Pharmazie |
||
Reiseapotheke (09) |
||
Anfang des 20. Jahrhunderts verlagerten sich Fernreisen immer mehr auf die Strasse. Das hatte zur Folge, dass beim Gepäck mit dem Platz gespart werden musste: aus dem pompösen Apothekenkoffer wurde ein kleines Kästchen, in das die wichtigsten Medikamente passen mussten. Neben den persönlichen Mittelchen finden sich (auf ein Minimum komprimierte) Verbandstoffe und "Allerweltsartikel" ... Als der Drogist P.J. Berg in Haus 17 der GrossStrasse in Luxemburg 1910 seinen Verbandskasten in der Tagespresse anpries, dachte er noch nicht an die Autofahrer "mit den neuesten Schnellverbänden ausgestattet, die in keinem Betrieb fehlen dürfen" (Luxemburger Wrt vom 25.1.1910). 1915 lesen wir von einem Verbandskasten bei einem Fussballspiel in Bonneweg zw. Union und Fola (Bürger- und Beamten-Zeitung vom 12.10.1915). Noch 1922 hatte Berg den riesigen Absatzmarkt "Strassenverkehr" nicht erkannt: "Meine gut zusammengestellten Verbandkasten sollen in keinem Klein- u. Großbetrieb fehlen" (Luxemburger Wort vom 19.8.1922).
Seit 1970 sind Auto-Verbandskästen vorgeschrieben - wie der Name besagt, befinden sich jetzt ausschliesslich "trockene" Gegenstände zum Allgemeingebrauch.
Exponat In vorderster Reihe stehen 5 runde Gläser mit eingeschliffenem Glasstöpsel mit eingeschliffenem Glasstöpsel. - Ammoniaque - Eau de Mélisse - Elixir Parégorique - Ether - Teinture d'Iode Dahinter stehen 4 grössere Vierkant-Flaschen mit Bügelverschluss: - Alcool camphré - Eau oxygénée - Solution picrique - Teinture d'Arnica Kleines Fach mit Klappe, vermutlich zur Unterbringung von Verbandstoff und/oder persönlichen Medikamenten. Grosse Klappe mit "Ohren", hinter der sich 2 Röhrchen mit Aluminiumschraubverschluss verstecken - das erste enthält einen in einen Federkiel eingearbeiteten Pinsel, - das zweite eine Pipette (ohne den Gummibalg). Im Vergleich zu den andern Reiseapotheken ist nur das Ammoniak neu. Verdünnte Ammoniaklösungen, im Volksmund auch Salmiakgeist genannt, haben einen Ammoniakanteil von etwa 10 %. Diese Lösung dient auf Grund ihrer alkalischen Eigenschaften als Reinigungsmittel, ist aber auch ein alternatives Mittel gegen Insektenstiche (Ameisen, Schnaken). Die meisten Insektengifte sind nämlich Säuren und können durch Basen neutralisiert werden: man tröpfle also einen Tropfen verdünnten Ammoniak auf den Bienenstich, und weg ist der Schmerz. Leider ist Wespengift basisch - da helfen folglich Essig und Zitronensaft. |
Pharmazie |
|||
Rot-Kreuz-Koffer |
|||
Johann Friedrich August von ESMARCH (1823-1908) wurde 1857 zum Professor für Chirurgie und Augenheilkunde in Kiel berufen und übernahm dort als Direktor das Hospital. Von 1846 bis 1849 war er Adjutant des Chirurgen Stromeyer im Feldlazarett Flensburg. 1870 hatte er die Position des Generalarztes und beratenden Chirurgen im Deutsch-Französischen Krieg.
Verbandspäckchen und Dreieckstuch – was heute selbstverständlich in jeden Erste-Hilfe-Koffer gehört, hat ESMARCH eingeführt. Die Erste Hilfe hatte er bereits in seiner vielfach aufgelegten Schrift »Der erste Verband auf dem Schlachtfelde« von 1869 propagiert. Esmarch entwickelte zwei wichtige Verfahren, die bis heute angewandt werden und seinen Namen tragen: den Esmarch-Heiberg-Handgriff und die Esmarch’sche Blutleere. Der berühmte Esmarch’sche Handgriff ist auch heute noch wichtig in der Rettungsmedizin. Durch das von ihm beschriebene Schieben des Unterkiefers vor den Oberkiefer werden die oberen Atemwege von bewusstlosen bzw. narkotisierten Patienten freigehalten. Damit kann dann sowohl deren noch vorhandene Spontanatmung, als auch deren künstliche Beatmung mit Maske oder Atemspende ermöglicht werden. Ebenfalls auf Esmarch geht der Begriff der Blutleere zurück: Beine oder Arme eines Patienten werden gehoben und mit druckvollem Streichen wird Blut aus den Gliedern getrieben. Von außen nach innen wird die Extremität mit einer Gummibinde umwickelt oder mit einer Druckluftmanschette versehen, um Blutungen bei Verletzungen oder einer Operation zu vermindern. Die von ihm propagierte Anwendung der Eiskühlung zur Behandlung von Prellungen oder Abszessen trug ihm den liebevollen Spitznamen "Fiete Isbüddel" (Friedrich Eisbeutel) ein.
Im Sommer 1881 hielt sich Esmarch in London auf und lernte die »St. John’s Ambulance Association« kennen. Diese Rettungsorganisation hatte überall in England Sanitätsschulen eingerichtet und freiwillige Helfer für den Rettungs- und Sanitätsdienst ausgebildet. Nach seiner Heimkehr begann Esmarch Anfang 1882 mit den Vorbereitungen zu einem ersten deutschen Samariterkursus in Kiel. Am 5. Mai 1882 erfolgte die Gründung des »Deutschen Samariter-Vereins« in Kiel. Damit gab ESMARCH den entscheidenden Anstoß zum Aufbau von Unfall- und Krankenhilfsdiensten in anderen Städten Deutschlands.
An Notfalltexten schrieb er
|
Pharmazie |
||
Reiseapotheke (11) |
||
Mit der Reiselust der Bevölkerung wuchs die Nachfrage nach Schutzhüllen für die zerbrechlichen Medikamentenfläschchen.
Exponat Von dem Völs'er Flohmarkt (11/2017) stammt dieses 9 cm hohe Abgabegefäß mit passender Schutzhülle, das in einem Innsbrucker Haushalt als Iodfläschchen benutzt wurde. Gedrechselte, 10.5 cm hohe Holzbüchse mit Schraubverschluss. Eingeschliffener Glasstöpsel. Reiseapotheke, um 1900. |
Pharmazie |
||
Reiseapotheke (12) |
||
Schauten Sie von oben in einen Apothekenkasten, wünschten Sie, gleich das Etikett lesen zu können, ohne jede Flasche einzeln hochheben zu müssen, um das Etikett auf ihrem "Bauch" lesen zu können: genau das war mit dieser etwas skurrilen Form der Beschriftung "on top" möglich ...
"Beckers (G.W.) neue Haus- und Reiseapotheke, oder medizinisches Noth- und Hülfsbüchlein, 2 Bände 8° 1815, 2 fl.30kr" (Wiener Zeitung, 24. Juli 1815). "nebst einer genauen Untersuchung aller wirksamen und überall zu habenden Hausmittel. Für Ökonomen, Landleute und Reisende" (Wiener Zeitung, 8. Jan. 1818). "Beckers (G.W.) neue Haus- und Reiseapotheke, oder medizinisches Noth- und Hülfsbüchlein, 2 Bände 8° 1815, 2 fl.30kr" (Wiener Zeitung, 24. Juli 1815). "nebst einer genauen Untersuchung aller wirksamen und überall zu habenden Hausmittel. Für Ökonomen, Landleute und Reisende" (Wiener Zeitung, 8. Jan. 1818). Der Leipziger Gottfried Wilhelm BECKER (1778-1854) war ein damals renommierter Arzt und populärwissenschaftlicher Schriftsteller.
Bekannter ist der Verfasser der nächsten Reiseapotheke: "Hufeland's Haus- und Reiseapotheke, ein Rathgeber dieser Art sollte billiger Weise in keiner Familie fehlen; man findet darin die hilfreichsten, wohlfeilsten und zugleich unschädlichsten Hausmitiel gegen die obigen Krankheiten" (Vereinigte Ofner-Peste Zeitung, 23. Juni 1842). In mehreren Auflagen erschienen, wurde sie zum Standardwerk der Reisenden.
"Der wohlfeilste Hausarzt in der Brieftasche. Ein augenblicklicher und verlässlicher Rathgeber, um sich selbst und seinen Angehöngen bei plötzlichen Unglücks- oder Krankheitsfällen, ohne Hilfe eines Arztes, schnell Rettung oder Erleichterung zu veiscbaffen. Nebst Angebe von mehr als 500 Hausmitteln, mit besonderer Rücksicht auf deren Ünschädlichkeit und der Einrichtung einer Reiseapotheke. In alphabetischer Ordnung verfasst von einem menschenfreundlichen Arzte. Siebente vermehrte Auflage. Preis" (Innsbrucker Nachrichten, 21. Nov. 1881) – der Name des angebl. menschen-freundlichen Arztes blieb dem Leser verboten.
Die Homöopathie als Inbegriff der Selbstmedikation greift um sich: "Es gibt in Deutschland fast nur nach homöopathischem Princip zusammengestellte Reiseapotheken, die man durch jeden Apotheker sich verschreiben lassen kann. Um aber eine zweckmäßige Reiseapotheke sich zusammenzustellen, ist es nöthig, sich von einem Arzte die hauptsächlichsten Arzneimittel mit einer kurzen Anweisung des Gebrauchs notiren zu lassen, unter Berücksichtigung der Reiseroute, da man je nach der Gegend, die man bereist, gewisse Mittel mehr oder weniger nöthig hat" (Illustrirter Zeitung, 30. Jan. 1864).
Für Expeditionsreisen konzipierte der Apotheker BROEKER eine Apotheke, die er ausstellte: "Zum Gebrauche für Forschungsreisen eingerichtet, hatte der Apotheker Broeker eine tragbare Reiseapotheke exponirt, welche bei einer relativ grossen Anzahl ausgewählter Medicamente und anderweitiger Hilfsmittel eine leichte und schnelle Handhabung gewährt" (Mittheilungen der keiserl.-königl. Geographischen Gesellschaft, 1875 S.535).
Exponat Ensemble von 9 Fläschchen – keine zwei sind identisch – die aus einer Reiseapotheke stammen dürften, die beim Kauf nicht mehr vorhanden war. Acid. tartaric. in pulv. (Weinsäure; lokale Desinfektion), Cocain. hydrochl. (Kokain; ört. Betäubung), Jodoform. (Jodoform; 1822 erstmals hergestellt), Kal. hypermang. (Kaliumhypermanganat; lokale Desinfektion), Linim. styrac. (Styraxliniment; Krätzmittel), Plumb. acetic. crist. (Bleiacetat; giftiger Zuckerersatz), Tinct. jodi (Jodtinktur; Hautdesinfektion), Tinct. opii (Opiumtinktur; schmerzstillend), Zinc. sulfur. (Zinksulfat; blutstillend, bakterientötend). |
Pharmazie |
||
Reiseapotheke (13), um 1910 |
||
Exponat Reiseapotheke, Holz mit Messing, um 1910. Die Messing-Balustraden erinnern an venezianische Loggen im spätgotischen Stil resp. im Stil der "flammenden Gotik". Etwa ein Hinweis auf Venedig als Entstehungsort unseres Kastens?
Herkunft: Hyères / Südfrankreich Laut beiliegendem, maschinen-geschriebenen Zettel umfaßte die Vitrine ursprünglich 21 Artikel, von denen nur die mit einem * versehenen Teile erhalten sind:
ASPIRIN (Aspirine, Douleurs névralgiques, maux de tête), Natrium-Bikarbonat (Bicarbonate de soude, une pincée; contre maux d'estomac, faire diges), Talkpuder (Poudre de talc, Echauffement superficiel de la peau), PYRAMIDON (Pyramidon, Maux de tête, migraine, un ou deux cachets), Chininsulfat (Sulfate de quinine, Un à deux cachets contre la fièvre), Borsäure (Acide borique, Lavage des yeux: une cuillière à soupe dans ½ litre d'eau), Wismuthnitrat (Sousnitrate de Bismuth, Contre la diarrhée: une pincée dans un peu d'eau), Senfblätter* (Farine de Moutarde en feuilles, Sinapisme, voir instructions), Potion de TODD* (Potion de Todt, Pour faiblesses, défaillances), Gomenol-Öl* (Huile goménolée, Brûlures, désinfectant), Bleiweiß-Extrakt (Extrait de Saturne, En compr. contre foulures, contusions (1 cuillère à soupe ½ lit. eau), Paregorischer Extrakt* (Elixir Parégorique, Contre coliques, 1 cuillère à café dans un peu d'eau), Eisenperchlorat (Perchlorure de Fer, Pour arrêter hémorrhagies des plaies, tremper dans coton), Laudanum* (Laudanum, 20 gouttes sur cataplasmes pour coliques), Kampheralkohol (Alcool camphré, Compresses, frictions), Beruhigungswasser (Eau sédative, Dédoublée, compresses pour maux de tête), Augenkollyr (Collyre, Pour les yeux), Lösung, um Wunden auszuwaschen* (Lavage des Plaies, Une cuillère à soupe pour 1 litre d'eau), Essigsäure* (Acide acétique, Faire respirer contre évanouissement), Ammoniak* (Ammoniaque, Faire respirer contre évanouissement et piqures moustiques), Aether* (Ether, Contre évanouissement).
In die Mitte des Apothekenkastens passt ein Kasten (rechts auf dem Foto) mit aufliegendem Deckel, der mit einer Lederlasche versehen ist. In diesem Kasten befinden sich Senfblätter, mehrere Rollen Verbandmaterial und Kompressen.
Nota: Ähnliche Kästen gab es auch für die Gesundhaltung der Pferde (S(eyffert) von Tennecker, Anleitung zu der Einrichtung einer Feld- und Hausapotheke für Oekonomen, Thierärzte, Cur- und Fahnenschmiede, Leipzig 1820 (für Tiere)). |
Pharmazie |
||
Retorte |
||
Seit der Antike haben sich die Menschen mit Chemie befasst. Die Alchimie – stark durchsetzt mit mystischen Elementen, wurde sowohl von der Kirche – die Inquisition verdammte sie als Teufelszeug – als auch von den Universitäten abgelehnt. Doch schafften es innovative Mediziner wie Cornelius AGRIPPA und PARACELSUS, den Nutzen der chemischen Verbindungen in der Behandlung bestimmter Krankheiten derart überzeugend darzulegen, dass sich bald eine chemische Strömung innerhalb der Medizin abzeichnete. Alkohol, Antimon (Sb) wurden legale Heilmittel. Während man in Deutschland ausschliesslich Retorten aqus Glas benutzte, bevorzugte man in Frankreich die Retorten aus dünnem, einheimischem Ton Chemie wurde vor allem von Apothekern betrieben, die eine Möglichkeit sahen, sich von Gewürzhändlern abzusetzen, sich beruflich und wissenschaftlich zu profilieren. Nicht zuletzte erahnten sie reiche Pfründe. Grosse Chemiker wie LAVOISIER fanden Zugang zur Chemie über den Umweg ... der Pharmazie. Vorgestellt wird ein (heute obsoletes) Utensil der ersten Stunde, eine RETORTE – ohne Tubulus (als tubulierte Retrote bezeichnet man ein Retorte mit einer zweiten Öffnung im oberen Teil der Haube), ohne Normschliff. Der Name leitet sich ab vom lateinischen re- torquere = zurück-biegen resp. von „vas retortum“ = das zurückgebogene Gefäss. Damit wird auf die besondere Form des Flaschenhalses hingewiesen, der nach hinten resp. nach unten „zurück“gebogen ist. Die RETORTE wurde zum Inbegriff der Chemie. Retortenbaby, Retortenstadt... Erworben im August 2007 auf einem Strassenmarkt in Gap. |
Pharmazie |
|||
Rezeptbuch |
|||
In Frankreich war 1902 ein standardisiertes Register eingeführt worden, in dem die Apotheker die eingehenden Rezepte eintragen mussten - dieses Register nahm 1915/16 den Namen "ordonnancier" an und wurde durch Gesetz vom 14. September 1916 offiziallisiert. Visiert waren vor allem die Magistralen Rezepturen - giftige, toxische, aber auch banale Alltagsmixturen.
|
Pharmazie |
||
Riechsalz |
||
Das "weisse, flüchtige, englische Riechsalz" war schon im 19. Jh. ein beliebtes Mittel bei Ohnmachten, Schwindel u.dgl.. Es bestand aus einer Mischung von 1 Teil SALMIAK und 9 Teilen KALK, die, mit einigen Tropfen Wassr befeuchtet und mit aetherischem Öl parfümiert, in einem wohlverschlossenen Gläschen (Riechfläschchen) aufbewahrt wurde. Da diese Mischung lediglich Ammoniak antwickelte, benutzte man auch statt derselben parfümiertes kohlensaures Ammoniak, sog. Prestonsalz. Ein Riechsalz ist immer ein Ammoniaksalz, das sich an der Luft sehr leicht zersetzt: Es gibt dann in kleinen Dosen dieses Ammoniakgas ab. Riechen tut das ja nicht gut - es ist scharf und dringt tief ein. Man bekommt sozusagen einen kleinen Schock, atmet tief ein und kann dann eben auch wieder klar denken. Denken Sie nur mal an das "Gretchen" im "Faust": "Nachbarin, Euer Fläschchen!" In diesem Fläschchen war sicherlich keine Flüssigkeit, sondern ganz bestimmt war es mit einem Riechsalz gefüllt. Man hat dann diese Riechsalze auch parfümiert: mit starken ätherischen Ölen wie z. B. mit Rosmarinöl oder Lavendelöl, die ja nun auch eine olfaktorische Wirkung haben.
Noch in den 50er Jahren benutzte die bekannte, aus Kanada stammende, Ballerina Melissa HAYDEN [nach dem 2. WK am American Ballet Theater New York] das Fläschchen, um ihre drohenden Ohnmachtsanfälle zu therapieren: Hervorgerufen wurden die zahllosen Ohnmachtsanfälle der Ballerinen ebensowie die oft "im rechten Augenblick" eintretenden Kollapse unserer Grossmütter vielfach durch die sog. "Chlorose", die Bleichsucht, eine heute unbekannte "Krankheit", die um die Jahrhundertwende zu wahren Modeerkrankung geworden war... |
Pharmazie |
||
Salbentöpfe (1) |
||
STYRAX liquidum ist der graue, undurchsichtige, zähflüssige, klebrige und penetrant riechende Balsam aus der asiatischen Pflanze Liquidambar [von liquid und Amber] orientale. Die Substanz wurde äusserlich aufgetragen als "excitant". Innerlich genommen wirkte es harntreibend - und hatte eine gew. Wirkung gegen Tripper... Höhe des vorgestellten Objektes: 165 mm |
Pharmazie |
||
Salbentöpfe (2) |
||
Die seit dem 17. Jh. in der Oberstadt in Luxemburg ansässige Mohrenapotheke wechselte mehrfach die Adresse, ab etwa 1803 befand sie sich in Haus 1 am Getreidemarkt (Conrotseck), ab 1832 in Haus 53 der Grossgasse, ab 1908 im anstossenden Haus 55. Ab 1921 gehörte sie dem Apotheker Jacques BOS (1892-1970), der sie 1933 an Edouard WIDUNG verkaufte. Dieser verlegte die Apotheke 1935 an die Ecke Grossgass/Eicherbergstrasse. In einer Dependenz des Schlosses von Erpeldingen hatten Jacques BOS und sein Sohn Jean-Jacques (gen. Lol) 1949 eine kleine Fabrikationshalle eingerichtet, in der sie Salben und einfache Medikamente zubereiteten, die sie an befreundete Apotheker verkauften.
|
Pharmazie |
|||
Salbentöpfe (3) |
|||
Vom Innsbrucker Trödelmarkt stammt dieses Salben-Standgefäss mit der Aufschrift „Wolfsalbe“.
Das Wort „Wolf“ leitet sich vermutlich vom indogermanischen „uel“ ab, was soviel bedeutet wie „reissen“ (z.B. Hundewolf, Fleischwolf etc.). „reissende“ Krankheitsbilder, bei denen das Hautgewebe sozusagen aufgefressen wird, werden daher als „Wolf“ bezeichnet: Der Lupus erythematodes als ein Sammelbegriff für eine Reihe von Autoimmun-krankheiten der Haut, der Gelenke und der inneren Organe. Autoimmunkrankheiten, das bedeutet, dass das Immunsystem die eigenen Körperzellen angreift. Warum? Das wissen die Wissenschaftler nicht. Eine vererbbare Veranlagung ist ein wichtiger Faktor, dann spielen Viren möglicherweise eine Rolle, die Umwelt, Sonnenlicht, und auch Hormone haben einen Einfluss, denn Frauen sind zehn mal häufiger betroffen als Männer. Der Name Lupus bedeutet ursprünglich Wolf (lux. Koppâsch, vom mhd. Kip = Reizung). Früher verursachte diese Krankheit Verformungen an Nase und Ohren, weil die Haut sehr dünn wurde. Heute kommt es nicht mehr so weit, weil es gute Medikamente gibt. Es gibt verschiedene Lupus-Formen: Die Hautmanifestation ist die mildeste, und sie zeigt sich hauptsächlich im Gesicht, mit einem typischen roten Hautausschlag vor allem an Wangen, Stirn und Nase. Wegen der Schmetterlingsform nennt man diesen Lupus auch "Schmetterlingsflechte".
Schweiß und Schmutz fördern den Hautwolf. Gerötete, entzündete oder überbeanspruchte Hautstellen wurden früher als "Wolf" bezeichnet; eine Umschreibung, welche in dieser Form heute fast nur noch im scherzhaften Sprichwort gebräuchlich ist : "Ich habe mir einen Wolf gelaufen, um noch eine Karte für dieses Konzert zu ergattern". Wer einmal ein Wanderlager mit schlecht sitzenden Jeans - vielleicht auch bei strömendem Regen - durchmachte, hat vielleicht auch Bekanntschaft mit dem gefürchteten "Wolf" gemacht. Ein bewährter Trick dagegen ist das Tragen von sog. "Tights" - dünne Nylonhosen, welche zudem wärmeisolierend wirken, aber trotzdem auch bei starkem Schwitzen trocken bleiben.
Entzündungen der Haut und Schleimhaut, durch mechanische Reizung bedingtes Wundsein ("Wolf"), rote, juckende und brennende Herde in den Körperfalten, im Gesäß- und Brustbereich und zwischen den Oberschenkeln, z.B. Windeldermatitis. Hautschäden, die zunächst durch mechanische Reizung hervorgerufen wurden, können später durch Bakterien und Pilze infiziert werden. |
Pharmazie |
||
Salbentöpfe (4) |
||
Vorgestellt werden zwei 21 cm hohe Salbentöpfe aus Delfter Produktion, erstanden 2008 auf dem Trödelmarkt, beide aus dem Fundus des Escher Apothekers Alphons ENGELDINGER stammend (siehe Infundierapparat). Zum Gefäss Diascord: Frac. Getrocknete Blätter von scordium : 1/2 Unze Wurzeln von bistorta officinalis: 1/2 Unze Enzianwurzel: 1/2 Unze Wurzeln von potentilla erecta: 1/2 Unze Cassia lignea : 1/2 Unze Zimt : 1/2 Unze Rosenhonig: 2 Pfund Wein von den Canaren: genügend Diktam aus Kreta: 1/2 Unze Samen von berberis vulgaris : 1/2 Unze Ferula gummosa : 1/2 Unze Gummi arabicum: 1/2 Unze Lemnische Erde : 2 Unzen Laudanum : 2 Gros Zingiber officinale : 2 Gros Piper longum : 2 Gros Rote Rosen: 1/2 Unze Styrax calamita : 1/2 Unze. 1654 beschrieb Nicholas CULPEPER (1616-1654) seine Verwendung in der Geburtshilfe: "It is a well composed Electuary, a something appropriate to the nature of women, for it Provokes the Terms, hastens their Labor, helps their usual sickness at the time of their Lying-in, I know nothing better."
Im 19. Jahrhundert war es zum Durchfallmittel verkommen: "Die Verbindung der tonischen und aromatischen Substanzen, aus denen es besteht, weisen diesem Präparat einen Platz unter den Mitteln an, welche die Erregbarkeit der Organe vermehren. Das darin enthaltene Opiumextrakt theilt ihm ebenfalls eine beruhigende Wirkung mit, von der man sich leicht Rechenschaft geben kann. Am allgemeinsten verordnet man das Diascordium gegen die Diarrhoe. In der Gabe von einer halben bis ganzen Drachme des Abends gegeben, beruhigt es, und vermindert es nach und nach die Zahl der Stuhlausleerungen, welche den Kranken so sehr belästigen. Bald verdünnt man das Diascordium mit rothem Wein oder einer Tisane, bald hüllt man es in ungesäuertes Brod ein. Das Letztere ist wegen des unangenehmen Geruches und Geschmackes des Diascordium, wodurch es für manchen Personen schwer zu verschlucken ist, nicht zu vernachlässigen" (Friedrich Ludwig Meissner, Encyclopädie der medicinischen Wissenschaften 1830, Bd. III, S. 381)
zum Gefäss ad pediculos Klassisches Läusemittel war früher das "Unguentum contra pediculos", eine Salbe aus vier Lot Schweinefett, worin zehn Tropfen Fenchel- und eben so viel Anisöl gemischt wurden. Auch gepulverter Nieswurz und die aus dem Orient importierten Kockelskörner (anamirta cocculus) wurden zum Entlausen verwendet. |