Pharmazie


Salvarsan, Myo-

P1010456
 

 

 

Ein neues Produkt

1927 kam Myo-Salvarsan in den Handel, chemisch das Na-Salz der Dioxydiaminoarsenobenzol-dimethansulfosäure, während Salvarsan die Dinatriumverbindung des Diaminodioxyarsenobenzols und Neosalvarsan Diaminodioxyarsenobenzol-monomethansulfinsaures Natrium war. 

 

Die Fachpresse schrieb zu dem "neuen" Salvarsan:

"Das Myo-Salvarsan ist als dioxydiaminoarsenobenzol-dimethansulfonsaures Natrium chemisch dem Neosalvarsan außerordentlich ähnlich, jedoch ist es weniger oxydabel und kann gelöst ohne Zersetzung zu erleiden oder an Toxyzität zuzunehmen, mehrere Stunden an der luft stehen. Die klinischen Erfahrungen mit Myo-Salvarsan, die in der Herxheimer-schen Klinik in Frankfurt a.M. gesammelt worden sind, zeigen, daß das Myo-Salvarsan Hoechst in der Tat ohne Nebenerscheinungen vertragen wird, was sich von ähnlichen ausländischen Präparaten nicht sagen läßt, innerhalb ein bis 2 Tagen ohne Infiltratbildung resorbiert wird und daß auch seine Wirkung, was das Verschwinden der Spirochäten anbetrifft, eine gute ist. (..) Die intramuskuläre und subcutane Injektion von Myo-Salvarsan soll die intravenöse Injektion von Neosalvarsan mit ihren guten Erfolgen nicht verdrängen. Myo-Salvarsan ist also nur für die Fälle bestimmt, in denen eine intravenöse Injektion undurchführbar ist" (Wiener med. Wochenschrift 1927 S.1326).

 

Frage eines Lesers: "In neuester Zeit wurde statt des nur interavenös anwendbaren Neosalvarsans ein intramuskulär zu injizierendes Myosalvarsan empfohlen; kann dieses Myosalvarsan das Neosalvarsan ersetzen und wie ist die Dosierung?" Antwort der Experten: hinsichtlich der Beeinflussung luetischer Symptome ist das Myosalvarsan, wenn auch in seiner Wirkung etwas weniger rasch, der des Neosalvarsans annähernd gleich. Ob es sich auch für die Abortivbehandlung ebensogut eignet wie das Neosalvarsan, ist noch nicht entschieden – schrieb die Fachwelt 1928 (Medizinisches Seminar: Neue Folge, herausgegeben vom Wissenschaftlichen Ausschuss des Wiener medizinischen Doktorenkollegiums, Wien 1928). 

 

 

Exponat

Ausgestellt ist ein Ärztemuster mit 0,3 g Wirksubstanz "Staatlch geprüft im Institut für experimentelle Therapie Frankfurt a.M. am 25.4.1929. Import aus Bulgarien (!). Dosierung: Amp. zu 0,10-0,6 intramusculär, 2 Injektionen pro Woche, steigend (im ganzen 3-4 g).

 

 

Epilog

Da Myosalvarsan, trotz anfänglicher Euphorie, ausländischen Präparaten nicht ganz ebenbürtig war, gab die I.G.-Farbenindustrie 1933 Solu-Salvarsan heraus. Auf dem Markt aber konnte sich nur Neosalvarsan behaupten ...

 

Lit.:

Wilhelm Kolle (1868-1935), Über Myosalvarsan, ein schmerzlos intramuskulär und subcutan injizierbares Salvarsanpräparat, in: Dtsch.med.Wochenschr. 1927 S.475.

Bernhard de Rudder (1894-1962), Erfahrungen mit Myosalvarsan, in: Münch.med. Wochenschr. 1927 Nr.50 S.2143.

Pharmazie


Salvarsan, Neo-

NEOSALVARSAN 1944
 

 

       Schon 1863 hatte der französische Apotheker Antoine BÉCHAMP (1816-1906) eine organische Arsenverbindung (das "Atoxyl") zur Therapie der Syphilis entwickelt, die in der Praxis aber kaum anwendbar war, da in vielen Fällen  (entgegen dem optimistischen Namen A-tox-yl) der Sehnerv irreversibel geschädigt wurde und die Patienten in großer Zahl erblindeten. Es galt also, diese Substanz abzuändern. EHRLICH fand 1907 die wahre Formel des Arsen-abkömmlings Atoxyl, wodurch die chemische Abwandlung ermöglicht wurde. Dr. Sahachiro HATA (1873-1938) aus Tokio hatte sich schon in Japan mit der Syphilis-Forschung befaßt. Paul EHRLICH beauftragte ihn, die bekannten Arsenpräparate noch einmal auf ihre Wirksamkeit an großen Serien von Versuchstieren zu überprüfen. Beim 606ten Präparat wurde HATA fündig. Am 2. Juni 1909 hatte der Chemiker Bertheim das Präparat 606 synthetisiert. Es wurde die berühmteste Präparatnummer der Welt. Hata verabreichte die Substanz Hühnern, die mit Spirillose infiziert waren. Die Bakterien wurden sofort abgetötet. "Ehrlich-Hata 606. Der Unterzeichnete gestattet sich darauf aufmerksam zu machen, dass in seiner Apotheke, I. Kohlmarkt Kr. 11, schon seit der Einführung des Präparates von Ehrlich (Ehrlich-Hata 606) zahlreiche Lösungen sowohl zur intramuskulären als auch zur intravenösen Injektion angefertigt worden. Da sich der Gefertigte eine grössere Menge von Salvarsan gesichert hat, so bittet er die Herren Aerzte, sich im Bedarfsfalle an ihn zu wenden. Apotheke „zum Goldenen Kirschen“, Wien, 1. Kohlmarkt Nr. 11." (Neues Wiener Tagblatt, 8. Dez. 1910).

 

Interesse auch in Luxemburg

"Neues Heilmittel Ehrlich-Hata 606, Herr Dr. Rud. Klees aus Luxemburg weilte kürzlich einige Tage im allstädtischen Krankenhaus zu Magdeburg, um sich dort mit dem Studium der Syphilis-Behandlung mit dem Ehrlich-Hata-schen Mittel 606 zu befassen. Da Hr. Klees als Gefängnisarzt in der Abteilung für Geschlechtskranke über zahlreiches Materiat verfügt, läßt sich das Interesse erklären, welches derselbe für moderne Syphilisbehandlung bekundet" (Luxemburger Bürgerzeitung vom 24.11.1910).Erst Mitte Dezember 1910 kam das Präparat unter dem Namen Salvarsan in den Handel – KLEES hatte das Präparat also schon vorher in den Händen gehalten. Chemisch war es Arsphenamin, eine organische Arsenverbindung, mit der nun erstmals die Behandlung der Syphilis möglich wurde. 

 

Todesfälle

"Deutschland. Salvarsan. Die Abgeordneten Dr. Becker-Hessen, Dr. Gerlach, Dr Schatz (Elsaß-Lothr) und Struve haben folgende kurze Anfrage eingebracht: Durch die politische Tages- und medizinische Fachpresse geht die Nachricht, daß durch die Behandlung Syphilitischer mit Salvarsan 606 bereits mehrere hundert Todesfälle vorgekommen seien, und daß diese Behandlungsweise schwere, teils dauernde, teils vorübergehende Gesundheitsschädigungen im Gefolge habe. Ist der Herr Reichskanzler in der Lage und bereit, darüber Auskunft zu geben: 1. Ob diese Nachrichten auf Wahrheit beruhen? 2. Ob das Salvarsan sich im freien Verkehr befindet? 3. Ob die im Salvarsan enthaltene Arsenmenge um das Mehrfache die Maximaldosis für Arsen, wie sie in der Pharmakopoe festgelegt ist, übersteigt? 4. Ob die Todesfälle und Gesundheitsschädigungen auf das im Salvarsan enthaltene Arsen zurückzuführen sind?" (Luxemburger Bürgerzeitung, 5.3.1914).Was der deutsche Kanzler im Einzelnen antwortete, wissen wir nicht. Eines aber ist gewußt: Salvarsan hatte nicht nur Befürworter. "Der von dem Berliner Arzt Dr. Dreuw gegen die Salvarsanbehandlung geführte Kampf hat Ministerialdirektor Dr. Kirchner veranlaßt, im Staatshaushaltsausschuß des preußischen Abgeordnetenhauses einen Vergleich zwischen der Fall der Todesfälle, die durch die Salvarsan-Behandlung hervorgerufen wurden und den infolge Narkose mit Chloroform eingetretenen Todesfällen zu ziehen, wobei fich ergab, daß auf 100.000 mit Salvarsan Behandelte 16 Todesfälle, auf 100 000 mit Chloroform Narkotisierte aber 20 Todesfälle kommen" (Obermoselzeitung vom 22.3.1918).

 


Neo-Salvarsan

EHRLICH forschte mit seinem Team weiter, um die Eigenschaften des Präparates zu verbessern. Das gelang 1911 bei der Prüfsubstanz 914, die einen geringeren Arsengehalt, aber eine doppelt so starke Wirkung wie Salvarsan hatte. Dadurch ließen sich auch die Nebenwirkungen reduzieren. Das neue Mittel hieß Neosalvarsan. Die Skepsis der Ärzte blieb lange erhalten:"Es gibt auch heute noch Aerzte, die dem einstigen „Ehrlich Hata 606" spätere Salvarsan und heute Neo-Salvarsan genannten Mittel, skeptisch gegenüberstehen" (Salzburger Wacht, 9. Sept. 1927).

Trotz mehrerer Versuche, verbesserte Salvarsane (Myo, Solu) in den Handel zu bringen, konnte sich nur Neosalvarsan auf dem Markt behaupten. 1948 finden wir es in der Versteigerungsmasse des luxemburger Zolls: "Articles pour médecins, dentistes, pharmaciens et droguistes. 533 thermomètres médicaux, 1 lot important de spécialités pharmaceutiques Aspirin, Endojodin, Omnadin, Padutin, Sympatol, Cybazol, Neosalvarsan. 1 auriscope et ophtalmoscope combiné, 50 posemètres électriques, 241 dz. succions dentaires, 8056 rondelles pour prothèses dentaires" (Escher Tageblatt, 10.7.1948).

Pharmazie


Sauerstofftragetasche

 

Aether und Chloroform konnten bequem in Glasflaschen transportiert werden und wurden mit Tropfflaschen verabreicht. Woher aber stammte das in der Praxis benutzte Lachgas, und wie wurde es transportiert? Die Herstellung von Lachgas erfolgt durch kontrollierte thermische Zersetzung von chloridfreiem Ammoniumnitrat NH4NO3 oder durch Erhitzen einer Mischung aus Ammoniumsulfat und Natriumnitrat. Die Temperatur darf bei beiden Darstellungswegen nicht höher als 300 °C steigen, da es sonst zu einem explosiven Zerfall von Ammoniumnitrat kommen kann - nichts für die Praxis. Da war die Mithilfe des Apothekers gefragt, der über das entsprechend ausgerüstete Laboratorium verfügte. Ende der 1860er Jahre wurde Lachgas populär, als Gardner Quincy Colton auf der Weltausstellung in Paris die Vorteile einer Zahnbehandlung unter N2O-Inhalation demonstrierte und eine neue Apparatur zur Herstellung und Lagerung des Gases vorstellte.
Für den Transport musste man anfänglich auf Gassäcke zurückgreifen, wie sie seit dem 18. Jahrhundert benutzt wurden: Gassäcke sind die ältesten Gasspeichersysteme. Um das Jahr 1853 komprimierte der Brite George Barth erstmals Lachgas in Gaszyklindern, welche anfangs aus Kupfer, später aus Stahl hergestellt wurden. Die Speicherung von Sauerstoff war ab 1868 in ähnlichen Zylindern möglich. Somit war die aufwendige Eigenproduktion überflüssig. Was also zum Kuckuck transportierte HIPPERT in seinen Säcken? Sauerstoff ...

Zur sog. Inhalative Sauerstoff-Therapie
Um 1796 konstruierten Thomas BEDDOES (1760-1808) und James WATT (1736-1819) einen Apparat zur Sauerstofftherapie, der aus einem Reservoir-Beutel bestand, in den das Gas unmittelbar nach seiner Herstellung geleitet wurde. Dem Patienten wurde dieses über einen weiteren Schlauch, der in ein Mundstück resp. eine Maske einmündete, zugeleitet. Dieses System blieb bis ins 20. Jahrhundert unverändert und findet sich in einem Katalog der Fa. Down Bros. aus dem Jahr 1919 wieder (zit.: Julian M. Leigh, The evolution of oxygen therapy apparatus, Anaesthesia 1974, 29, S. 462-485).

In dem französischen Apothekerhandbuch Dorvault, L'officine (15. Ausg. 1910 S. 999), wird die Sauersstoffherstellung ausführlich beschrieben, und dazu bemerkt:
"VALLET, pharmacien à Donzy (Nièvre) a construit un appareil très pratique pouvant fournir, en 5 minutes, de 30 à 40 litres d'oxygène pur. Les appareils du Dr. BAYOD permettent de produire, semblablement à l'aide du peroxyd de sodium, de l'oxygène, soit pour inhalation directes (appareil petit modèle), soit pour le remplissage des ballons (grand modèle)".

Der Sauerstoff wurde von den Patienten kurzfristig intermittierend über einige Minuten angewendet, sodass im Abstand von 12 bis 48 Stunden höchstens zweistellige Literbeträge verabreicht worden sein dürften. Der Verzicht auf einen Druckzylinder und auf ein Druckreduzierventil (z.B. das 1889 von der Fa. Draeger entwickelte Ventil „Lubeca“), vereinfachte und verbilligte die Therapie. Ausserdem brauchte der Patient weniger Gewicht mit sich herumschleppen.

Vorgestellt wird eine 40 x 55 cm grosse Stofftasche, mit der der Apotheker August HIPPERT (1888-1957) um 1920 (dem Jahr seiner Niederlassung) Sauerstoff an seine Kundschaft auslieferte. Sollte HIPPERT über eine Sauerstoffanlage nach VALLET oder BAYOD verfügt haben ? Mitnichten. Laut Sohn Pierre HIPPERT (zit. Robert WEILER, Apotheker in Grevenmacher) füllte HIPPERTsen. den Sauerstoff aus einer Druckflasche in die leichtere Tragetasche um und übergab sie (ohne Rezept) an ältere Leute, die ihre Sauerstoffbilanz etwas aufzufrischen wünschten ...

Laut Etikett stammte die Tasche aus dem Werk des Gummifabrikanten PIRELLI, wobei HIPPERT lediglich seinen Namen werbeträchtig auf die Tasche aufdrucken liess. In seiner kleinen Gummiwarenfabrik produzierte der Italiener Giovanni Battista Pirelli (1848-1932) ab 1872 die unterschiedlichsten Artikel (telegraphische Leitungen, Unterseekabel und Fahrradreifen). 1901 startete die Produktion von Autoreifen ...

1904 stellte der Apotheker Eduard Meyer in seinem Schaufenster in der alten Avenue am Bahnhof Erste Verbandskästen aus, sowie ein neuartiges Sauerstoffgerät, das die Sauerstoffsäcke seiner Konkurrenten ins Visier nahm:
"Sauerstoff-Rettungskoffer — Apparat zur Aufspeicherung und Inhalierung von Sauerstoff. Ist bestimmt für Kranke, die an Asthma, Lungen-, Herz- und Blutkrankheiten leiden, überhaupt da, wo durch eine Störung der Atmungsorgane die Kapazität der Lungen eine beschränkte und die Bluterfrischung in der Lunge unzureichend ist. Statt dass jetzt der Sauerstoff in Apotheken in Schläuchen verkauft und beim Gebrauch großenteils unnütz verloren geht, sind in diesem Inhalationsapparat 110 Liter Sauerstoff unter einem Druck von 250 Almosphären aufgespeichert und werden durch eine zweckmäßige Inhalationsvorrichtung ohne Verlust dem Kranken je nach Bedürfnis zugeführt; ein bedeutenderFortschritt in der Pflege von Atmungskranken" (Luxemburger Wort vom 3.4.1904).

Da Sauerstoff ein sehr potentes Medikament ist und seine Verwendung in höherer Konzentration zu verstärkter Bildung von sog. Sauerstoffradikalen führt, ist es notwendig, während der Therapie sog. Antioxidantien als Schutzmittel gegen die Sauerstoffradikale zuzuführen. Von dieser Vorsichtsmassnahme aber ahnte HIPPERT noch nichts ...


Mein besonderer Dank geht von dieser Stelle an Herrn Robert WEILER, Apotheker a.D. in Grevenmacher, der mir bei der Aufklärung dieses geheimnisvollen Objektes sehr behilflich war und nicht zögerte, Kontakt zu seinem Kollegen Pierre HIPPERT aufzunehmen ...

Pharmazie


Schering (1)

um 1939 

 

  

FOLINERIN steht für die Herzmedikamente von Schering:
Oleander gehört zu den Pflanzen mit digitalisähnlicher Wirkung, Auszüge aus seinen Blättern werden bei Herzschwäche - gewöhnlich zusammen mit anderen herzwirksamen Drogen - verschrieben. Die Wirkung setzt rascher ein als bei Digitalis, hält jedoch weniger lang an. Das kristalline Glykosid FOLINERIN (C32H48O9) wurde aus Nerium Oleander gewonnen (daher der Name Folium Nerii, Blatt des Oleanders) und wurde bei Herzinsuffizienz verschrieben. Das vorgestellte Fläschchen stammt aus der Charge (KKBA 039) und wurde auf einem Athener Flohmarkt aufgestöbert. 

 

Lange Zeit musste man sich mit Extrakten aus Keimdrüsen begnügen. Besonders experimentierfreudige Forscher transplantierten Sexualorgane um die Wirkung der Hormone zu "übertragen" - die sog. Opotherapie, die bis um 1990 überlebte. Am 29.11.1925 begrüsste Dr. August WEBER im Cercle in Luxemburg den berühmten Prof. Serge VORONOFF (Escher Tageblatt vom 1.12.1925) ... seine Experimente mit Affen, denen er Hoden wegnahm, oder hinzufügte, füllten damals die Kolumnen der Zeitungen.

"PROLUTON C" steht für die Hormone aus dem Hause Schering - 1933 wurde das Corpus-luteum Hormon "Proluton" kommerzialisiert (Mediz.Mitteilungen Schering, Heft 7 Oktober 1933 S.181). Dieses erste Progesteronpräparat musste i.m. oder i.v. appliziert werden. 1939 folgte das oral wirksame Pregneninolon unter der Bezeichnung Proluton C. Aus dieser ersten Charge (AHBA 139) stammt (?) das hier vorgestellte sechseckige Fläschchen.

 

Die Fa. Ciba /Basel stellte 1943 eine Kristallsuspension her zur parenteralen Applikation. 1954 machte die Fa. Schering einen weiteren Schritt mit einem 17 a-Hydroy-Progesteroncapronat, das von K. Junkmann (1897-1978) in Berlin synthetisiert und in die Therapie eingeführt wurde. Noch erfolgreicher wurden Derivate des Testosterons mit gestagener Wirkung, die ab 1954 in den Handel kamen.

Pharmazie


Schering (2)

PROGYNON
 

   Der aus einer Hohenemser jüdischen Arztfamilie stammende Dr. Eugen STEINACH (1861-1944) war in den 1920er Jahren der Erfinder des ersten funktionierenden Hormonpräparates. Ab 1923 arbeitete er mit der deutschen Pharmafirma Schering zusammen, die im Bereich der Hormonpräparate zu den führenden Konzernen zählte. 1928 kam der Ovarienextrakt PROGYNON in Form von Dragées auf den Markt - das in den Laboratorien von Schering entwickelte Präparat wurde bis vor wenigen Jahren hergestellt und war gegen Wechseljahrbeschwerden, vor allem aber bei Geschlechtskorrekturen in Verwendung. 

 

Cave Verwechslung: auch ein kristallin reines Oestrogen sollte den Namen PROGYNON tragen! Anfang September 1929 kristallisierte Edward A. DOISY "das weibliche Hormon". Fieberhaft machte sich in Deutschland Adolf BUTENANDT, unterstützt von seiner späteren Ehefrau Erika v. Ziegner, daran, seinerseits das Hormon kristallin rein darzustellen und dessen Summenformel zu erstellen. "PROGYNON" sollte der neue Stoff heissen – genau wie das Organpräparat Scherings (Helga Satzinger, Adolf Butenandt, Hormone und Geschlecht, in: Wolfgang Schieder, Achim Trunk, Adolf Butenandt und die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Wallsteinverlag 2004 S. 102).

 

Wo kamen die Oestrogene im Schering'schen PROGYNON her?

   "At first the hormones to make up the pills were expensive to purchase. In order to make the pills more affordable, Schering extracted the hormones from the urine of pregnant women" (SCIENCE MUSEUM London). Ursprünglich enthielt Progynon also ein Follikelhormon aus weiblichem Urin.

 

Als nicht genug Urin zur Verfügung stand, behalf man sich mit Rinderplazenten:

"… ist von einer ausgiebigen Hormonaltherapie in der Darreichung erprobt wirksamer Ovarialpräparate zu erwarten. In erster Linie ist hier das besonders von J. NOVAK empfohlene Progynon zu nennen, ein von STEINACH und seinen Mitarbeitern angegebenes, aus Rinderplacenta gewonnenes Hormonpräparat, das nach Mäuseeinheiten biologisch austitriert ist. Eine Dragée Progynon enthält 250 Mäuseeinheiten" (Conrad Stein, Die Medikamentöse und Allgemeine Behandlung der Ohrenkrankheiten, Springerverlag 1931  S.36).

Auch Alfred Goldschneider (Therapie Innerer Krankheiten, Springerverlag 1931 S. 361) schreibt, dass Progynon aus Rinderplacenta hergestellt wurde.

 

Bis Anfang der 30er Jahre wurde das Oestrogen erst aus Plazentagewebe, dann aus Urin gewonnen:

"Entre 1925 et 1935, Schering remplaça les extraits de tissus par des spécialités supposées ne contenir que les stéroïdes tenus pour caractéristiques des sécrétions des ovaires, du corps jaune et des testicules. Les marques déposées Progynon, Proluton, Proviron et Testoviron devinrent ainsi respectivement synonymes d’estrogènes, de progestérone, d’androstérone et de testostérone. Les sources d’approvisionnement changèrent aussi. Même si la manipulation et le découpage des ovaires de truies — une opération délicate nécessitant un doigté typiquement féminin — persistèrent jusque dans l’après-guerre, une bonne partie de ces produits étaient désormais préparés par le traitement chimique de quantités massives d’urine de jument et d’urine humaine" (Jean-Paul Gaudillière, La fabrique moléculaire du genre : hormones sexuelles, industrie et médecine avant la pilule, L'Harmattan Nr.34 1/2003).

 

1928 konnten Selmar Aschheim und Bernhard Zondek im Urin schwangerer Frauen und Tiere hohe Konzentrationen an Oestrogenen nachweisen, worauf die Industrie auf diese Quellen zurückgriff, und die kostspieligen Plazenten allmählich aufgab. So auch die Fa. Schering, deren Chemiker Adolf BUTENANDT die Reindarstellung von Östron im Prinzip 1929 realisierte, es bis zur Massenherstellung aber bis knapp 1933 dauerte:

1932 gelang die Umwandlung von Estron in Östradiol durch Hydrierung. So konnte ab 1933 aus dem besonders oestronhaltigen Harn von Stutenurin sehr preiswert Progynon mit dem neuen Inhaltsstoff Östradiol hergestellt werden.

"In einem Vademecum für Ärzte aus dem Jahr 1933 wies die Schering-Kahlbaum AG auf einem Extrablatt auf die Verbilligung von PROGYNON hin, das seit der Anwendung der von Butenandt entwickelten Synthese einfacher herzustellen war als das PROGYNON nach dem Steinachschen Verfahren" (Gert J. Wlasich, Die Schering AG in der Zeit des Nationalsozialismus, Verlag Kalwang & Eis 2011 S.159).

Progynon, ursprünglich ein Gemisch verschiedener weiblicher Hormone, war also ab 1933 ein chemisch reines, halbsynthetisches Hormon.

Exponat:

Sechseckiges Fläschchen der amerikanischen Vertretung der Fa. Schering mit 30 Tabletten PROGYNON, jede 30 Allen-Doysy-Einheiten Oestrogen enthaltend. Import aus Milford, Pennsylvania / USA. ("Free Sample": Ärztemuster). Schraubverschluß aus Weissblech, blaues Etikett.

 

Lit.:

Batisweiler, J., Plazentaextrakt Progynon bei Menstruationsstörungen und Kastrationsfolgen, in: Zbl. Gynaek. 1928, 2227-2232.

Novak und Last, Klinische Erfahrungen mit Progynon usw., in: Med. Klin. 1928 II, 1715.

Butenandt, Adolf, Über „Progynon", ein krystallisiertes weibliches Sexualhormon, in: Die Naturwissenschaften, November 1929 Volume 17, Nr. 45, S. 879-879. Springerverlag

 

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Schering (3)

P1050766
 

 

 

   

   Der aus einer Hohenemser jüdischen Arztfamilie stammende Dr. Eugen STEINACH (1861-1944) war in den 1920er Jahren der Erfinder des ersten funktionierenden Hormonpräparates. Ein Fläschchen PROGYNON ist daher im Jüdischen Museum Hohenems / Vorarlberg ausgestellt. Wie unser Exponat, hat es einen Verschluß aus Bakelite und eine lindgrüne Aufschrift.

 

    Exponat: "Deutsches PROGYNON" in seinem sechseckigen Fläschchen, mit grünem Etikett und Schraubverschluss aus Bakelite. Seriennummer BDAD 348L. Die grüne Farbe ist vermutlich eine Anspielung an die von Ernst Christian Friedrich Schering (*31. Mai 1824 in Prenzlau; †27. Dezember 1889 in Berlin) im Norden von Berlin geführte "Grüne Apotheke". 

Als Ernst Schering starb, hinterliess er die Firma seinem Sohn Richard (*6. Februar 1859 in Berlin; †9. August 1942), der die alte Grüne Apotheke in der Chausseestraße N°21 übernahm - das Gebäude wurde 1892 abgerissen ...

 

Aufschriften:

E.W. (Eingetragenes Warenzeichen)

D.R.P. (Deutsches Reichs-Patent)

 

Erworben 10/2016 in Bulgarien (Ebay). 

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Schering (4)

P1050960
 

 

  Nicht nur die Veresterung zum Dipropionsäureester erwies sich als funktionell wertvoll. Auch die Umwandlung des Östradiols zum Benzoeester, genauer zum 3-benzoyl-ester führte zu einem Molekül, das im November 1933 unter dem Namen PROGYNON B oleosum in den Handel kam (Mediz. Mittg. Schering Heft 8 Nov.1933 S.209).

 

"Durch die Veresterung des Dihydrofollikelhormons mit Benzoesäure wurde eine weitere Wirkungssteigerung erzielt, die sich in einer bedeutend längeren Dauer der therapeutischen Wirkung äußert. Das unter der Bezeichnung "Progynon B oleosum" in die Therapie eingeführte Dihydrofollikelhormon-(Oestradiol-)Benzoat ist somit die wirksamste bisher bekannte Form des Follikelhormons. Die Standardisierungs-kommission des Internationalen Hygienekomitees sah sich daher im Jahre 1935 veranlaßt, ein besonderes Standardpräparat zu schaffen, von dem 0,0001 mg mit "1 Internationalen Benzoat-Einheit" bezeichnet wird"

(Süddeutsche Apotheker-Zeitung N°53 vom 5.7.1939)

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Schlangenkühler n. GRAHAM

um 1930 

Aus dem Fundus der ehemaligen Drogerie HOFFELD (r. de la Liberté/Luxemburg) stammt dieser Schlangenkühler, mit dem ich Sie (und mich) mit der Geschichte des Distillierens bekannt machen möchte.

In Taxila im Norden Pakistan fand der Pharmazeut und Begründer der Osmologie Paolo ROVESTI (1902-1983) das weltälteste Distillationsgerät - eine 5000 Jahre alte Apparatur aus Terrakotta. In der Wildnis Äthiopiens sah er Menschen, die Pflanzen in ähnlichen tragbaren, direkt befeuerbaren Destilliergeräten verarbeiteten: offenbar ist die Kunst des Distillierens sehr viel älter als man bislang glaubte, wurde aber in der Pharmazie lange Zeit nicht wahrgenommen ..

Erst die Araber, Experten für „Alchemie“ und Medizin, haben im Hoch-Mittelalter die Kühlschlange wiedererfunden indem sie Geräte der alten Aegypter wiederaufgriffen: um 700 nach Christus erfanden sie die Destillation "neu". Dabei machten sie sich zunutze, dass Ethanol bei einer niedrigeren Temperatur (78,3 Grad Celsius) siedet als Wasser (100 Grad Celsius), deswegen eher verdampft und sich beim Abkühlen zuerst wieder verflüssigt. Aus dem arabischen Wort "kuhl" (Essenz von Stoffen) entwickelte sich das Wort "alcohol" (vini) im Sinne von "Essenz des Weines". Durch die Destillation wurde es erstmals möglich, Getränke mit einem hohen Alkoholgehalt herzustellen. Die natürliche alkoholische Gärung stößt nämlich selbst bei einem hohen Zuckergehalt der Ausgangssubstanz an eine Grenze, da die Hefepilze nur eine Alkoholkonzentration von maximal 16 Volumenprozent tolerieren.

Im 11. Jahrhundert kam die Destillationskunst dann über die Medizinische Schule von Salerno nach Europa. Hier setzten sich für den hochprozentigen Alkohol bald die Bezeichnungen aqua vitae (Wasser des Lebens) und aqua ardens (brennendes Wasser) durch. Um 1230 wurde die Bereitung des "flüchtigen Körpers" - des Spiritus vini, Spiritus ardens, aqua vitae, Weingeist - aus Wein durch Destillation und Kondensation mittels Kühlschlangen von dem Erfinder des Schwarzpulvers Marcus GRAECUS und um 1280 von dem Florentiner Arzt Taddeo ALDEROTTI (um 1220-1348) beschrieben: ab dem ausgehenden 13. Jahrhundert konnte in allen europäischen Alchemistenküchen mit Hilfe der „Kühlschlange“ der Geist des Weines nach Erhitzen eingefangen werden. Um 1300 gelang durch mehrfaches Distillieren die Herstellung von 90%igem Alkohol. Damit war der Weg für das Extrahieren öliger Inhaltsstoffen aus den Pflanzen eröffnet ...

Seither ist die Kühlschlange unentbehrlich in den pharmazeutischen Laboratorien. In der "La nouvelle maison rustique" von Jean François Bastien von 1798 findet sich S. 776 eine "distillation au serpentin": "tube en métal tourné en spirale & plongé dans un vase plein d'eau froide". Die Schlange war also aus Kupfer, konnte auch aus Zinn gefertigt sein (G. Monge, Dictionnaire de physique 1793 S. 153).

Aber auch ohne etherischen Inhaltsstoffe hatten die hochprozentigen Alkohole eine wohltuende desinfizierende Wirkung. Ärzte beträufelten damit ihr Taschentuch, wenn sie Patienten mit ansteckenden Krankheiten besuchten. Auch innerlich eingenommen war dieses "Lebenswasser" eine geschätzte Schutzmassnahme "Schnaps ist gut gegen Cholera"...

Im "Nouveau Traité de Pharmacie théorique et pratique" von E. Soubeiran aus dem Jahr 1837 ist der "réfrigérant à serpentin" angegeben. Es heisst "se trouve dans les laboratoires de toutes les pharmacies"


Vorgestellt wird ein "Réfrigérant à serpentin dit "de Graham": L’eau passe dans le serpentin : l’importante surface de contact entre les vapeurs et la paroi du réfrigérant rend celui très efficace. Il doit être utilisé pour des solvants très volatils, nocifs… Oben in das Glasrohr wurden Dämpfe eingeleitet, in den unteren Zulauf der Schlange wurde kaltes Wasser eingeleitet und durch den oberen Auslauf abgeleitet ...


Link:
www.https://world-spirits.com/de/worldspirits/Geschichte.htm
www.https://u0028844496.user.hosting-agency.de/malexwiki/index.php/Destillation

Pharmazie


Schlangenserum

um 1920 

Im Laufe des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl der Apotheken in Limoges beträchtlich an - ein Grund für die Apotheker, zu Beginn des 20. Jahrhunderts aggressive Werbekampagnen zu starten. Auf diesem Hintergrund beglückte die "Grande Pharmacie universelle" von Michel LEGROS seine ärztliche Kundschaft mit einer modernen Errungenschaft, dem Schlangenserum. Angeblich war LEGROS sogar an der Entwicklung dieses Serums beteiligt:
"Le docteur en médecine et pharmacie, Michel Legros, l'un des inventeurs du vaccin contre les piqûres de serpent, venait passer ses vacances au début du xxe siècle dans l'ancienne maison Roche (famille de sa mère), face à l'entrée de l'hôtel de Lur, appelé le château de Saint-Jean-Ligoure" (Internet, Ortschaft Saint-Jean-Ligoure).
Das Präparat versprach "Guérison des morsures de serpent". Die auf dem Fläschchen aufetiquettierte Gebrauchsanweisung besagte:

"Médaille d'Argent Exposition Universelle 1900
Injecter une pleine seringue de solution, divisée en trois injections profondes, faites, l'une sur la morsure, la seconde à la limite de l'enflure, la troisième sur un point quelconque du corps".

Gegen Fliegenstiche reichte die Applikation von einigen Tropfen ...

Offenbar handelte es sich um ein breitgefächertes Sérum, ein Antidot gegen mehrere Schlangengifte.

Zur Behandlung von Schlangenbissen
Crates aus Pergamus erzählt, bei Parium am Hellespont habe es eine Gattung von Menschen gegeben, die er Ophiogenen nennt, welche Schlangenbisse durch bloße Berührung zu heilen und durch Auflegen der Hand das Gift aus dem Körper herauszuziehen pflegten. Auch Varro gibt an, es gebe dort noch einige Menschen, deren Speichel den Schlangenbiß heilt. In Afrika (im heutigen Lybien) lebte, nach Agatharchides, ein ähnliches Volk, die Psyller, so genannt von ihrem Könige Psyllus. Glaubt man Plinius (Historia naturalis VII 2/14) so enthielt Ihr Körper ein für die Schlangen tödliches Gift, durch dessen Geruch diese in Schlaf versetzt wurden. In den Armee-Hospitälern (valetudinarien) gab es eine besondere Gruppe von Hilfspersonal, die "marsi", die in der Tradition besagter Psyller auf die Behandlung von Schlangen- und Skorpionbissen spezialisiert waren ...
Die ungeheure Zahl der früher üblichen mehr oder weniger geheimnisvollen Mittel und Behandlungsarten legte nicht gerade ein beredetes Zeugnis für deren erfolgreiche Wirkung ab. So konnte der englische Arzt Sir Joseph Fayrer (1824-1907) über diese Therapie noch folgendes sagen: „Würde ein Mensch von einer Schlange gebissen und erfolgt nach Anwendung irgendeines jener vielgerühmten Mittel nicht der Tod, so würde der Patient auch ohne diese Behandlung am Leben geblieben sein.“
Von 1890 bis 94 arbeitete der französische Forscher Albert Calmette (1863-1933) am Institut Pasteur in Saigun, wo er Seren gegen die Tollwut entwickelte und sich mit Fragen der Schlangen-, Bienen- und Fischgifte abgab. 1894 kehrte er nach Paris zurück, wo er die ersten Seren gegen Schlangengift aus dem Blut immunisierter Pferde zubereitete. Seit der Einführung des Schlangengiftserums durch Calmette haben Schlangenbisse viel von ihrer Gefährlichkeit verloren. Allerdings bleibt die Therapie im Einzelfall eher hasardös:
"Es ist nicht einfach Schlangengifte zu deklarieren. Eiweisse bestimmen 90% bis 95% des Trockengewichtes der Giftzusammensetzung und sind auch für den Grossteil der biologischen Schäden verantwortlich. Der Rest setzt sich aus unzähligen Toxinen, Proteinen und Enzymen zusammen. Das gefährliche dabei ist, dass die Gifte immer anders zusammengesetzt sind. So kann es unter anderem auch vorkommen, dass Ein und die Selbe Schlangenart auf einmal unterschiedliche Giftzusammensetzungen hat, was eine Bissbehandlung mit Seren sehr kompliziert werden lässt" (https://www.exoterra.ch/html/venom1.html).
Wenn man in Afrika oder Asien unterwegs ist, sollte man immer ein Schlagenserum mit sich führen. Der Biss einer schwarzen Mamba etwa ist tödlich, wenn man kein Serum dagegen hat.

Pharmazie


Schnupftabakdosen

um 1900 

Medikamente wurden früher in Pulverform verkauft - Tabletten gibt es erst seit etwa 1800.

Eine beliebte Verpackung der Pülverchen waren die Schnupftabakdosen, die preiswert in grossen Quantitäten hergestellt wurden: kleine Dosen aus Horn (1 und 2), grössere aus Holzspan (3, Boden und Deckel ist aus Ganzholz) oder aus Ganz-Holz (4, Deckel aus Horn)

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Um 1850 eröffnete in Ehnen an der luxemburgischen Mosel ein Geschäftsmann eine Fabrik, in der er Schnupftabakdosen herstellte. Einige der hier vorgestellten Dosen stammen vermutlich aus dieser Produktion.

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In vielen luxemburger Haushalten waren die Dosen [lux. ROPPOP (weibl.): "ovale Schnupftabakdose aus Holz mit Deckel, der in die Dose eingedrückt wird" ] beliebte Aufbewahrungsorte von Heilpülverchen. Sie waren mehr. Der in ihnen enthaltene Tabak war selber ein Heilmittel - welches den Arzt überflüssig machte resp. ihn "vom Bette fernhielt":
"Dès le 17e siècle, l'usage du tabac à priser était fort apprécié parmi les gens du peuple qui lui attribuaient le pouvoir de clarifier l'esprit et de décongestionner la tête. Selon le dicton populaire, cette pratique purifiait le cerveau et "chassait le médecin du lit"

Pharmazie


Schubladen-Schildchen (1)

Schubladenschildchen um 1920
 

 

    Wurden die Schubladen früher kunstvoll verziert und die Namen der Inhaltsstoffe aufwändig aufgemalt, oft mit alchimistischen Symbolen vermischt, so erlaubte die Technik des Emaillierens ab Mitte des 19. Jahrhunderts ein rasches und relativ preiswertes Beschriften der vielen Schubladen einer Apotheke. Erfinder des neuartigen Materials im Jahre 1836 war der Mediziner (!) und Chemiker Adolf Martin Pleischl (1787-1867), Ordinarius für anorganische Chemie an der Universität Wien.

Nach seiner Emeritierung gründete er 1847 die erste Fabrik zur Herstellung emaillierter Eisenblechwaren (Wien 7, Zieglergasse 51).

 

    Im Prinzip unterscheiden sich Apotheken-Schildchen nicht von denjenigen in Tante-Emma-Läden. Stellvertretend für die Apthekenschränke stelle ich diese drei Schilder vor, die einst Schubläden mit pflanzlichen Produkten zierten - Wurzeln, Blättern und Kraut ...

 

    Auf Umwegen stammen die Schildchen vermutlich aus der Modernisierung der Apotheke "Zur Mariahilf" in Innsbruck, als diese im Februar 2016 von der Innstraße N°5 nach der Mariahilferstr. N°1 verlegt wurde.

 

    Erstanden 10/2016 am "Alten Hafen" in Innsbruck.

Pharmazie


Schubladen-Schildchen (2)

P1050880
 

 

    Deutlich seltener als schwarze Schildchen (für "Indifferentia") sind rote Schilder, die man gemäß "DAC Anlage K" auf Schubladen anbrachte mit sog. "Separanda", Arzneimitteln, die wegen ihrer starken Wirkung getrennt aufzubewahren waren! Beispiele: Acetonum, Aether, Barbitalum, Coffeinum, Flos. Convallariae, Pheno-barbitalum, Rhizoma Veratri, Tinctura Colchici.

  Noch seltener sind Schildchen mit weisser Aufschrift auf schwarzem Hintergrund. Mit einem solchen Schild gekennzeichnet mussten (bis vor kurzem) "Venena", hochgiftige Substanzen, gelagert werden und in einem abschließbaren Schrank verwahrt werden.

 

Vorgestellt wird ein Schildchen aus dem gleichen Konvolut wie (1), mit der Aufschrift FRUCT(us) COLOCYNTH(is).

 

Citrullus colocynthis (L.) Schrad. (syn. Citrullus officinalis, Colocynthis vulgaris, Cucumis colocynthis); Koloquinthe (syn. Pomaquinte, Alhandal, Koloquintenkürbis, Puriergurke, Teufelsapfel) wurde früher als drastisches Laxans, u.a. auch bei Ödemen und Hydrops, seltener bei Gicht, Rheuma und Neuralgien eingesetzt. Die Droge führt bei Überdosierung zu Entzündungen des Magen-Darm-Traktes, der Niere und Blase. Extrakte der Droge wurden zur Wanzen- und Mottenbekämpfung eingesetzt.

 

Die Frucht der im Mittelmeerraum wild wachsenden Pflanze war den antiken Ärzten bekannt, Plinius und Dioskurides erwähnen sie in ihren Schriften. Bei den Arabern war die Droge sehr gebräuchlich, und sie haben sie im Mittelmeergebiet auch verbreitet. Der Gattungsname Citrullus wurde wegen der den Orangen ähnlichen Früchte geprägt. Colocynthidis war der bereits im klassischen Altertum gebäuchliche Name für die Pflanze. Die getrockneten Früchte gehören zu den uralten Abführmitteln, ihre Nennung erfolgte bereits im Alten Testament im "4. Buch der Könige, 4. Kapitel".