Pharmazie


A book (1) to start: Pierre POMET

Seltene englische Ausgabe von 1748 

 

 

Als Sohn von Pariser Geschäftsleuten, hatte Pierre POMET (1658-1699) schon als Kind Kontakte zum Handel mit Heilpflanzen. Auf Reisen durch Italien, England, Deutschland und Holland erweiterte er seine Kenntnisse auf dem Gebiete der Pharmazie. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich eröffnete er in Paris ein gut assortiertes Warenhaus (keine Apotheke !) mit medizinischen Artikeln und genoss schon bald die Achtung der angesehendsten Ärzte.

 

Unter Louis XIV wurde POMET Hofdrogist. Immer wieder wurde er zu wissenschaftlichen Vorträgen in den "Jardin des Plantes" eingeladen.

 

Als  Gewürz- und Drogenhändler war er nicht befugt, eine Apotheke zu führen (!), gilt dennoch als "Vater der Pharmakognosie in unserem Sinne" (Alexander Tschirch) und sein Werk durch die neuartige Einteilung der Materialien als erstes illustriertes Handbuch der Pharmakognosie: 

seine "Histoire générale des drogues" wurde 1694 erstaufgelegt und entwickelte sich zum europaweit benutzten Standardwerk des frühen 18. Jahrhunderts. Es erfuhr eine 2. franz. Auflage 1735 mit Ergänzungen aus der Feder seines Sohnes Joseph POMET, Leiter der Hospitalapotheken von Paris. 

 

Uns interessieren hier eher die Übersetzungen
- ins Deutsche [Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Der Spezereyen und Materialien Hauptbeschreibung, darinnen diejenigen Kräuter, Thiere und Mineralien, samt deroselben Theilen, mit einem Worte, alle und jede Simplicia und Composita, welche die Spezereyenhändler und Materialisten ordentlich führen und verkauffen dürffen, beschrieben und vorgestellet werden. Leipzig 1717. Leipzig. Gr.-4°. 2,8 Bll., 901 Sp. m. zahlr. Tfln.]. Reprint 1987.


- ins Englische [A Compleat History of Druggs...Divided into Three Classes, Vegetable, Animal and Mineral; With their Use in :Physick, Chymistry, Pharmacy, and several other Arts: Illustrated with above Four Hundred Copper Cutts Curiously done from the Life... London, William Freeman, et al, for R. Bonwicke, 1712.]. Zweite engl. Auflage 1724/1725, dritte engl. Auflage 1737. Schon die Ausgabe von 1725 beinhaltete die Ergänzungen der französischen Kollegen Joseph Pitton de Tournefort und Nicolas Lémery.

 

Das Werk ist bekannt wegen der zahlreichen Kupferstiche, die Pflanzen und Tiere darstellen, die in der Apotheke Verwendung fanden. Besonderes Interesse finden unter Sammlern die Darstellungen von Alltagsszenen (Verarbeitung von Vanillin, Tabak, Honig, Seide). Andere bekannte Blätter stellen Walfische, Einhörner, Elefanten und Rhinozerosse dar.

 

POMET schrieb ein zweites, weniger bekanntes (nicht illustriertes) Werk: "Droguier curieux, ou catalogue des drogues simples et composées" (Paris, 1695, 1709).

 

1688 schenkte ein Freund Pierre POMET eine Zibetkatze (Bericht S.17), die er über ein Jahr in einem Käfig hielt, und die Sekrete sammelte, die von den Afterdrüsen ausgeschieden wurden - aus Holland importierter Zibetextrakt war ein begehrter Artikel in der Parfum-Industrie. Leider war das POMET'sche Pulver schmutzig gelb, während das Konkurrenzpräparat aus Holland schneeweiss war: was POMET nicht wissen konnte, war die besondere Ernährung, die die Holländer ihren Tieren zugutekommen liessen: Milch und Eiweiss...

"Civet put up in a Pessary prevails against hysterical Fits and Vapours ... Civet is anodyne and good for the Colick in Infants, if applied to the Navel. Its external Use in hysterical Cases, which was once very commun, is found to be not only useless but hurtful, and therefore wholly laid aside at present" (Lemery, in: POMET, General History of Drugs, Of Animals S. 18).

Pharmazie


A book (2) to continue: DORVAULT

Pharmacopoe von 1910 

Moderne Pharmacopeen sind schwere Wälzer, mit endlosen Kleindruckseiten...
Ernest Lépinois "docteur en pharmacie, ex-Interne des Hôpitaux de Paris" und Ch. Michel "pharmacien, docteur en médecine, Licencié ès sciences physiques und ex-Interne en Pharmacie" gaben 1910 bei Asselin & Houzeau in Paris diese 1865 Seiten starke 15. Ausgabe des Buches "L'OFFICINE, ou Répertoire général de Pharmacie pratique" heraus.

François-Laurent-Marie DORVAULT kam 1815 in Saint Etienne-de-Montluc (Loire inférieure) zur Welt. Die armen Eltern konnten ihm nur eine unvollständige Schulausbildung vermitteln. So kam er 1836 in Paris an - mit nichts als dem Willen, es zu etwas zu bringen. Er wurde "Lauréat" der Ecole de pharmacie de Paris, dann Apotheker. 1841 eröffnete er eine Offizin im Zentrum der Hauptstadt, 7 r. de la Feuillade. Die Ärzte verschrieben unentwegt Mittel, die in dem damaligen Codex nicht verzeichnet waren. DORVAULT beschloss, Remedur zu schaffen und kratzte aus sämtlichen medizinischen Werken seiner Zeit die Rezepturen heraus - ein wahrhaft gigantisches Unterfangen. Die erste Auflage seiner "Officine" erschien 1844.

Er gründete um 1847 eine Fachzeitschrift, die "Union pharmaceutique, aus der 1860 die "L'Union pharmaceutique" wurde.

Um dem Druck ausländischer Produkte besser standhalten zu können gründete DORVAULT eine Zentrale der französischen Apotheker, in der alle Produkte auf Lager waren, die "Pharmacie Centrale", die 1852 in Paris eröffnet wurde.

DORVAULT starb in Paris am 16.2.1879.

Pharmazie


Abnehmen

EUPOND
 

Die alten Griechen mochte es schlank und sportlich, die Römer fett und behäbig - ein aesthetisches Problem. Zum medizinischen Problem wurde Übergewicht, als der Zusammenhang mit Herzkreislaufkrankheiten nachgewiesen wurden.

 

Eine Hälfte der Weltbevölkerung hungert, die andere prasst und ist bemüht, nach der Völlerei wieder abzunehmen, weil nun Herz-Kreislaufprobleme drohen.

 

Nachdem Ärzte und Gerichte gegen den Einsatz gesundheitsgefährdender Chemikalien Sturm gelaufen waren, brachte Südmedica G.m.b.H, München 1953 ein "Entfettungsmittel" auf den Markt "völlig unschädlich, frei von Hormonen, Jod, Schilddrüsensubstanzen, Borsäure u. Weckaminen".

 

 

Zusammensetzung: Radix cichor. intyb. / Ononidis / Petroselini / Folia Betulae / Extract. Aloes / Cortex Frangul. / Atropin 0,00006 / Theobromin / Acid. dehydrocholic. / Extr. ves. felleae.

(Eupond consists of Aloe, Atropine Sulfate, Birch Leaves, Cichorium, Dehydrocholic Acid, Frangula Bark, Ononis, Ox Bile, Parsley, Theobromine).

 

 

"Die anstrengende berufliche Tätigkeit des Menschen nimmt in zunehmendem Maße jede Möglichkeit zu ausgleichender Bewegung oder sportlicher Betätigung. Besonders gefährdet sind die Altersstufen zwischen 40 bis 50 Jahren. Es sind vor allem gesundheitliche Gründe, die eine entsprechende Therapie erfordern. In der bisherigen medikamentösen Behandlung der Adipositas wurden fast ausschließlich Purgativa, Diuretika und appetit-hemmende oder stoffwechselsteigernde Mittel eingesetzt. Ein neues therapeutisches Prinzip, das in wesentlichen Punkten vom bisherigen Schema abweicht, vertritt Eupond. Es werden pathogenetische Faktoren miterfaßt, die nach neuesten Untersuchungen entscheidenden Einfluß auf die Ausbildung der Fettleibigkeit haben. Die im Eupond vereinigten und sorgfältig ausgewählten pflanzlichen Wirkstoffe erreichen: 1. Förderung des Stoffwechsels als Voraussetzung für raschen Abtransport und Verhütung von neuem Fettansatz: Ersatz der mangelnden Bewegung! 2. Förderung der Wasserausscheidung und Abbau des überschüssigen Gewebswassers. 3. Beschleunigung der Darmpassage zur Herabsetzung der Nährstoffaufnähme. Mit der Erfassung dieser wesentlichen Ursachen der Adipositas besitzt Eupond einen Wirkungsmechanismus, der unter Verwendung kleinstdosierter Einzelkomponenten den physiologischen Verhältnissen nahekommt. Eupond kann über lange Zeiträume — ohne Gefahr einer Gewöhnung — eingenommen werden. Zur Sicherung einer erfolgreichen Kur und zur grundsätzlich zweckmäßigen Kontrolle der Kalorien- und Flüssigkeitszufuhr ist die Einhaltung einer entsprechenden Diät angezeigt; hierfür steht die ausführliche Eupont-Diätvorschrift zur Verfügung.   (Abgabe auf Anforderung kostenlos.)" (Physikalisch-diätetische Therapie in Klinik und Praxis, 4. Jahrg., Heft 11, November 1963).

 

Lit.: W. Heckenbach, Eupond bei Fettleibigkeit, in: Medizinische. 8. Januar 1955.

             https://www.brigitte.de/gesund/abnehmen/geschichte-des-abnehmens--verrueckte-diaeten--eine-zeitreise-10144522.html

 

Exponat

Blechdose, 250 Dragées zur Entfettung, Entschlackung, Entwässerung, Stimulierung. Maße 9,5 cm x 6,3 x 5 cm.

Herkunft: Flohmarkt Völs 9/2018.

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Acetanilid

aced
 

 

Die Darstellung von Anilin aus natürlichem Indigo gelang 1826 dem deutschen Apotheker Otto Paul UNVERDORBEN (1806-1873). Durch Einwirkung von Acetylchlorid auf dieses Anilin entdeckte der Straßburger Liebigschüler Charles Frédéric Gerhardt (1816-1856) 1843 das Anilin-Derivat  A c e t a n i l i d.

 

Durch eine zufällige Verwechslung wurde um 1886 im Arbeitskreis von Adolf KUSSMAUL (1822-1902) an der Universität Straßburg von den Assitenzärzten Arnold CAHN (1858-1927) und Paul HEPP die fiebersenkende und schmerzstillende Wirkung von Acetanilid festgestellt, als sie einem "Wurmpatienten" versehentlich Acetanilid anstatt von Naphtalen gaben: da der Patient nicht nur Würmer, sondern überdies Fieber hatte, stellten sie eine ungewohnte Senkung dieses Fiebers fest!

 

Unter dem Namen ANTIFEBRIN® wurde die Verbindung ab 1887 als Antipyretikum und Analgetikum von der Fa. Kalle aus Biebrich vermarktet - der erste Anilin-Abkömmling, der in der Medizin als schmerzlindernder und fiebersenkender Wirkstoff eingesetzt wurde.

 

Acetanilid wurde früher häufig verwendet, heute wird es wegen seiner Methämoglobin-Bildung nicht mehr eingesetzt.

 

Exponat

20 cm hohes, weithalsiges, 1Liter-Apothekerglas. Durchmesser der Basis 10 cm, Durchmesser der Öffnung 4.5 cm. Deckel vorhanden, nicht abgebildet. Mundgeblasen mit Luftbläschen; blau/grün getönt; im Boden, in einer viereckigen Vertiefung mit abgeschrägten Ecken, die Zahl 1000 (für ein Fassungsvermögen von 1000ml). Aus einem Apotheken-Nachlaß in Oldenburg, um 1900. 

Pharmazie


Albarello

um 1900 

Der Albarello leitet sich in seiner taillierten Form von Bambusgefässen ab, und wurde von den Arabern in die Pharmazie eingeführt.

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Der Albarello ist ein zylindrisches Gefäss mit flachem Fuss und einer zentralen Verjüngung die das Festpacken erleichtern sollte. Unterhalb des oberen Randes gestattete ein Wulst das Schnüren eines Pergamentblattes als Deckel. In den Albarellen wurden in den Apotheken Salben und Spezereien aufbewahrt, auf Kirchenaltären steckte man gelegentlich Lilien hinein. Das Wort leitet sich aus dem Persischen ab (el barani), was soviel wie Salbenbehältnis bedeutet. Als die Gefässe erstmals in Europa auftauchten, nannte man sie „Damaszener Töpfe“ – aus Damaskus. Die alten Standgefässe aus Majolika sind heutzutage kostbare, im Original unerschwingliche Sammlerobjekte, mit z.T. reichem, phantasievollem Dekor.

Vorgestellt wird ein 28 cm hoher Albarello, erstanden in Gap im August 2004. Kein Firmenstempel.

Der Zichorie (lat. cichorium intybus L., frz. chicorée sauvage, dtsch. Wegwarte, lux. Schikri, Schiggriskraut) wurden magische Kräfte zugegeben, insbesondere galt die Pflanze als Liebesmittel:
« Un moyen de « fixer l’amour », la chicorée qui inspira de belles légendes où des princesses attendent fidèlement chaque jour le retour de leur prince charmant, le soleil. Fidèle elle ne pouvait attirer que la fidélité. Mais il ne fallait surtout pas la déraciner avec la main, seulement avec une pièce d’or symbolisant le disque du soileil, un des jours des Apôtres, « alors elle garantit l’amour à celui qui la déracine » (Michèle Bilimoff, Enquête sur les plantes magiques, éd. Ouest-France 2003 S. 111).
« La chicoré donne à celui qui la porte la notion de toutes les bonnes qualités souhaitées en lui par la personne qu’il aime » (Commentaire très excellents sur l’histoire des plantes, L. Fuchs, Paris 1549).

Die gesamte Pflanze enthält, wie Löwenzahn, einen bitteren Milchsaft.

Die (im Spätherbst ausgegrabene) Wurzel enthält bis zu 58% Inulase, Kumarine, Flavonoïde, essentielle Öle, Vitamine und Mineralien. Der aus der Wurzel angesetzte Tee gilt als Leberschutzmittel und sanftes Mittel gegen Rheuma, Gicht und Juckreiz. Sie gilt als wertvolles Gemüse für Diabetiker.
Im Juli werden, an der blühenden Pflanze, die Blätter geerntet; sie können auf Entzündungen gelegt werden, bzw. nach Abbrühung in einen Lappen eingeschlagen, auf Wunden aufgelegt werden.
Aus Zichorienblättern und Blüten hergestellter Tee ist appetitanregend und fördert die Verdauung.

Der offizinelle Zichorienextrakt „ex[tractum] cichorï“ (1:10) wurde aus den getrockneten Wurzeln (aus denen man ansonsten Kaffee herstellte) zubereitet und war ein beliebtes Laxans und harntreibendes Mittel.

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Allonal

ALLONAL
 

 

Seit der Einführung des Chloralhydrats als erstem Schlafmittel (Liebreich 1869) wurde eine kaum mehr übersehbare Zahl neuer Schlafmittel geschaffen.

ALLONAL wurde 1921 in den Laboratorien der Fa. Roche von dem Chemiker Ernst PREISWERK entwickelt, der 1916 von Ciba zu Roche gewechselt hatte und 1912 bei dieser Firma an der Entwicklung von «Dial» mitgewirkt hatte. "In February, 1922, Allonal (Numal) was introduced" (Adolph B. LOVEMAN, Experimental Aspect of Fixed Eruption due to Alurate, JAMA 1934;102(2):97-101). In Luxemburg wurde der Name am 12.9.1922 gesetzlich geschützt.

Eine Tablette enthielt 0,06 g Allyl-isopropyl-barbitursäure und 0,10 g Pyramidon. Die Zugabe des Pyramidons diente offenbar der Verminderung der Giftwirkung des Mittels. Das schmerzstillende Beruhigungs- und Schlafmittel war das erste Medikament der Fa. Merck, das Substanzen enthielt, die durch chemische Synthese hergestellt waren.

Allonal war nach den Angaben der darstellenden Firma eine ,,Doppelverbindung" aus 6 Teilen Isopropylpropenyl-barbitursäure und 10 Teilen Amidopyrin (Pyramidon), die nur in Form von Tabletten zu 0,16 in den Handel gelangte. Der Körper war von gelber Farbe und schmeckte bitter.

1926 berichteten Dr. Wilhelm GRÜNBAUM aus Eggenburg/NÖ in: WMW (S.385) und wie Dr. Franz FRIEDRICH aus Waltendorf bei Graz (S.1533) ganz begeistert über das neue Produkt, letzterer hatte es sogar an sich selbst getestet ...

Produktion in den USA: ab 1928 produzierte die Firma Roche zuerst in New York, dann in Nutley Barbiturate und das in den Staaten sehr erfolgreiche Schlafmittel Allonal.

 

Exponat

4.1 cm hohes Fläschen. Heutzutage wird das Präparat nur noch selten verschrieben, da es durch bessere Präparate abgelöst ist. Allonal, Somnifen und Dial lassen auf Grund der Rechenversuche nach Schlafmittelschlaf eine Beeinträchtigung der Leistung am Morgen erkennen. Veronal zeigt diese Nachwirkung in geringerem Maße. Luminal setzt die Leistungsfähigkeit am stärksten und regelmäßig herab.

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Ampullen (1)

um 1920 

Diese Schachteln werden vorgestellt als Warnung an alle Ärzte ... und Marktpolizisten: man hüte sich bei der Aufgabe seiner Praxis vor allzu leichtfertigem Umgang mit "Leichen" im Schrank. Leicht fallen auf diese Art hochwirksame Medikamente in falsche Hände. Auf dem monatlich im Zentrum der Stadt Luxemburg abgehaltenen Flohmarkt tauchten innerhalb eines Jahres (1999) folgende Mittel der Firmen BIOS, FRAISSE/Paris und SANDOZ auf, die unsere Arztpraxen seinerzeit mit Muster offenbar grosszügig überschütteten:

Aether, Bellafolin, Bionone (Codein und HYOSCIN), Biophyllin, Biospasmin (Papaverin), Cocain, Ergotin, Gynergen, Kampher, Koffein, Opticain, Renapituine (Hypophysenextrakt), Scillaren, Spartein, Thebacetyl (Thebain), und immer wieder
MORPHIN und
LOBELIN - ein Mittel mit morphiumähnlicher Wirkung
etc.

Erst seit etwa 1886 füllt man Medikamente in Ampullen ab, eine Erfindung, die zeitgleich in Paris [Apotheker Stanislas LIMOUSIN (1831-1887)] und in Berlin [Apotheker Paul FRIEDLÄNDER (1857-1923)] erfolgte. Die Erfinder erkannten schnell, dass sie nur alkaliarmes Glas benutzen durften und die Medikamente in distilliertem Wasser oder Alkohol lösen mussten...

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Ampullen (2)

um 1920 

Ab 1899 belieferte der Apotheker Marius FRAISSE den Markt mit Ampullen, die in seinen eigenen Werken gegossen und abgefüllt wurden. Ab 1920 waren 40 Mann Personal in seinem Werk 8 r. Jasmin im 16. Arrondissement von Paris für ihn tätig.

Aus diesem Werk stammt die hier vorgestellte "Pochette Médicale Stérilisable". Sie enthielt ursprünglich 5 Notfallmedikamente nebst einer Spritze. Erhalten sind

  • 3 Amp. Kokain ( "Cocaïne 1 cgr par cm3"),
  • 1 Amp. Cholinhydrat ("Chlorhydrate de choline o gr 02")
  • 1 Amp. Ephedrin ("Èphédrine 0,02")
  • 1 Amp. Adrenalin ("Adrénaline1/2 millig")

Pharmazie


Ampullen-Füller

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"Zur Füllung einer kleinen Zahl von Ampullen dient auch der von Wachsmann konstruierte, von J.H. Büchler in Breslau zu beziehende Rezeptur-Ampullenfüller. Derselbe besteht aus einer besonders geformten Pipette mit eingeschliffenem Hohlstopfen, der durch ein Gummibällchen verschlossen ist. Die Ausflußöffnung ist so gehalten, daß 20 Tr. 1 ccm bilden. An der Spitze der Pipette wird eine Füllnadel aus Glas oder Metall durch Gummidichtung befestigt, während das untere konische Gefäß zur Aufnahme etwa abtropfender Flüssigkeit und zum Abstellen des Apparates während der Arbeit dient. Ist das Füllglas gefüllt, so setzt man den mit dem Gummiball versehenen Stopfen auf und veranlaßt durch leichten Druck die Flüssigkeit zum Ausfließen, wobei man feststellt, wieviel Tropfen einem Kubikzentimeter entsprechen" (Hermann Hager, Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis, Springer 1938 S.406).

 

DRGM 555826 (D.R.G.M. Deutsches-Reichs-Gebrauchs-Muster (1877 - 1945)

Der Nummer nach wurde das Patent im Jahr 1913 erteilt.
https://www.optical-toys.com/files/Dokumente/AAA%20-%20Einzeldokumente/Patentnummern%20Deutschland.pdf

 

"L. Wachsmann, k.Universitäts-Apoth., Breslau" (Kladderadatsch, 14. September 1873).
https://anno.onb.ac.at/anno-suche#searchMode=simple&query=l%2Fwachsmann&from=41&sort=date+desc

 

"In unser Firmen-Register ist Nr.1678 die Firma L. Wachsmann hier und als deren Inhaber der Apotheker Lazarus Wachsmann hier heute eingetragen worden. Breslau, den 15. Juli 1865" (Königlich Preussischer Staats-Anzeiger, 1865, 7-9 1865 S.2382)


https://www.bavarikon.de/object/bav:BSB-MDZ-00000BSB10486489?p=569&cq=l&lang=de

 

J.H. BÜCHLER war selber Apotheker:
"Einem hochgeehrten pharmaceutischen Publicum erlaube ich mir die ergebene Anzeige zu machen, dass ich hier in Breslau unter der Firma J.H. BÜCHLER et Comp. eine Hauptniederlage sämmtlicher Geräthe, Apparate und Instrumente für Pharmacie, Chemie, Physik und Botanik, verbunden mit einer pharmaceutischen Versorgungsanstalt zu Vermittlung von Apothekenkäufen und Verkäufen, so wie zur Unterbringung von Gehülfen und Lehrlingen errichtet habe. Ich habe mein Etablissement auf die solidesten Principien gestellt und bitte ergebenst, mich mit hieher gehörigen Aufträgen zu beehren, die ich stets bemüht sein werde, auf das prompteste und gewissenhafteste auszuführen.
Breslau, im Mai 1844 J.H. Büchler, Apotheker" (Pharmaceutisches Central-Blatt für 1844, Leipzig, S.368).

Offenbar hatte Büchler das Patent von seinem Kollegen Wachsmann übernommen und 1913 erneuern (?) lassen.

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Anti-Streptokokken-Serum n. MARMOREK

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1895/96 entwickelte der aus Galizien / Österreich stammende und am Pariser Institut Pasteur arbeitende Alexander MARMOREK (1865-1923) ein Antistreptokokkenserum, mit dem er Behandlungsversuche bei Scharlach machte, wodurch er zum Vorläufer der modernen Serumbehandlung dieser Krankheit wurde.

 


Marmorek studierte Medizin an der Universität Wien. Von Louis Pasteur wurde er zur Mitarbeit in dessen Pariser Institut eingeladen. Marmorek war dort Chef de travaux. Er arbeitete besonders an der Bekämpfung der Tuberkulose und entwickelte das Streptokokkenserum.

 

 

Große Hoffnungen ...

„Un nouveau sérum. Une nouvelle application fort intéressante des magnifiques travaux de Behring, Roux et Vaillard sur la thérapeutique de certaines maladies infectieuses par le sérum des animaux vaccinés, est expérimentée en ce moment avec un plein succès dans plusieurs hôpitaux de Paris, et particulièrement dans le service de M. le professeur Chantemesse, au bastion 20 d’Aubervilliers. Il s’agit, cette fois, d’un sérum curateur de l’erysipèle, de la fièvre puerpérale et des broncho pneumonies infectieuses dues au développement dans l’organisme d’un microbe particulier appelé ‘streptocoque’. Les propriétés de ce sérum ‘antistreptococcique’ ont été découvertes et étudiées à l’Institut Pasteur, dans le laboratoire et sous la direction de M. Roux et de M. Metchnikoff, par le docteur Marmorek , qui a annoncé les premiers résultats de ses expériences sur l’homme à la Société de Biologie, dans la séance du 39 mars dernier. Le docteur Marmorek est parvenu le premier à donner au streptocoque de l’érysipèle une virulence très considérable et à vacciner de grands animaux, moutons, ânes, chevaux, contre ce microbe dont la virulence est exaltée par un procédé particulier à l’auteur. Il a constaté que le sérum de ces animaux possédait un pouvoir curatif extrêmement énergique vis-à-vis de l’érysipèle, et très manifeste vis-à-vis de la fièvre puerpérale. Des tentatives dans le même ordre d'idées avaient déjà été effectuées par quelques expérimentateurs, particulièrement en France par M. Roger; mais aucun résultat pratique ne pouvait être obtenu par suite de l’inégalité de virulence des microbes employés pour les essais de vaccination. Le docteur Marmorek s’occupe de préparer en grand le ‘sérum antistreptococcique’ à l’Institut Pasteur, et très prochainement il sera en mesure de faire profiter tout le monde de la précieuse découverte à laquelle son nom restera légitimement attaché“ (L’Indépendance luxembourgeoise, 9. April 1895).

 

 

Ebensogroße Enttäuschung
"Nach Babinsky sprach in Karlsbad der Assistent an der Wiener Universitäts-Kinderklinik Dr. Paul Moser; er teilte mit, daß sowohl das von Dr. Marmorek im Pariser Pasteur-Institut wie das von Baginsky und Aronsohn in Berlin empfohlene Anti-Streptokokken-Serum in Wien bei scharlachkranken Kindern versucht wurde – leider ohne Erfolg“ (Teplitz-Schönauer Anzeiger, 7. Februar 1903).

 

 

Exponat
Serumfläschchen des I.P. (Institut Pasteur), 1896.

 

Pharmazie


Antituberkulose-Serum n. MARMOREK

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Schon 1895 hatte Alexander MARMOREK (1865-1923) die Fachwelt in Erstaunen versetzt mit der Ankündigung, er habe ein Serum gegen den damals wie heute gefürchteten Steptokokkus pyogenes entwickelt.

 

1903 brachte er ein „Serum antituberculeux“ in den Verkehr, von dem er hoffte, die Tuberkulose besiegen zu können. 1907 berichtete er über die Erfolge, die Ärzte mit seinem Serum erzielt hatten (Czernowitzer Allg. Zeitung, 12. Mai 1907).

 

Dennoch blieben die Resultate unter dem Strich mehr als enttäuschend: „Am bekanntesten geworden sind das Serum von MARAGLIANO und dasjenige von MARMOREK; beide wurden an Tausenden von Kranken, erst subcutan, dann rectal bzw. stomachal angewandt, aber schließlich allgemein als unwirksam abgelehnt“ (Walter Sachs, Über das neue Tuberkuloseserum Thanatophthisin, in: Festschrift zum 10 Jährigen Bestehen der Bremischen Heilstätte Niedersachsen, Springer Verlag 1930). Auch der Genueser Edoardo Maragliano (1849-1940) war gescheitert.

 

Die folgenden Jahre waren zunehmend von politischen Querelen überschattet, als er sich für den von seinem Freund Theodor Herzl propagierten Zionismus einsetzte. Er starb an einem Darmleiden, welches 5 Monate zuvor (Salzburger Volksblatt, 16. Juli 1923) operativ versorgt worden war.

 

Exponat

6,7 cm hohes Fläschchen, gefunden in Odessa ... "Serum Anttuberculeux" - im Zentrum ein eingekreistes "M" für MARMOREK

Pharmazie


Antipyrin, österreichisches

ANTIPYRINUM
 

 

Phenazon wurde 1883 auf Anregung des deutschen Pharmakologen Wilhelm Filehne (1844-1927) durch Emil Fischer's Assistenten Ludwig KNORR (1859-1921) beim Versuch, ein im Vergleich zum fiebersenkenden Chinin nebenwirkungsärmers Chinolinderivat zu finden, erstmals synthetisiert. Es ist somit das älteste synthetische, schwach wirksame Analgetikum und besitzt außer seiner analgetischen auch eine fiebersenkende (antipyretische) Wirkung. Phenazon wurde 1883 von den Farbwerken Hoechst zum Patent angemeldet und anschließend unter dem Markennamen Antipyrin® vermarktet.

 

1893 führte Medizinalrath Dr. Martin OVERLACH (1860-1912), "dirigierender Arzt am fürstlichen Landeskrankenhaus in Greiz i. Thüringen" (Pester Lloyd, 29. Aug. 1894) Antipyrinum coffeino-citricum unter dem Handelsnamen Migränin in die Therapie der Migräne, der Influenza und der Folgezustände nach alkoholischen Exzessen ein, ein mechanisches Gemenge aus 90.9 Teilen Antipyrin, 0.6 Teilen Zitronensäure und Koffein. 

 

Exponat 

In Österreich wurde Jahre später ein Ersatzpräparat hergestellt, das "Antipyrinum Coffeino-citricum" der Fa. "Heilmittelwerke Wien III". Das Produkt wurde 1900 in die "Ergänzungen" zur 7. Aufl. der österreichischen Pharmakopöe aufgenommen (Drogisten-zeitung 20. Apr. 1900 S.189). Kartonschachtel, trapezförmig.

Herkunft: Flohmarkt Völs 8/2018.

 

 

Generica schon 1920

"Verbilligt-Arzneimittel. Zur Verhütung von Mißverständnissen werden die Ärzte und das Publikum aufmerksam gemacht, daß die billigen abgepackten Heilmittel der Oesterreichischen Heilmittelstelle nicht unter der für die verschiedenen Fabriken geschützten Wortmarke (Aspirin, Urotropin, Migränin) abgegeben werden, sondern unter ihrer wissenschaftlichen chemischen Bezeichnung - beispielsweise Aspirin-Acidum acetylosalicylicum, Urotropin-Hexamethylentetramin, Migränin-Antipyrinum coffeino-citricum usw." (Innsbrucker Nachrichten, 2. Nov. 1920).

"(..) Antipyrinum Coffeino-citricum (10 Pastillen à 0.5, 24 Kronen) (..). Durch die Herstellung im großen ist es gelungen, die aufgezählten Mittel in den Apotheken zu Preisen verabfolgen zu lassen, die es auch solchen Kranken, welche aus Eigenem die Heilmittel bezahlen müssen, ermöglichen, diese kaufen zu können. Die gerade in der letzten Zeit immer häufiger auftretende Klage, daß Medikamente nur mehr von den Krankenkassen-mitgliedern, für deren Kosten eben die Krankenkassen auskommen, bezogen werden können, dürfte nunmehr durch die Einrichtung der österreichischen Heilmittelstelle aufhören. Zur Vermeidung von Mißverständnissen ist erforderlich, daß der Arzt bei der Verschreibung den Zusatz „Heilmittelstelle" beifügt, ebenso wie das privat. Publikum der den im Handverkauf erhältlichen Medikamenten stets ausdrücklich Präparate der Heilmittelstelle verlangen möge" (Neues Wiener Journal, 1. Febr. 1921).


 

Zum Hersteller

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bestanden in Wien zwei pharmazeutische Herstellungsbetriebe: die 1794 gegründete Militär-Medikamentendirektion und die 1894 geschaffene Medikamenten-Eigenregie der Wiener Fondskrankenanstalten. Diese wurden nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie im Jahr 1919 zur "Heilmittelstelle gemeinwirtschaftliche Anstalt" zusammengeschlossen. Diese Anstalt wesentlich zur notdürftigen sanitären und medikamentösen Versorgung der Bevölkerung der 1. Republik und des Ständestaates bei. 1940 wurde der Betrieb in „Heilmittelwerke Wien“ umbenannt.

Die Heilmittelstelle stellte u.a. typisierte Arzneimittel her und war ein wichtiger Schrittmacher für die Etablierung von Fertigarzneimitteln auf dem österreichischen Markt. Dadurch und durch die Direktversorgung von Krankenhäusern und Krankenkassen wurde sie zu einer existenz-bedrohenden Konkurrenz für die Apotheker. Zudem war geplant, auch das Apothekenwesen sukzessive zu verstaatlichen, wobei der Heilmittelstelle eine zentrale Rolle zugedacht war. Entsprechend heftig wurden die nicht immer legalen wirtschaftlichen Aktivitäten der Heilmittelstelle seitens der Apothekerschaft bekämpft. Die folgenden politischen Veränderungen kamen den Apothekern entgegen. Im Ständestaat wurde das Konzept der Sozialisierung gestoppt und im Dritten Reich wurde die Heilmittelstelle in die Heilmittelwerke Wien G.m.b.H. umgewandelt, welche je zur Hälfte im Besitz der Gemeinde Wien und der Apothekergenossenschaft Herba stand.

Nach dem Zweiten Weltkrieg präsentierten sich die Heilmittelwerke Wien, gleichsam entpolitisiert, in der durch Strukturschwäche gekennzeichneten pharmazeutischen Landschaft Österreichs als wichtiger Partner für Arzt und Apotheker. Bis 1947 befanden sich sämtliche Labors und Produktionsstätten am Rennweg 12. Kriegsschäden und die nötige Expansion zwangen das Unternehmen, einen Teil der Produktion nach Wien-Favoriten auszulagern. Ihre wirtschaftlichen Aktivitäten bestanden im Drogengroßhandel und in der Fabrikation von Verbandstoffen und Arzneispezialitäten, wobei auch eigene Forschungslaboratorien betrieben wurden. Zudem wurden von einer Tochterfirma Heil- und Gewürzpflanzen angebaut. Ab 1969 wurden die Heilmittelwerke sukzessive in die Österreichische Stickstoffwerke AG (ab 1973 Chemie Linz AG), einen staatlichen Chemie- und Pharmakonzern integriert.

An seiner Stellen befand sich Rennweg 12 später eine Shell-Zentrale.