Radiologie


Röntgenplatten, um 1925

 

Erfindung der Bromsilber- gelatineplatte im Jahre 1878. Die Methodik war äusserst stressig.
"Zum Beschichten hielt der Lehrling die Glasplatte meist mit der linken Hand: der Daumen hielt die Scheibe an einer Ecke oben auf der Schichtseite, ohne zu weit in die Platte hineinzugreifen. Die linken Zeige- und Mittelfinger stützten die Platte von unten. Mit der rechten Hand wurde im Dunkeln das dickflüssige Kollodium auf die möglichst waagerecht gehaltene Platte aufgegossen und durch leichtes Hin-und-her-Kippen gleichmäßig auf der Glasfläche verteilt. Nachdem die Kollodiumschicht nahezu trocken war, wurde die Glasplatte ins Silberbad getaucht und hierdurch lichtempfindlich gemacht. Danach ließ man die Platte kurz ablaufen und trug sie in einer lichtdichten Porzellanküvette zur Kamera. Die Kollodiumplatte musste noch im feuchten Zustand belichtet werden. Unter normalen Temperaturbedingungen hatte der Fotograf hierfür etwa 10 bis 15 Minuten Zeit. Machte der Fotograf Aufnahmen außer Haus, musste er zum Beschichten der Platten ein Dunkelkammerzelt mitführen" (zit. https://www.klaus-kramer.de/Richt/ric_top.html).

Trotz dieser technischen Widerlichkeiten liess die fotographische Fixierung der am 8. November 1895 entdeckten und am 28.12.1895 veröffentlichten RX-strahlen nicht lange auf sich warten.
- am 23. Januar 1896 erschien in der englischen Zeitschrift "Nature" das RX-Bild der Hand von Röntgens Gattin, ein Bild das am 22.12.1895 angefertigt worden war.
- ebenfalls am 23. Januar 1896 lichtete Röntgen anlässlich einer Vorstellung vor der "Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft" die Hand des Anatomen Albert von KÖLLIKEN (1817-1905) auf einer Feuchtplatte ab.
- 14 Tage nach der Veröffentlichung der Aufnahme in "Nature", fertigte in Braunschweig Prof. Friedrich Oskar GIESEL (1852-1927) bei seinem Freund, dem Zahnarzt Otto WALKHOFF (1860-1934), auf zugeschnittenen fotografischen Glasplatten die ersten Röntgen-Dentalaufnahmen an.

Im September 1896 entwickelte Carl Schleussner die ersten mit Silberbromid beschichteten Röntgenfotoplatten. Die Frankfurter Familie Schleussner ist seit 1860 in verschiedenen Branchen unternehmerisch aktiv. Für fast 100 Jahre war sie in der fotochemischen Industrie tätig, stellte für Carl Wilhelm Röntgen die ersten Röntgenplatten her und brachte viele weitere Innovationen hervor. In den Jahren vor dem ersten Weltkrieg engagierte sie sich in der Filmindustrie und hatte Anteil am Aufbau der Filmstudios in Neubabelsberg und am Aufstieg Asta Nielsens. In den 20er-Jahren wurden die Schleussner's zu Pionieren bei der Einführung des öffentlichen Rundfunks. Nach dem 2. Weltkrieg engagierten sie sich in der pharmazeutischen Industrie.
Während sich die Industrie der Röntgenapparaturen explosionsartig entwickelte (siehe unter RX-Apparat) blieben blieben auch die chemischen Betriebe Berlins, die ihre Chance in der Entwicklung spezieller Röntgenplatten, später Röntgenfilmen sahen, nicht untätig. Der Pharma-Betrieb SCHERING gründet eine Photographische Abteilung, hat ab 1930 eine eigene Filmgießerei, die nach Prozeduren der belgischen Firma GEVAERT produziert. Ab 1931 übernimmt schließlich VOIGTLÄNDER, Braunschweig, das gesamte SCHERING-Fotogeschäft einschließlich Röntgenfilmen. KAHLBAUM, zeitweilig mit SCHERING liiert, entwickelte und produzierte Verstärkerfolien und Leuchtschirme. Auch das damalige (und wiederum jetzige) KODAK-Werk versorgte später als Alleinhersteller die gesamte DDR-Medizin und -Industrie mit Röntgenfilmen.
AGFA stellte schon 1898 Röntgenplatten her, ab 1922 erstmals den Doppelschichtfilm und schließlich 1928 auch Verstärkerfolien. Das Treptower AGFA-Werk musste 1932 seine Produktion einstellen, weil die unmittelbar daneben vorbeiführende Görlitzer Eisenbahn durch Staub und Ruß erhebliche Qualitätsprobleme verursachte. Die Entwicklung der AGFA-Röntgenmaterialien erfolgte unter Leitung des später weltbekannten Prof. JOHN EGGERT (1891 - 1973) im Wissenschaftlichen Hauptlabor in Treptow, später in enger Zusammenarbeit mit ERNST SCHIEBOLD (1894 - 1963), der zeitweilig in Berlin arbeitete. Das Werk und das Labor siedelten 1928/32 nach Wolfen über, wo AGFA bekanntlich durch die Entwicklung des Farbfilms Weltgeltung erlangte.

Cave: derartige alte Platten sind, für das bloße Auge nur schwer erkennbar, häufig vom Pilz befallen !

Am häufigsten finden sich in Archiven Glasnegative die durch das so genannte 'Nasse Kollodium Verfahren' sensibilisiert wurden, sowie industriell konfektionierte Bromsilber-Gelatine-Trockenplatten. Der vorgestellte Plattenkasten mit einer unbelichteten Trockenplatte stammt aus dem Julius- HAUFF-Werk in Feuerbach/Württemberg, einer Firma, die ihre maximale Produktion in den Jahren 1920-26 erreichte und heute nicht mehr existiert.