Pharmazie


Eau des Carmes

 

Ordensapotheken widmeten sich seit der Frühen Neuzeit gezielt der Herstellung von Arzneien und entwickelten sich zu Zentren der überregionalen Heilmittelversorgung. Man weiss um die Streitereien zwischen den privaten Apotheken und den Klosterapotheken im 18. Jahrhundert (Jesuiten in Nancy, Benediktiner in Echternach). Aus diesen Klosterapotheken sind eine Reihe "wundersamer" Mittel überliefert:

  • die Antoniter hatten ihren "Antoniuswein", in den sie 14 Kräuter eingelegt hatten (siehe Isenheimer Altar) um Kranke mit brandigen Gliedern zu behandeln - das exakte Rezept ist im 17. Jahrhundert verloren gegangen.
  • die 'Eau d'arquebuse" zu deutsch Arkebusade der Patres von Orval, ein Elixir, das ursprünglich für die "arquebusiers", die Scharfschützen von François I entwickelt wurde, um ihre Wunden zu behandeln. Ein wunderbares Mittel, das von der Abbaye de St.Chef und vielen andern imitiert wurde,
  • die "Eau prophylactique" des Doktor SYLVIUS , das vor Fieber schützte und von den Franziskanern vertrieben wurde.
  • der "Baume du Commandeur", mit dem die gleichenFranziskaner Geschäfte machten. Was die wenigsten wissen: diese Tinktur konnten Frauen trinken, um die Regel "kommen zu lassen" (Diderot d'Alembert) - folglich als Abortivum !
  • die Jesuiten handelten mit Chinarinde aus den Kolonien, das unter dem Namen "Jesuitenpulver" vertrieben wurde,
  • die "Eau d'Emeraude" der Benediktiner aus Bouzy mit ihren Salbei- und Rosmarinölen,
  • die "Eau de la reine de Hongrie", eine Rosmarinessenz der Kapuziner aus dem Louvre in Paris,

    Von diesen "frommen" Präparaten sind vor allem die Melissepräparate im Sortiment moderner Drogerien und Apotheken übriggeblieben:

  • der "Klosterfraumelissengeist" im deutschen Sprachraum, um 1800 von einer in Brüssel geborenen Ordensfrau entwickelt.
  • Im 10. Jahrhundert hatten französische Benediktinermönche die Melisse aus Spanien nach Frankreich eingeführt und erfreuten sich an seiner erfrischenden und herzstärkenden Wirkung. Ein namentlich nicht bekannter Arzt entwickelte zu Beginn des 17. Jahrhunderts ein stärkendes Getränk, dessen Hauptbestandteil Melisse war und verschenkte die Rezeptur 1611 an einen Pater des Karmeliterordens, Pater DAMIAN. Die "eau de mélisse", welches die barfüssigen Karmeliter ab 1611 verkauften, half gegen die Miasmen - den üblen Geruch der Pest. Seine Wirkung führten gläubige Leute direkt auf die Frömmigkeit der Patres zurück und nicht auf die Inhaltsstoffe! Unter Ludwig XIII fand das Produkt seinen prominentesten Anhänger: Kardinal Richelieu, der damit gegen seine Migräneattacken und Verdauungsprobleme ankämpfte. Das rote Siegel, das man an jeder Flasche entdecken kann, erinnert an eine üble Geschichte: Feinde von Richelieu wussten um seine Vorliebe für den Melissengeist und gossen Gift in eine angebrochene Flasche! Richelieu roch, dass mit dem Flascheninhalt etwas nicht stimmte und entging dem Komplott. Seither wird jede Flasche versiegelt (siehe rotes Siegel am Flaschenhals).

    1709 liessen die Patres das Getränk patentieren, 1831 verkaufte der letzte der Patres, Pater PARADIS, die Rezeptur an den Apotheker (?) Amédée BOYER. Um sich gegen Nachahmungen zur Wehr zu setzten brachte dieser auf den Fläschchen seine Unterschrift und seinen Fingerabdruck an.

    Heute wie vor 400 Jahren wird das Produkt aus 23 Pflanzen komponiert (das Betriebsgeheimnis liegt im Mengenverhältnis dieser Komponenten):
    14 Medizinalpflanzen:
    Angelika - Beifuss - Bohnenkraut - Kamille -Kresse -Lavendel - Maiglöckchen -Majolika - Melisse - Rosmarin - Salbei - Schlüsselblume - Thymian - Zitronensaft .
    9 Gewürze :
    Angelikawurzel - grüner Anis - Enzianwurzel - Fenchel -Koriander - Muscat - Nelke - Sandelholz - Zimt .