Pharmazie


Kalomel und DOWER

 

Gläser mit Korken und Zinnhut, ausgehendes 19. Jahrhundert
Flacons avec capuchon en métal.

 

 

     Ende des 19. Jahrhunderts wichen die Töpfe aus Steingut und aus Porzellan - Gläser machten sich nun in den Regalen der Apotheken breit.

 

    Trotz ähnlichem Gewandt kann man sich kaum 2 unterschiedlichere Medikamente vorstellen:
- das 1608 von dem französischen Arzt und Chemiker Jean BEGUIN (1550–1620) angegebene mineralische Kalomel, chemisch Hg2Cl2, und
- das 1732 von dem englischen Arzt und Piraten Thomas DOVER (1660-1742) angegebene und nach ihm benannte pflanzliche Pulver.

 

1. Kalomel als quecksilberhaltiges Mittel, das im 17. Jahhundert von dem Genfer Arzt Théodor Turquet de MAYERNE (1573-1655) das Mittel in die europäische Pharmakopoe eingeführt wurde. Im 18. Jh. gehörte es in jede Arzttasche! Es war geeignet zur Behandlung von Syphilis, aber auch anderen fiebrigen Krankheiten (Scharlach, Gelbfieber), bei denen ein starkes Abführmittel gewünscht war. Auch wenn vielen Patienten Haare und Zähne ausfielen, so war es in den Zeiten der "Heroischen Medizin" das Standardbrech- und Abführmittel. Erstaunlich sein Gebrauch zum Einleiten einer Geburt! Da es während der Zahnung der Kinder verordnet wurde und es zu massiven Überdosierungen kam, wird Kalomel mitverantwortlich gemacht für die hohe Kindersterblichkeit im 18. und frühen 19.Jh. Bis in die 1990er-Jahre finden wir Kalomel als Spermizid in chemischen Verhütungsmitteln.


2. Kurios ist, dass ausgerechnet DOVER von seinen Zeitgenossen "Doctor Quicksilver" genannt wurde, obwohl in dem nach ihm benannten DOVER'schen Pulver kein Quecksilber enthalten war! Sein Präparat - eine geschickte Mischung von Opium und Ipecacuanha - wurde ursprünglich gegen Gicht verschrieben, entwickelte sich aber bald zu einem weit verbreiteten Expectorans, Fieber- und Schmerzmittel – bis ihm der Rang vom Aspirin abgelaufen wurde. Die Brechwurzel wurde bereits im 16. Jahrhundert in Europa beschrieben, konnte sich jedoch vor allem wegen vielfältiger Beschaffungsprobleme nur langsam durchsetzen, zumal man erst im 18. Jahrhundert lernte, die Pflanze zu kultivieren. Unter der Bezeichnung Ipecacuanha wurden alle möglichen mehr oder weniger emetisch wirkenden Drogen gehandelt, was selbst Carl von Linné verwirrte, der drei verschiedene »Brechwurzeln« benannte. Trotz seines hohen Gehaltes an Opium kamen kaum Unfälle damit vor (sogar an Kinder wurde es verabreicht), da in zu hoher Dosierung das Ipecacuanhua – welche Pflanze auch immer damit gemeint war - seine Funktion als Brechmittel voll entfaltete, sich der Patient wortwörtlich "gesundkotzte".


Zur Person DOVER's.
Thomas DOVER kam 1660 in der Grafschaft Warwickshire /Cotswold als 8. Kind eines Reitersoldaten zur Welt. Medizinstudium in Oxford und Amsterdam, wo er ein Praktikum bei dem berühmten SYDENHAM absolvierte. 1695 in Bristol niedergelassen. Als Riesenprofite im Sklavenhandel winkten, heuerte er als Schiffsarzt ein, später war er Kapitän – als reicher Mann investierte er sein Geld im Unternehmen des Piraten William Dampier. Ihre Beutefahrten führten beide in den Südpazifik, wo sie auf einer der Juan-Fernández-Inseln vor der chilenischen Küste Alexander Selkirk aufgabelten, einen schottischen Seemann, den man nach einer Meuterung auf der kleinen Insel ausgesetzt hatte. Diese Rettung wurde Vorlage für den 1719 erschienenen Roman von Daniel Defoe "Robinson Crusoe".
Die "Südsee-Kompanie", in die DOVER sein ganzes Geld investiert hatte, machte 1720 bankrott, alles Geld war futsch, DOVER sah sich genötigt, zu seinen alten Tagen wieder Arzt zu spielen. Er etablierte sich in Gloucestershire, dann in Bristol, schliesslich in London, wo er ein angesehener Kollege wurde. Er starb 1742 im biblischen Alter von 80 Jahren, begraben wurde er in der Kirche von Stanway, in der Nähe von Winchcombe in der Region Cotswold.

 

Exponat

Zwei 16,5 cm hohe Glasbehälter mit Zinnhütchen, erstanden bei einem professionellen Händler auf einem Strassenmarkt in Gap im August 2012.