Pharmazie


Mörser (9), Pillenmörser

Pillenmorser
 

Zu jede Apotheke gehören obligatorisch Mörser "und zwar ein grösserer aus Porcellan oder Messing sammt Pistill aus dem gleichen Material (zur Bereitung von Samen-Emulsionen) und mindestens ein Pillenmörser aus Gußeisen oder Stahl. Pillenmörser aus Messing dürfen in der Apotheke überhaupt nicht vorhanden sein" (H. Böttger, Die Apotheken-Gesetzgebung des deutschen Reiches und der Einzelstaaten, Springerverlag 1880 S.162).

 

 

Exponat

Kleiner Mörser aus Eisen mit Pistill - ein "Pillenmörser (diese waren aus Eisen oder Porzellan), sehr tief, gedacht zum „Anstoßen“ der Pillenmasse, welche in diesen Mörsern zuerst vermischt und verarbeitet wurden" (Mitteilung Andreas Winkler, 18.10.2018) - bevor sie auf das "Pillenbrett" kam.

 

Pillen-Mörser, innen und außen abgedreht und poliert, mit Pistill (aus: Kensberg & Ulbrich. 1910. Preis-Verzeichnis: Fabrik und Lager sämtlicher Metall-Apparate für chemische, technische, pharmaceutische und bakteriologische Laboratorien. (S.0082, fig.776).

Pharmazie


Mumia vera

Keramik, 1997 

Auf Wunden streute man ägyptisches Mumienpulver, das wahrscheinlich aus ganz normalem Straßen-Dreck bestand. Bei Herzschmerzen, Zittern, Husten oder Kopfweh ein wenig Mumienpulver einnehmen oder auftragen, und schon sind die Wehwehchen wie weggeblasen: Das dachte man zumindest bis in die 1920er-Jahre. Damals galt das Mumienpulver als Heilmittel. Dieser aus zermahlenen ägyptischen Mumien bestehenden Substanz wurden magische Kräfte nachgesagt.

Im 19. Jahrhundert galt Mumienpulver als das Potenzmittel der ersten Wahl. Grundsubstanz für Mumia waren indessen kaum mumifizierte Menschen, sondern in erster Linie pulverisierte Katzenmumien. "Da spielen sicher auch magische Vorstellungen eine Rolle. Was man aber nicht sehen wollte ist, dass das für die Ägypter ja keine Katze war, sondern eine Göttin - Basted -, die man da zerrieben hat. Das macht das Vergehen umso größer", so "Prof. Hermann Harrauer, Direktor des Papyrusmuseums der Österreichischen Nationalbibliothek Wien".

Das vorgestellte, laut Firma Herr in Bogen nach historischer Vorlage gearbeitete Keramiktöpfchen, stammt aus der Zeit nach 1995 und wird nicht mehr hergestellt. Erworben 31.10.2011. Vorher zuletzt bei Ebay am 13.11.2006 angeboten.

Pharmazie


Glas für Mutterkorn

um 1900 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mutterkornes ist seit dem 18. Jahrhundert europaweit sowohl bei Hebammen als auch bei Ärzten im Gebrauch.

Mutterkorn (lux. RUED, RAD, männl.; auch "Dronkekaar, Klongelkuer, Schartz") war auch unsern luxemburger Vorfahren als Verunreinigung der Feldfrucht wohlbekannt. Auch wussten sie, dass der Apotheker das Mutterkorn gegen teures Geld aufkaufte, um es dem Mediziner bzw. Patienten noch teurer weiter-zuverkaufen: "t'ass vill RUED am Wees" - meinte der Bauer und benachrichtigte den Apotheker, der auf dieses Zeug scharf war. Ein einheimischer Spruch lautete:

"RUED mécht dem Bauer kee Schued [da er das Mutterkorn teuer beim Apotheker verkaufen kann]
mee kaal Féiss um Maartt" [aber kalte Füsse auf dem Markt, da er die Frucht hier nicht absetzen konnte].

 

In Deutschland wurden Anfang des 20. Jh. jährlich 40 Tonnen Mutterkorn gebraucht, von denen nur 1% aus Deutschland stammten. Noch 1938 war natürliches Mutterkorn in Gebrauch, Russland und Spanien waren die klassischen Lieferanten. Die Kriegswirren sollten diese Importe erschweren - die Suche nach Ersatzstoffen setzte ein.

Pharmazie


Oblatenkapsel (1) Moule à cachets azymes

Pressform n. FINOT

 

"Pain azyme" (Brot ohne Enzyme d.h. ohne Hefe) ist besser bekannt als Brot der Juden und der christlichen Hostien. Etwas verwundert haben wir zur Kenntnis genommen, dass dieser (beim Backen nicht aufgehende) Teig auch in den Apotheken zum Einsatz kommt!

 

Stärkemehlkapseln werden (ähnlich den Oblaten) entweder aus reiner Weizenmehlstärke oder aus Gemischen von Weizenstärke und Weizenmehl in sogenannten Oblatenbäckereien gebacken. Sie sind runde Blättchen mit flachem Rand und zentraler Vertiefung. Für gewöhnlich werden sie in drei Grössen u.zw. von 2,0, 2,5 und 3,0 cm Druchmesser angefertigt. Sie dienen zum Einhüllen fester Substanzen, besonders der Pulver.

 

Es gibt gleich mehrere Erfinder dieser Oblaten:
      - 1717 durch den Apotheker MONVENOUX aus Lyon. Einer alten Tradition zufolge (La nouvelle Marguerite, Roman von Alexandre Pontal), wurden die "cachets azymes" in Lyon in der Apotheke in Haus 22 der rue Palais Grillet (nahe der Ecke zur rue Tupin) erfunden, der 1717 gegründeten "Pharmacie Lamoureux- Dunant.

        - 1835 durch den Apotheker André-Alexandre GUILLIERMOND (1812-1890) aus Lyon.

        - 1872 durch den Apotheker Stanislaus LIMOUSIN (1831-1887) aus Ardentes /Indre. Er erfand ein Verfahren, mit dem die "cachets" in grösseren Mengen hergestellt werden konnten - erst dadurch wurde die Methode praktikabel. In Paris gründete er eine Apotheke, die Dank seines Erfindergeistes bald zu einer wahren Goldgrube wurde... Seine "cachets médicamenteux" stellte er 1878 auf der Weltausstellung in Paris vor.

"Interne des hôpitaux de Paris il fut affecté à la Pitié Salpetrière en 1856. Pharmacien d’officine place de la Trinité à Paris, il imagina une méthode pratique de préparation de l’oxygène et les appareils nécessaires à l’oxygénothérapie. Il améliora les modes de préparation de certaines formes médicamenteuses et des ampoules de solutés injectables. Pionnier de l’oxygénothérapie, il mit au point un système portable de production d’oxygène, permettant les traitements par inhalation à domicile. Il fut l’un des premiers à signaler l’emploi des drogues nouvellement importées d’Amérique, à proposer la coloration par la fuschine des sels toxiques. La découverte qui fit la célébrité de Limousin fut celle des cachets médicamenteux. Auparavant l’administration des poudres médicamenteuses se faisait en disposant le médicament au centre d’une feuille de pain azyme humecté dont ont rabattait les bords de façon à former un petit sac que l’on avalait avec un peu d’eau. Les inconvénients de ce mode d’administration étaient grands, éparpillement du médicament et fixation de parcelles de poudre sur les parois de la gorge. Limousin eut l’idée d’enfermer les poudres dans des feuilles de pain azyme concaves soudées circulairement de façon à former une capsule aplatie. Il modifia plusieurs fois son appareil à cacheter, pour aboutir à l’appareil « cacheteur Limousin », ancêtre de tous les appareils à cachets."(cit.: https://www.ordre.pharmacien.fr/Art-et-patrimoine/Pharmaciens-celebres/Pharmaciens-celebres/Stanislas-Limousin).


"Le capsulage dans le pain azyme introduit dans la pratique pharmaceutique en 1872 par M. LIMOUSIN sous le nom de Cachets médicamenteux tend à se généraliser dans un grand nombre d'officines. Ce procédé a le grand avantage de permettre à tous les pharmaciens de capsuler eux-mêmes et à mesure du besoin les poudres simples ou composées avec un outillage très économique."

 

Das ursprünglich von LIMOUSIN beschriebene Gerät bestand aus einem Brett mit Löchern und einem Holzstempel. Die eine Seite des Stempels bestand aus Palysanderholz und diente dazu , die eine Hälfte der in die Löcher gelegten Kapseln aus ungesäuertem Brotes zu befeuchten, die andere Seite bestand aus normalem Holz und diente dazu, beide Brothälften aufeinanderzupressen. Bei unserm Gerät wird die Funktion des Stempels von der dritten Metallplatte übernommen. Sie drückt die beiden andern Platten (die erste diente zum Herauspressen der fertigen Oblate, die zweite nahm die Oblatenbasis auf, die dritte nahm den Oblatendeckel auf und drückte diesen gegen die Basis).
DIGNE, CEYLE und FINOT haben die LIMOUSIN'sche Platte verbessert:
"L'appareil le plus simple de FINOT s'appelle "Cacheteur Primus". Il permet de confectionner 6 grandeurs différentes [..]. Il est muni d'une pince spéciale pour saisir la capsule qui doit servir de couvercle après en avoir humecté les bords. Le cachet est chassé de cette pince en pressant sur un éjecteur dont la tête se trouve à la partie supérieure" (Dorvault 1910 S. 463).

 

Die Luxemburger Tarifordnung von 1919 (Memorial n°30 vom 8.5.1919) sah 10 cts vor für jede so hergestellte Oblate "si pour la remise de poudre la prescription vise la forme de cachets azymes ou de capsules gélatineuses, pour chaque dose".

 

Exponat

Vorgestellt wird ein 24 x 12,5 x 1,8 cm grosses Formeisen

"Etablissements E. LENGLEN Jeune,
R. Lenglen & E. Mery Successeurs, 7 rue Carolus Duran, Paris.
Cacheteurs, Compresseurs, Doseurs, Cachets Azymes"

importiert aus Belfort im Oberelsass. Ähnlicher "Cacheteur" im Handel mit der Adresse "Etablissements E. Lenglen Jeune, Lenglen & Mery, Successeurs, 50, Faubourg du Temple, Paris". Es fehlt lediglich die Rolle zum Anfeuchten der Ränder.

Pharmazie


Oblatenkapsel (2a) n. Chapireau

 

1879 schrieb der "Entdecker" der Oblatenkapsel Limousin die Geschichte von der wirklichen Erfindung nieder:
"Le Dr Mary Durand a publié un compte rendu de la séance de l'Académie où a été lu ce rapport dans le numéro du 24 mai 1873 de son journal, le Courrier médical dit à ce propos que depuis plus de trente ans on vend, sous le nom de remède du curé de Pérols, sous forme de pastilles, du sulfate de quinine placé entre deux hosties, consacrées, à ce qu'il a entendu dire.— Le médicament était placé au centre des deux hosties plates collées au moyen d'un pinceau" (S. Limousin, Contributions à la pharmacie, Paris, chez Asselin, 1878/79 S. 113). Pérols ist eine Gemeinde im "département de l'Hérault" südlich von Montpellier.

2 Jahre später machte sich ein gewiefter Apotheker an die Vermarktung der Oblatentechnik: 1881 gründete S. Chapireau, ehemaliger Apotheker in Sankt Petersburg, ein Unternehmen in Paris. Bei seinem Tode erbte es seine Schwester, die Witwe Jablonsky-Chapireau und zog Herrn Feignoux Vater 1892 hinzu. Ab 1901 leitete Raoul Feignoux Sohn, Apotheker 1. Klasse, den Betrieb, in dem er seit 1897 Mitarbeiter war.

S. Chapireau führte in Frankreich den "cachet à étages" ein, in den besonders viel Puder hineinpasste. Seine "pains azymes" bestanden nicht, wie bei Konkurrenten, aus Weizen-, sondern aus Stärkemehl. Die Fa. belieferte den Markt ausschliesslich mit diesen leeren Kapseln (an die 100 Millionen Kapseln jährlich!) und den Geräten zum Füllen.

Sitz der Firma erst in Haus 23 der r. Compans, dann Haus 14 r. de la Perle, schliesslich bei Frau Wwe Jablonsky-Chapireau 2 av. de Bel-Air. Eifrige Ausstellertätigkeit: Medaillen in Bordeaux (1895), Paris (1889), Rouen (1896), Paris (1900), Nancy (1909), Brüssel (1910) und Turin (1911).

Hören Sie die Werbung:
"Grâce à leur forme bombée particulière ils contiennent trois fois de plus de poudre que la plupart des cachets de même diamètre. Les cachets S. Chapireau se conservent indéfiniment; ils ne jaunissent, ne durcissent et ne rancissent jamais. Triés un à un leur emploi ne cause aucune perte. Cachets blancs et de toutes couleurs sans aucune marque ou avec le nom du client ou du médicament. Se vendent par boîtes de 500 et 1.000 dans chaque numéro. L'appareil S. Chapireau est le plus simple, le plus pratique et le plus expéditif".

Die Konkurrenz schlief nicht: 1891 wurden in Paris die LGA gegründet, die "Laboratoires des Gélules et des Azymes", die ihre Oblaten (cupules) aus Maisstärke herstellten. Als die Zeit der "cachets azymes" zur Neige ging, sattelte diese Firma auf Gelatinekapseln um... Doch gab man nie die Produktion der Mais-Oblaten auf. Die LGA sind heute die einzige Firma in Frankreich, die dieses Produkt weiter im Sortiment hat. In Deutschland war vermutlich das Schmerzmittel MELABON das letzte in Form von Oblatenkapseln vertriebene Medikament (um 1960).

Die leere Oblate (I) wurde in den "Cacheteur" gelegt, mit einem feinen Trichter gefüllt, und dann mit einer weiteren Oblate (2) abgedeckt.


Vorgestellt wird ein "Cacheteur Chapireau N°3" mit seiner 203 x 106 x 68 mm grossen hölzernen Originalkassette. Herkunft: Dardilly / Rhône-Alpes in Frankreich.. Wer hätte heute noch die Traute, seinem Apotheker den Auftrag zu erteilen "da ad caps(ulas) amyl(aceas)" ... Nur noch in einigen wenigen Apotheken Frankreichs findet man diese Apparate "einer anderen Zeit".

Pharmazie


Oblatenverschlußapparat n. CEVCIK

Oblatenpresse 6
 

"Das dem Franz Sevcik auf einen verbesserten Apparat, um pulverförmige Arzneimittel in Oblaten einzuschließen, unterm 24. December 1876 ertheilte ausschließende Privilegium, auf die Dauer des zweiten Jahres" (Wiener Zeitung, 21. Febr. 1878).

 

"Privilegiumsertheilung. Dem Herrn Anton Jira in Prag wurde auf eine Knopfbefestigung, dem Herrn Franz Sevcik in Prag auf eine Vorrichtung zur Erzeugung von Oblaten, sowohl vertieften, als Taschenoblaten mit gespanntem Dampf, dem Herro Wenzel Haberzettl in Saaz auf eine neue Hopfendarre, dann dem Herrn Franz Schwarz und Emerich Schimmel in Marienbad auf ein selbstschließendes Aussatzband für Thüren ein ausschließendes Privilegium ertheilt" (Prager Abendblatt, 24. März 1888).

 

"Sevcik’scher Oblaten-Verschlussapparat. Dieser Apparat besteht nur aus zwei Theilen: 1) aus dem Monteur oder Aufsatz, einem 3 Ctm. langen, im Lichten 1,7 Ctm. weiten Doppelcylinder (aus Weissblech oder Silber) mit beliebig verschiebbarem Docht, welcher als Befeuchter dient, und mit einem dem Dochte entgegengesetzten festen Ende, mit welchem der dichte Schluss der beiden Oblaten vollendet wird; 2) aus einem hölzernen, polirten Untersatz mit einer Vertiefung für die Aufnahme der zuschliessenden Oblaten. Um die Oblaten mit diesem Apparat zu füllen, werden die Pulver wie bisher auf Pulverschiffchen oder Kartenblättern dosirt und dann folgendermaassen verfahren: 1. Eine Oblate wird auf die Vertiefung des Untersatzes gelegt; der Docht des Aufsatzes wird vorgeschoben, mit Wasser benetzt und durch mehrmaliges Andrücken gegen ein reines trockenes Handtuch von der überschüssigen Feuchtigkeit befreit. Es genügt der so vorbereitete Docht mindestens für 12 Pulver. Nachdem der gefeuchtete Docht zurückge-schoben ist, wird der Aufsatz mit der Dochtseite auf die auf dem Untersatze liegende Oblate gestellt. 2. Den so zusammengestellten Apparat fasst man und zwar den Aufsatz mit Daumen und Zeigefinger, schüttet durch das Rohr des Aufsatzes mit der rechten Hand das Pulver auf die Oblate und klopft gegen die Unterlage einige Male schwach an, wodurch sich das Pulver auf der Oblate gleichmässig ausbreitet. 3. Der Docht des Aufsatzes wird nun gegen die Oblate vorgeschoben, wieder zurückgezogen und der Aufsatz abgenommen. 4. Eine zweite Oblate wird auf die erste genau passend angelegt, der Aufsatz mit dem festen Ende darauf gestellt und festgedrückt und zwar durch Auflegen der beiden Daumen auf das Dochtende des Aufsatzes, wodurch die Oblate geschlossen wird. Es ist wesentlich, dass der Docht nur feucht und nicht nass angewendet wird, da er sonst den Rand der Oblate mit Feuchtigkeit überladet, dann auch die benetzten Ränder der Oblate nach dem Trocknen ein hornartiges und gar nicht einladendes Aussehen annehmen. Bei einiger Uebung arbeitet man mit diesem Apparat ebenso schnell, wie wenn man die Pulver in Papierkapseln dispensirt. Der Preis des kleineren Apparats ist 1,40 Mk. , des grösseren 1,60 Mk. Bezugsstelle : Apotheker F. Sevcik zu Prag, Kleinseite" (Hermann Hager, 1883).

 

"Der tschechoslowakische Beitrag an der Entwicklung, wie z.B. am Oblatenverschluß-apparat, ist hervorgehoben. Es wird gezeigt, wie Limousin's Erfindung durch Sevcik, Vomacka und Morstadt erweitert, verbessert und vereinfacht wurde" (Jaroslav Hladik, Zur Geschichte der Pharmazie, Geschichtsbeilage der Deutschen Apotheker-Zeitung, Das neue pharmazeutische Museum in Bratislava (Preßburg), 1961 n°2).

 

"Zum Gebrauch öffet man den Apparat, legt den vertieften Theil der Oblaten in die Öffnungen oder Vertiefungen des Untertheils, schließt den Apparat, schüttet durch die trichterförmigen Öffnungen des Deckels das Pulver in die Oblaten und drückt es mit dem Stopfer, welcher der Zeigefingerspitze aufgesetzt ist, nieder, Hierauf öffnet man den Apparat und drückt den anderen Theil der Oblate in die Öffnung des Deckels. Diese in dem Deckel liegende Oblatentheile werden schnell mit der wassernassen Rolle des Befeuchters befeuchtet, dann schließt man sofort den Apparat. Nach 5-10 Minuten öffnet man den Apparat und drückt die im Deckel sitzenden geschlossenen Oblaten mittels des Stopfers heraus" (Hermann Hager, Technik der Pharmaceutischen Receptur, Berlin 1890 S.171).

"Mit einem passenden Stopfer wird das Pulver in den Oblaten festgedrückt. Hat man so die Oblaten gefüllt, so wird die Füllplatte abgenommen, die Platte mit den darin sitzenden Deckoblaten gefüllt auf die untere Platte umgelegt und in den vier Ecken langsam, gleichmäßig und waagrecht heruntergedrückt" (G. Friedrichs, G. Arends und H. Zörnig, Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis: Für Apotheker, Ärzte, Drogisten, Berlin 1930 S.804).

 

 

Exponat

CEVCIK'sche Oblatenverschlussapparat von 1876. Erhältlich in gepresstem Nickelblech, in 4 Größen erhältlich - die beiden mittleren waren die am häufigsten Benutzen. Schon 1890 wird er "der alte" genannt (Hermann Hager, Technik Der Pharmaceutischen Receptur, Berlin 1890 S.168). Es waren für diese Apparate 7 verschieden große Blbaten verwendbar, mit einer diametrischen Ausdehnung von 16, 18, 20, 22, 24, 28 und 30 mm. Jeder Apparat gestattete die Herstellung von 10 Oblaten gleichzeitig.

Elegant vernickelter Apparat des Herstellers F.A. Wolff & Söhne in Wien V, Mittersteig 26. Es fehlt der Befeuchter und der Stopfer.

 

Gebrauchsanweisung: "Man legt die nöthigen Oblaten in die im Untertheile des Apparates angebrachten Vertiefungen, schließt den Deckel, schüttet durch die trichterförmigen Öffnungen des Deckels die Pulver in die Oblaten und drückt sie mit dem Stopfer, welcher auf den Zeigefinger aufgesetzt wird, nieder. Hierauf öffnet man den Apparat, drückt den zweiten Theil der Oblaten in die Öffnungen des Deckels, befeuchtet sie rasch mit der stark angefeuchteten Wilzwalze, schließt den Apparat fest und entfernt die im Deckel sitzengebliebenen geschlossenen Oblaten mittels des Stopfers"

Pharmazie


Oblatenkapsel (3) Kalmine

 

Wir hatten das Glück, im Mai 2013 bei Ebay eine Original-KALAMINE-Blechschachtel zu finden - mit ihren 6 Oblatenkapseln. Herkunft des Objektes: das Städtchen Salernes im département du Var / Provence ...

Zum Namen
Eigenartig ist der Name "Kalmine" insofern, als es als französisches Produkt eigentlich "Calmine" hätte heissen müssen …

  • Die Erklärung findet sich möglicherweise im Urheberrecht: es gibt in Frankreich bereits das Produkt Calmine (Hustenpastillen) [und neuerdings in Österreich Calmin-Baldrian-Perlen] die beruhigend bei Husten wirken.
  • Es gibt in Frankreich den Familiennamen Calmin, da kann man nicht einfach sein Produkt Calmine nennen, wenn man mit diesen Leuten keinen Ärger bekommen will !
  • Ging der Namensgeber davon aus, dass das französische Klientel durch das exotisch anmutende K auf das Präparat aufmerksam wurde ?
  • Oder sollte es sich gar um eine heimliche Reverenz vor deutschen Medikamenten handeln ?


    Wie tief sich die Erinnerung an Kalmine bei den Leuten ins Gedächtnis gegraben hat, sah man 2010 bei einer Demo gegen Arcelor-Mittal "le secrétaire général du ministère s’est contenté d’orienter la demande vers les services de l’Agence nationale de développement de l’investissement tout en émettant l’hypothèse que le dossier finalisé pourra faire l’objet d’un examen. Cette réponse, qualifiée de passe-partout et de comprimé «Kalmine» par le secrétaire général du syndicat ArcelorMittal lors d’une conférence de presse" (Mohamed Rahmani, in: La réponse du ministère de l’Industrie attise la colère du syndicat d’ArcelorMittal, La Tribune vom 17.1.2010 S.1). Doch scheint die Erinnerung den guten Mann im Stich zu lassen: zum "calmer", Beruhigen hatte Kalmine nie gedient …

Pharmazie


Oblatenkapsel (4) Kalmine

lithographierte Blechdose, 14.0x9.0x2.1 cm 

Als Beispiel für echte medizinische Oblaten (frz. "cachets") zeigen wir eine Blechdose "Kalmine", ein Schmerzmittel der Fa. Métadier, das es in 1er, 6er, 12er, 24er und 30er Packungen gab. Echte Oblaten aus "pain-azyme" – eine Darreichungsform, die selten geworden ist, seit es die Möglichkeit des maschinellen Kapsulierens gibt. Eine der letzten echten Oblaten war … Kalmine - bevor das Produkt 1993 aus dem Handel gezogen wurde. Das aber hing nicht mit der Form, sondern mit dem Inhalt zusammen …

Ein Wort zu den Inhaltsstoffen des Kalmine.

  • Dimethylamino-antipyrin ** 0,25
  • Para-aceto-phénétidine * 0,10
  • Cofféine chimiquement pure 0,03
  • Guarana Paulinia **** 0,01
  • Quiquina*** titré pulvérisé 0,05
  • Carbonate de calcium pulvérisé ° 0,20

    * Para-aceto-phenetidin alias Phenidin alias Phenacetin ist nephrotoxisch. Bei jahrelanger Einnahme kommt es zur sog. Phenacetin-Niere, einer chronischen tubulo-interstitiellen Nephropathie. Sobald dies feststand, wurde Phenacetin Ende 1983 in der Schweiz vom Markt genommen, ebenso wie in Deutschland, wo es 1986 von der Bildfläche verschwand (Scholz-Schwabe, Angewandte Pharmakologie, Springer 2005).
    ** Weniger aggressiv war die Hauptkomponente des Kalmine, das Dimethylamino-antipyrin. Wie der Name Antipyrin sagt, war der Stoff ein Fiebersenker. Trotz einiger — durch die Auslösung von Agranulozytosen bedingter — Kritik blieb es jahrelang ein viel verwendetes Arzneimittel. Die Muttersubstanz ist uralt: als Ludwig Knorr (1859-1921) 1883 Phenylhydrazin mit Acetessigester kondensierte, erhielt er ein Produkt, das eine geringe antipyretische Wirksamkeit aufwies. Durch Methylierung desselben gewann er ein Derivat von ausgezeichneter antipyretischer Wirksamkeit, das zudem gut wasserlöslich war. Dieses Produkt trat unter dem Namen Antipyrin bald seinen raschen Siegeszug in der Therapie an. Schon 1883 begann die Fa. Hoechst mit der Kommerzialisierung des Antipyrins – zugleich der Übergang von Hoechst von der reinen Farbstoff- in die Pharmawelt. Es besitzt gute antipyretische und antineuralgische Eigenschaften. Es treten jedoch bei seiner Anwendung häufig Nebenerscheinungen auf. So kann es schon in therapeutischen Dosen bei manchen Menschen Hautausschläge, bei anderen Magendarmbeschwerden erzeugen, ja, in manchen Fällen sogar Herzanfälle und Kreislauf-zusammenbrüche. Diese Nebeneffekte erklären die Suche nach einem weniger problematischen Derivat. Ein besonderer Erfolg war einem Abkömmling beschieden, dem 1892 von Friedrich Stolz (1860-1936) entwickelten Dimethylamino-antipyrin, der seither in allen Podex'en "zu Hause" ist in Form von Pyramidon-Zäpfchen.
    *** Chinarine ist fiebersenkend.
    **** Guarana soll leicht fiebersenkend wirken und bei körperlicher Schwäche das Durchhaltevermögen stärken.
    ° Kalziumkarbonat ist Füllstoff und verbessert vermutlich als Antazidum die Magenverträglichkeit der vorgenannten Stoffe.

    Lit.: Ruedi Ursprung, Synthesen in der Pyrazoionreihe, Promotionsarbeit Hochschule Zürich 1948.

    Zur Herstellerfirma
    Einer alten Familientradition folgend studierte Paul Métadier (1872-1956) Pharmazie in Bordeaux und eröffnete eine Apotheke iǹ Bourges. 1905, il erbaute er in der rue Nationale in Tours - gegenüber dem Geburtshaus von Balzac - ein Haus und eröffnet hier seine «Pharmacie principale»: hinter ihrer Jugendstilfassade wird kurz vor Ausbruch des 1. Weltkrieges das Konzept für das "Kalmine" entstehen … Die Apotheke wurde 1940 durch Bomben zerstört. Métadier wurde nicht zuletzt Dank Kalmine steinreich und konnte Schloss (manoir) von Saché in Royan erwerben, das Refugium des Dichters Balzac …

Pharmazie


Pastillenstecher (1)

Tablettenpresse
 

 

Mit Hilfe der Rosenthal'schen Presse konnte das Volumen von pulverisierten Medikamenten auf ein Drittel reduziert werden, ein möglicherweise unangenehmer Geschmack wurde minimiert, die genaue Dosierung des Wirkstoffes wurde gewährleistet, der Herstellungspreis reduziert und dank längerer Haltbarkeit auch eine Bevorratung möglich. Obwohl sich niedergelassene Apotheker zunächst heftig gegen diese Art der Arzneimittelproduktion wehrten und die 1898 daraufhin erlassene Tablettenverordnung die fabrikmäßige Großproduktion verhinderte, setzte sich die maschinelle Produktion von Tabletten nach und nach durch. Das preußische Kriegsministerium erkannt die Vorteile dieser Herstellungsart und beschloss im Jahre 1904 Tabletten in ihren Sanitätsdepots zu pressen und sie als obligaten Bestandteil der Sanitätsausrüstung einzuführen. Die Tabletten-verordnung wurde schließlich im Jahre 1910 wieder aufgehoben und in der Folgezeit konnte infolge neuer technischer Möglichkeiten die Großproduktion der vielen neuen Medikamente, die entwickelt wurden, erfolgen und einer großen Patientenzahl zur Verfügung gestellt werden.

 


Exponat

Compresseur-Doseur der Pariser Fa. R. LENGLEN & E. MERY. Um 1920.

Pharmazie


Opalglas, Salbe von Mutter THEKLA

Mere
 

 

Im 17. Jahrhundert erfand eine Nonne "Schwester THEKLA", mit Zivilnamen Caecilia BOISSET aus dem Pariser Hôtel-Dieu (und nicht die Tante des Dichters Racine) die später nach ihr benannte Salbe - Frucht eines Missgeschickes, da die ursprünglich vorgesehene Salbe beim Einkochen verbrannte:

"La mère Thècle de l'onguent était Cécilia BOISSET, nonne de l'Hôtel-Dieu, en religion soeur Sainte-Thècle, qui prononça ses voeux solennels le 28 juillet 1665, et mourut, pleine d'oeuvres et de jours, le 3 novembre 1714. Comment, certain soir, ayant à faire cuire un emplâtre, elle eut une fâcheuse distraction; comment elle laissa brûler la précieuse composition, et toute marrie, en dut battre sa coulpe aux pieds de la Révérende Mère Supérieure; comment cette dernière, soucieuse de ne rien laisser perdre, résolut d'employer nonobstant l'onguent calcifié; et comment Me Nicolas LEMBLIN, chirurgien de la maison, déclara n'avoir jamais usé d'un plus merveilleux topique, c'est ce que vous apprendrez dans une page charmante de M. Travaillé"

(P. Delaunay, Le mouvement historique, dans: Revue d'Histoire de la pharmacie Vol 23, 1935, p. 87).

 

So entstand eine der wenigen "gebrannten Salben" !

"Emplastrum fuscum, vulgo Unguentum matris Theclae aus 500 Olivenöl, 250 Schweineschmalz, ebensovie frischer Butter, Schöpftalg, miteinander geschmolzen, 250 gepülverte Bleiglätte zugesetzt, solange gekocht, bis die Masse dunkelschwarz wird, 180 gelbes Wachs, und 80 schwarzes Pech damit vermischt"

(Georg August Richter, Ausführliche Arzneimittellehrer, Handbuch für praktische Ärzte, Berlin 1829 S.606).

 

 

Opalglas (Höhe 32 cm, Durchmesser 11.5 cm), vermutlich 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, als diese Art des Glases hoch in Mode stand. Es stellt sich die Frage, ob der rote Feuerteufel oberhalb des Schriftzuges "ONG" eine Anspielung an die im Feuer verkohlte Salbe der unaufmerksamen Schwester ist.

Pharmazie


Laudanum-Saft

WINSLOW 1850
 

Mrs. Winslow's Soothing Syrup

war ein medizinisches Produkt, das um 1835 von Mrs. Charlotte Newman Noyes (1789-1850) erfunden wurde, die Ärztin und Hebamme resp. Krankenschwester war und 1804 in Maine einen Joseph Winslow (1773-1851) geheiratet hatte. Ihre gemeinsame Tochter Lucy (1809-1899) heiratete 1829 den Apotheker Jeremiah Curtis (1804-1883), der den Beruhigungssaft ab 1845 (1849?) zusammen mit seinem Handelspartner Benjamin A. Perkins in Bangor, Maine, USA in den Handel brachte. 1855 zog sich dieser Perkins aus dem Geschäft zurück.

Der Sirup setzte sich zusammen aus Morphium-Sulphat (65 mg pro Unze Syrup), Natrium-Karbonat, spirits foeniculi und aqua ammonia. Ein Teelöffel des Syrups entsprach 20 Tropfen Laudanum, einer für Säuglinge tödlichen Dosis – nur 2 bis 3 Tropfen Tagesdosis wurden für bedenkenlos gehalten, einmal abgesehen von dem Suchtrisiko.

 

Insbesonder als Hilfe beim Zahnen fand der Syrup reißenden Absatz, sowohl in den USA als auch im Vereinigten Königreich. 1868 rühmte sich Curtis, jährlich mehr als 1,5 Millionen seiner Fläschchen zu verkaufen – 25 cent das Fläschchen. Hergestellt wurde der Syrup in New York und in Haus 498 der Oxfordstreet in London.

 

1911 wurde „Mrs. Winslow's Soothing Syrup” von der US-Ärztekammer öffentlich angeprangert, doch der Verkauf ging noch bis 1930 weiter.

 

Ersatzdroge

Die aus dem 1. WK zurückkehrenden Soldaten benutzten den Zahnungssirup als Ersatz für das unerreichbare Morphium: "It is also said that some wounded civil war soldiers while returning home from the war and who were often addicted to morphine, purchased this Soothing Syrup when morphine was not readily available" (www.dreamresearchgroup.com/2015/05/mrs-winslows-soothing-syrup.html).

 

Exponat

Fläschchen (H. 12.8 cm, Durchmesser 3.2 cm).

prägeschrift (engl. embossed wording): CURTIS & PERKINS (also vor 1855 entstanden).

PROPRIETORS

MRS WINSLOW SOOTHING SYRUP

Boden der Flasche: die Zahl 21

Pharmazie


Opium, Standgefäss

OPIUM Standgefäss 1
 

 

Da jedem Kunden ein Schauer über den Rücken lief, wenn er in der Apotheke Standgefäße mit Etiketts wie "Theriak" oder "Mumia" erblickte, gehörte es irgendwann zum guten Ton, solche Gefäße gut sichtbar aufzustellen, auch wenn sie alle leer waren: Hauptsache der Kunde war beeindruckt und eingeschüchtert ...

 

"Die grosse Eleganz in der äusseren Einrichtung der Pariser Apotheken, die Symmetrie der Anordnung, die gefällige Form der Gefässe, das Lichte und Freie der Locale selbst machen einen günstigen Eindruck. (..) An Fenstern und Thüren fehlen nirgends die hier gebräuchlichen Insignien der Apotheken, als da sind: mächtige Krystallvasen, mit blauen, rothen und gelben Wässern gefüllt, niedliche ausgestopfte Vögelchen und Gefässe mit Arkanen, Theriaken, Savons und Confitüren" (F. Simon, in: Pharmaceutisches Centralblatt vom 12. Mai 1832).

 

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Als einer der Ersten erkannte der aus Glasgow stammende Chirurg James MOORE (1763-1834) den Nutzen von OPIUM bei der Bekämpfung des Operationsschmerzes: "Opium is highly expedient to abate the smarting of the wound after the operation is over and to induce sleep; but the strongest dose we dare venture to give has little or no effect in mitigating the suffering of the patient during the operation".


Auch sein Landsmann Benjamin BELL (1749-1806) war bemüht, den Schmerz bei chirurgischen Eingriffen zu mindern und benutzte routinemässig OPIUM: "To be able to alleviate the misery of those who are obliged to submit to dangerous operations must afford the biggest gratification to every practitioner". Da Opium wenig zur intraoperativen Schmerz-bekämpfung beitrug, beauftragte BELL seinen Kollegen James MOORE, eine Schraubzwinge zu entwickeln, mit der man bei Amputationen die Nerven durch Kompression stillegen konnte! Zur POST-operativen Versorgung chirurgischer Patienten aber eignete sich Opium sprich Laudanum ganz hervorragend.

 

Exponat

Porzellan-Standgefäß (Höhe 15cm, Durchmesser 7.5 cm), Limoges, gestempelt DT France.