Pharmazie


Versilberungs-Kugel aus Buchsbaum

engl. boxwood pill silverer, frz. boîte à argenter en buis

 

 

Die heute verlassene Sitte, Pillen zu vergolden und zu versilbern geht auf den grossen persischen Arzt AVICENNA zurück - Psychologie vom Feinsten, schluckt doch der edle Patient versilberte oder gar vergoldete Pillen viel eher als banale Pille, wie sie an jeder Strassenecke feilgeboten werden. Neben dem Luxus gab es eine halbwegs medizinische Indikation zur Versilberung von Pillen: wenn sie allzu scheusslich schmeckten! Der Überzug verhinderte den Kontakt mit den Geschmackspapillen, selbst bittere Pillen werden so anstaltslos geschluckt z.B. schwefelsaures Chinin.

 

Während das Versilbern und Vergolden von Speisen in Österreich 1514 verboten wurde, ging das Versilbern von Medikamenten munter weiter. Selbst das Wiener Schnitzel soll ein Überrest der einstigen "goldenen" Panaden sein.

 

Technik
Die rohen Pillen wurden mit einem Harzgummigemisch eingerieben und dann in der Versilberungskugel sachte geschüttelt, sodass sie an der Wand entlang rollten. Nach wenigen Minuten waren sie mit dem edlen Silber überzogen und funkelten wie wertvolle Juwelen.

 

Es versteht sich von selbst, dass versilberte Pillen besonders teuer waren: Apotheker mit ärmlichem Klientel besassen keine Versilberungskugel. Diese befand sich ausschliesslich in Apotheken mit gutbürgerlichem und adligem Klientel ...

"Zuweilen werden die Pillen, anstatt sie mit einem Pulver zu bestreuen, vergoldet oder versilbert. Zu dem Ende legt man einige Gold- oder Silberblättchen in eine kleine runde aus 2 Halbjugeln bestehende Büchse, bringt darauf 10-20 oder mehr Pillen, bedeckt diese wieder mit einigen Blättchen, verschliesst die Büchse und schwenkt sie eine Zeitlang im Kreise; die vorher noch ein wenig feuchten Pillen werden jetzt mit Gold oder Silber überzigen seyn" (Philipp Lorenz Geiger, Handbuch der Pharmacie, Erster Band S. 143 Heidelberg 1824).

 

Wünschte der verschreibende Arzt eine Versilberung der Pillen, so musste er dem Rezept die Formel anfügen: "Obducantur foliis argenti"- abgekürzt "Obd.fol.arg.".

Die Versilberung war schon im 18. Jahrhundert umstritten: "Der Apotheker bedient sich des Blättchensilbers (Argentum foliatum), um aus Luxus die Pillen zuweilen damit zu versilbern, ein Verfahren, wodurch diese ohnehin schon in unsem Magen schwerauflösliche Arzneiform nur noch unauflöslicher und unwirksamer wird" (Samuel Hahnemanns Apothekerlexikon, Leipzig 1799, 2. Theil, 2. Abtheilung S. 216) .

Eine weitere Gefahr lauerte bei der Versilberung: schon AVICENNA war bei Langzeitanwendung von Silber auf das Phänomen der Argyrie gestossen, der Vergiftung mit Silber ...

In der Umgangssprache heisst "eine pille versilbern" einer üblen Sache einen gefälligen Anstrich geben.

In der Weltliteratur gibt es eine klassische Szene, in welcher eine Versilberungskugel vorkommt: bei Molière wird der Geizige dazu verführt, eine Schachtel Pillen einzustecken, um das daran befindliche Silber auszubrennen!.

 

 

Exponat

Wir stellen eine bulgarische Kugel aus Buchsbaum vor, mit einem Innendurchmesser von 9 cm. Man beachte die sehr seltene bandartige Ciselierung der Oberfläche