Pharmazie


Mörser (7)

Zusammen

Stössel, 1881

 

Um die Arbeit zu erleichtern, wurden die besonders schweren Eisenstössel federnd an der Decke aufgehängt:

 

"Zur Präparation des Zinnobers, Calomels etc. leistet eine Schwungstange gute Dienste" (Johann Jacob Hartenkeil, Medicinisch-chirurgische Zeitung, 31. Ergänzungsband 1828, Innsbruck S.358).

 

"Bey den ganz grossen eisernen Mörsern hängt man gewöhnlich den obern Theil der Keule an das freye Ende einer am Balken der Decke befestigten Schwungstange, von welcher die Keule schon selbst in die Höhe gezogen und so die Arbeit erleichtert wird" (Johann Erdwin Christoph Ebermaier, Taschenbuch der Pharmacie für Ärzte und Apotheker, Band 2, Leipzig 1822 S.11).

 

"Da aber bei den schwereren die Handhabung derselben mit der Länge der Zeit dem Arbeiter sehr schwierig werden würde, befestigt man sie an ihrem obern Ende durch einen ledernen Riemen an eine an der Decke des Lokals angebrachten Schwungstange, wozu sich am besten das Holz von Fraxinus excelsior eignet, welche dann nach dem Niederstoßen der Pistille mit einer gewissen Kraft diesen mit heben hilft; man kann sich auch einer zweiarmigen Schwungstange, die in ihrer Mitte befestigt ist, bedienen, und mit jedem Ende derselben durch einen ledernen Riemen die Pistille verbinden" (Johann Wolfgang Döbereiner, Deutsches Apothekerbuch; zum Gebrauche bei Vorlesungen und zum Selbstunterrichte für Apotheker, Droguisten, Ärzte und Medizin-Studirende, Stuttgart 1842 S.88).

 

"La tisanerie possède aussi l'instrument symbolique de la profession pharmaceutique depuis le 13ème siècle: le mortier. Servant à broyer et mélanger, ce sont des mortiers de très grande taille en fer, en bronze ou en marbre. Les gigantesques pilons cylindriques qui leur sont associés sont trop grands et trop lourds pour être manipulés à la main. Pour les actionner, il faut les faire coulisser dans des anneaux fixés au mur" (J. Marchand, L'apothicairerie de l'Hôtel Dieu de Rouen et ses apothicaires, CHU Rouen 2007).

 

"Da das Heben der Keule viel mühsamer ist, als das Herunterziehen derselben, so hat man immer einen elastischen Körper angewendet, der beim Herunterziehen derselben gebeugt wird und durch sein Geradestrecken die Keule wieder in die Höhe zieht. Meistens bedient man sich dazu eines dünnen Fichtenstämmchens, welches an der Decke befestigt ist. Die Befestigung muss der Art sein, dass diese Schwungstange bei keiner noch so heftigen Bewegung an die Decke schlage. Sie wird in der folgenden Art an die Decke befestigt. Das dickere Ende wird durchbohrt, und durch das Loch geht eine starke, mit einem Holzgewinde versehene Schraube aus Eisen mit breitem oder ringförmigem Kopfe. Zwischen die Stange und die Decke legt man ein 2 bis 3 Zoll dickes, ebenfalls durchbohrtes Klötzchen von Holz. Etwa 18 Zoll bis 2 Fuss von diesem Befestigungspunkte schraube man einen mit Holzschraubengewinde versehenen starken eisernen Ring, der so weit ist, dass die Schwungstange eben durch denselben hindurchgeht, in einen Balken der Decke. Für beide Befestigungen suche man solche Stellen der Decke aus, wo Balken liegen, indem eine Befestigung in Mörtel oder Mauerwerk den beständigen und heftigen Erschütterungen dieser Stange keine genügende Festigkeit darbietet. Man schraube nun diesen Ring fest in den Balken ein, so dass noch ein 2 bis 3 Zoll langes Stück seines Stieles aus der Decke hervorrage, schiebe das erwähnte Klötzchen zwischen die Decke und das Ende der Stange und schraube nun die durch beide gehende Schraube fest in die Decke ein , wodurch die Schwungstange befestigt ist. Mit der Zeit erhält sie immer eine Beugung nach unten und an dem Ringe einen Mörser mit Keule" (Friedrich Mohr, Lehrbuch der pharmaceutischen Technik, nach eigenen Erfahrungen, für Apotheker, Chemiker, chemische Fabrikanten, Ärzte und Medizinal-Beamten, Braunschweig 1866 S.303).

 

Staubentwickung

Trotz Deckel auf dem Mörser, trotz eines ledernen Sackes, der um Keule und Mörser gewickelt wurde, blieb das Stoßen eine staubige Angelegenheit. Dem Verstauben waren besonders die Chinarinden ausgesetzt. Einen höchst belästigenden Staub gaben auch Ipecacuanha, Jalappa, Euphorbium und Canthariden. "Bei sehr reizenden Stoffe, wie Canthriden und Euphorbium, verband sich der Stoßer das Gesicht, wenigstens Nase und Mund, mit einem Tuche, durch welches er athmet" (Friedrich Mohr, Lehrbuch der pharmaceutischen Technik, S.248).

 

Exponat

79 cm langer, aus Eisen geschmiedeter Stößel, in dessen Schaft die Jahreszahl 1881 eingeschlagen wurde. Am oberen Ende befindet sich ein getriebenes Loch, durch das ein Lederriemen nach oben zum Schwibbogen resp. zur Schwungstange führte, die den Stößel "automatisch" hochzogen.

 

Abbildung 1: "Das schwere Steinpistill wird durch Aufhängung an einem improvisierten Schwibbogen in der Führung unterstützt", Edmund Launert, Der Mörser, Callwey 1990 S.76). Man erkennt auf diesem Bild, wie der metallene Stößel in einen steinernen Kopfteil eingearbeitet war …

Abbildung 2: (hier zum besseren Verständnis neben meinem Pistill abgebildet): "Der Pistill hängt mit einem Lederriemen und einer Kette an einem an der Wand befestigten Schwibbogen (Deutsches Apothekenmuseum, Heidelberg), in: Edmund Launert, Der Mörser, Verlag Callwey 1990 S.156/157).

Abbildung 3: Alkohol, Destillation, Labor aus dem 16. Jahrhundert, Kupferstich von Ph. Galle (1537-1612) nach Stradanus.

 

 

Herkunft: Ebersdorf bei Hartberg i.d. Steiermark, Österreich. Johann Dietrich Rahman aus Köln ließ das Hartberger Apothekerhaus 1668 erbauen, wie eine Tafel an der Hausmauer bestätigt: „Disse Behausung hat ehrbauen lassen Johan Dietrich Rahman Bey Cöllen am Rein gebiertig und Apotheker im Viertell Varau, Gott und dem lieben Vatterland zu Ehrn in dem 1668. Jahr“. Ob der Stößl aus dieser Apotheke stammt?