889 Spucknäpfe im Hospiz benutzt: "Wie in allen ähnlichen Anstalten ist es auch in der hiesigen Spitalabtheilung die Phthise, die am meisten Opfer fordert. Da die Zahl der aufgenommenen Phthisikern immerhin eine relativ große ist. und in Hinsicht auf die Thatsache, dass auch die Phthise als eine ansteckende Krankheit zu betrachten ist, deren Keim namentlich durch Eintrocknung der Sputa der Patienten gefährlich werden kann, haben die Aerzte die Kranken sowohl in der Männer-, wie in der Frauenabtheilung in je einem Zimmer möglichst zu isoliren gesucht. Einem jedem Kranken ist sein Spucknäpfchen angewiesen worden, Fußböden und Wände wurden stets mit feuchten Lappen gereinigt und die Medikamente nach ärztlichen Anordnungen verabreicht" (Luxemburger Wort vom 19.11.1889).

 

In den 1908 in Luxemburg eingerichteten Vorsorgestellen der Antituberkulose-Liga bekam jeder Besucher unentgeltlich einen persönlichen Spucknapf überreicht - dass da finanzielle Argumente zählten, ist selbstverständlich: allzu teuer durften die Geräte nicht sein. Die eher primitiven französischen Spucknäpfe rivalisierten mit den komplexeren deutschen DETTWEILER-Modellen "Dr. DETTWEILER´S TASCHENFLASCHE FÜR HUSTENDE" mit zwei Öffnungen, die gründlicher zu reinigen waren. Dettweiler, der selber an einer offenen Lungentb litt, war gut platziert, um ein besonders geeignetes Fläschchen zu ersinnen. Sein teures Spuckglas gehörte in die Tasche der wohnhabenden Kuristen, das preiswerte "französische" Glas eher in die Hand des "kleinen Mannes".

 

In Deutschland wurde in der Volksheilstätte Vogelsang (des Vaterländischen Frauenvereins der Provinz Sachsen) jedem Kranken gleich bei der Aufnahme eine Spuckflasche ausgehändigt – öffentliche Spucknäpfe waren daher in der Anstalt (mit Ausnahme des Aufnahmezimmers) nicht aufgestellt. Die Reinigung der Spuckflaschen besorgen die Kranken selbst, indem sie den Inhalt auf zur Verbrennung bestimmten Torfmull entleerten und die Flaschen mit Lysolfiüssigkeit und Wasser nachspülen. Letzteres wurde, bevor es den Abwässern zufloß, in besonderen Dampfkochapparaten zum Kochen gebracht.

 

Bis in die kleinsten Dörfer wurde die Kunde getragen, auch in Luxemburg: "Harlingen, 7. Dez. In unserem Volksverein hielt Hr. Dr. Ecker aus Bissen einen sehr lehrreichen Vortrag über die Tuberkulose und ihre Bekämpfung" (Luxemburger Wort vom 7.12.1912).

 

Die ganze Hygienekampagne half herzlich wenig, der Bodenbelag auf Bahnsteigen und in Wartezimmer auf Bahnhöfen blieben glitschig. Es kam gar der blöde Witz auf: "Was ist ein Spucknapf? Antwort: ein kleiner Topf, rundum den man spucken kann".

 

Die blauen Flaschen wurden zum Erkennungszeichen der Tuberkulösen, so im Tb-Kurort St. Blasien im Schwarzwald:
"Obwohl die Patienten das Klinikgelände eigentlich nicht verlassen sollten, waren sie Überlieferungen zufolge immer wieder in der Stadt, zu erkennen an ihren Spuckflaschen" (Badische Zeitung vom 14. 6, 2012). Wie auch immer. Ob mit einem "Blauen Heinrich" oder ersatzweise einem "japanischen Taschentuch": man war gebrandmarkt, als ansteckend stigmatisiert.

 

Vorgestellt wird ein 10 cm hoher "Crachoir de poche de Paris LN" mit einer 3 cm grossen Öffnung. Metalldeckel mit Gummidichtung und Bajonett-Verschluss.