Zahnheilkunde


Zahnpulver (1)

Zahnpulver
 

 

    "Camphored Chalc" ist ein in England beliebtes, mit Campher versetztes, desinfizierendes und entzündungshemmendes Zahnpulver (Kampherkreide).

 

Ein Viertel Kilo präzipitierter Kampher wird unter Zusatz von etwas Spiritus in einem Mörser fein zerrieben und innig mit einem halben Kilo gepulverter Veilchenwurzel und einem Kilo praezipitierter Kreide vermengt. In Bremen konstatierte ein Dr. E. FLÖRKE den häufigen Gebrauch von Zahnpulver aus Kampher, Kreide und Magnesia (Deutsche Vierteljahresschrift für Zahnheilkunde, Wien 1867).

 

Kuriosum

Als die Grippe 1918 weltweit hunderttausende von Menschen dahinraffte, wusste man insbesondere in der Schweiz nicht, wie man der Seuche begegnen sollte. Zu den läppischen Hilfsmaßnahmen gehörte das Zahnpulver SERODENT mit Kampfer, das als Schutz vor der Ansteckung angepriesen  wurde.

 

Exponat

Pulv. dentifr. camph, um 1920. Glas mit eingeschliffenem Stöpsel. Facettierter Hals, mundgeblasen mit ausgeschliffenem Abriss. Höhe ca. 16,5 cm, Durchmesser am Boden ca. 8,0 cm. Herkunft: Ortenburg bei Passau / BRD (2017).

Zahnmedizin


Zahnpulver

Zahnpulver 2
 

 

Exponat

Zahnpulver von Carl HAAF,

BernBlechdose, rot und gold, (nach 1893, vor 1901 - danach Carl&Fritz Haaf).

Typisch für die Schweiz ist die Doppelsprachigkeit: "Zahnpulver, Poudre dentifrice". Das Wort "Apotheke" allerdings schreibt er nur auf deutsch … Bern liegt eben in der deutschsprachigen Schweiz.


Herkunft: Worchester / UK (2018).

Zahnheilkunde


Zahnschachtel (1)

 

Um 1910 überreichte der Zahnarzt Jean-Pierre FRIEDRICH (1879-1938) seinen Patienten nach abgeschlossener Behandlung, eine elegante Pappkartonschachtel, in welcher der gezogene Zahn "ruhte"...

Am 1.6.1908 hatte er in Luxemburg Maria genannt Suzanne Ketten geheiratet, Tochter des angesehenen Rosenzüchters Evrard Ketten. Ob die Gattin wohl Patin stand für die Aesthetik der Dose?

Selbst ist der Mann
„Pariser Zahnkitt, vortreffliches Mittel zur Erhaltung und Pflege der Zähne. Preis pro Etui mit Gebrauchsanweisung 1Thlr. Auf die leichteste Weise lann man damit jeden schlecht haftenden und hohlen Zahn auskitten, und denselben gleich andern gesunden Zähnen wieder tauglich machen. Die durch Zutritt von Luft und Speisen öfters entstehenden Zahnschmerzen, so wie ein übelriechender Athem, werden so gänzlich vermieden. Der Kitt wird nach wenigen Stunden steinhart und haftet ganz fest. Alleinig in Trier zu haben in F.A, Gall’s Buchhandlung“ (Anzeige Luxemburger Zeitung vom 9.3.1845).

Zahnheilkunde


Zahnschachtel (2)

 

Mit rotem Papier ausgelegter dunkelblauer Karton (9 x 7 x 3 cm), in dem der ab 1891 in der Hauptstadt niedergelassene Zahnarzt Aloys DECKER (1866-1954) seinen Patienten fertige Prothesen (?) aushändigte. Da er erst 1912 Hof-Zahnarzt wurde, stammt die Schachtel aus der Zeit nach 1912 ...

DECKER hatte in Brüssel, Lüttich, Paris und Berlin studiert und wurde am 4.11.1891 zugelassen - als Kuriosum sei erwähnt, dass er auch diplomierter Apotheker war:
„Luxemburg, 2. Nov. Herr A. Decker aus Mersch hat sein vorletztes und Schlussexamen für Pharmazeutik vor dem Collegium der medizinischen Fakultät in Lüttich am 19. und am 24. Oktober abgelegt, und beide mit grosser Auszeichnung bestanden“ (Luxemburger Zeitung vom 2.11.1888).
Die Apothekerdiplome wurden in Luxemburg leider nicht anerkannt ...

Zahnheilkunde


Zahnschlüssel (2)

Innsbrucker Wurzelheber aus Bein

um 1750

 

 

Die ersten Schlüssel hatten gerade Schäfte („Schlüssel nach alter Bauweise").

 

Um 1765 gestaltete Ferdinand Julius LEBER (1727-1808) die geraden Schäfte um und führte einen Knick ein. Die Leber'sche Änderung verminderte den Druck auf den benachbarten Zahn.

 

Die nächste bedeutende Verbesserung war die Einführung der doppelten Krümmung zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

   

Der Zahnschlüssel war nach MAURY das sinnreichste unter den zahnärztlichen Instrumenten  (J.-C. F. Maury (1786–1840), Traité complet de l’art du dentiste d’après l’état actuel des connaissances, 1828; deutsche Ausgabe 1840). Selbst bei eingeschränkter Mundöffnung konnte er eingesetzt werden

 

 

Exponat

Gerader Schlüssel (noch) ohne Knick, (pre-1765 ?) mit einem festen, nicht abschraubbaren Griff aus Horn. Die Kralle wird von einer Schraube festgehalten.

Herkunft: Innsbruck, ("Euro-Antik-Messe 3/2017).

 

 

Links

https://medicalantiques.com/medical/Dental_extraction_key.htm

https://www.biusante.parisdescartes.fr/aspad/expo67.htm

 

Zahnheilkunde


Zahnschlüssel (1) n. GARENGEOT

 

 

    Der Chirurg René-Jacques Croissant de GARENGEOT (um 1688-1759) in Vitré (Bretagne) als Jean de Croissant geboren. Den Vornamen René Jacques legte er sich erst später zu. Ausbildung bei seinem Vater, der Chirurg in Vitré war und am Hospital von Angers. Als Schiffsarzt begleitete er mehrere Seezüge in die Antillen. 1717, im Alter von 23 Jahren, kam er nach Paris, wo er die Ecole de Médecine besuchte und Koryphäen wie WINSLOW, MARECHAL und PETIT hörte. Er wurde "démonstrateur royal" und begleitete später - im Rang eines Chirurg-Majors - die königlichen Truppen im Feldzug nach Prag und im sog. Siebenjährigen Krieg. Als angesehener Chirurg wurde er Mitglied der "Académie de chirurgie de Paris" und der "Société royale de Londres". Er starb am 10.12.1759 in einem Kölner Hospital an den Folgen eines Schlaganfalls.

 

Er schrieb:

- Traité des opérations de chirurgie, Paris, 1720

- Nouveau Traité des Instruments de Chirurgie les plus Utiles, 1723,

- Myolomie humaine et canine, 1724,

- Splanchnologie, ou Anatomie des viscères, 1728,

- Opération de la taille par l'appareil latéral. 1730.

 

Sein Schlüssel

Eine extrem seltene Form der Hernie ist nach ihm benannt (eine Schenkelhernie mit dem Blinddarm als Inhalt) ... ebenso wie eine Strasse in Vitré. Sein Name ist vor allem verbunden mit einem Instrument zum Ziehen von Zähnen, das er verbessert - nicht erfunden - hatte. Obwohl er in keiner Weise Zahnmedizin gelernt hatte und von diesem Métier nur wenig verstand, beschrieb GARENGEOT 1725 mehrere zahnärztliche Instrumente - aber keinen Zahnschlüssel.

Warum also die Bezeichnung "clef de Garengeot"? Der Instrumentenhersteller Jean-Jacques PERRET (1730-1784) gab 1772 als Erklärung, Garengeot habe den klassischen Pelikan (den sog. "davier") verbessert, indem er den Haken so anbrachte, dass er wahlweise nach rechts oder nach links zeigte - eine wesentliche Erleichterung in der Handhabung.


Weder in den Schriften von HEISTER (1719), noch in derjenigen von MAGETUS (1721), noch 1728 bei einem Zeitgenossen von GARENGEOT, dem Chirurgen Pierre FAUCHARD (1678-1761) kommt ein Schlüssel vor. Erst in einem 1742 erschienenen Artikel von Alexander MONRO (1697-1767) aus Edinburgh wird von einem Zahnschlüssel berichtet, wobei der Autor die Urheberschaft des Instrumentes einem Londoner Arzt John FOTHERGILL zuschrieb. In Frankreich wurde das Instrument erstmalig 1754 von LECLUSE (Nouveaux Elemens d'Odontologie, Paris) beschrieben, wobei dieser Autor, ebensowie BOURDET (1757), A.L.B. JOURDAIN (1760) und J.R. DUVAL (1802) von "clef anglaise" spricht. Andere sprachen, insbesondere in Frankreich, von der "clef du frère Côme", in England sprach man von der "clef française"! Der Zahnschlüssel ist einem Haustürschlüssel nachgeformt. Frühe Formen hatten einen geraden Schaft, 1770 wurde eine leichte Krümmung eingeführt. Noch jüngere Modelle sind doppelt gekrümmt um die Nachbarzähne zu schonen. Dieses Instrument verlieh dem Zahnarzt einen bemerkenswerten Hebel und erlaubte ihm binnen Sekunden einen Zahn auszureissen.

Am Stemmstangenende (Schlüsselbart) befindet sich meist ein kleiner Einschnitt, in dem je nach Bedarf, einer von mehreren (4-6) austauschbaren Hakenansätzen mittels einer Stellfeder befestigt wurde.

Bei der Anwendung im Unterkiefer wurde der Schlüsselbart möglichst tief an der der Zunge zugewandten Seite (lingual) des zu extrahierenden Zahnes angelegt, der Haken dann über diesen Zahn geschlagen und seine Spitze von der Wangenseite (bukkal) in die Wurzelbifurkation gedrückt. Während ein Finger der linken Hand das Instrument in dieser Position festhielt, platzierte der Arzt die Stütze so tief wie möglich auf der gegenüberliegenden Seite des Zahns. Mit seiner Rechten musste er dann so viel Kraft aufwenden, dass sich der Zahn bewegte. Indem er den Griff kräftig drehte, konnte fast jeder Zahn auf einen Zug gezogen werden. Im Oberkiefer wurde der Schlüssel an der bukkalen Seite angelegt, beim Drehen die äußere Wand des Zahnfaches (Alveole) gesprengt und anschließend der Zahn herausgewälzt.

Berüchtigte Komplikationen beim Herausdrehen eines Zahnes mit dem Schlüssel waren Zahnfleischverletzungen, aber auch Zahnkronenfrakturen durch den scharf angreifenden Haken ... und Kieferbrüche! Woher also kam die grosse Beliebtheit des Zahnschlüssels bei Dentisten?

Der Zahnschlüssel konnte auch bei nicht korrekt geöffnetem Mund eingesetzt werden, konnte also auch bei verkrampften, missmutigen und ängstlichen Patienten zum Einsatz gebracht werden. Der Eingriff war kurz, ein gewichtiges Argument in den Zeiten, wo es noch keine Betäubung gab ...


Das Ende des Schlüssels wurde Mitte des 19. Jahrhunderts eingeläutet, als John TOMES (1815-1895) 1841 die Zahnzange erfand - sie löste in der Folge Pelikan und Schlüssel allmählich ab.

 

Links
hwww.bium.univ-paris5.fr/aspad/expo67.htm
www.zene-artzney.de/instrumente_2.html
www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2081852/pdf/procrsmed00581-0020.pdf

 

Exponat

Vorgestellt wird eine 13 cm lange, ziemlich verkommene "clef de GARENGEOT" aus dem frühen 19. Jahrhundert mit (noch) geradem Schaft und einem Griff aus Ebenholz.
Provenienz des Objektes: Bayeux in der Basse-Normandie, Oktober 2010.

 

Hier das Zeugnis einer luxemburger Dame, die ein ähnliches Besteck besitzt: "Dest zänngeschier misst ongefeier em d/joeren 1850 sin et ass vu mengem ururgrouspapp vu schmatte jang vu bieckerich hien war schmatt aubergiste an huet de leit zänn gerappt hei de beweis op de fotoen wat war dat eng zait".

 

Zahnheilkunde


Zahnseife (1), um 1900

Zahnseife 

Anfänglich benutzte man ein Scheuerpulver. 1773 wurde ein erstes Produkt patentiert (Jacob HEMET), das sich aus Kreide, Kampfer und Borax zusammensetzte. Das Produkt wurde in Metallschachteln verkauft. Ein gew. PEABODY fügte der Schmirgelmasse 1824 erstmals Seife bei, John HARRIS fügte 1850 Kalk hinzu.
Ein „Scheuerpulver“, wurde 1852 von dem aus Waldheim (einem Städtchen zw. Leipzig und Dresden) stammenden Adolf Heinrich August BERGMANN (gest. 1858) erfunden und patentiert. Es war eine zumeist rosarote Masse, auf der man mit der nassen Zahnbürste so lange hin und her rieb, bis sich Schaum bildete
„Dr. SUIN de Boutemard’s aromatische Zahn-Pasta.
Diese aromatische Zahnseife, welche in Originalpaketen à 12 gr., deren jedes für einen sechsmonatlichen Gebrauch ausreicht, in Luxemburg nur bei RHAESA zu haben ist, übertrifft an Zweckmässigkeit alle andern derartigen Mittel, beseitigt vollständig jeden üblen Geruch aus dem Munde, erfrischt den Athem, stärkt und befestigt das Zahnfleisch, reinigt die Zähne vollkommen, conservirt den Zahnschmelz, beugt der Zahnfäulnis vor, verhindert das Lockerwerden und Ausfallen der Zähne und ist sonach das Beste, was man zur Cultur und Conservation der Zähne – eines so wesentlichen Theiles menschlicher Schönheit – in Anwendung bringen kann“

(Anzeige in: Der Patriot vom 12.6.1852).

Die Zahnseife wurde von vielen Firmen kommerzialisiert. Beliebt war die „Dentifrice du Docteur Pierre“ - der Aufdruck „Dr. Pierre de la Faculté de Médecine de Paris » unterstrich die Seriosität des Produktes…

Man beachte die Eleganz der Dose, ganz im Stile des "Art nouveau".
Diehier vorgestellte runde Dose, ohne Firmenbezeichnung, enthält die Originalseife, geschrumpft, mit geringem Abrieb. Man kann noch das Wort „Dentifrice“ lesen…

Zahnheilkunde


Zahnseife (2), um 1900

Jugendstildose der Fa. GALLET 

1914 kaufte „man“ in Luxemburg seine Zahnpaste und Zahnürsten beim „Coiffeur-Parfumeur“ Pierre Bettingen in der Aldringerstr. n°11 (L.W. vom 7.3.1914).

Vorgestellt wird eine Weissblech-Schachtel der Pariser Nobelfirma Roger&Gallet mit typischer Jugendstilzeichnung – man beachte die Schmetterlinge an den 4 Ecken.

1862 gründeten Armand ROGER und Charles GALLET in Paris eine Parfumerie - schon zwei Jahre später belieferten sie den Pariser Hof (Napoléon III) und die englische Königsfamilie (Queen Victoria). 1879 erfanden sie die runde „Savonnette“ und waren später, neben der Firma Gibbs, führend auf dem französischen Seifenmarkt.
"Line founded in 1806 by Jean Marie Farina, a descendent of Johann Farina, inventor of Eau de Cologne. Jean Marie Farina set up shop in Paris with his own Eau de Cologne, and became one of Napoleon's fragrance suppliers. In 1862, Armand Roger and Charles Gallet took over the brand and expanded into new areas, including skin care and the now famous Roger & Gallet soaps. Roger & Gallet is currently owned by Gucci"(Internet).

Lit.
Roger & Gallet: l'art de la toilette de 1862 à nos jours, Musée de Bernay, Roger & Gallet, Musée de Bernay (27), 2003. ISBN : 2-910156-07-9. Textes d'Agnès Muckensturm. Catalogue édité à l'occasion de l'exposition consacrée à Roger & Gallet, présentée du 30 avril au 22 juin 2003 au Musée Municipal de Bernay.


Der Schwede Carl NAESLUND aus Uppsala wies 1931 die Schädlichkeit der Zahnseife für den Zahnaufbau nach; der an der Universität Paris lehrende Apotheker Etienne-Camille ANDRE bestätigte die Zusammenhänge 1933 – die Seifen verschwanden daraufhin ganz allmählich aus den Regalen der Drogisten.
Noch nach dem 2. WK wurden sie hierzulande von älteren Leuten benutzt, die sich mit den nun allmählich aufkommenden Tuben schwer taten.

Zahnheilkunde


Zahnseife (3), um 1950

Seifendosen der Fa. GIBBS 

Neben Gibbs-zahnpasten fanden sich um die Jahrhundertwende eine Unmenge Tinkturen und Wässerchen im Umlauf, so " Dr. GÜNTHER’s Mittel gegen Zahnbrand und Zahnweh von hohlen Zähnen, mit gedruckter Gebrauchsanweisung, in Gläsern à 30 Gramm" (Langensalza 1881).

Dennoch erlaubte die Firma Gibbs der Familie Gibbs ein sorgenloses Leben im Wohlstand. Aus der Dynastie Gibbs stammt übrigens der Musiker Cecil Armstrong Gibbs (1889-1960), geboren in Graet Baddow, einem Dorf bei Chelmsford/Essex, dessen Vater Direktor der Gibbs-Werke war..

Im besetzten Elsass wurde GIBBS 1942 Sinnbild der Deutschen Gründlichkeit in Sachen Hygiene. Hier ein Auszug aus den Kindheitserinnerungen eines gew. Jean Babé (Internet):
„L'hygiène aussi nous est apprise et chacun possède, à côté de la patère sur laquelle il accroche sa veste ou son manteau, une petite tablette sur laquelle sont posés un gobelet avec une brosse à dents et une boîte en métal marquée Gibbs et contenant du dentifrice sous la forme d'un bloc de plâtre rose. Chaque matin nous nous lavons les dents sous la surveillance de nos deux "Tanten", le dentifrice de l'époque quoique légèrement parfumé a cependant fortement le goût de plâtre.“
Die Besonderheit der ersten hier vorgestellten Dose ist der Verweis auf die Individualität der Zahnpaste: es sollte ausgeschlossen sein, dass sich Zahnkeime innerhalb einer Gruppe von Badezimmerbenutzern ausbreiteten: „inscrivez vos initiales“ auf der Rückseite dieser 6 cm im Durchmesserer messenden Aluminiumdose „N°60, Made in Belgium“ der noch heute florierenden Firma: brav gravierte der einstige Benutzer der Seife seine Initialen „GN“.

Eine Dose dieser Art hatte meine Grossmutter im Gebrauch, als ich sie als kleiner Junge um 1950 im Urlaub in dem Dörfchen Untereisenbach / Vianden besuchte. Ich erinnere mich genau, wie ich mich über diese komische Zahnseife wunderte, benutzten wir in der Hauptstadt doch schon damals Creme aus der Tube.

Zahnheilkunde


Zahnseife (4), um 1950

 

 

"Souriez mieux, souriez GIBBS", mit diesem Werbeslogan aus den 50er Jahren wuchs man auf, und vergass nie mehr, seine Zähne zu pflegen!

 

Wir kennen die Zusammensetzung der GIBBS-Seife nicht - sie ist resp. war ein wohlgehütetes Betriebsgeheimnis. Um Ihnen einen Einblick in die komplizierte Zusammensetzung der Zahnseifen vor Augen zu führen, hier die Meinung eines Fachmannes:

Dr.FROHMANN, ein bekannter Berliner Zahnarzt, verwarf jegliche Zusätze zu Zahnpulvern, Zahnseifen etc., welche eine stark reibende Wirkung auf den Zahn ausüben (Bimsstein, Kohle), ferner unlösliche Mittel (Calcium carbonicum, Conchae etc.) und selbstverständlich auch solche Stoffe, die den Schmelz angreifen (Salicylsäure, Alaun), entkalkend wirken (Acid. lactic., Acid. tartaric.) oder in Gährung übergehen können (Zucker). Er empfahl deshalb eine Zahnseife folgender Zusammensetzung:

- Thymol                           0.25 g
- Ratanhiaextract               1.00 g
- gelöst in heißem Glycerin 6.00 g
- gebrannte Magnesia         0.50 g
- doppelkohlensaures Natron   4.00 g
- medicinische Seifen            30.00 g
- Pfefferminzöl                       1.00 g

Der Gebrauch dieser Seife wurde namentlich nach dem Mittagessen und vor dem Schlafengehen angeraten (nach: Therapeut.Monatsh. d. Pharm. Centralh.).

 

Exponat
Blechdose der Fa. GIBBS / Paris mit passender Seife in Original-Zellophanverpackung. Die hier gezeigte Aufschrift "Savon dentifrice Gibbs Paris" benutzt (L'Illustration n°3848 vom 2.12.1916) wurde ab Ende 1916 benutz und erst 1933 abgeändert.

Zahnheilkunde


Zahnseife (5)

Innsbruck 2
 

 

 

   Die Idee, Zähne mit einer festen Seife zu waschen, scheint Mitte des 19. Jahrhundert geboren zu sein. Auf der Waldheimer Gewerbeaustellung von 1857 stellte der Apotheker Adolf Heinrich August BERGMANN (1799-1858) eine Zahnpasta vor - 1852 gründete er die Waldheimer Parfümerie und Toilettenseifenfabrik, in der seine Zahnseife, ein Vorläufer der heutigen Zahncremes, industriell hergestellt wurde.

 

Hier eine gutgemachte Werbung des französischen Herstellers GIBBS:

"Welcher Person erlaubt es ihr Verdienst nicht wenigstens einmal wöchentlich ein Bad oder eine Dusche zur Reinigung des Körpers zu nehmen?

Welcher Person erlaubt ihr Verdienst nicht die Reinigungspflege des Mundes und der Zähne?

Eine GIBBS-Zahnbürste und GIBBS-Zahnseife stellen bei den heutigen Preisen eine tägliche Ausgabe von 0.09 Franken dar.

9 Centimes pro Tag um einen sauberen Mund und gesunde Zähne zu haben und oft sogar tödliche Krankheiten zu vermeiden …

9 Centimes: nicht einmal den Preis einer Cigarette" (Luxemburger Wort, 3.6.1931).

 

Zur Fa. GIBBS

Seit 1712 gibt es die Fa. Gibbs, die Mitte des 19. Jh. von dem Metzger David Gibbs sen. (1774-1854) geleitet wurde. Aus seiner Ehe mit Anne Marshall (1777-1869) stammten zwei Söhne David Apsland und William Alfred (1819-1900) – alle lebten sie von der Herstellung von Seife in der Miltonstreet, Cripplegate 1845 wurde die Partnerschaft der drei aufgelöst. Die von William Alfred Gibbs erfundene Zahnpaste wurde von der Fa. David & W. Gibbs Ltd. hergestellt. 1862 waren David und William Gibbs auf der Londoner Ausstellung vertreten, 1896 ließen sie ihre Firma als "limited company" eintragen. 1914 beschäftigte der Betrieb nicht weniger als 300 Angestellte und avancierte zum Hoflieferanten.

 

Ab 1906 führten die Franzosen Lucien Allègre und Pierre Thibaud die Produkte der Firma Gibbs nach Frankreich ein. Als Allègre 1909 schwer erkrankt, geht Thibaud eine Verbindung mit Maurice de Madre ein. 1909 nimmt die Firma den Namen Thibaud & Cie an, benennt sich 1910 um in GIBBS France. Ihr Marktrenner ist eine Zahncreme, die alsbald das Produkt des Konkurrenten Colgate bedrängt, insbesondere 1914, als sie die Zahnpaste in der Tube einführt.

Hier die Erinnerung einer Benutzerin aus Schottland, die den Übergang der Dose zur Tube dokumentiert: "One day, in 1946 I believe, a parcel arrived (from Canada) containing wondrous items we had never seen before. It included tubes of toothpaste! Up to that time, our toothpaste came in a tin (Gibbs Dentifrice), and you had to wet the brush and rub it on the hard paste. Come to think of it, it looked very much like what I use now for silver polish!" (Internet). Nach dem 2. Weltkrieg gründen der Franzose Thibaud und der englische Geschäftsmann Lever die Société des Etablissements Gibbs, die sich ab 1955 Thibaud-Gibbs & Cie nennt und 1957 in der Fa. Unilever aufgeht. 

 

Exponat

Runde Aluminiumdose (Durchmesser 7.5 cm) der französischen Fa. GIBBS mit randständigen Resten der rosafarbenen Zahnseife. Erstanden am Hafen/Innsbruck 3/2017. (1934- 1950).

Ab Ende 1916 wird die Aufschrift "Savon dentifrice Gibbs Paris" benutzt (L'Illustration n°3848 vom 2.12.1916), ab Ende 1933 wird die Zahnseife in der schlichteren Dose verkauft (Nouvelle présentation, in: L'illustration n°4728 vom 14.10.1933). Dieser äußerlichen Vereinfachung entspricht eine Verkomplizierung des Inhaltes. In der Tat enthielt die neue Zahnseife FLUORIDE!

 

Zahnheilkunde


Zahnsteinschaber (1)

Zahnstein 1

Fundort Luxemburg

 

 

   Das lateinische Wort "dentiscalpium" beweist, dass auch die alten Römer ein Gerät kannten, mit dem sie die Zähne putzen konnten. In seinem Werke "Das Gastmahl", Teil eines 16-bändigen Opus, beschreibt Petronius Arbiter, ein Zeitgenosse Neros, wie der Gastgeber seine Zähne schon vor [sic] dem Essen mit einer "Spica argentea", einem silbernen Stocher putzt. Dies scheint allerdings die einzige Textstelle zu sein, in der zur Zeit der Römer ein metallener Gegenstand als Zahnstocher benutzt wurde. Im Allgemeinen benutzten die Römer Naturprodukte zur Mundpflege.

 

Der römische Schriftsteller M. Valerius Martialis, der von 40-103 n.Chr. lebte, hat in seinen Werken des Zahnstochers nicht weniger als 4 mal gedacht. So hat er uns z.B. im 14. Buche seiner Epigrammaton libri eine Art Vokabularium hinterlassen, in dem er unter der Rubrik "Dentiscalpium" zu melden weiss, daß man in Ermangelung eines Hölzchens aus Laubholz auch eine Feder zum Reinigen der Zähne benutzen dürfe:


Lentiscus melius: sed si tibi frondea cuspis
Defuerit, debtes pinna levare potest


Der Zahnschaber geht einen Schritt weiter. Mit ihm wurden nicht nur Essensreste, sondern Kalkablagerungen auf den Zähnen entfernt. Seit John GREENWOOD (1760-1819), der George Washington behandeln durfte (!), gilt dieser Zahnstein als ungesund. Doch hatte es schon im 17. Jh. kleine Schabersätze gegeben mit mehreren Instrumenten, die verschiedenartige Köpfe trugen, mit denen man die verborgensten Stellen im Mund erreichen konnte.

 

Exponat 

 

Die meisten Zahninstrumente aus der Mitte des 19. Jh. hatten Knochen- oder Elfenbeingriffe. Vorgestellt werden zwei Schaber aus Metall, mit eleganten Griffen aus Elfenbein - ein Elefant hatte Zahn und Leben hergegeben, damit ein Europäer sich die Zähne blank polieren konnte ...


Ähnliches Instrumentarium schon zur Zeit der Römer bekannt (Fund aus Trier, Sammlung Kugener).