Zahnheilkunde


Zahnbürste (4), Reisebesteck

"Elephant"-Reisebesteck, um 1920/30 

Die sich in Frankreich etablierende Feinbürsten- industrie siedelte im Laufe des 19. Jahrhunderts in dem Dreieck zwischen Beauvais, Méru und Noailles.

1845 gründete Alphonse Dupont eine kleine Kunstdrechslerei in Beauvais. Später schloss er sich mit seinem Freund Dechamps zusammen und baute eine Bürstenfabrik. Die Fabrik bediente sich zweier Dampfmaschinen und 1892 lag die Beschäftigtenzahl bei 2 000. Es gab sieben Montage- maschinen, 84 Kreissägen, 24 Polier- und 66 Lochmaschinen. Der Materialverbrauch einer großen Fabrik war hoch. Es wurden jährlich 250 Tonnen exotische Hölzer, 220 Tonnen einheimische Hölzer, 4 500 Tonnen Knochen und 100 Tonnen Schweine- und Wildschweinborsten für die Herstellung von 6 300 verschiedenen Bürstenmodellen benötigt.
Die Firma Dupont-Dechamps hatte Niederlassungen in London, Brüssel, Kopenhagen, Wien, Mailand, Madrid, Lissabon, Algier, New York und Montreal. Dupont hatte hohe politische Ämter und rief 1848 die Gesellschaft für gegenseitige Unterstützung "St. Hildevert" ins Leben, die zu Gunsten seiner Arbeiter eine Altersrente aussetzte. Außerdem gab es einen Hilfsfond für Lebensmittel und Medikamente.

Die Firma Dupont hatte diverse Markenzeichen, von denen das bekannteste l'Elephant war.

Das Einsetzen des Maschinenzeitalters Ende des 19. Jahrhunderts brachte den Umschwung. Viele Manufakturen gingen in den Ruin, da sie sich die Umstellung auf teure Maschinen nicht leisten konnten. 1906 brauchte man für die Herstellung einer Bürste noch 20 Minuten, 1956 noch 54 Sekunden und 1996 noch 3 Sekunden.
Quelle:
www.zm-online.de/m5a.htm?/zm/5_05/pages2/hist1.htm

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Zahnbürste (5)

Zahnbürsten mit geraden Haaren 

Die chinesischen Bürsten waren einst ausgestattet mit den Nackenhaaren des sibirischen Wildschweines. Europäer importierten die Schweine in grosser Stückzahl, „feine“ Leute aber zogen die weicheren Pferdehaare vor oder Seide:
„Brosses à dents, soie blanche extra, monture os, Réclame“ boten die „Galeries de France“ 1922 ihre Zahnbürsten in Luxemburg an (Stückpreis 1,95 Fr.) (L.W. vom 29.4.1922) Das Kaufhaus Knopf bot derweil „eine gute Zahnbürste“ für stolze 3 Fr. an (L.W. vom 4.7.1922).

Als die Firma Du Pont de Nemours in den USA 1937 Nyonfasern herstellte, und ein Dr. WEST das neue Material in seine Zahnbürsten einbaute, konnten die sibirischen Schweine, aber auch einige Seidenwürmer aufatmen.
Die ersten Nylonfäden waren hart und verletzten das Zahnfleisch – kein Wunder wenn sich die Kinder gegen die Prozedur des Zähneputzens sträubten. 1950 wurde endlich ein weicheres Nylon erfunden, mit dem seither unsere Bürsten ausgestattet sind.

Als man Anfang November 1922 die Stellagen der Drogerie Pierre BERTOGNE in Haus 5 Krautmarktstr. in Luxemburg einbaute (die Eröffnung erfolgte laut Anzeige im L.W. vom 7.11.1922 am 6.11.1922), da rutschen mehrere eben eingetroffene Lieferungen in die überbauten Hohlräume und tauchten erst wieder auf, als man den Laden im Jahre 2000 abriss. Daher lassen sich die hier eingeschlossenen Kästen genau datieren.

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Zahnbürste (6)

Zahnbürsten mit geschwungenem Haaren 

In frühen Schriften aus Mesopotamien finden sich Hinweise auf einen SIWAK, eine Art hölzernen Zahnstocher bzw. büschelförmig aufgespaltener Zweig, der vor mehr als 5000 Jahren benutzt wurde und an einem Ende zu einer Art Bürste aufgefächert war. Die Mesopotamier bewunderten saubere Zähne, und ihre Ärzte kannten schabende Techniken mit besonderen Stäbchen. Diese Stäbchen hatten religiöse Bedeutung, und während der Zahnreinigung wurden Gebete gesprochen. Auch in ägyptischen Gräbern haben die Archäologen Zahnstocher aus der Zeit um 3000 v. Chr. gefunden, und von den vornehmen Römern wissen wir, dass sie sich die Zähne von Sklaven reinigen ließen.
In arabischen Ländern werden seit über tausend Jahren die Wurzeln des Arak-Baumes (Salvadora persica) zum Zähneputzen verwendet. Darum heisst der Baum auch Zahnbürstenbaum. Seine Wurzeln werden zu Stöckchen geschnitten. Das eine Ende wird ein paar Stunden lang in Wasser eingeweicht und danach zurechtgekaut, bis es ausfranst. Mit diesem pinselartigen Gebilde reinigt man die Zähne und massiert zugleich das Zahnfleisch. Eine Zahnbürste, die sich selbst entsorgt! Nach 1 bis 2 Wochen schneidet man den gebrauchten Teil ab und weicht das Stöckchen wieder ein. Nach rund 2 Monaten ist die Zahnbürste aufgebraucht ohne Plastikabfall zu hinterlassen. Für diese Zahnputzmethode braucht es weder Zahnpasta noch Wasser, man kann sich also überall die Zähne reinigen. Neue Studien haben sogar gezeigt, dass das MISWAK genannte Zahnhölzchen bei richtiger Anwendung den modernen Zahnbürsten ebenbürtig ist. Man findet bei den Islamischen Sitten zur Gebetsverrichtung folgende Erwähnung: "... Die erforderlichen Vorschriften des Gebetes nach der Rechtsschule Hanefi sind im folgenden: Zahnbürste aus Zahnbürstenbaum zu benutzen. ...".
Wie agiert diese Naturbürste ? Getrocknete Äste und grüne Zweige von Salvadora persica wurden im Rasterelektronenmikroskop und mittels energiedispersiver Mikrosondenanalyse auf ihre Bestandteile untersucht. Im Mark älterer Zweige beobachteten wir rhomboedrische Kristalle von etwa 15-16 µm. Diese bestehen aus Kalzium und Schwefel. Es handelt sich um Kalziumsulfat, welches unter den ariden Bedingungen im Verbreitungsbebiet von Salvadora persica nicht als Gips (CaSO4x2H2O), sondern als Halbhydrat (CaSO4x½H2O) auskristallisiert und als natürliches Mineral-Bassanit vorkommt. In den grünen Zweigen von Salvadora persica fanden sich kugelförmige Gebilde, die vorwiegend aus Kalium, Aluminium und Phosphor bestehen. Die Bassanit-Kristalle können bei der Zahnreinigung als Putzkörper wirksam werden.

Vorgestellt werden Bürsten aus der ehemaligen Drogerie BERTOGNE am Krautmarkt in Luxemburg, diesmal mit beschwungenem Haarprofil.

Diese Anpassung an die Anatomie der menschlichen Mundhöhle erlaubte eine bessere Pflege insbesondere der Backenzähne.
Die unterschiedlichen Farben haben nichts zu tun mit Eitelkeit. Vielmehr widerstrebt es, die Bürste eines Fremden in den Mund einzuführen – in der Tat sind Bürsten vielfach mit Bakterienrasen überzogen…

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Zahnbürste (7)

Zahnbürste mit komplexem Bürstenrelief 

Der Engländer William Addis gründete 1780 die erste Firma, die Zahnbürsten professionell aus Kuhknochen und -borsten herstellte. Die Zahnbürste war aber immer noch als Luxus den Reichen vorbehalten. Erst 1938 wurde nach der Erfindung des Nylons die billige Massenherstellung von Zahnbürsten ermöglicht. Der Chemiker Wallace Hume Carothers (1896-1937) war der US-amerikanische Forscher, dem diese Erfindung gelang.

Das Relief des Bürstenbesatzes wurde immer komplizierter, immer raffinierter.

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Zahnbürste (8) Wechselkopfzahnbürste

 

 

   Eine Bürste für die ganze Familie – ein Slogan aus den 20er Jahren. Gemeinschaftsgefühl rund um das Waschbecken! Im verarmten Nachkriegseuropa kam die „brosse à dents interchangeable“ der Familie insofern entgegen, als sie nur einen Stiel kaufen musste, auf den die individuellen Bürsten aufgesteckt wurden - die einen mögen harte Borsten, andere bevorzugen weiche. Mehrere Firmen boten diese Sparbürsten in den 20er Jahren an:


- Dr. Lenief (courbe incurvée / dentée) [1925/29] «de la Faculté de médecine de Paris»,


- Gibbs, die farblich ansprechende Bürstenköpfe im Viererpack anbot.


- In den USA wurde eine ähnliche Zahnbürste unter dem Firmennamen Phyleas verkauft.

 

Nota: moderne Bürsten nutzen sich wenig ab, sollten aber – auch wenn sie von einer einzigen Person benutzt werden - aus hygienischen Gründen 4 bis 5 mal im Jahr ausgetauscht werden. Daher finden wir von Aronal eine ökologische Bürste ... mit auswechselarem Kopf. (Wechselpackung à 3 Köpfe) Bei elektrischen Bürsten mit einem teuren Vibrationsmotor im Bürstengriff wurde das Prinzip der Auswechselbürste wiederentdeckt …


- Braun,


- Campomatic,


- Carmen,


- Colgate,


- Tefal u.v.a.m.

 

 

Exponat

Vorgestellt wird eine Wechselkopf-Rosshaar-Zahnbürste mit Aluminiumstiel nach Dr. LENIEF in ihrer Originalschatulle aus Aluminum (18x3,5x1,5 cm). Antikes Musterband auf dem Deckel).

Herkunft: Stadt Pornic (Loire-Atlantique): Brosse à dents interchangeable du docteur LENIEF de la Faculté de Médecine de Paris. Um 1925/29. Siehe Anzeige von 1929


https://www2004a.free.fr/Sujets/affiches-publicites.htm

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Zahnbürste mit auswechselbarem Kopf

DENTCLAIR
 

 

1913 finden wir erste Werbungen.  In den 20/30er Jahren verkaufte die französische Firma DENTCLAIR eine Bürste mit Leichtmetallstiel (nickelé) und auswechselbarem Bürstenkopf "brosse à dents interchangeable du Docteur P. NUYTS":

 

"Vous n'avez pas une grande bouche, soyez logique, employez une petite brosse. La brosse à dents interchangeable du Docteur P. Nuyts* nettoie parfaitement les dents sans déformer la bouche. Les dimensions raisonnées de sa petite brosse bien proportionnée à la bouche assurent le brossage rapide et minutieux de toutes les dents sur toutes leurs faces. La double courbure de son manche facilite l'accès de la face interne des dents et des dernières mollaires. Son interchangeabilité permet de renouveler souvent la petite brosse, et répond ainsi aux nécessités de l'hygiène. Cette interchangeabilité est assurée par la seule élasticité du métal, sans aucun mécanisme ou vis qui peuvent s'user à l'usage. Dentclair est la brosse la plus économique: le premier achat vous procure trois brosses de qualité supérieure et un manche en métal inusable. Par la suite, elle devient plus économique encore par le prix modique de ses brosses de rechange. "Dentclair" est la seule brosse vendue avec un bon de garantie formelle. Le tube stérilisateur "Dentclair" des Docteurs Nuyts* et Thésée* stérilise toute brosse à dents, de manière absolue et automatique, en 3 heures de temps. Il est indispensable pour prévenir ou guérir la pyorrhée. Les spécialités Dentclair sont prescrites par le corps médical. 1, Rue du Cherche-Midi, 9, Paris. 4" (L'Illustration N°4336 vom 10.4.1926).

 

 

Exponat

Bürstenstiel und Kartondöschen mit 2 Austauschbürsten, Modell "dur" - hart.  

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Zahncreme, flüssig

Fläschchen mit flüssiger Zahncreme 

In der Volksmedizin war noch bis in die Neuzeit hinein die Verwendung von Urin zur Mund-und Zahnpflege weit verbreitet. In einem Apothekenbuch des 18. Jahrhunderts wurden auch Weihrauch, Hundezähne und Hundeurin als Zutaten für ein Zahnschmerzmittel entdeckt.

Bevor die Zahncreme in die Tube gelangte, wurden sie in flüssiger Form angeboten - ganz in der herkömmlichen Apothekermanier.
Vorgestellt wird ein Fläschchen der Firma C.R. & Co aus B(erlin?).

Die Cremes erleben z.Zt. ein gewisses "revival":
"Zahnpasta flüssig "Ayur-Dent" 30ml - Kontrollierte Naturkosmetik. Ein völlig neues Gefühl in der Mund- und Zahnpflege. Öl statt Schaum, Natur pur. In der ganzheitlichen Mundhygiene bilden die Zahnputzöle ein einzigartiges Erlebnis: langanhaltender, frischer Atem und gesundes Zahnfleisch. Die wertvollen biologischen Öle beugen der Zahnsteinbildung, Karies und Paradontose vor. Sie aktivieren einen natürlichen Selbstreinigungsprozess ohne die empfindlichen Schleimhäute zu stören. Zutaten aus Bio-Anbau: Sesamöl, Sojaöl, echte, natürliche, milde äth. Öle (Nelke, Salbei, Cardamom, Menthol, Anis, Teebaum, Myrrhe und verschiedenen Minzen), sulfatieretes Rizinusöl, Vitamin E".

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Zahnprothese (1)

Zahnprothese, um 1920 

 

Hatten allzuzahlreiche Zähne den Weg in die Schachteln gefunden, wurde das Anpassen einer Prothese unumgänglich.

 

1851 hatte Nelson Goodyear, ein Bruder des Gummispezialisten Goodyear, gelernt, Gummi zu härten. Seinem Hartgummi gab er den Namen Vulkanit. 1881 erlosch das Patent auf diesem Vulkanit, was zur Folge hatte, dass die Zahnärzte die Substanz nun benutzen konnten, ohne die zuvor beachtlichen Patentgebühren von durchschnittlich 50 Dollar pro Arzt und Jahr an die Firma "Goodyear Dental Vulcanite Company" (GDVC) entrichten zu müssen.

Schnell verdrängte nun Vulkanit das zuvor benutzte Gold beim Aufbau der Gebissgrundlage - nach 1881 wurden die meisten Gebiss-Basen komplett aus VULKANIT hergestellt, die neuen Prothesen kosteten nur ein Drittel der herkömmlichen Goldprothesen und führten zu einer Demokratisieung der Zahnprothetik.

 

Auffallend selten findet man Goldzähne auf Trödelmärkten. Offenbar haben die Händler sie alle aus den Prothesen ausgebrochen und eingeschmolzen. Dass es um riesige Mengen Gold geht, erhellt aus folgendem Artikel, den wir einer luxemburger Zeitschrift entnommen haben

"Gold im Munde. Wenn nachstehende statistische Zahlen sich bewahrheiten, so hat die „Morgenstunde", die nach einem Sprichworte bisher allein Gold im Munde trug, in den Amerikanerinnen eine mächtige Concurrenz erhalten. Nach einer im Dental Laboralory' veröffentlichten statistischen Aufstellung wird nämlich jährlich in den Vereinigten Staaten eine halbe Tonne reinen Goldes im Werthe von 500,000 Dollars zum Plombiren von Zähnen gebraucht, und aller Wahrscheinlichkeit nach zu denselben Zwecken eine viermal so große Quantität billigerer Materialien, wie Platina, Silber u.s.w.. Nach einer von dem betreffenden Statistiker gemachten Berechnung dürfen nur 300 Jahre verstreichen, um den Werth der jetzt im Lande in Circulation befindlichen Goldmünzen (150.000.000 Dollars) in plombirten Zähnen auf den Friedhöfen zu vergraben. Bezeichnend für den Umfang der zahnärztlichen Thätigkeit ist der Umstand, daß in den Vereinigten Staaten 12,000 Zahnärzte thätig sind und jährlich 3,000,000 künstliche Zähne fabricirt werden" (Luxemburger Wort, 20.6.1881).

 

 

Exponat

Vorgestellt wird eine Oberkieferteilprothese, die in Luxemburg getragen wurde - Vulkanit mit eingesetzten Porzellanzähnen.

 

"Eine Fabrik für künstliche Zähne in Grevenmacher, in: Luxemburger Wort, 9.2.1951" - Luxemburg hatte endlich seine "Zahnindustrie".

 

 

 

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Zahnprothese (2)

 

 

"Hoscheiderdickt, 2. Dez. Ein eigenartiges Mißgeschick erlitt dieser Tage die 24jährige Ehefrau des hiesigen Gastwirtes Heck. die im Schlafe ein künstliches Gebiß verschluckte. Dasselbe blieb in der Speiseröhre stecken. Die Frau mußte schleunigst in eine Klinik überführt werden. Ihr Zustand soll sehr ernst sein" (Escher Tageblatt vom 4.12.1933)

 

Ein Problem der Oberkieferprothese war die Befestigung. Mitte des 20. Jh. wurden Saugkammern in die Oberkiefertotalprothesen eingelegt, die Herzform oder Nierenform hatten.

 

"Verloren auf Howald künstliches Gebiß. - Adresse erfragen in der Expedition des Lxbg. Wort unter Nummer 6483" (Luxemburger Wort, 26.7.1938) - das kommt davon, wenn man mit Kukident knausert!

 

Daß die ersten Prothesen nicht farbecht waren, erhellt aus folgendem Artikel, den wir der Tagespresse entnommen haben:

"Station Schwiedelbruch, 17. Januar. - Das Tortenbacken fällt dieses Jahr wegen Mangel an jeglichem Obst, so zu sagen ganz weg. Wo der Nachtisch absolut eine Torte erheischt, (denn wir kennen auch die Mode), da sind die schwarzen Beeren von Buschrodt der Helfer in der Noth und müssen unbarmherzig herhalten. Wer künstliche Zähne hat, dem rathen wir auch diese ab" (Luxemburger Wort, 23.1.1870).

 

Exponat

Vorgestellt wird eine Prothese mit einem Gummisauger, mit dem sie sich an den Gaumen festsog – sehr zum Leidwesen des Gaumens, der regelmässig ulcerierte …

Herkunft: Antikladen in Mersch, Benutzungszeit der Prothese angebl. um 1950.

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Zahnprothese (3)

 

 

   Das Gerücht, Washington habe eine Zahnprothese aus Holz getragen, ist falsch. Seine Prothese bestand aus menschlichen Zähnen, aus Elfenbein und Blei, aber nicht aus Holz. Die Zähne hatten seine Zahnärzte wahrscheinlich von Grabräubern erworben.

   Ja, manche Zähne wurden aus Leichen ausgebrochen. Andere wurden aus Nilpferdzähnen angefertigt. Da sie sich infolge der in der Mundhöhle vorherrschenden Feuchtigkeit mit der Zeit zersetzten, und dabei einen üblen Mundgeruch entstehen liess, kam ein findiger Mensch auf die Idee, Zähne aus Porzellan herzustellen.


   Ein erstes Porzellangebiss entstand, als Giuseppangelo FONZI (1768-1840), ein in Paris etablierter Italiener, 1808 ein Verfahren erfand, um Einzelzähne aus Porzellan zu fertigen.

 

Exponat
Die hier vorgestellte Prothese ist gebrochen, hatte aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts durchaus einen Handelswert, als Aufkäufer umherreisten. Prothesen aufzukaufen war offenbar Frauensache: am 21.6.1922 kaufte eine "Mme LOUIS" alte Gebisse per Zeitungsinserat in Luxemburg (Luxemburger Wort, 21.6.1922), am 14.11.1922 annoncierte eine "Melle JEANNE" [„Hôtel du Château" in Petingen] im Luxemburger Wort, dass sie Gebisse aufkaufe zu 50 Fr. pro elfenbeinernem Zahn. Andere Aufkäufer waren spendabler:


„Achtung. Benutzet die Gelegenheit! Nur Dienstag und Mittwoch kaufe ich sofort zu den höchsten Preisen alte Gebisse selbst gebrochene. 90 Fr. pro elfenb. Zahn Pierre, Hôtel du Commerce, Esch/Alzette“ (Anzeige im Luxemburger Wort, 4.12.1922).

 

"Mitteilung. Merkt euch wohl, dass Mlle CAROL aus Paris heute Mittwoch 20. Dezember, vorübergehend in Luxemburg anwesend ist und sofort alte Gebisse, gebrauchte, selbst gebrochene, zu den höchsten Tagespreisen kauft! Mlle CAROL, Hôtel de Metz, av. de la Gare, 53 Luxbg.-Gare. Man frage nach Mademoiselle CAROL » (Luxemburger Wort, 20.12.1922).

 

Am 19.1.1923 bot ein "Frl. COCHARD" in der gleichen Zeitung 95 frs an pro elfenb. Zahn – der Konkurrenzkampf scheint heftig gewesen zu sein ... 

Zahnheilkunde


Zahnprothese (4)

 

 

Aus dem fernen Metz schalteten die Zahnärzte 1904 frech Anzeigen in der luxemburger Presse:

"Cabinet dentaire M. Skosowsky,
Diplomé de l'école dentaire française à Paris, Metz.
Soins de Bouche, Plombages. Dentiers sur or, platine, vulcanit, d'après le procédé le plus récent BRIDGE-WORK, dentier sans plaque et sans crochets (système américain), DENTS ARTIFICIELLES travail garanti depuis 5 Marks. Réparation de dentier en 2 heures. Dentier commandé le matin est livré le soir" (Luxemburger Wort, 18.8.1904).

 

"Der Zahnarzt X, ... Straße, Nummer …, hat die Ehre, seinen zahlreichen Kunden zu melden, daß er zu den herannahenden Winterfesten vollständige Gebisse oder auch einzelne Zähne für Hochzeiten, Bälle, Soiréen und Tafeln ausleiht" (Luxemburger Wort, 27.10.1881).

 

Erwähnen möchte ich den Mann, der den Begriff "Dentisten" prägte - Guy de Chauliac (14. Jahrhundert), der dagegen wetterte, dass auch Leute sich im Munde anderer Leute zu schaffen machten, die keine ausgebildeten Chirurgen seien.

 

Exponat

Vorgestellt wird eine Zahnprothese, Vulcanit auf Silberplatte, mit kaputtem Gaumensauger (Metzer Kiste 2012).

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Zahnprothese (5)

 

 

Hier ein frühes Zeugnis für die Herstellung von Gummi-Prothesen in der Region Metz:

"Moyens efficaces d'obvier à une Mauvaise Mastication" par E. ALLÉOUD, Dentiste rue du Palais, 4, à Metz, Entrée par la rue du Marché-Couvert, à la grande grille de fer.
J'ai l'honneur d'informer le public qu'étant en relation avec des dentistes renommés de Paris, je viens de recueillir près d'eux des renseignements sur les derniers perfectionnements obtenus dans le travail des dentiers de Caoutchouc durci, dit Vulcanite, que j'emploie depuis longtemps avec succès selon la conformation de la bouche ou la convenance de mes clients. Elève de dentistes distingués de Londres, je fais les pièces de prothèse dentaire, système américain-anglais, qui est très-peu connu en France, lequel n'est mis en pratique que par un petit nombre des dentistes les plus célèbres de la Capitale. Voici à ce sujet un extrait du compte-rendu d'un journal de Paris, sur l'Exposition universelle de Metz. Nous lisons dans la Propriété Industrielle de Paris: "Par ordre de mérite et pour rendre hommage à la cité messine, je vais, Monsieur, vous dire quelques mots sur l'exposition de M. Alléoud, dentiste à Metz. Le montage de ses râteliers, il faut rendre justice à cet exposant, est fort bien fait; leur seule inspection prouve aux visiteurs que ce dentiste est vraiment un homme du métier et qu'il connaît les dispositions anatomiques de la bouche; l'inspection de sa vitrine semble donner raison à ce paragraphe de son prospectus, paragraphe que nous nous plaisons à transcrire ici parce qu'il nous semble qu'on ne peut écrire de semblables choses sans bien comprendre les secrets du métier".

L'apparence, dit M. Alléoud , consiste dans une parfaite imitation de la nature tant pour la forme et la couleur que pour la proportion de dents remises, et plus spécialement encore dans la forme et l'expression qu'elles donnent à la bouche».

M. Alléoud, déjà favorablement connu de plusieurs familles du Luxembourg, reçoit tous les jours, de neuf heures du matin à quatre heures du soir, excepté les 10, 11, 12, 25 et 26 de chaque mois" (L'Union, 1.5.1863).

 

Woher kamen die Zähne?

"Ein bejahrtes Paar in der Wiener Vorstadt Gumpendorf, das bisher von seiner einzigen Tochter erhalten ward, sah sich vor etlichen Tagen am Ende seiner Hilfsmittel. Die Tochter, welche Buchhalterin in einem Papiergeschäft der inneren Stadt gewesen war, hatte ihren Posten verloren, da das Geschäft aufgehoben wurde, und besaß keine Mittel mehr, ihren Eltern Nahrung und Steinkohlen zu beschaffen. Ihr langes, schweres Haar hatte sie zu dem Zwecke schon einem Friseur verkauft und nun wußte sie in der Verzweiflung nicht, wie sie helfen sollte. Da fiel ihr ein, daß Jemand ihr gesagt hätte, ein berühmter Zahnarzt in Wien, der zugleich Zahntechniker ist, bezahle für jeden gesunden Vorderzahn 30 Gulden, vorausgesetzt, daß er ihn selber ausziehen dürfe. Sie hatte wunderschöne Zähne, ging also zu ihm hin, und als der hörte, aus welchem Grunde sie das Opfer bringen wollte, war er bis zu Thränen gerührt. Er ließ sie in Besitz ihrer schönen Zähne, machte ihr ein Geschenk von einhundert Gulden, mit welchen, das Herz voll Freude, sie zu ihren Eltern lief. Doch nicht genug damit. Einige Tage später erschien der Arzt bei den Eltern des Mädchens und bat sie um die Hand ihrer Tochter, indem er sagte, ein Mädchen, das seine Ellern so sehr liebe, würde sicher auch eine sehr gute Ehefrau. Binnen kurzer Zeit soll die Trauung in der Gumpendorfer Kirche stattfinden" (Obermoselzeitung, 2.1.1887).

 

Exponat

Vorgestellt wird eine Vulcanit-Prothese mit Silberdraht zum Befestigen an 2 stehenden Zähnen (Metzer Kiste 2012).