Pharmazie


Blocmalt (3)

"Kamellepabeier" 

Neben den halbwegs medizinischen Produkten beglückte die "Kamellefabrék" RICHARD die Schleckermäuler mit Leckereien unterschiedlichster Couleur und "sorgte" so für Arbeit in den Zahnarztpraxen:
- Bonbon hiver
- Bonbons fins
- Briquettes Rich
- Caramels menthe améric. Rich
- Caramels acidulées framboises Rich
- Caramels cocos Rich
- Creamy Scotch Toffee
- Drops de Luxe
- Gommes fantaisies Rich
- "Gromperen"
- Toffees mélange lait & fourré Rich
- Toffees viennois Rich.

Link:
www.industrie.lu/richarddiekirch.html

Pharmazie


Blutreinigungspillen

Blureinigungspillen
 

 

Die Apotheker des Mittelalters produzierten für den eigenen Laden. Ab dem 16. Jahrhundert gingen einige von ihnen dazu über, ihre Produkte zu exportieren. Krämer, fahrende Händler boten die Medikamente feil – landaus, landein, an der Haustüre und auf Dorfmärkten.

 

Der berühmtberüchtigte Andreas EISENBARTH (1663-1727) betrieb in einer umgebauten Brauerei in Magdeburg die erste Arzneimittelfabrik Deutschlands. Zwischen 1686 und 1715 wurde er von zahlreichen deutschen Landesherren mit Privilegien ausgestattet, die es ihm ermöglichten in einem zusammenhängenden Gebiet von ungeheurem Ausmaß tätig zu sein, ohne die üblichen Zölle für seine mitgeführten Arzneimittel zahlen zu müssen. Diese Privilegien erleichterten auch seinen zahnreichen Mitarbeitern den Absatz der an die 20 Medikamente seiner Fabrikation: ein Abführmittel, ein Pulver gegen Schwindel, Zahn- und Kopfschmerzen, ein „Balsam“ zur Stärkung von Gedächtnis, Herz und Magen, eine „Universal=Medicin“ gegen Unfruchtbarkeit. Heilmittel gegen Syphilis und Gonorrhoe usw. (Es ist belegt, dass Eisenbarth, dessen Geburtstag am 27. März gefeiert wird, im Jahre 1696, nach Aufenthalten in Polen, Holland und Frankreich auch Tirol und Italien besuchte und er in diesem Jahr in Innsbruck weilte).

 

Auch die 1787 erfundenen Blutreinigungspillen von Carl Friedrich Wilhelm MÖRICKE d.Ä. (1764-1802) aus Neuenstadt am Kocher (Baden-Württemberg) waren ein nachweislich sehr wirksames Abführmittel, bestehend aus mehreren Komponenten: "Man digeriert 6 Drachmen Coloquinten mit 12 Unzen schwachem Weingeist 14 Tage lang, setzt zur filtrierten Tinctur 12 Drachmen Leberaloe und 4 Drachmen Scammonium, verdunstet zum Extract, setzt eine Drachme Cardamom hinzu, setzt zu 5 Theilen der Masse 1 Theil Calomel und bildet 2 Gran schwere Pillen, so dass jede Pille ½ Gran Calomel enthält" (Referat in: Vierteljahresschrift für prakt. Pharm. 1(1852), 145).

 

Coloquinten (fructus coloquinthidis), Scammonium (Resina scammoniae) gelten noch heute als drastische Abführmittel, Aloe hepatica ist eine komplizierte Zubereitungsform von Aloe, ebenfalls abführend, Kalomel (Quecksilberchlorid) ist ebenfalls ein, wenn auch hochgiftiges, Laxans. Cardamon diente lediglich als Geschmackskorrigens. Nicht das Blut wurde gereinigt, sondern der Darm! Das Mittel war hochtoxisch und wurde 1812 aus dem Handel gezogen, bzw. der Verkauf reichsweit untersagt.

 

Exponat

Vorgestellt werden 2 zwölf mm hohe, 20 mm breite ovale Spanschachteln, von denen jede einst 12 Pillen (von den Arbeitern, die sie aus der Pillenmasse herstellen mussten, liebevoll "Böppele" genannt) à einem halben Quint enthielten – zum Preis von 12 Kreuzern (entspricht dem heutigen Wert von 6 DM = 3 Euro). In den Handel kamen die Schachteln in Stangen von 8 Schachteln resp. in Pakten von einem achtel Pfund.

 

Das Interesse des Exponates liegt also nicht im Inhalt der Schachtel, sondern vielmehr in der Aufschrift "Kais. privil."! Privilegien konnten Personen erteilen, die Rechte oder Besitz an Untertanen frei weitergeben durften – Kaiser, Könige, Päpste. Die Erteilung eines Monopols - z.B. das Recht, Münzen zu prägen oder ein Wappen zu führen, die Befreiung von Zinsen und Diensten, die Verleihung von Gerichtsbarkeiten, die Erteilung des Stadtrechts oder die Gründung von Universitäten, gehörten zu diesen Privilegien ebenso wie der Titel „Privilegierter Lieferant des Hofes“. Die behördliche Gewähr eines Privilegs sprich eines Monopols war in denjenigen Betrieben von vitaler Bedeutung, die viel Geld in die Produktionsanlage investiert hatten:

- um 1500 hatte die damalige „Zeller Brauerei“ als einzige das kaiserliche Privileg, ein eigenes, hochgrädiges  Festbier zu brauen,

- Buchdruckereien stellten einen Antrag auf ein Privileg, um sich (für eine gewisse Zeit) vor Raubdrucken zu schützen,

- in Wien war der Ausschank von Kaffee ein "kaiserliches Privileg" von Johannes Deodat. Auf den 17. Januar 1685 datiert das Privileg für seinen Kaffeeausschank und das Recht, "solches orientalisches Getränk auf 20 Jahr allein zu verkauffen, und sich dessen niemandt, er seye, wher er wolle, bey Straff der confiscatio und 5 Markh Geldtes anmassen sollte",

- in Frankfurt a.M. erhielten 1691 fünf Apotheken ein kaiserliches Privileg, welches besagte, dass es allein  erlaubt sei, Medikamente zu verkaufen. Dieser Schutz war den Apotheken viel wert. In den beiden Privilegien von 1706 und 1713 wird auf das Jahr 1690 Bezug genommen, in dem sie dafür 5000 Reichstaler an den Rat zahlten, dass für weitere vierzig Jahre keine weitere Apotheke errichtet werde,

- der Augsburger Arzt Johann Georg Kiesow (1718-1786) erhielt 1760 ein kaiserliches Privileg für den Verkauf seiner Lebensessenz, einer Art von "Elix. ad long. vitam",

- der Weilheimer Apotheker und Arzt Michael Klieber (gest. 1793) erhielt 1776 ein kaiserliches Privileg für seine Pillen.

Eine "win-win-Situation": dem Privileggeber füllten die Privilegien die Kassen, dem Empfänger gaben sie ein wenig Geschäftssicherheit.

 

Da Möricke keinerlei Kontrolle über den Handel mit "seinem" Produkte hatte, erbat auch er sich ein Privileg beim Wiener Hof. Teuer bezahlt verlieh ihm das auf den 29. Januar 1790 datierte Privileg das Monopol, während 10 Jahren als Einziger sein Präparat in den Handel zu bringen. Mit einem Patent im heutigen Sinne hat das Privileg wenig zu tun. Zum Inhalt der Pillen sagt das kaiserliche Privileg nämlich nichts! Streng genommen sollte niemand wissen, was in dem Geheimmittel steckte – Mörike bezog die zur Produktion notwendigen Ingredienzien aus weit entlegenen Zulieferbetrieben um zu verhindern, dass jemand die Zusammensetzung erraten konnte. Testen konnte man die Pillen nur, indem man sie schluckte! Ein Produkt patentieren zu lassen aber bedeutet, den Inhalt schützen zu lassen! Auch der Titel "Blutreinigungspillen" war nicht geschützt. Konkurrierende Präparate blieben jahrzehntelang in Umlauf:

- Muskauer Blutreinigungspillen von Apotheker Maas,

- Blutreinigungspillen nach Burkespahn,

- Blutreinigungspillen der hl. Elisabeth von Apotheker Neustein in Wien,

- "Deutsche Blutreinigungspillen" resp. "pilulae haematocatharticae" von Apotheker Rottwitt in Ziegenrück,

- Blutreinigungspillen von Dr. Matthias Lang.

 

Genau genommen waren folglich nur die Spanschächtelchen und ihr Etikett gesetzlich geschützt!

 

Lit.: Mörike, Klaus D. und Wankmüller, Armin: Die Apothekerfamilie Mörike, in: Beiträge zur Württembergischen Apothekengeschichte, Bd. 11, 1975-1977 S. 65-96.

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Bueteburger Cholerapatrone

 

Zu den wenigen luxemburger Pharma- präparaten, die es zur Marktreife brachten, gehören die "Luxembur- ger Cholerapatronen", die bis in die 40er Jahre des 19. Jahrhunderts beworben wurden (Marienkalender 1941 S.151).

Der Überlieferung zufolge lebten gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jh. in "Bueteburg" (Boiten- burg), das damals eine Ortschaft für sich gewesen, heute aber nur mehr ein Stadtteil des inzwischen mächtig ausgedehnten Düdelingens geworden ist, ein Arzt und eine Hebamme, die dort ihren Beruf ausübten. Von diesem, infolge seiner Tüchtigkeit bis weit über seine engere Heimat und sogar über die Grenzen des Landes hinaus bekannten Arzt, stammt die Vorschrift der "Bueteburger Kraider". Nach seinem Tode ging die Vorschrift der "Bueteburger Kraider" in die Hände der Bueteburger Hebamme über, die Kräuter erhielten infolgedessen den Namen "Kraider vun der Bueteburger Hiewan". Wie aus der hier vorgestellten Werbung ersichtlich, hiess das Präparat zuletzt (vermutlich seit der Cholera-Epidemie von 1866) "Luxemburgerburger Cholerapatronen" mit den "echten Bettemburger Kräutern" - vermutlich kannte kein Luxemburger den Ortsteil Bueteburg und man assoziierte das Produkt mit der 3 km von Düdelingen entfernt legenden Ortschaft Bettemburg...

Der Name Patrone leitet sich nicht vom Begriff des SchutzPatrons ab, sondern von den Sprengkapseln, die ab 1870 in der Region Düdelingen beim Erzabbau benutzt wurden. In der Tat erinnert die Form des Präparates an eine Dynamitkapsel... (siehe Abbildung in: Sei sauber, eine Geschichte der Hygiene, herausgegeben vom Musée d'Histoire de la Ville de Luxembourg, Wienand 2004 S. 200).

Beachtenswert erscheint uns das Logo IHS am VerschlussSiegel. Das Logo fand sich auf dem Richtschwert, und drohte dem Fälscher mit der Hinrichtung. Seit dem 4. Jahrhundert existiert die Form ICH, die zu JHS latinisiert wurde. Volksetymologisch führt man das Monogramm auf J(esus) H(ominum) S(alvator), J(esus) H(omo) S(anctus), J(n) H(oc) S(igno) oder im Deutschen auf J(esus) H(eiland) S(eligmacher) zurück.

Dieses Kräutergemisch stellt eines der ältesten Haus- und Heilmittel unserer Heimat dar, ein Gemisch zahlreicher, die Verdauung und den Stoffwechsel in günstiger Weise beeinflussenden Pflanzenteile und Pflanzenextrakte. Im Laufe der Jahre hat sich das Mittel bei tausenden von Fällen bestens bewährt - bei:
"Magenweh, Magenkrampf, Verdauungsbeschwerden, Übelkeit, Aufstoss, Blähungen, Hartleibigkeit, Magensäure, Sodbrennen, Stuhlverstopfung usw." (siehe Anzeige). Die Beliebtheit des Präparates mag sich zum Teil erklären durch den Branntwein, den das Volk seit jeher als Allheilmittel bei Cholera ansah: endlich mal eine Medizin, die Rücksicht nahm auf die Volksseele und nicht gleich alles Volkstümliche verdammte!

Vorgestellt wird eine Anzeige aus dem "Luxemburger Landwirtschaftlichen Genossenschaftskalender" aus dem Jahr 1930 S.184. Ähnliche Anzeige in dem gleichen Kalender 1935 (S. 172). Aus den Anzeigen ist zu ersehen, dass das Kraut mit Branntwein angesetzt wurde und mindestens 8 Tage ziehen musste bevor es schlückchenweise getrungen werden konnte - wahrlich keine Medizin für den Notfall....

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Chevrette

um 1850 

Die sog. „chevrette“ oder "caprette" entwickelte sich im 16. Jahrhundert vom mittelalterlichen Oelkrug der Hausfrau zum Standardgefäss des Apothekers – nur er durfte schliesslich diese Art von Gefässen in seinem Schaufenster aufstellen. Gewürzhändler oder Chirurgen, die die „chevrette“ benutzten, erwartete in Frankreich eine saftige Geldbusse.

Die ersten „ApothekenChevretten“ entstanden in Italien, sie hatten ein Fassungsvermögen von 1 bis dreieinhalb Liter. Der obere Rand zeigte stets einen Hals, um das Gefäss abschnüren zu können: verschlossen wurde sie in der Tat nicht mit einem Deckel, sondern mit Papier, Stoff, Leder oder Pergament. Auch die Tülle wurde mit einem Stück Kork oder Holz abgedichtet, um das Aroma des Sirops, Öles oder Honigs zu konservieren. Diese vorstehende Tülle – ihre Form erinnert ein klein wenig an das Horn eines Zickleins - gab dem Gefäss im Übrigen seinen Namen, der soviel bedeutet wie „kleine Ziege“.

Wollte man den zähfliessenden Inhalt ausschenken, tat man gut daran, die „chevrette“ zuerst in warmem Wasser zu erhitzen – daher die gelegentlich anzutreffenden zusätzlichen Ringe, durch die eine Kordel gezogen wurde, um das Gefäss aus dem Bad zu heben...

Als den Apothekern dieses Hin und Her zu kompliziert wurde, ersetzten sie die "Chevrettes" durch abgeflachte Flaschen, die einfacher zu verschliessen waren. Dafür wanderten die "Chevretten" – die Deutschen bezeichnen sie etwas plump als „Sirup-Standgefäss“ - nun in die Ausstellungsvitrinen, pardon, in die „Repositorien“, wo sie in langen Reihen als dekorative „Vorzeigeobjekte“ fungierten ...


Zum Inhalt des Kruges
Unter dem Begriff „Laurus“ versteht der Botaniker vier völlig unterschiedliche Gewächse:

  • Laurus nobilis L., im französischen « Laure d’Apollon » oder « Laure royal »:

    1) das schön grüne Öl der Früchte (bacae lauri) ist ein schön grünes, salbenartiges Gemenge von fettem und etwas ätherischem Öl, das insbesondere am Gardasee zubereitet wird. Bei normaler Temperatur hat das Lorbeeröl (Lohröl, oleum laurium) schmalzartige Konsistenz, es schmilzt bei 36°C. Man benutzt es für Einreibungen bei Muskelschmerzen und Verstauchungen. In wärmeren Gegenden wird es zum Anstreichen der Fleischerläden benutzt, da es, bei angenehmem Geruch, die Fliegen vertreibt!

    2) die Blätter enthalten ätherische Öle und Bitterstoffe. Äusserlich angewandt wirken die Öle hautreizend und sind stark allergisierend. Die ätherischen Öle haben eine deutlich psychotrope Wirkung…

  • Laurus persea, der Avokatbaum.
  • Laurus oleander, nerium oleander L., hochgiftig.
  • Laurus officinalis, Prunus laurocerasus, im französischen „Laurier-cerise“. Der kleine Kirschlorbeerbaum ist seit 1576 in Europa bekannt…
    100 Kilo Beeren liefern 1 kg Öl, 100 kg. Blätter 2,4 kg Öl : „huile de laurier“. In einer Dosierung von 1-2 Tropfen ist es leicht schmerzstillend, hustenstillend, sedierend und beruhigend.

    Beschriftung
    U[nguentum] e[x] b[accis] Laury: Schmalz aus Lorbeer-beeren.

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CONTERGAN (1)

Problem-Präparat 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Thalidomid, von der chemischen Struktur ein Phthalimidoglutarimid, wurde 1956 von dem Chemiker Dr. Heinrich Mückler und der Firma Grünenthal in Stolberg bei Aachen entwickelt. Eigentlich war man auf der Suche nach einem Antibiotikum. Thalidomid aber erwies sich als ein Beruhigungsmittel. Der Pharmakologe Herbert Keller (*1925) befand die Substanz für nicht giftig und konstatierte, dass sie einen gesunden und erholsamen Schlaf förderte. Nach Patentierung und Testung wurde der Wirkstoff unter dem Handelsnamen Contergan am 1. Oktober 1957 als Schlaf- und Beruhigungsmittel in den Handel gebracht. Es wurde rezeptfrei verkauft, zunächst in Tablettenform, später auch als Tropfen und Zäpfchen.

 

Als besonderer Vorzug wurde die nicht-toxische Wirkung des Schlafmittels gepriesen: es war nicht möglich, sich mit einer Überdosis Contergan das Leben zu nehmen. Schon 1958 wurde Contergan besonders werdenden Müttern empfohlen, weil es in der Schwangerschaft und während der Stillzeit weder Mutter noch Kind schädigen würde.

 

1960 wurde über eine auffallend häufige Korrelation zwischen missgebildeten inneren Organen und missgebildeten Gliedmaßen bei Neugeborenen berichtet. Die Zusammenhänge zwischen der Einnahme des Medikaments "Contergan" in der Frühschwangerschaft und charakteristischen Missbildungen bei Neugeborenen wurden 1961 nachgewiesen - im November 1961 wurde das Präparat vom Markt genommen.

 

Vorgestellt wird eine CONTERGAN-Schachtel mit Schiebedeckel, die im Raum Hamburg benutzt worden ist, gottlob NICHT von einer Schwangeren...

 

Als 1964 in Jerusalem ein Patient mit einem schmerzhaften Lepraknoten stationär aufgenommen wurde und nicht schlafen konnte, verabreichte ihm der Arzt Jacob SHESKIN 2 Tabletten CONTERGAN. Der Patient nahm zwei weitere Tabletten am darauffolgenden Tag und schlief wie ein Murmeltier. Zum Erstaunen des Arztes verschwanden binnen eines Tages die Schmerzen im Lepraknoten. Seither ist Thalidomid ein Lepramittel. Da in den von der Lepra besonders betroffenen Entwicklungsländern viele Schwangere Analphabetinnen sind, droht damit eine neue Welle von Missbildungen...

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CONTERGAN (2)

 

Als Reaktion auf die Contergan-Affäre richtete der Gesundheitsminister Anfang November 1962 durch Presse und Rundfunk einen eindringlichen Appell an die Bevölkerung. 1963 gab das Luxemburger Rote Kreuz dieses 15 x 11 cm grosse, 16 Seiten starke Heftchen heraus und warnte das breite Publikum vor unkontrollierter Einnahme von Medikamenten. Autor war Dr. Emile DUHR (1920-1990) "médecin-inspecteur" am Gesundheitsministerium.

Angesichts eines seit 1945 sprunghaft angestiegenen Arzneimittelverbrauches, dessen Ursachen kurz besprochen werden, warnte Dr.DUHR
- einerseits vor der Verabreichung von bestimmten Medikamenten an Kinder ( antiseptischen Wundpulvern, die Borsäure enthielten, Mercurochrom, Antibiotika),
- andererseits vor dem Unfug mit Weckaminen, Schlafmitteln, Schmerzmitteln und Rheumamitteln, die allesamt euphorisierend wirken (Gefahr der Euphomanie). Von diesen "euphorisierenden" Tabletten seien 6.000 verschiedene Sorten im Welthandel.

DUHR's Schrift endete mit dem leicht pathetischen Aufruf:
"Wäre es nur möglich, diese durch ihren Materialismus, durch die zu schnelle Technisierung und neuerdings durch die Automation entwurzelte, rastlose und ratlose Menschheit in ein ruhiges, entspanntes, naturverbundenes Dasein zurückzuführen, dann wäre sehr viel getan, aber das ist wohl eine unlösbare Aufgabe".

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CORAMIN-Fläschchen

CORAMIN
 

 

Coramin / CIBA ist eine gelbliche, fast geruchslose und geschmackslose Flüssigkeit, die sich in jedem Verhältnis mit Wasser mischen läßt. Es kann intravenös, intramuskulär und subcutan ohne Reizwirkung injiziert werden. Die Vergiftung durch Chloralhydrat wird durch Coramin behoben. Auch Chloroform-Cholin- und Morphinvergiftungen des Herzens mit Stillstand werden durch Coramin aufgehoben.

 

1925 erschien das Präparat auf dem deutschen Markt. "Coramin scheint berufen zu sein, bei Status epilepticus an die Stelle des bisher verwendeten Atropins oder Koffeins oder Kampfers zu treten, vor allem wegen seiner geringen Toxizität und der beim Menschenbei den anzuwendenden Dosen fehlenden psychomotorisch erregenden Wirkung. WUTH empfielt bei Vergiftungen mit Morphium, Kohlenoxyd, Veronal, Luminal und anderen Narkotika Coramin" (O. Wuth, Über Coramin-beta-Karbonsäure-Diäthilamid, ein neues Analeptikum, in: WMW 1926, zit. Münchner mediz. Wochenschrift 1925 Nr.45).

Otto WUTH (1885-1946) war Psychiater, im 2. WK Militärpsychiater der Wehrmacht

 

Coramin verkaufte sich gut - sogar Hitlers Leibarzt Theodor Morell verschriebt es seinem illustren Klienten. 1938 versuchte Albert Hofmann das Ciba-Erfolgsprodukt für seinen Arbeitgeber Sandoz nachzubauen - unter Verwendung von Lysergsäure, und stieß dabei auf das Lysergsäurediäthylamid, besser bekannt als LSD. 

 

Gute 6 Jahrzehnte später ist Coramin, a.k.a. Nikethamid, immer noch in Gebrauch: 125 mg davon sind in Glycoramin zu finden …

 

Lit.:

- S.J. Thannhauser und W. Fritzel: Über Pyridin-3-Carbonsäurediäthylamid (Coramin Ciba) und eine neue Gruppe analeptisch wirkender Substanzen, in: Schweiz.med.Wocchenschr. 1924 nr.10.

- K. Guth, Über Coramin, in: Münch. med. Wschr. 1925, Nr 14

- Fr. Uhlmann, Eine neue campherähnlich wirkende Substanz, in: Zeitschr. f.d.ges.exp.Med. Bd.43 S.556, 1924.

 

Exponat

CORAMINE-Fläschchen aus den frühen 40er Jahren. "tonique cardio-vasculaire & respiratoire, Laboratoires Denoyel 100-107 bd. Part-Dieu (jetzt rue de la Part-Dieu), Lyon. "Les laboratoires de produits pharmaceutiques sous licence CIBA ont appartenu à trois pharmaciens successifs. Après avoir racheté le fonds en 1913 au prix de 40 000 F, Jules Oscar Rolland l’a revendu, à l’âge de 74 ans, en 1941, à son jeune confrère Paul Denoyel, 36 ans, pour plus de 13 millions de francs" (internet)

"Le laboratoire CIBA existe depuis 1919 sous la raison sociale de Ciba et Rolland Pharmaciens, localisé 1, place Morand à Lyon. Ce laboratoire déménagera en 1930 pour aller s'installer dans les locaux actuels. Dans les années 1940, la société change de raison sociale et prend le nom de Laboratoires Ciba, professeur P. Denoyel, pharmacien, puis deviendra après la Seconde Guerre mondiale Laboratoire Ciba SARL. Ils produisent des produits pharmaceutiques spécialisés comme la phytine, ferrophitine, phytinate de quininefortossan, péristaltine, lipoiodine, digifoline, elbon, saline, salénal, vioforme, vioformol, coagulène, dial" (Internet). Les bâtiments sont désaffectés depuis 10 ans.

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Fläschchen mit DIGITALIN

Digitaline cristalline NATIVELLE, um 1911

 

 

 La digitoxine ou digitaline ou digitoxoside est un glycoside cardiotonique extrait de la digitale pourpre (Digitalis purpurea) et de la digitale laineuse (Digitalis lanata). Elle a été découverte par William Withering, un médecin et botaniste britannique. L'utilisation thérapeutique moderne de cette molécule sera rendue possible grâce aux travaux du pharmacien et chimiste français Claude-Adolphe Nativelle (1812-1889). Comme tous les glycosides cardiotoniques, elle est toxique. On l'utilise dans le traitement de diverses affections du cœur comme l'insuffisance cardiaque.

 

La digitaline cristallisée aurait pu figurer dans la pharmacopée de Hahnemann. Qui a découvert la digitaline cristallisée? NATIVELLE, pensons-nous. Nous connaissons tous la DIGITALINE NATIVELLE. Consultons le "DICTIONNAIRE UNIVERSEL DE MATIERE MEDICALE" de F.V Mérat et F.J. de Lens, daté de 1829. A la rubrique Digitaline, nous apprenons que cet alcaloïde a été découvert en 1824  par M. A. Leroyer, pharmacien à Genève et à la même époque par un monsieur Dulong d'Astafort, mais que c'est un certain monsieur Pauquy qui a la priorité de la découverte de la préparation de la digitaline cristallisée (thèse de Nicolle, 1824). De Nativelle, il n'est pas question à cette époque.

  

"Nativelle prepared digitaline cristallisée, which at last was believed to be pure. Meanwhile a commercial distinction had been established between German digitalin (originating from Walz's preparation), an amorphous powder easily soluble in water and alcohol, less soluble in chloroform, and very little soluble in ether; and French crystalline digitalin (that of Homolle and Quevenne, and Nativelle), easily soluble in chloroform and alcohol, but hardly soluble in water and ether. In this connection it may be stated that the French Codex gives detailed directions for the preparation of both digitaline amorphe and digitaline cristallisée, the yield of the latter being 1 gram from each kilogram of leaves. To Schmiedeberg (1874) we are indebted for a critical study of the more important digitalins of commerce. He arrived at the conclusion that these preparations were composed mainly of the following principles: Digitonin, digitoxin, digitalin, and digitalein. The first is an inactive glucosid, while the three others have the property of acting upon the heart, digitoxin possessing this power in a most pronounced degree. The more recent researches of Kiliani have materially extended our knowledge of the chemical nature of these substances.


Digitoxin. This forms the main constituent of Nativelle's digitalin. It is insoluble in water, although the presence of other digitalis glucosids or extractive matters may render it more soluble. It dissolves freely in alcohol and chloroform, slightly in ether, but is insoluble in petroleum ether (Keller, 1897). It yields a precipitate with tannic acid, but not with basic acetate of lead. Schmiedeberg could not establish the presence of sugar as a constituent of  digitoxin, although he obtained toxiresin by the action of acids. Recently Kiliani succeeded in resolving digitoxin (C31H50O10), into digitoxigenin and a substance, digitoxose (C9H18O6), resembling sugar (Archiv. der Pharm., 1896, p. 481).

Zur Person von Claude-Adolphe NATIVELLE (1812-1889) siehe auf Wikipedia: https://fr.wikipedia.org/wiki/Claude-Adolphe_Nativelle

 

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Diuretin

DIURETIN
 

 

 

   Im 19. Jahrhundert begann der Siegeszug der synthetischen Arzneimittel.

- 1875 das Pilocarpin aus dem Jaborandiblättern,

- 1891 das Digitonin aus dem Fingerhutblättern

- 1899 das Digitoxin.

Praktisch jede Pflanze, deren pharmakologische Wirkung z.T. schon Jahrhunderte lang bekannt war, wurde auf ihre Inhaltsstoffe untersucht.

 

Der nächste Schritt wurde gemacht, als vorhandene pflanzliche Inhaltsstoffe "verbessert" wurden, etwa indem die Löslichkeit oder auch ihre "Giftigkeit" verändert wurden. So konnte das schwer lösliche Theobromin als Natriumsalz mit salicylsaurem Natrium als "Diuretin" der Fa. Knoll 1895 und mit essigsaurem Natrium als "Agurin" 1901 von der Fa. Bayer in den Handel gebracht werden.

 

Zum Diuretin

1887 gelang Hans Christian Joachim GRAM (1853-1938), bekannt wegen der von ihm angegebenen bakteriologischen Färbung, in Kopenhagen die Synthese des Doppelsalzes. Das Theobromin löst sich mit großer Leichtigkeit in Alkalien unter Bildung von Alkalisalzen auf; das durch Lösen von Theobromin in Natronlauge entstehende Theobromin-Natrium vereinigt sich mit Natriumzitrat zu einem Doppelsalz, dem Theobromin-Natrium-Natriumsalicylat, welches unter dem Namen Diuretin in den Handel kam.

1889 empfahl er auf Grund der Arbeiten von v. SCHROEDER dessen Anwendung zur medizinischen Behandlung.

"The experiments of Schroeder reported in 1889, and confirmed by clinical observations made at Schroeder's suggestion, the same year by Gram, of Copenhagen, established the value of the alkaloid theobromine, a product of the seeds of Theobroma cacao, as a diuretic of great power, acting by direct stimulation of the renal epithelium and lacking in the unpleasant effects upon the nervous system, tinnitus, restlessness, insomnia and delirium, attributed to its homologue caffeine. Gram, after trial of many compounds, overcame the disadvantage of the insolubility of the alkaloid by forming, by combination with salicylate of sodium, a double salt, sodium-theobromine-salicylate, which should contain at least 46.5 per cent of the theobromine (Knoll's is said to contain 48 per cent.) and to which the name diuretin has been given. The therapeutic as well as commercial value depends upon its richness in theobromine. The compound occurs in the form of a white powder".

 

1891 begann mit der Markteinführung des „Diuretin-Knoll“ der Siegeszug einer in der modernen Medizin unentbehrlichen Medikamentenklasse, der Diuretika. Das weiße, amorphe, kristallinische Pulver - als Theobrominnatriosalizylat offizinell – war ein harntreibendes Mittel bei Wassersucht, Nieren und Herzkrankheiten. Während das im „Diuretin“ enthaltene Theobromin (Hauptalkaloid der Kakaobohne) heute keine therapeutische Bedeutung mehr besitzt, sind Substanzen wie Hydrochlorothiazid, Spironolacton und der Klassiker Lasix®.

 

Diuretin wurde vor allem als Diuretikum eingesetzt, aber auch bei Herzinsuffizzienz und bei Asthma. Vom Standpunkt der Urinausscheidung betrug die beste Dosis 50mg/kg KG, sollte möglichst viel Harnsäure ausgeschieden werden, so wurde 100mg/kg KG empfohlen. "Das Diuretin war sehr verbreitet, von 1895 bis 1932 war es das am meisten verwandte Theobrominderivat in Amerika, wohl auch in Europa. Insgesamt war es fast 70 Jahre lang auf dem Markt" (Cordula Schaarschmidt,  Theobromin zur Geschichte  und Gegenwart eines Wirkstoffs, These München 2008 S.61).

 

Exponat

Fläschchen mit Inhalt, in den USA vertrieben von der Importfirma des Chemikers Dr. Ernst August BILHUBER (1891-1973). Nach 3 Jahren Chemiestudium in Deutschland war der Princeton-Abgänger 1916 in die USA zurückgekehrt.

 

Pharmazie


Dosierlöffel (1)

 

 

In Luxemburg stösst man natürlich sowohl auf
- französisch (oben im Bild), als auch
- deutsch (unten im Bild) beschriftete Löffelchen.

"bedside medicine spoon" - Graduated Medicine Spoon
Once medicines were no longer ordered in single doses, medicine spoons such as this graduated one became necessary. This is made of porcelain and is marked with the measurements tea, dessert and table spoon. They were available for sale as well as used by the chemist himself.

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Dosierlöffel (2)


Schüsselchen im "Art-Nouveau"-stil... 

 

Bertogne
Bertogne
Bertogne

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Droguerie BERTOGNE, Mückencreme

Bertogne 2
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Tube mit der "Schnaken-Schutz-Krem" stammt aus einem deutschen Militaria-online-Laden. Laut Beschriftung stammt sie aus Luxemburg und wurde in der Droguerie des Apothekers Pierre BERTOGNE verkauft (hergestellt?).

 

Die Bezeichnung "KREM" für das französisch klingende "crème" liess mich an eine Herstellung während des 2. Weltkrieges denken, als BERTOGNE möglicherweise deutsche Wörter benutzen musste. Dem widerspricht aber das französische Etikett ...

 

Als sich BERTOGNE 1922 etablierte, gab er als Adresse "Krautmarkt n°5" an, erst 1929 finden wir als Adresse "Grand'rue 2" - lediglich eine Umbenennung der Häuser (?). Auf der Tube heisst es "Marché aux herbes" - Datierung der Tube daher eher in die mittleren 20er Jahre ...

 

Bertogne war von 1929 bis 1990 in Haus 2 der grand-rue etabliert, heute logiert im "Hause Bertogne" das Herrenbekleidungsgeschäft ALAZIO. Krautmarkt 5 aber ist der Sitz der Fa. "Vinolux and more".