Pharmazie


Apotheke Echternach 1-2

abb1324
um 1942 

Hirschapotheke. Ansichtskarte von 1942, Bild von der Aussentreppe der Apotheke in Richtung Dingstuhl aufgenommen.

Es gibt sie in Villefranche-sur Saône, in Brumath, in Plobsheim... Die älteste Apotheke Frankreichs war jahrelang die "Pharmacie du Cerf" auf dem Kathedralenplatz in Strassburg (1268) - sie ist seit Jahren Billetterie der kulturellen Einrichtungen der Stadt. In deutschen Städten ist die Bezeichnung noch häufiger. Allein in Luxemburg gibt es eine zweite Hirschapotheke in Mersch.

Warum der Name HIRSCH-Apotheke ? Unsern Vorfahren galt der Hirsch - als Begleiter des hl. Hubertus, Eustachius, Thelau und Edern - mystisch verklärt, und Christus als dem Spender ewigen Lebens verbunden. Das Hirschgeweih wurde zur Darstellung eines Liebeszaubers benötigt:
"Ein Hirschgeweih und eine Wegwarte benötigt man für einen Liebeszauber. Dazu soll man am Tag des Heiligen Petrus (29. Juni) um „zwei Uhr zur Vesper” mit einem Hirschgeweih ausgehen und mit diesem eine Wegwarte ausgraben. Wen man dann mit diesem Kraut berührt, der sei einem in Liebe zugetan" (Sieg S. 97) - der Apotheker als Nachfolger der mittelalterlichen Zauberer ?
Schriftsteller und Maler haben aus dem Hirschen das Sinnbild der "Vorsicht" gemacht, da er in der Richtung des Windes flüchtet und instinktiv die für ihn zutreffenden Heilkräuter ausmachen kann. Symbol der Vorsicht, die der Apotheker walten lassen muss ? Vor allem aber ist der Hirsch eine klassische Figur der ALCHEMIE - Symbol des "philosophalen" Quecksilbers und des Geistes (männliches Prinzip), während das Einhorn für Schwefel steht (weibliches Prinzip) (zit. Jean Chevalier, Dictionnaire des symboles, 1982 S. 198). Man weiss um die Vorliebe der früheren Apotheker für Al- und Chemie...
Als Bild der Schnelligkeit werden die horntragenden Tiere Hirsch und Gazelle im Alten Testament erwähnt (Hld 2 9-17) - sicherlich kein Grund für einen Apotheker, seine Offizin nach diesem "schnellen" Tier zu benennten. Der Name hat schon gar nichts mit dem blauen röhrenden Hirsch der Kulturstadt Luxemburg 2007 zu tun. Er erinnert vielmehr (neben der oben angeführten alchemistischen Bedeutung) an die vielen pharmazeutischen Produkte, die unsere Vorfahren dem Hirschgeweih entnahmen:
*Die "Herzsteine (Knorpel) von Hirsch und Steinbock gehörten zur Gruppe tierischer Konkremente, in denen man die volle Kraft der Tiere sah, die man medizinisch nutzen wollte.
* Hirschbezoare - vielfach zu benutzen ... * um Mund und Zähne gesund zu halten und den Atem wohlriechend zu machen, kaute man wohlriechende Blätter, machte Spülungen mit Wein, in dem Wurzeln aufgekocht wurden und behandelte die Zähne mit verschiedenen Zahnpulvern, deren Hauptbestandteile gebranntes Hirschhorn, gestoßener Marmor und verschiedene Wurzeln waren.
* "Les bois du cerf étaient utilisés au XVIe siècle pour débarrasser l’homme des vers qui le parasitent. «Pline dit que le cerf est capable de manger des serpents, explique le jeune historien lausannois. L’usage particulier décrit ici constitue vraisemblablement une évolution de cette légende» - ein eher magisches Wurmmittel demnach, entstanden gemäss der Signaturenlehre...
* Hirschhornsalz (sal volatile cornu cervi) wird durch "trockene Distillation" des Hirschgeweihes gewonnen - ein heute eher obsoletes "Backpulver", bestehend aus einer Mischung von Ammoniumkarbonat, Ammoniumhydrogenkarbonat und Ammoniumkarbamat, die in der Backhitze zu Kohlendioxyd, Ammoniak und Wasser zerfallen.
* Hirschhorngeist - Ammoniak - wird durch die gleiche Distillation gewonnen und wurde medizinisch benutzt.
* Hirschhorntalg (sebum cervinum) ist der ausgeschmoltene Talg des Hirsches. Die Salbe wird seit Jahrhunderten benutzt, früher rieb sich jeder Reiter den Pöter vorsorglich damit ein, um keine Blasen zu bekommen. Haemorrhoiden wurden damit bestrichen ebenso wie wunde Brustwarzen ...

... Gründe genug für einen angehenden Apotheker, seinen Betrieb "Hirschapotheke" zu nennen !