Pharmazie


Spalttablette

 

Der Berliner Industrielle in der Pharmabranche (und spätere Geheimrat) Maximilian Baginski (geb. am 7.6.1891, gest. am 19.3.1964, beigesetzt in Bad Soden) wünschte sich eine unverwechselbare Pille und beauftragte seinen Tabletten- meister:
"Sagense mal Meester, könn’se en Loch in ne Tablette machen, oder ne Kerbe oder sonst wat, det man im Dunkeln fühlen kann, wat es is".
Eine Kerbe in der Tablette - das war die Idee!

1932, im Todesjahr von MUCH, gründete Baginski die "Prof. Dr. Much AG" - als Erfinder der Spalttablette gilt daher Prof. Dr. med. Hans MUCH (1880-1932), ein Dichter, Tuberkuloseforscher, erklärter Vivisektionsgegner - und seinerzeit Direktor des Instituts für Serologie und experimentelle Therapie am Eppendorfer Krankenhaus in Hamburg.

Am 21.6.1932 wurde die Spalt- Tablette eingeführt. Das Unternehmen "Prof. Dr. Much AG" - erst in Berlin, dann in Bad Soden - startete noch im gleichen Jahr eine groß angelegte Werbekampagne: Jede Apotheke erhielt als Erstausstattung kostenlos zehn Zehner- und zehn Zwanziger-Packungen, die schnell vergriffen und nachbestellt wurden.

In den 30er Jahren kosteten

  • 10 Stück 62 Pf.
  • 20 Stück 1.16 RM
  • 60 Stück 2.85 RM (Nachgelesen bei Sabine Hering, Die unpässliche Frau, Mabuse Verlag 2002 S. 120).
    Werbung war grossgeschrieben - 1932 und 1933 gab die Much AG 60 Prozent des Umsatzes für die Spalt-Werbung aus. Das rechnete sich: 1938 war Spalt neben Aspirin und Togal eine der bekanntesten Schmerzmittelmarken. Ein „Schwindler“ aus Gelsenkirchen wollte 1949 am Ruhm teilhaben und stellte ebenfalls „Spalt-Tabletten“ aus einem wertlosen Gemisch her. Er ließ mittels einer kleinen Feile den Spalt in Handarbeit einfeilen. Doch die Polizei legte ihm das Handwerk, er wurde entsprechend bestraft. In den 1950er Jahren wurden die weißen Tabletten im damaligen Metallröhrchen mit der Aufschrift „nur echt mit diesem Spalt“ zur meist gebrauchten Schmerztablette Deutschlands.

    In der Zeit von 1932 - 1965 war die "Spalt-Schmerztablette" auf dem Markt in folgender Zusammensetzung (Auskunft der Firma Whitehall, mitgeteilt von Herrn Erwin Gruhn, dem ich von hier aus für seine Hilfe danke):
    Phenacetin: 276 mg
    Phenazonsalicylat: 166 mg
    Benzyl-DL-mandelat: 50 mg
    Coffein: 50 mg
    Die Zusammensetzung der Tablette wechselte allem Anschein nach mehrfach. So ist auch die Zusammensetzung
    Amidopyrin 0,1
    Phenacetin 0,3
    Bellzylsuccinat 0,05
    Coffein 0,05
    überliefert (Fa. Dr. BALLOWITZ & Co, Berlin-Pankow, Arkonastrasse 45-51, auf dem gleichen Gelände produzierten im Übrigen auch die Dr. MUCH-Werke). Heute besteht das Präparat aus Acetylsalicylsäure und Paracetamol.

    Die Spalt-Tablette wird heute vertrieben von der Firma Whitehall-Much GmbH / Münster - einer Tochter des Giganten Wyeth.

    Lit.:

  • Rainer Wirtz: Leben und Werk des Hamburger Arztes, Forschers und Schriftstellers Hans Much (1880-1932) unter besonderer Berücksichtigung seiner medizintheoretischen Schriften. Doctoral dissertation, Rheinisch-Westfälische technische Hochschule 22.03.1991. Zugl.: Studien zur Medizin-, Kunst- und Literaturgeschichte; Bd. 26. Herzogenrath 1991.
  • A.A. Friedländer: Hans Much. Münchener medizinische Wochenschrift, 1933, 80: 23-24.